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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.03.2025, RV/5100614/2022

Kein Vorsteuerabzug für durch die Körperschaft öffentlichen Rechts unentgeltlich den Benützern zur Verfügung gestellte Bedürfnisanstalten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Mag. R. *** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Umsatzsteuer 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf.), die eine Körperschaft öffentlichen Rechts und zwar eine Gebietskörperschaft ist, hat am eine Umsatzsteuerklärung für das Jahr 2021 beim Finanzamt für Großbetriebe (im Folgenden: Finanzamt) elektronisch über FinanzOnline eingebracht. In dieser Umsatzsteuererklärung wurden insgesamt Vorsteuern (Kennziffer 060) in Höhe von € ***9*** geltend gemacht.

Am erließ das Finanzamt einen der Erklärung der Bf. entsprechenden Umsatzsteuerbescheid 2021.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf. betreffend die Umsatzsteuererklärung 2021 mit Fristsetzung bis ersucht folgende Punkte bekanntzugeben bzw. zu erläutern:

- Wie hoch sind die 2021 geltend gemachten Vorsteuern i. Z. mit den öffentlichen WC-Anlagen?
- Wie hoch sind die Einnahmen, die im Jahr 2021 durch den Betrieb der WC-Anlagen erzielt wurden?
- Wurden auch in anderen Jahren Vorsteuern i. Z. mit den öffentlichen WC-Anlagen geltend gemacht?

Dieses Ergänzungsersuchen wurde von der Bf. am wie folgt beantwortet:

Im Jahr 2021 hätte die Bf. € 49.008,43 an Vorsteuern (Anmerkung: gemeint im Zusammenhang mit öffentlichen WC-Anlagen) geltend gemacht. Darin wären Vorsteuern für die Errichtung einer neuen kostenpflichtigen WC-Anlage auf der ***1*** in Höhe von € ***10*** enthalten. Im Jahr 2021 hätte die Bf. Einnahmen in Höhe von € 26.886,48 erzielt. Dieser Betrag würde um ca. € 5.000,00 - € 10.000,00 unter den durchschnittlichen Einnahmen vor Corona liegen. Aufgrund Lockdown und fehlender Veranstaltungen im Innenstadtbereich (Märkte, Punschstände, Adventmarkt, ***2*** etc.) hätten sich die Einnahmen leider vermindert. In den Jahren vor 2021 hätte die Bf. nur für kostenpflichtige WC-Anlagen einen Vorsteuerabzug geltend gemacht. Aufgrund der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom (Bedürfnisanstalten Stadt ***3***) und Rücksprache mit dem Steuerbüro ***4*** hätte die Bf. im Jahr 2021 auch für die kostenfreien WC-Anlagen einen Vorsteuerabzug geltend gemacht.

Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Umsatzsteuerbescheid für 2021 vom gemäß § 299 BAO auf und erließ gleichzeitig einen neuen Sachbescheid Umsatzsteuer für das Jahr 2021 in dem die Vorsteuer gegenüber der von Bf. am abgegebenen Umsatzsteuererklärung um € 12.849,35 mit folgender Begründung gekürzt wurde:

"Vorsteuern i. Z. m. kostenlos benutzbaren WC-Anlagen in Höhe von € 12.849,35 können nicht abgezogen werden, da es sich dabei um keine unternehmerische Tätigkeit handelt. Es liegt in diesem Zusammenhang keine Einnahmenerzielungsabsicht vor. Ein Vorsteuerabzug im Sinne des § 12 Abs. 1 UStG ist daher nicht möglich."

Gegen den Umsatzsteuerbescheid 2021 vom , aber nicht gegen den Aufhebungsbescheid gem. § 299 BAO vom selben Tag, erhob die Bf. am fristgerecht Beschwerde, wobei beantragt wurde, dass das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern möge, dass der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit kostenlos benutzbaren Bedürfnisanstalten in der Höhe von € 12.849,35 anerkannt wird. In eventu wurde beantragt den angefochtenen Bescheid gemäß § 278 Abs. 1 BAO mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Finanzamt zurückzuverweisen.

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde verzichtet

Diese Beschwerde wurde wie folgt begründet:

Sachverhalt:
Mit Umsatzsteuererklärung vom hätte die Bf. für kostenpflichtige und nicht kostenpflichtige Bedürfnisanstalten für das Jahr 2021 an Vorsteuern in der Höhe von insgesamt € 49.008,43 geltend gemacht. Der Vorsteuerabzug für den Betrieb der kostenfreien Bedürfnisanstalten würde sich auf € 12.849,35 belaufen. Mit Umsatzsteuerbescheid vom wäre die Vorsteuerabzugsberechtigung für den Betrieb der kostenfreien Bedürfnisanstalten nicht anerkannt worden, da es sich nach Ansicht der belangten Behörde mangels Einkommenserzielungsabsicht nicht um eine unternehmerische Tätigkeit handeln würde. Die Abgabennachforderung in der Höhe von € 12.849,35 wäre seitens der Bf. mittlerweile berichtigt worden.

Zulässigkeit der Beschwerde:
Der bekämpfte Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe wäre der Bf. am zugestellt worden. Die nunmehr innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist gemäß §§ 243 i.V.m. § 245 BAO eingebrachte Beschwerde an das Bundesfinanzgericht wäre daher rechtzeitig und zulässig.

Beschwerdegründe:
Die Bf. würde im Stadtgebiet insgesamt zehn Bedürfnisanstalten betreiben. Davon wären fünf kostenpflichtig und fünf kostenfrei. Die Ausgaben für den Betrieb dieser Anstalten hätten sich im Jahr 2021 auf € 143.260,35 (ohne Abschreibung und Investitionen), die Einnahmen auf
€ 28.326,48 belaufen. Das zugeflossene Entgelt würde sich zwar als nicht kostendeckend erweisen, jedoch wäre aufgrund des Deckungsbeitrages von 19,77 % der Gesamtkosten vom Vorliegen einer ausreichenden Einnahmenerzielungsabsicht auszugehen. Die Einnahmen würden im Gegenstandsfall eine Höhe erreichen, die jedenfalls für eine Tätigkeit von einigem wirtschaftlichen Gewicht sprechen würde. Es wäre daher die geforderte Einnahmenerzielungsabsicht für die gesamte Einrichtung der kostenpflichtigen und nicht kostenpflichtigen Bedürfnisanstalten gegeben. Diese würden eine einheitliche Einrichtung im Sinne § 2 Abs. 1 KStG darstellen, zumal an allen Standorten ein und dieselbe wirtschaftliche Leistung ausgeführt werden würde, diese einheitlich als WC-Anlagen der Bf. gekennzeichnet und ersichtlich wären und unter einer einheitlichen Verwaltung der Abteilung "Gebäude- und Liegenschaftsverwaltung" des ***11*** stehen würden. Insgesamt wären daher die Voraussetzungen für eine einheitlich zu beurteilende Einrichtung gegeben, sodass insgesamt ein BgA und damit die grundsätzlich uneingeschränkte Vorsteuerabzugsberechtigung anzunehmen wäre. Die laut Beilage ./A dargestellten Ausgaben würden unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Bf. zusammenhängen, womit ihr der uneingeschränkte Vorsteuerabzug zustehen müsse (vgl. ).

Am erließ das Finanzamt eine die Beschwerde vom abweisende Beschwerdevorentscheidung mit nachstehend wiedergegebener Begründung:

Mit Umsatzsteuererklärung vom hätte die Bf. für kostenpflichtige und nicht kostenpflichtige Bedürfnisanstalten für das Jahr 2021 Vorsteuern in der Höhe von insgesamt
€ 49.008,43 geltend gemacht. Der Vorsteuerabzug für den Betrieb der kostenfreien Bedürfnisanstalten würde sich auf € 12.849,35 belaufen. Mit Umsatzsteuerbescheid vom wäre die Vorsteuerabzugsberechtigung für den Betrieb der kostenfreien Bedürfnisanstalten nicht anerkannt worden.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 wäre Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen würde die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfassen. Gewerblich oder beruflich wäre jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht Gewinne zu erzielen fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Im gegenständlichen Fall würde die Bf. sowohl kostenpflichtige als auch kostenfreie Bedürfnisanstalten betreiben. Diese unentgeltlich betriebenen Bedürfnisanstalten würden kein Mittel darstellen, damit die Bf. Einnahmen erzielen kann und somit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben kann. Jene öffentlichen Bedürfnisanstalten die kostenlos, ohne ein Benutzungsentgelt zu entrichten, benutzt werden können, würden nicht der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dienen. Daher könnten diese Bedürfnisanstalten als solche auch nicht dem Unternehmen der Bf. dienen.

Nach § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 könne der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Da die kostenlosen Bedürfnisanstalten nicht dem Unternehmen des Beschwerdeführers dienen würden, würden damit in Zusammenhang stehende Vorleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, mögen sie in organisatorischer Hinsicht auch dem Betrieb gewerblicher Art zugewiesen sein.

Aufgrund dieser Umstände werde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Schreiben vom stellte die Bf. einen Vorlageantrag betreffend die Beschwerde vom gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2021 vom .

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2021 vom zur Entscheidung vor, wobei betreffend den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt, die Beweismittel und betreffend die Stellungnahme zur Beschwerde auf eine Beilage zu diesem Vorlagebericht (Beilage 6 = "Verf12_Stellungnahme zu Vorlageantrag_signed") verwiesen wurde.

In dieser Beilage 6 des Vorlageberichts vom hat das Finanzamt folgendes vorgebracht:

Bezughabende Norm (z.B. § 20 Abs. 1 Z 2 lit d Einkommensteuergesetz (EStG) 1988:
§ 2 Abs. 1 UStG iVm § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG

Streitpunkte:
Vorsteuerabzug gem. § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG für nicht kostenpflichtige Bedürfnisanstalten.

Sachverhalt:
Mit Umsatzsteuererklärung vom hätte die Bf. für kostenpflichtige und nicht kostenpflichtige Bedürfnisanstalten für das Jahr 2021 Vorsteuern in der Höhe von insgesamt
€ 49.008,43 geltend gemacht. Der Vorsteuerabzug für den Betrieb der kostenfreien Bedürfnisanstalten würde sich auf € 12.849,35 belaufen. Mit Umsatzsteuerbescheid vom wäre die Vorsteuerabzugsberechtigung für den Betrieb der kostenfreien Bedürfnisanstalten nicht anerkannt worden.

Beweismittel:
Stellungnahme:
Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, wäre der Steuerpflichtige/Unternehmer nach Art. 168 Buchst. a MwSt-RL 2006/112/EG berechtigt, die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände oder Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

Gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2006/112/EG gelte als Steuerpflichtiger, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Die wirtschaftlichen Tätigkeiten wären nach Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 2 MwSt-RL 2006/112/EG alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeit der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleich gestellten Berufen. Als wirtschaftliche Tätigkeit gelte insbesondere auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 wäre Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen würde die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfassen. Gewerblich oder beruflich wäre jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Im gegenständlichen Fall hätte die Bf. teilweise Bedürfnisanstalten betrieben, für die kein Entgelt für die Benutzung verlangt worden wäre. Unzweifelhaft würde es sich bei den Bedürfnisanstalten um körperliche Gegenstände handeln. Mit den Bedürfnisanstalten, welche kostenlos der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten werden, würden keine Einnahmen erzielt werden. Daher würden diese unentgeltlich betriebenen Bedürfnisanstalten auch kein Mittel darstellen, damit Einnahmen erzielt werden können und eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden könne. Die öffentlichen Bedürfnisanstalten, die kostenlos, ohne ein Benutzungsentgelt zu entrichten, benutzt werden können, würden nicht der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen dienen. Daher könnten diese Bedürfnisanstalten als solche auch nicht dem Unternehmen der Bf. dienen.

Nach Ansicht des Finanzamtes wäre bei der Nutzbarkeit der WC-Anlagen für die Öffentlichkeit mangels Einnahmenerzielungsabsicht von einer nichtunternehmerischen Verwendung dieser Einrichtungen auszugehen.

Nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 könne der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Da die kostenlosen Bedürfnisanstalten nicht dem Unternehmen der Bf. dienen würden, würden damit im Zusammenhang stehende Vorleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, mögen sie in organisatorischer Hinsicht auch dem Betrieb gewerblicher Art zugewiesen sein.

Beschwerderelevante Aktenteile (diese Dokumente wären aufzulisten und der Stellungnahme beizulegen):
• Umsatzsteuerbescheid 2021
• Beschwerde
• Beschwerdevorentscheidung
• Vorlageantrag

Zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt wäre am ein BFG-Erkenntnis ergangen (RV/7104210/2019). Gegen dieses BFG-Erkenntnis hätte das Finanzamt für Großbetriebe mit eine Amtsrevision erhoben.

Mit Beschluss vom erging an die Bf. folgendes Ersuchen, das auch dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht wurde:

1. Der Bf. wird die Stellungnahme des Finanzamtes vom übermittelt und für eine Äußerung eine Frist von vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gesetzt.

2. Die Bf. wird des Weiteren um Mitteilung ersucht welche Abteilung/Einheit der Beschwerdeführerin für den Betrieb der Bedürfnisanstalten zuständig ist und wie die Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit diesen haushaltsrechtlich behandelt werden. Um Vorlage diesbezüglicher Nachweise wird gebeten.

3. Für die Mitteilung laut Punkt 2. dieses Beschlusses wird eine Frist von vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gesetzt.

4. Schließlich wird die Bf. innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses um Bekanntgabe gebeten, ob gegen eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gem. § 271 BAO bis zum Abschluss eines der nachstehend angeführten Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof überwiegende Interessen der Beschwerdeführerin entgegenstehen oder einer solchen Aussetzung zugestimmt wird:
Ro 2022/13/0005 (zu )
Ro 2022/13/0006 (zu )

Dieser Beschluss wurde hinsichtlich des Punktes 4.) wie folgt begründet:

§ 271 Abs. 1 BAO normiert folgendes:

Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.

Betreffend die auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sich stellende Rechtsfrage ob die teils unentgeltliche Zurverfügungstellung von Bedürfnisanstalten an die Benützer zu einem teilweisen Vorsteuerausschluss führt oder nicht, sind die unter Punkt 4.) aufgrund vom Finanzamt für Großbetriebe erhobener Amtsrevisionen angeführten Revisionsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, weswegen das Bundesfinanzgericht eine Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bis zum Abschluss eines dieser beiden Revisionsverfahren beabsichtigt.

Mit Schreiben vom beantwortete die Bf. die Ersuchen laut Beschluss vom wie folgt:

zu 2. Die ***12*** Bedürfnisanstalten würden organisatorisch von der Gebäude- und Liegenschaftsabteilung verwaltet und betrieben werden. Die Gebäude- und Liegenschaftsabteilung werde als marktbestimmter Betrieb geführt werden (Ansatz ***13***) und würde ein 100%-iger Vorsteuerabzug bestehen. Die Hauptaufgabe der Gebäude- und Liegenschaftsverwaltung würde in der Betreuung und Verwaltung der Gemeindewohnungen und -liegenschaften bestehen.

zu 4. Einer Aussetzung des Beschwerdeverfahrens werde bis zum Abschluss eines der angeführten Verfahren, wie vorgeschlagen, zugestimmt.

Folgende Beilagen waren diesem Schreiben angeschlossen:
a) Schreiben vom Amt der ***6*** Landesregierung, ***7*** vom ***8*** 2009, mit welchem die Einrichtung der Gebäude- und Liegenschaftsverwaltung als Betrieb mit marktbestimmender Tätigkeit genehmigt wird
b) Satzung für die Einrichtung und Verwaltung von Wohn- und Geschäftsgebäuden und der Verwaltung aller der im Eigentum der Bf. stehenden und angemieteten Liegenschaften als Betrieb mit marktbestimmter Tätigkeit der ***5*** in der Fassung vom
c) Rechnungsabschluss 2023 betreffend Betriebe für die Errichtung und Verw. von Wohn- und Geschäftsgeb.

Mit Beschluss vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde vom gemäß § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung eines der beiden beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ Ro 2022/13/0005 (Amtsrevision zu )
GZ Ro 2022/13/0006 (Amtsrevision zu [Anmerkung: richtig: RV/7103059/2017)
anhängigen Verfahrens ausgesetzt, und zwar bis eines der beiden angeführten Verfahren abgeschlossen ist, das heißt wenn eines dieser beiden Revisionsverfahren abgeschlossen ist, wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren fortgesetzt, da der Ausgang dieser Verfahren hinsichtlich der Frage, ob die teils unentgeltliche Zurverfügungstellung von Bedürfnisanstalten durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts an die Benützer zu einem teilweisen Vorsteuerausschluss führt oder nicht, von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache ist.

Am hat der Verwaltungsgerichtshof zu Ro 2022/13/0006 das Erkenntnis des , wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Auch das Erkenntnis des BFG vom 31.8.20221, RV/7104210/2019, wurde vom VwGH mit Erkenntnis vom , Ro 2022/13/0005, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit Beschluss vom wurde den Parteien des Beschwerdeverfahrens die Entscheidung des -4, die aufgrund einer vom Finanzamt für Großbetriebe gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103059/2017, erhobenen Amtsrevision ergangen ist, zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortgesetzt wird, weil der Grund für die mit Beschluss vom verfügte Aussetzung gem. § 271 BAO weggefallen ist.

Weiters wurde die Bf. innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses um Bekanntgabe ersucht, ob unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des VwGH, die dieser in der Entscheidung vom , Ro 2022/13/0006-4, zum Ausdruck gebracht hat, die Beschwerde aufrecht erhalten oder zurückgenommen wird.

Innerhalb der gesetzten Frist erfolgte keine schriftliche Bekanntgabe durch die Bf. In einem Telefonat vom wurde durch den zuständigen Mitarbeiter der Bf. dem erkennenden Richter mitgeteilt, dass die Beschwerde aufgrund der Ausführungen des VwGH in der Entscheidung vom , Ro 2022/13/0006-4, als hinfällig angesehen wird.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin verfügt über zehn, über das Gemeindegebiet verteilte WC-Anlagen, sogenannte Bedürfnisanstalten. Die Zuständigkeit für die Bedürfnisanstalten war (und ist) innerhalb der Verwaltungsorganisation der Bf. der Gebäude- und Liegenschaftsabteilung zugeordnet, wobei die Gebäude- und Liegenschaftsabteilung als marktbestimmter Betrieb im Sinne der ESVG 1995 (Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen) geführt wurde bzw. wird (Ansatz ***13***).

Fünf Bedürfnisanstalten werden kostenpflichtig für deren Benützer betrieben. Bei der Benutzung einer kostenpflichtigen WC-Anlage leistet der Leistungsempfänger (Kunde) das Benützungsentgelt nur für die Benützung dieser von ihm benutzen Bedürfnisanstalt (an einem konkreten Standort). Durch die einmalige Zahlung des Benützungsentgelts ist daher nicht auch die Benützung sonstiger (kostenpflichtiger) Bedürfnisanstalten (an anderen Standorten) der Bf. inkludiert.

Für die Benutzung der anderen fünf Bedürfnisanstalten ist hingegen kein Entgelt zu bezahlen, dh. deren Nutzung ist kostenlos.

Insgesamt sind an Ausgaben für die von der Bf. im Jahr 2021 betriebenen zehn Bedürfnisanstalten € 143.260,35 (ohne Abschreibungen und Investitionen) angefallen.

Für den Betrieb der kostenlos betriebenen Bedürfnisanstalten sind im Jahr 2021 der Bf. folgende Ausgaben erwachsen:


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Art
Ausgaben (netto)
Umsatzsteuer
Geringwertige Wirtschaftsgüter
€ 256,11
€ 51,22
Reinigungsmittel
€ 576,91
€ 115,38
Strom
€ 1.788,5
€ 357,70
Instandhaltung
€ 5.257,45
€ 1.051,49
Entgelte für Leistungen von Firmen betr. kostenlos betriebene Bedürfnisanstalten
€ 56.367,80
€ 11.273,56
Summe
€ 64.246,77
€ 12.849,35

Die für die ohne Entgelt betrieben Bedürfnisanstalten angefallenen Kosten sind auch nicht Kostenelemente der von der Bf. entgeltlich zur Verfügung gestellten fünf Bedürfnisanstalten.

Die Bf. hat in ihrer am eingereichten Umsatzsteuererklärung 2021 für den Betrieb der zehn Bedürfnisanstalten an Vorsteuer einen Betrag von € 49.008,43 geltend gemacht, wovon ein Betrag von € 36.159,08 auf die gegen Entgelt betrieben fünf Bedürfnisanstalten (darin enthalten ein Betrag von € ***10*** an Vorsteuern für die Errichtung einer neuen kostenpflichtigen WC-Anlage auf der ***1***) und ein Betrag von € 12.849,35 auf den Betrieb der kostenfrei betriebenen fünf Bedürfnisanstalten entfallen ist.

Für die fünf gegen Entgelt betriebenen Bedürfnisanstalten hat die Bf. 2021 insgesamt € 28.326,48 von deren Benutzern vereinnahmt.

Das zugeflossene Entgelt für die fünf gegen Entgelt betriebenen Bedürfnisanstalten hat sohin 19,77% der 2021 für alle Bedürfnisanstalten angefallenen Ausgaben ohne Investitionen und Abschreibungen betragen und für die fünf gegen Entgelt betriebenen Bedürfnisanstalten (ohne Abschreibungen und Investitionen) der 32,60% Ausgaben. Die 32,60% ergeben sich, wenn man von € 143.260,35 die gesamten Ausgaben für die kostenlos betriebenen fünf Bedürfnisanstalten abzieht und diese zu den Einnahmen ins Verhältnis setzt.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den Angaben der Bf. in der Vorhaltsbeantwortung vom , in der Beschwerde und deren Beilage (Aufstellung über die Ausgaben kostenfreie Bedürfnisanstalten per 2021) und der Beantwortung des Beschlusses vom mit Schreiben vom . Außerdem sind die getroffenen Feststellungen zwischen den Parteien nicht strittig.
Die Feststellung, dass die für die ohne Entgelt betrieben Bedürfnisanstalten angefallenen Kosten auch nicht Kostenelemente der von der Bf. entgeltlich zur Verfügung gestellten fünf Bedürfnisanstalten sind, ergibt sich daraus, dass von der Bf. in der Beschwerde nur ein Deckungsbeitrag von 19,77% der Gesamtkosten der für die fünf gegen Entgelt betriebenen Bedürfnisanstalten angeführt wird, dh. nur eine rechnerische Einbeziehung vorgenommen wird, nicht aber dass die Aufwendungen der fünf kostenlos betriebenen Bedürfnisanstalten Kostenelemente der fünf entgeltlich betriebenen Bedürfnisanstalten wären.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Unter welchen Voraussetzungen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gewerblich oder beruflich tätig ist, wird durch § 2 Abs. 3 UStG 1994 geregelt.
§ 2 Abs. 3 UStG 1994 normiert die Unternehmereigenschaft von Körperschaften öffentlichen Rechts wie folgt:
Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betriebe gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten jedoch stets
- Wasserwerke,
- Schlachthöfe,
- Anstalten zur Müllbeseitigung und
- zur Abfuhr von Spülwasser und Abfällen sowie
- die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem zu einem in dieser Hinsicht gleich gelagerten Sachverhalt in seinem Erkenntnis vom () ausgesprochen hat, ist der Betrieb der Bedürfnisanstalten durch die Bf. dem Grunde nach als unternehmerische Betätigung im Sinne des UStG 1994 anzusehen (Rdnr. 26).

Allerdings bedeutet dies nicht, dass damit der Bf. deswegen auch die volle Vorsteuerabzugsberechtigung für alle Aufwendungen, die für die zehn Bedürfnisanstalten im Jahr 2021 angefallen sind, zusteht.

Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer unter anderem die von anderen Unternehmern in einer Rechnung an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Betreffend den Betrieb von kostenlosen und kostenpflichtigen Bedürfnisanstalten trifft der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ro 2022/13/0006, folgende Aussage, die auch für den gegenständlichen Beschwerdefall zutrifft (Rdnr 28):

"Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hiefür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (vgl. etwa Voestalpine Giesserei Linz GmbH, C-475/23, mwN; vgl. auch , mwN)."

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, fehlt es betreffend fünf von der Bf. betriebener Bedürfnisanstalten an unmittelbaren Leistungsentgelten, weil diese kostenlos benützt werden können. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den eingehobenen Benützungsentgelten und den unentgeltlich betriebenen Bedürfnisanstalten besteht deshalb nicht, weil der Leistungsempfänger (Kunde) das Benützungsentgelt nur für die Benützung einer bestimmten Bedürfnisanstalt (an einem konkreten Standort) leistet, wohingegen durch die einmalige Zahlung des Benützungsentgelts nicht auch die Benützung sonstiger (kostenpflichtiger) Bedürfnisanstalten (an anderen Standorten) der Mitbeteiligten inkludiert ist.

Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, so kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. etwa Finanzamt R, C-98/21; vgl. erneut , mwN; Rdnr. 31 aE des VwGH-Erkenntnisses vom , Ro 2022/13/0006).

Daher stehen der Bf. nur die Vorsteuern für die entgeltlich betriebenen Bedürfnisanstalten zu und war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt in rechtlicher Hinsicht dem Erkenntnis des , wobei dieses Erkenntnis zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist, weswegen eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100614.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
JAAAF-48723