Urlaub eines Rechtsanwaltes als Wiedereinsetzungsgrund
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RV/5100288/2024-RS1 | Ein Urlaub ist vorhersehbar und planbar. Rechtsanwälte sind verpflichtet, für eine angemessene Vertretung während ihrer Abwesenheit zu sorgen, um die Interessen ihrer Mandanten nicht zu gefährden. |
RV/5100288/2024-RS2 | Wenn ein Rechtsanwalt es versäumt, für eine ausreichende Vertretung während seines Urlaubs zu sorgen, kann dies als Organisationsverschulden angesehen werden, was eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Johann Fischerlehner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Rechtsanwälte XY über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiedereinsetzung des Verfahrens gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Entscheidung (Vorlageantrag) über die Beschwerdevorentscheidung zum Haftungsbescheid vom zur Steuernummer StNr zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) vom zur Beschwerdevorentscheidung zum Haftungsbescheid vom zur Steuernummer StNr wird als verspätet zurückgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde die beschwerdeführende Partei als Haftungspflichtiger gem. § 9 iVm §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung (BAO) für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma Primärschuldnerin GmbH in Liqu. im Ausmaß von 50.773,56 Euro in Anspruch genommen. Der Bescheid wurde am zugestellt.
Dagegen brachte die beschwerdeführende Partei durch den bevollmächtigten berufsmäßigen Parteienvertreter mit Anbringen vom eine Bescheidbeschwerde ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt an die beschwerdeführende Partei nach einem Zustellversuch am durch Hinterlegung am , wurde die Bescheidbeschwerde als unbegründet abgewiesen.
Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Zustellnachweis zur Beschwerdevorentscheidung:
[...]
Mit Anbringen vom brachte beschwerdeführende Partei durch den bevollmächtigten berufsmäßigen Parteienvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Entscheidung (Vorlageantrag) über die Beschwerdevorentscheidung zum Haftungsbescheid vom ein.
Darin führte die beschwerdeführende Partei aus:
"1. Rechtzeitigkeit:
Die Beschwerdevorentscheidung zu Steuernummer StNr vom wurde dem Beschwerdeführer ***Bf1*** am postalisch zugestellt. Ein paar Tage nach dieser Zustellung erschien der Beschwerdeführer unangemeldet in der Kanzlei der ausgewiesenen Rechtsvertretung und übergab die Beschwerdevorentscheidung der Sekretärin B C H.
Der mit dem Akt ***Bf1***, Haftungsbescheid, betraute Rechtsanwalt Dr. *** war zu diesem Zeitpunkt nicht in der Kanzlei anwesend, wodurch die Beschwerdevorentscheidung in den laufenden Akt eingelegt wurde. Auf dem Handakt war der Vormerk für die Wiedervorlage an den bearbeitenden Rechtsanwalt mit vermerkt. Bei dieser Wiedervorlage und Durchsicht des Aktes erlangte der bearbeitende Rechtsanwalt erstmalig Kenntnis davon, dass im Akt eine unbearbeitete Beschwerdevorentscheidung einliegt, deren Frist zur Stellung eines Vorlageantrages abgelaufen war. Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist ist sohin rechtzeitig.
2. Zu dem Gründen:
Der Beschwerdeführer ***Bf1*** übergab der ausgewiesenen Rechtsanwaltskanzlei die Beschwerdevorentscheidung an die seit mehr als 20 Jahre in der Kanzlei beschäftigte Sekretärin B C H, da Dr. *** als zuständiger Sachbearbeiter urlaubsbedingt nicht in der Kanzlei anwesend war. In solchen Fällen, wenn also ein zuständiger Rechtsanwalt urlaubsbe dingt oder sonstwie länger abwesend ist, kann Frau H aufgrund eigener Fachkenntnis die Frist selbst berechnen und den letzten Tag der Frist in den Fristenkalender und in den Handakt eintragen.
Hier dürfte Frau H ein Missgeschick passiert sein, indem Sie die Frist (bzw. den Ablauf der Frist) zwar auf dem Handakt vermerkte, aber nicht im Fristenkalender eintrug.
Hierzu ist erklärend auszuführen, dass Akte, die keiner sofortigen Bearbeitung bedürfen, auf "Kalender" gelegt werden und der Vormerk, je nach Bearbeitungsintensität, dabei mehrere Tage bis mehrere Wochen betragen kann. Der gegenständlich Handakt ***Bf1***, Haftungsbescheide, wurde zuvor über mehrere Wochen vorgemerkt, da zwischenzeitig keine Bearbeitung zu erwarten war.
Vor Ablauf dieses Vormerks wird dann der Akt dem zuständigen Rechtsanwalt wieder zur allfälligen Bearbeitung vorgelegt, und, wenn keine Bearbeitung ansteht, weiter vorgemerkt "kalendiert" oder bearbeitet.
Um die Wiedervorlage eines kalendierten Aktes zu gewährleisten wird der neue Vormerk nicht nur auf dem Handakt sondern auch in einen Kalender eingetragen. Die am jeweiligen Tag ablaufenden Vormerke werden dann täglich in einer Liste abgerufen, wodurch dann die zuständige Sekretärin weiß, dass bei einem Akt ein bestimmter Vormerk abläuft und dieser daher dem zuständigen Rechtsanwalt vorgelegt werden muss.
Gelangen in der Zwischenzeit Schriftstücke oder sonstiges in der Kanzlei ein, so werden sie dem jeweiligen Handakt zugeordnet und während des laufenden Vormerks dem zuständigen Rechtsanwalt zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Langen fristenauslösende Schriftstücke in der Kanzlei ein, so wird nicht nur deren Ablauffrist auf dem Handakt, sondern auch im Fristenkalender neu vermerkt und zusätzlich gleich dem bearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt. So soll verhindert werden, dass eine Frist versäumt wird.
Gegenständlich ist nun der Mitarbeiterin das Missgeschick passiert, dass, nachdem der zuständige Rechtsanwalt urlaubsbedingt abwesend war, und somit der Handakt nicht unverzüglich vorgelegt werden konnte, dass sie die Ablauffrist zwar auf dem Handakt vermerkte, aber nicht zusätzlich im Fristenkalender eintrug. Warum ihr dieses Missgeschick passierte, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Somit wurde der Handakt ***Bf1***, Haftungsbescheide, dem zuständigen Rechtsanwalt erst mit Ablauf der normalen Vorlagefrist am wieder vorgelegt, wodurch dem zuständigen Rechtsanwalt dann erstmalig auffiel, dass während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit eine Beschwerdevorentscheidung einlangte, deren Frist zur Erstattung eines Vorlageantrages gegen diese Beschwerdevorentscheidung bereits abgelaufen war.
Frau H ist seit mehr als 20 Jahre in der Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters als Kanzleileiterin beschäftigt und gilt als äußerst zuverlässig und genau. Ein derartiger Fehler ist ihr noch nie passiert und ist für sie daher auch völlig unverständlich, wie ihr dieses Missgeschick passieren konnte.
Es zeigt sich, dass es sich beim aufgezeigten Sachverhalt um einen minderen Grad des Versehens handelt, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens über die Ver säumung der Frist zur Erstattung eines Vorlageantrages zu bewilligen ist."
Dem Anbringen war als Bescheinigungsmittel eine eidesstättige Erklärung, die von B C H eigenhändig unterfertigt wurde, beigelegt.
Darin ist ausgeführt:
"Ich, B C H, bin seit über 20 Jahre in der Kanzlei RA XY als Kanzleileiterin beschäftigt. Ende Mai 2023, das genaue Datum ist mir nicht mehr in Erinnerung, ist mir ein bedauerliches Missgeschick passiert, indem ich die Ablauffrist zur Stellung eines Vorlageantrages in der Beschwerdevorentscheidung ***Bf1*** nur auf dem Handakt vermerkt habe und nicht auch im Fristenkalender. Üblicherweise werden fristauslösende Schriftstücke unverzüglich dem bearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt, als auch deren Ablauffrist am Aktendeckel und zusätzlich im Fristenkalender vermerkt wird. Gegenständlich war aber Dr. *** im Urlaub, wodurch ihm der Handakt nicht vor Ablauf der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages, sondern erst im Zuge des normalen Fristvormerks vorgelegt wurde. Ich bedaure mein Missgeschick zutiefst, so etwas ist mir in meiner langjährigen Tätigkeit als Kanzleileiterin noch nie passiert."
Gleichzeitig wurde zur Beschwerdevorentscheidung vom zu Steuernummer StNr der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt (Vorlageantrag).
Mit dem angefochtenen Bescheid, zugestellt am , wurde der Wiedereinsetzungsantrag vom als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, maßgebend sei, ob dem Parteienvertreter grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle anzulasten sind. Zur Kanzleiorganisation gehöre die Führung eines Fristenvormerks. Der Parteienvertreter hätte die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen sichergestellt sind. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen ua. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Die Unterlassung der besonderen Kontrolle sei eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des berufsmäßigen Parteienvertreters; sie sei nicht als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren. Laut dem Antrag auf Wiedereinsetzung könne die Kanzleimitarbeiterin, Frau H, wenn ein zuständiger Rechtsanwalt urlaubsbedingt oder auch aus anderen Gründen länger abwesend ist, aufgrund eigener Fachkenntnis, die Frist selbst berechnen und den letzten Tag der Frist in den Fristenkalender und in den Handakt eintragen. Diese Eintragungen würden jedoch nicht laufend überprüft, da ansonsten der Fehler vor Ablauf der Frist bemerkt worden wäre. Es könne daher auch nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden.
In der gegenständlichen Bescheidbeschwerde vom wurde vorgebracht, entgegen der Auffassung des Finanzamtes Österreich hätte die langjährige Mitarbeiterin als Kanzleileiterin nicht nur vergessen, die Frist zur Stellung einer Beschwerdevorentscheidung in den Fristenkalender einzutragen, es sei zudem ein besonderer ausschlaggebender Umstand hinzugetreten, dass der mit der Rechtssache befasste Rechtsanwalt urlaubsbedingt abwesend war. Wäre letzteres nicht der Fall gewesen, so wäre der Fehler nicht passiert, da das in der Kanzlei eingerichtete "Vieraugenprinzip" gerade einen solchen Fehler verhindern sollte. Es liege somit leichte Fahrlässigkeit vor, sohin ein Fehler, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen kann, sodass keine auffallende Sorglosigkeit gegeben ist. In diesem Sinn sei dem Vertreter des Beschwerdeführers auch kein grober Mangel in der Kanzleiorganisation, oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle vorzuwerfen, da bislang die Führung des Fristenvormerks immer klaglos und ohne Beanstandung geführt wurde. Die Struktur zur Führung eines Fristenvormerks ist in der Kanzlei des ausgewiesenen Rechtsvertreters so gar mit einer 3-fachen Sicherheit gewährleistet, indem fristauslösende Schriftstücke bzw. deren Ablauffrist auf dem Handakt, im Fristenkalender und zusätzlich gleich dem bearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt werden. So sollte verhindert werden, dass eine Frist versäumt wird. Durch diese 3-fache Kontrolle einer Ablauffrist sei ausreichend dafür vorgesorgt, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen mit größter Wahrscheinlichkeit nach auszuschließen sind.
Es sei auch gewährleistet, dass die Kanzleimitarbeiterin über ausreichende eigene Fachkenntnis verfüge, um Fristen selbst berechnen um den letzten Tag der Frist in den Fristenkalender und in den Handakt eintragen zu können. Diese Eintragungen würden auch laufend überprüft und seien bis dato auch diesbezügliche Fehler vor Ablauf der Frist noch nie eingetreten bzw. soll die Letztvorlage an den zu bearbeitenden Rechtsanwalt gewährleisten, dass die Frist korrekt in den Fristenkalender eingetragen wurde.
Gegenständlich sei bedauerlicherweise das zeitgleiche Ereignis dazugekommen, dass der bearbeitende Rechtsanwalt während der Fristeintragung urlaubsbedingt abwesend war und ihm somit der Handakt nicht vorgelegt wurde. Das Missgeschick von Frau H sei nur deshalb passiert, da sie aus unerklärlichen Gründen zwar den Ablauf der Frist auf dem Handakt vermerkte, aber nicht zusätzlich im Fristenkalender eintrug. Somit sei der Handakt ***Bf1***, Haftungsbescheide, dem zuständigen Rechtsanwalt erst mit Ablauf der normalen Vorlagefrist am wieder vorgelegt, wodurch dem zuständigen Rechtsanwalt dann erstmalig auffiel, dass während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit eine Beschwerdevorentscheidung einlangte, deren Frist zur Erstattung eines Vorlageantrages gegen diese Beschwerdevorentscheidung bereits abgelaufen war.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die gegenständliche Bescheidbeschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, ein Urlaub stelle kein unabwendbares Ereignis dar, dass zu einer Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO führen würde. Die Planung eines solchen erfolgt meist längere Zeit im Voraus und innerhalb dieser Zeit muss jedenfalls sichergestellt werden, dass die größtmögliche Sorgfalt bei der Einhaltung der Rechtsmittelfristen gewahrt bleibe.
Mit Anbringen vom wurde ein Vorlageantrag eingebracht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der teilweise zitierte Antrag auf Wiedereinsetzung vom stützt sich im Wesentlichen auf folgende Vorbringen:
Die Kanzleikraft, die den für die Fristversäumnis ursächlichen Fehler begangen hat, war sonst verlässlich und zuverlässig.
Das Versehen war einmalig und trat nicht wiederholt auf.
Das Versehen wurde durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis (Vergessen) verursacht.
Im Wiedereinsetzungsantrag wurden keine Angaben zur Kanzleiorganisation und zum Fehlen einer Organisationspflichtverletzung gemacht. Dieses Vorbringen findet sich erstmals in der gegenständlichen Bescheidbeschwerde als Replik auf die Begründung im angefochtenen Bescheid. Hier findet sich erstmals das Vorbringen, dass gewährleistet sei, dass die Kanzleimitarbeiterin über ausreichende eigene Fachkenntnis verfüge, um Fristen selbst berechnen um den letzten Tag der Frist in den Fristenkalender und in den Handakt eintragen zu können. Diese Eintragungen würden auch laufend überprüft und seien bis dato auch diesbezügliche Fehler vor Ablauf der Frist noch nie eingetreten bzw. soll die Letztvorlage an den zu bearbeitenden Rechtsanwalt gewährleisten, dass die Frist korrekt in den Fristenkalender eingetragen wurde. Gegenständlich sei bedauerlicherweise das zeitgleiche Ereignis dazugekommen, dass der bearbeitende Rechtsanwalt während der Fristeintragung urlaubsbedingt abwesend war und ihm somit der Handakt nicht vorgelegt wurde.
Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) vom zur Beschwerdevorentscheidung vom zu Steuernummer StNr wurde nicht in einmonatigen Frist nach (§ 264 Abs. 1 BAO) eingebracht, da die Beschwerdevorentscheidung vom laut vorliegendem Zustellnachweis am zugestellt wurde und die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages somit am abgelaufen ist, zumal der ein Samstag und der ein Sonntag war.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 308 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) lautet:
"Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
§ 308 Abs. 3 BAO lautet:
"(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen."
Für die Anerkennung eines Kanzleiversehens als Wiedereinsetzungsgrund müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Die Kanzleikraft muss sonst verlässlich und zuverlässig sein.
Das Versehen muss einmalig und darf nicht wiederholt auftreten.
Dem berufsmäßigen Parteienvertreter darf keine Organisationspflichtverletzung vorzuwerfen sein.
Das Versehen muss durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis verursacht worden sein.
Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund ist im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen (zB ) bzw sind bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (; , 97/02/0093, ZfVB 1998/2/389). Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (; , 96/13/0173, 0174; , 2006/15/0109; , Ra 2020/16/0139); teilweise ergänzt der VwGH durch "im Wiedereinsetzungsantrag abgesteckt" (), teilweise stellt er auf die Wiedereinsetzungsfrist ab (zB ; , 92/15/0211; , 91/14/0018, 0042; , Ra 2019/15/0042). Eine Auswechslung des Wiedereinsetzungsgrundes im Rechtsmittelverfahren ist daher unzulässig ().
Wer sich auf ein Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl ). Dieses Vorbringen wurde jedoch erstmals in der Bescheidbeschwerde vorgebracht, sodass dieses nicht zu berücksichtigen ist. Somit erweist sich schon aus diesem Grund das Wiedereinsetzungsbegehren als unbegründet und der angefochtene Bescheid ist damit rechtmäßig.
Soweit der berufsmäßige Parteienvertreter seine urlaubsbedingte Abwesenheit als Grund dafür ansieht, dass er die notwendigen Kontrollmaßnahmen gegenüber seinem Hilfspersonal nicht durchführen konnte, ist zu entgegnen:
Ein Urlaub ist vorhersehbar und planbar. Rechtsanwälte sind verpflichtet, für eine angemessene Vertretung während ihrer Abwesenheit zu sorgen, um die Interessen ihrer Mandanten nicht zu gefährden.
Wenn ein Rechtsanwalt es versäumt, für eine ausreichende Vertretung während seines Urlaubs zu sorgen, kann dies als Organisationsverschulden angesehen werden, was eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.
Auch aus diesen Gründen ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Zurückweisung Vorlageantrag)
§ 264 Abs. 1 BAO lautet:
"Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten."
§ 264 Abs. 5 BAO lautet:
"Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht."
Wie bereits dargestellt ergibt sich unzweifelhaft, dass der Vorlageantrag vom nicht fristgerecht eingebracht wurde, sodass sich die Rechtsfolge der Zurückweisung durch das Bundesfinanzgericht bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
2.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis stützt sich auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100288.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
XAAAF-48727