Vorlageantrag ohne Beschwerdevorentscheidung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
I. Es wird die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festgestellt.
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2020 betreffend Herrn ***Bf1*** (Beschwerdeführer, Bf) unter Ansatz von Pensionseinkünften und Einkünften aus Kapitalvermögen mit € 2.543,00 festgesetzt.
Einlangend bei der Abgabenbehörde am wurde vom Bf eine Beilage zur Einkommensteuererklärung E1 für Einkünfte aus Kapitalvermögen betreffend das Jahr 2020 (Formular E-1kv) mit einem ausgewiesenen Verlust von € 3.000,00 als "Aufrollung 2020" eingebracht.
Die Abgabenbehörde wertete diese Eingabe als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) betreffend das "mit Einkommensteuerbescheid 2020 vom abgeschossene Verfahren" und wies den Antrag mit Bescheid vom als unbegründet ab, weil die im Antrag angeführten "neuen" Tatsachen dem Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt gewesen und daher "nicht neu hervorgekommen" seien.
Einlangend mit erhob der Bf "Beschwerde gegen den Bescheid für 2020 vom " und führte begründend aus, "…die Firmen sind zwar 2020 insolvent gegangen, ich musste aber noch warten, ob nicht doch noch Geld für die Nachrangdarlehen ausbezahlt wird (siehe unten)."
Als Beilage zur Beschwerde wurde eine Mitteilung vom angeschlossen (Update: Insolvenzverlauf, wonach die nachrangigen Forderungen nach dem Stand des Verfahrens nicht mehr befriedigt werden würden).
Die Beschwerde "vom " wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als "gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 vom " gerichtete Beschwerde unter Verweis auf die einmonatige Rechtsmittelfrist als verspätet zurückgewiesen.
Am langte der Vorlageantrag vom bei der Abgabenbehörde ein (Eingangsvermerk ):
"Mit Beschwerdevorentscheidung vom zum Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde meine Beschwerde vom (Zweitschrift) unbegründet abgewiesen. Ich habe am Beschwerde gegen den Bescheid für 2020 vom per Email eingelegt, worauf mir mitgeteilt wurde, dass dies schriftlich zu erfolgen hätte. Sodann habe ich die Beschwerde am beim Finanzamt *** abgegeben. Da ich bis Februar dieses Jahres noch immer keinen Bescheid erhalten habe, frage ich nach (Beschwerde muss verloren gegangen sein) und erneut Beschwerde (Zweitschrift) eingereicht. Weiters verweise ich auf die Ausführungen in meiner Beschwerde und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht vorzulegen."
Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde einlangend am an das Bundesfinanzgericht vor.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß Art 131 Abs. 3 B-VG iVm § 1 BFGG obliegen dem Bundesfinanzgericht ua Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechtes sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
§ 262 Bundesabgabenordnung (BAO) idgF:
(1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben, a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den Bescheid erlassen hat.
§ 264 Bundesabgabenordnung (BAO) idgF:
(1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt
a) der Beschwerdeführer, ferner b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.
(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehereren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller Anträge.
(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden: a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist), b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung), c) § 255 (Verzicht), d) § 256 (Zurücknahme), e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung), f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).
(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerechter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.
(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.
Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Gemäß § 265 Abs. 2 BAO hat die Vorlage der Bescheidbeschwerde jedenfalls auch die Vorlage von Ablichtungen (Ausdrucken) des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und von Beitrittserklärungen zu umfassen.
Festgestellter Sachverhalt:
Der dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheid vom betrifft die Abweisung der als "Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO) vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2020 vom abgeschlossenen Verfahrens" gewerteten Eingabe (Einbringungsdatum ).
Ein Einkommensteuerbescheid vom bzw eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht nicht zur Entscheidung vorgelegt.
Die dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Beschwerdevorentscheidung vom spricht über eine Beschwerde "vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 vom " ab.
Der Vorlageantrag vom hat die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend den Einkommensteuerbescheid 2020 (vom ) bezeichnet (§ 264 Abs. 1 BAO).
Über die vorgelegte Beschwerde vom gegen den Bescheid vom betreffend Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2020 vom wurde nicht mit Beschwerdevorentscheidung abgesprochen (AIS-DB2).
Ein Verzicht auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde seitens des Bf nicht erklärt und sind andere Gründe für ein Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung iSd § 264 BAO nicht evident.
Der gegenständliche Vorlageantrag vom wurde am an das BFG vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung:
In seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Bestimmung des § 291 Abs. 1 BAO ausgesprochen, dass der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes die von der Abgabenbehörde vorgelegte Bescheidbeschwerde unterliegt. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) sei das Bundesfinanzgericht im Regelfall nur dann, wenn die Abgabenbehörde zuvor bereits mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde.
Vor dem Hintergrund dieser höchstgerichtlichen Entscheidung kommt im vorliegenden Fall eine Entscheidung in der Sache durch das Bundesfinanzgericht mangels Vorliegen eines entsprechenden (fakultativen) Vorlageantrages als Reaktion auf eine zuvor erlassene Beschwerdevorentscheidung nicht in Betracht.
Der vorliegende Beschluss betrifft nur das Beschwerdeverfahren betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2020.
Eine Erledigung des Beschwerdeverfahrens gegen einen (neuen) Sachbescheid wäre mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. ; , 2009/15/0170; , 2012/15/0193).
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Die belangte Behörde hat im fortzusetzenden Verfahren gemäß § 262 Abs. 1 BAO eine Beschwerdevorentscheidung in Bezug auf die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2020 zu erlassen und im Falle des Einlangens eines Vorlageantrages durch die beschwerdeführende Partei, die Beschwerde samt Akten dem Bundesfinanzgericht gemäß § 265 f BAO erneut vorzulegen (vgl. und weitere).
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Verpflichtung der belangten Behörde zur Beschwerdevorentscheidung unmittelbar aus dem Gesetz (§ 262 Abs. 1 BAO) ergibt, das Nichtvorliegen eines der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO normierten Ausnahmetatbestände eine reine Sachverhaltsfrage darstellt und der Ausspruch der Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache dem Inhalt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/15/0001, entspricht, war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103571.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
KAAAF-48698