Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2025, RV/7100573/2023

Nicht erklärte Einkünfte aus schweizer Wertpapierdepots

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Karlheinz Morré, Heinrichstraße 110, 8010 Graz, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom und betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 Steuernummer ***Bf1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2011 wird gemäß § 279 BAO teilweise, betreffend Einkommensteuer 2012 vollinhaltlich Folge gegeben, die bekämpften Bescheide werden abgeändert. Die Einkommensteuer 2011 wird mit 7.488,00 € und Einkommensteuer 2012 mit 1.524,00 € festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Aufgrund des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweiz erhielt die österreichische Finanzverwaltung Meldungen für die Jahre 2011 und 2012, in denen ***Bf1*** als Kontoinhaber des meldepflichtigen Kontos bei der ***CH-Bank***, Kontonummer ***Nr.1234***, aufschien. Die der Meldung entsprechenden Kapitaleinkünfte waren in den bis dahin eingereichten Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 nicht enthalten.

Mit schriftlichen Ergänzungsersuchen vom und und wurde ***Bf1*** aufgefordert, konkrete Unterlagen (Erträgnisaufstellungen, Vermögensverzeichnisse, Kontoauszüge, etc.) zu dem erwähnten Depotkonto vorzulegen. Diesem Ersuchen wurde derart nachgekommen, dass Performanceübersichten für die Jahre 2010 - 2012, eine Ertrags- und Kostenübersicht sowie eine Belastungsanzeige der UBS aus 9/2012 betreffend den Transfer des Kontostandes zur ***LUX-Bank***, Luxemburg, per 9/2012 (= Einzahlung für eine Lebensversicherung), vorgelegt wurden. Weiters wurde mitgeteilt, dass dieses Schweizer Konto keinen bzw. wenig Ertrag auf Grund der negativen Performance erwirtschaftet aber hohe Kontokosten verursacht habe und man angenommen habe, dass die UBS Bank die fiskalische Seite (Abfuhr der Quellensteuer) abgedeckt hätte.

Da das FAÖ aus den vorgelegten Unterlagen nicht ableiten konnte welche Kapitalerträge tatsächlich vereinnahmt worden waren wurden die Kapitalerträge gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt und die Berechnungsgrundlagen und die Schätzungsbefugnis wurden in den gesonderten Begründungen der nach Wiederaufnahme der Verfahren erlassenen neuen Sachbescheide Einkommensteuer 2011 vom und Einkommensteuer 2012 vom angeführt und der Besteuerung mit 25% Sondersteuersatz für Kapitalerträge unterworfen.

Mit fristgerecht eingebrachten Beschwerden vom (für die ESt 2011) und vom (für die ESt 2012) eingebracht wurde die Schätzung der Kapitalerträge bekämpft. Begründend wurde zu 2011 ausgeführt, dass der Kontostand im Jahr 2011 nicht richtig ermittelt worden sei, der Depotwert im Laufe des Jahres 2011 gesunken bzw. das Wertpapierdepot im Jahre 2012 mit Verlust aufgelöst worden sei. Steuerpflichtige Kapitalerträge könnten daher nicht vorliegen.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom bzw. in der gesonderten Begründung vom zum Einkommensteuerbescheid 2011 wurde dem Beschwerdebegehren teilweise stattgegeben. Die Unrichtigkeit der Umrechnung des Kontostandes von CHF auf € wurde behoben und der berichtigte Kontostand von € 292.523,00 für die Schätzung der Kapitalerträge herangezogen.
Die Beschwerde gegen den wiederaufgenommenen Einkommensteuerbescheid 2012 wurde mit BVE vom als unbegründet abgewiesen.

Zu beiden BVE wurde am bzw. am jeweils ein Vorlageantrag an das BFG gestellt und eine mündliche Verhandlung beantragt.

In der mündlichen Verhandlung am brachte der steuerliche Vertreter des Bf. ergänzend vor, dass die Mittel für die Kapitalanlage aus der Abgeltung in Höhe von 400.000 wegen der vorzeitigen Auflösung eines Dienstverhältnisses des Bf. in Leitungsfunktion bei der ***Kammer*** (***Kammer***) stammen würden. Die Auflösung des Dienstverhältnisses sei bereits 2004 erfolgt. Wann genau das Depot bei der ***CH-Bank*** eröffnet worden sei, sei dem Bf. nicht mehr erinnerlich.

Der streitgegenständliche Sachverhalt betreffe einen lange zurückliegenden Zeitpunkt und die Unterlagenabfrage im Jahr 2021 bzw. 2022 sei nach 10 Jahren nicht mehr wirklich erfüllbar gewesen (§ 132 BAO). Zudem habe der Bf. auf Grund der durch die Bank abgezogene Quellensteuern angenommen, dass damit die Besteuerung in Österreich erledigt sei.

Zum Nachweis dieses Vorbringens wird eine Abrechnung der ***CH-Bank*** mit dem Titel "Mittelflüsse bis " vorgelegt, welche für die Quartale 1-3 Gesamtquellensteuerbetrag von 508,94 € ausweist.

Der Vertreter des FAÖ führte dazu aus, dass aus dem Beleg zwar eine Quellensteuer ersichtlich aber nicht erkennbar sei, ob diese tatsächlich abgezogen worden wäre und auf welche Erträge sie sich beziehen würde. Zudem sei nicht ersichtlich ob im Jahr 2011 Quellensteuer erhoben worden sei. Es handle sich bei dieser Darstellung um einen Totalbetrag für 2012.

Der Vertreter des Bf. führte weiters zum Schätzungsprozentsatz von 8% an, dass laut Internetrecherche die Rendite für Schweizer Anlageprodukte im Jahr 2011 0% - 5% und im Jahr 2012 5% - 10% betragen habe. Weiters sei bei der Berechnung zu beachten, dass im Fall der Unterstellung von 8% Zinserträgen auf dem Endkontostand die Zinsen diesen in diesem Jahr bereits erhöht hätten. Es hätte daher zunächst der Endkontostand durch 1,08 dividiert werden müssen und erst dann die 8% angewendet werden dürfen. ("In-Hundert"- "Aus-Hundert")

Der Vertreter des FAÖ führt aus, dass aufgrund des Nichtvorliegens der Aufgliederungen der Kapitalerträge eine Schätzungsberechtigung gegeben gewesen sei. Entsprechend der VwGH Judikatur sei eine griffweise Schätzung vorgenommen worden. Diese habe sich an der Schätzungsmethode für Nichtmeldefonds orientiert. Bei dieser Schätzungsmethode würden als steuerpflichtige Kapitalerträge 10% des Kontoendstandes angesetzt werden. Mit lediglich 8% sei das FAÖ dem Bf. ohnehin entgegengekommen. Eine "Aus Hundert" Rechnung habe nach Ansicht des FAÖ nicht zu erfolgen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

***Bf1*** verfügte jedenfalls in den Jahren 2011 und 2012 über das Veranlagungskonto ***Nr.1234*** bei der ***CH-Bank***, auf welchem im Streitraum unterschiedliche Wertpapiere, Devisen und andere Anlageprodukte (zB. nicht fondsgebundene Versicherungen) durch die kontoführende ***CH-Bank*** für und auf Rechnung des Bf. verwaltet wurden.

Aus den im Akt aufliegenden Quartalsabrechnungen und Kontoauszügen sind diverse Erträge wie Dividenausschüttungen und Zinserträge ersichtlich sowie weiters relativ hohe Bank- und Kontoführungsgebühren. Jedenfalls befanden sich im Portolio dieses Wertpapierdepots neben Aktien auch mindestens ein Hedgefond sowie diverse andere nicht näher bekannte Anlagepapiere.

Eine Aufgliederung der Erträge der einzelnen Anlageprodukte in den einzelnen Jahren wurde nicht vorgelegt und kann aus den vom Bf. zur Verfügung gestellten Unterlagen auch nicht abgeleitet werden.

Aus dem vorgelegten Performancebericht zur Wertentwicklung des Portfolios ist erkennbar, dass nach einer Wertsteigerung des Depotwertes im Jahr 2010 von 7,33% im Jahr 2011 eine Wertverminderung des Depots um 6,67% eingetreten war, im Jahr 2012 jedoch wieder eine Wertsteigerung von 2,37%. In den Jahren 2011 und 2012 sind in diesem Performancebericht Quellensteuern von je 400 € ausgewiesen. Im Widerspruch dazu ist in der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufstellung "Mittelflüsse bis " für die Quartale 1-3/2012 ein Quellensteuerbetrag von € 508,94 dargestellt. Dieser Widerspruch ist aus dem Vorbringen und den Unterlagen nicht aufklärbar.

Am beauftragte der Bf. wegen der laufend negativen Wertentwicklung des Depots die Auflösung desselben und die Übertragung des aus dem Verkauf der Anlageprodukte restultierenden Guthabens auf die ***LUX-Bank*** in Luxemburg. Auf der Rückseite des im Akt aufliegenden "Saldierungsauftrag Kundenbeziehung (Vollsaldierung)" vom ist ersichtlich, dass der Betrag von 40.000,00 € sofort zu überweisen war, der Rest bei endgültiger Saldierung nach Hedefondsverkauf. Daraus ist eindeutig ableitbar, dass zumindest ein Hedgefond - aus der Textierung kann auf mehr als einen geschlossen werden - vom Portfolio umfasst war.

Aus den vorgelegten Unterlagen ist weiters ersichtlich, dass der Bf. anlässlich der Auflösung seines Wertpapierdepots rund 195.183,00 € lukrierte (Umrechnungsdifferenzen aufgrund diverser Fremdwährungsbeträge). Damit ist im Jahr 2012 jedenfalls ein endgültiger Wertverlust von mehreren 10.000 € ersichtlich. Eine genaue Berechnung des tatsächlich eingetretenen Veräußerungsverlustes ist wegen der wenig aussagekräftigen Unterlagen nicht möglich. Die Ausführungen des Bf. zum nachhaltigen und endgültigen Wertverlust sind jedoch nachvollziehbar und glaubwürdig. Eine genauere Berechnung der eingetretenen Kapitalverluste erübrigt sich, da über allfällige Zinserträge hinaus keine Verlustverrechnung stattzufinden hat. Die Zinserträge 2012 lagen auch nach den Schätzungen es FAÖ nicht über 10.000 €.

Dem Bf. war bewusst, dass sich bei den von ihm erzielten Depot-Erträgen 2011 und 2012 um im Inland steuerpflichtige Kapitalerträge handelte, er nahm sie aber dennoch zur Vermeidung der Besteuerung in Österreich nicht in seine Steuererklärungen auf. Konsequenterweise erklärte er auch die endgültigen Vermögensverluste 2012 nicht.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Feststellungen lassen sich aus dem Akteninhalt und den vorgelegten Unterlagen ableiten.

Die Ausführungen des Bf. zur Auflösung des Depots und des endgültigen Eintritts von Kapitalverlusten erscheinen deshalb glaubwürdig, weil aus den für 2012 lückenlos bis zur endgültigen Auflösungen vorgelegten Kontoauszügen ersichtlich ist, dass dem Bf. ein Betrag von 195.183 € überwiesen wurde. Der Anfangswert des Depots betrug zum 314.000 € und zum 292.000 €. Zum betrug der Depotwert rund 298.900 € und dennoch konnte bei Auflösung nur ein Betrag von 195.183 € erzielt werden. Der ursprüngliche Anlagewert muss jedoch deutlich über 200.000 € gelegen haben:
Das Depot wurde frühestens 2004 eröffnet und hatte zum - also nach maximal 7 Jahren - einen Depotwert von 314.000 €. Wenn man von einem ursprünglichen Anlagewert von 200.000 € ausgeht - das wären 50% der Ablösesumme aus dem Dienstverhältnis - ergibt sich unter Zugrundelegung einer hohen durchschnittlichen Jahresrendite von 5 % nach 7 Jahren unter Beachtung der Zinseszinsen bei voller Wiederveranlagung ein Betrag von 281.420,08 €, der Depotwert lag aber zum um etwa 23.000 € höher. Dabei ist zusätzlich beachten, dass vor allem in den Jahren 2008 und 2009 Jahresrenditen bzw. - zinserträge von 5% weltweit nicht erzielbar waren. Hinzu tritt, dass das Depot auch erst nach 2004 eröffnet worden sein könnte.

Zudem entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Wertpapierdepots regelmäßig nur dann aufgelöst werden, wenn der Anleger entweder das Kapital benötigt und diesfalls auch die Realisierung von Verlusten in Kauf nimmt oder aber mit der Vermögensverwaltung durch die Depotführende Bank wegen mangelnden Erfolgs nicht zufrieden ist und zur Vermeidung weiterer Verluste das Depot - allenfalls auch wie hier mit teilweisem Kapitalverlust - liquidiert. Ein akuter Kapitalbedarf des Bf. im Jahr 2012 war nicht erkennbar, im Gegenteil wurde das noch vorhandene Kapital nach übereinstimmendem Parteienvorbringen in eine Lebensversicherung übertragen. Der Auflösungsgrund lag also offensichtlich in der wenig ertragreichen Veranlagung. Insoweit ist das Vorbringen des Bf. zum Eintritt eines endgültigen Vermögensverlustes aus Anlass der Depotauflösung und damit verbundenen Veräußerung der Anlageprodukte nachvollziehbar.

Nicht glaubwürdig sind hingegen die Darstellungen des Bf., dass er vermeint habe, dass die ***CH-Bank*** durch einen Abzug der Quellensteuer die "fiskalische Seite abgedeckt" habe. Der Bf. war nach seinem eigenen Vorbringen in leitender Funktion in der ***Kammer*** (***Kammer***) tätig. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem Bf. bekannt war, dass ausländische Kapitalerträge in Österreich der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen und mangels inländischer auszahlender Stelle in die Steuererklärung aufzunehmen sind. Dass Österreich keinen Kapitalertragsteuerabzug an der Quelle in einem Drittstaat wie der Schweiz durchsetzen kann, musste dem Bf. schon aufgrund seiner Ausbildung und seiner beruflichen Tätigkeit bewusst sein. Die in den Kontoauszügen teilweise ausgewiesenen Quellensteuerbeträge betreffen schweizer Inlandssteuern, die jedenfalls keine Steuerabgeltungswirkung für österreichische Einkommensteuern haben können. Es kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass die Depotbank ***CH-Bank*** auch bezüglich der steuerlichen Behandlung von Kapitalerträgen in der Schweiz informierte und dem Bf. daher der Umfang und Wirkung des Quellensteuerabzugs bekannt war.

Die Ausführungen zur Quellensteuer gehen auch deshalb ins Leere, weil erst am das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt BGBl. III Nr. 192/2012 - sog. "Quellensteuerabkommen" - unterzeichnet wurde, welches ab (Beginn der Wirksamkeit des Quellensteuerabkommens) die Möglichkeit der Regularisierung von in der Schweiz deponierten Vermögenswerten österreichischer Personen sowie die Besteuerung der darauf anfallenden Einkünfte durch Leistung einer Einmalzahlung ermöglichte. Dem genannten Abkommen waren anonyme Informationen im Rahmen von sog. "Steuer-CDs" vorangegangen, welche den österreichischen Finanzbehörden Zugang zu zahlreichen Datensätze betreffend steuerpflichtige Personen und deren Kapitalerträgen in der Schweiz eröffneten. Dieses Thema sowie die Melde- und Zahlungserfordernisse zur "Regulierung" der inländischen Steuerpflicht wurde in sämtlichen Medien verbreitet und öffentlich breit diskutiert. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt musste dem Bf. klargeworden sein, dass seine 2011 und 2012 in der Schweiz erzielten Kapitalerträge in Österreich zur Einkommensteuer zu erklären gewesen wären. Festzuhalten ist dabei nochmals, dass aufgrund der Wirksamkeit des Abkommens ab anwendbar war, die hier streitgegenständliche Jahre 2011 und 2012 erst durch eine Einmalzahlung 2013 "regulierbar" gewesen wären. Eine derartige Einmalzahlung wurde vom Bf. nicht einmal behauptet und erscheint auch deshalb nicht denkbar, weil die Bankverbindung zur ***CH-Bank*** bereits im September 2012 gänzlich beendet worden war. Die ***CH-Bank*** hätte daher die erforderliche Einmalzahlung 2013 für und namens des Bf. gar nicht leisten können.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 207 BAO lautet:

"(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. ..."

Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage (, 0084; , 2009/13/0159; , 2009/16/0076 bis 0078; , Ra 2016/13/0007; , Ra 2017/15/0044; , Ra 2020/16/0023) die vom Gericht gesondert zu beurteilen ist.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStRG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Der Abgabepflichtige hat gemäß § 119 BAO die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Der Abgabepflichtige muss nicht nur die Besteuerungsgrundlagen offenlegen, sondern auch alle anderen Umstände, die für die Feststellung und den Umfang der Abgabepflicht von Bedeutung sind. Dabei hat der Abgabepflichtige immer dann von sich aus tätig zu werden, wenn ein Abgabengesetz eine Anzeige-, Anmelde- oder Erklärungspflicht normiert, ohne dass es erst eines Vorhaltes (Ergänzungsauftrages) der Abgabenbehörde bedarf.

Gemäß § 133 BAO sind die Abgabenerklärungen unter Verwendung der amtlichen Vordrucke abzugeben. Der Abgabepflichtige hat alle in den amtlichen Vordrucken enthaltenen Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Ob sein Wissen dazu ausreicht ist dabei ohne Bedeutung (). Werden die Umstände und Verhältnisse des Abgabepflichtigen von diesem unvollständig oder unrichtig bekannt gegeben, hat er die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bereits objektiv verletzt.
Wenn ein Abgabepflichtiger nachträglich, aber vor dem Ablauf der Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209a) erkennt, dass er in einer Abgabenerklärung oder in einem sonstigen Anbringen der ihm gemäß § 119 BAO obliegenden Pflicht nicht oder nicht voll entsprochen hat und dass dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat oder führen kann, so ist er gemäß § 139 BAO verpflichtet, hierüber unverzüglich der zuständigen Abgabenbehörde Anzeige zu erstatten.

Für die Verwirklichung einer Abgabenhinterziehung ist weiters erforderlich, dass das Handeln des Steuerpflichtigen für den Eintritt der Abgabenverkürzung kausal sein muss, nämlich eine auf den unvollständigen Angaben des Steuerpflichtigen beruhende, den tatsächlichen Verhältnissen des Abgabepflichtigen nicht entsprechende Veranlagung (). Die Abgabenverkürzung ist daher erst mit der Zustellung des Steuerbescheides bewirkt ( 855/65 [R 33(3)/57])

Bezogen auf den gegenständlichen Sachverhalt ist festzuhalten, dass in den Abgabenerklärungsformularen 2011 und 2012 ausdrücklich Eintragungsmöglichkeiten für ausländische Kapitalerträge vorgesehen sind und der Bf. seine unstrittig in der Schweiz angefallenen Erträge nicht in den Einkommensteuererklärungen erfasste. Durch diese Unterlassung des Bf. wurden in Österreich steuerbare und steuerpflichtige ausländische Einkünfte (aus Kapitalvermögen) in den auf diesen Abgabenerklärungen beruhenden Veranlagungsbescheiden vom betreffend Einkommensteuer 2011 und betreffend Einkommensteuer 2012 nicht erfasst und nicht besteuert. Die objektive Tatseite der Abgabenhinterziehung ist sohin erfüllt.

Die Abgabenhinterziehung gem § 33 Abs 1 FinStrG kann nur vorsätzlich begangen werden, wobei aber bedingter Vorsatz genügt. Vorsätzlich handelt demnach, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Angesichts der bestehenden Sachlage (siehe Beweiswürdigung) ist es undenkbar, dass der Bf. hinsichtlich der Steuerpflicht der sachverhaltsgegenständlichen Kapitaleinkünfte in Unkenntnis war. Die durch die bewusste Nichtaufnahme der Kapitaleinkünfte in die jeweiligen Steuererklärungen ausgelöste Abgabenverkürzung war vom Bf., wenn nicht sogar bewusst gewollt jedenfalls zumindest billigend in Kauf genommen worden. Die ausdrückliche Frage nach ausländischen Kapitalerträgen in der Steuererklärung blieb bewusst unbeantwortet, daher wurde deren Vorliegen auch nicht offengelegt. Die subjektive Tatseite der Abgabenhinterziehung ist daher ebenfalls zu bejahen.

Zur Verjährungseinrede ist daher festzuhalten, dass die verlängerte Frist von zehn Jahren wegen Abgabenhinterziehung gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist und daher hinsichtlich 2011 und 2012 zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am (Einkommensteuer 2011) bzw. (Einkommensteuer 2012) hinsichtlich der ausländischen Kapitaleinkünfte noch keine Bemessungsverjährung eingetreten war.

Ergänzend wird auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom Pkt I Begründung der Nichtverjährung verwiesen.

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern von Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 64/1975, dürfen u.a. in der Schweiz erzielte Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren, Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens (ausgenommen von für den vorliegenden Fall nicht relevanten näher angeführten Ausnahmen) im Ansässigkeitsstaat besteuert werden (vgl. Art. 10 bis 13 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft).

Gemäß § 115 Abs. 1 BAO (in der für den gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung vor Änderung durch BGBl. I Nr. 136/2017) haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Nach § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

§ 166 BAO bestimmt, dass als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Auf der Grundlage der vom Bf. über Aufforderung des FAÖ und des BFG im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Verfügung gestellten Unterlagen können die Besteuerungsgrundlagen der in Österreich zu versteuernden Kapitalerträge iSd. § 27 EStG nicht konkret ermittelt werden. Die Wertentwicklung eines Depots vermag keine Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe laufende steuerpflichtige Erträge zugegeflossen bzw. ausschüttungsgleiche Erträge zu erfassen sind.

Weiters versuchte das FAÖ über das CLO Büro weitere Informationen von der ***CH-Bank*** zum streitgegenständlichen Depot zu erlangen. Die ***CH-Bank*** übermittelte in der Folge die Kontoauszüge für 2012 aus welchen diverse Bewegungen (Dividenden, Zinsen, An- und Verkäufe von Devisen und Fonds) ersichtlich sind. Eine genaue Aufgliederung wie sie für die Zuordnung der Erträge va. iZm Investmentfonds erforderlich sind erfolgte jedoch nicht.

Solcherart ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt mit den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 die in der Schweiz erzielten Kapitaleinkünfte im Schätzungswege gemäß § 184 BAO ausgehend von den dem Finanzamt vorliegenden Meldungen der ***CH-Bank*** ermittelt hat.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Dazu ist festzuhalten, dass der Bf. bereits vor Erlassung der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 vom FAÖ um Sachaufklärung über die in der Schweiz erzielten Einkünfte bzw. um Übermittlung entsprechender Belege ersucht wurde. Ausdrücklich wurde der Bf. auch darauf hingewiesen, dass bei Nichtnachkommen dieser Aufforderung ausländische Kapitaleinkünfte aus der Schweiz gemäß § 184 BAO geschätzt würden (Ergänzungsersuchen vom ).

Wenn das Finanzamt somit in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 begründend angegeben hat, dass die ausländischen Einkünfte gemäß § 184 BAO geschätzt werden mussten, ist dies seitens des Bundesfinanzgerichts nicht zu beanstanden. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen.

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen, somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 184, Rz 3, unter Hinweis auf zahlreiche Judikatur).

Entsprechend den Ausführungen des FAÖ in der mündlichen Verhandlung wurde bei der Schätzung in Anlehnung an § 186 Abs. 2 Z 3 InvFG hinsichtlich der Vorgehensweise bei Nichtmeldefonds vorgegangen. Diese Bestimmung lautet wie folgt

Erfolgt keine Meldung gemäß Z 2 betreffend der Ausschüttung, ist die Ausschüttung zur Gänze steuerpflichtig. Erfolgt keine Meldung gemäß Z 2 betreffend der ausschüttungsgleichen Erträge im Sinne der Z 1, sind diese in Höhe von 90 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens jedoch in Höhe von 10 vH des am Ende des Kalenderjahres festgesetzten Rücknahmepreises zu schätzen. Die auf diese Weise ermittelten ausschüttungsgleichen Erträge gelten jeweils als zum 31. Dezember eines jeden Jahres zugeflossen. Der Anteilinhaber kann die Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge oder die Steuerfreiheit der tatsächlichen Ausschüttung unter Beilage der dafür notwendigen Unterlagen nachweisen.

Dabei wurde seitens des FA jedoch noch ein weiterer Abschlag von 2% angenommen, weshalb 8% des jeweiligen Depotswerts als steuerpflichtige Kapitalerträge angesetzt wurden. Für das Jahr 2012 setzte das FAÖ wegen des unterjährigen Verkaufs nur 50% der so ermittelten Ganzjahresbeträge an.

Davon ausgehend ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts die vom Finanzamt für die Jahre 2011 und 2012 vorgenommene Schätzung der Kapitalerträge der Höhe nach - nach betraglicher Anpassung im Rahmen der BVE (Korrektur der Umrechnung von CHF in €) - jedenfalls nicht zu beanstanden.

Allerdings hat das FAÖ im Jahr 2012 außer Acht gelassen, dass aufgrund der Auflösung des gesamten Depots und der damit verbundenen Veräußerung der Anlageprodukte ein endgültiger Kapitalverlust eingetreten war. Dieser Wertverlust kann aus den vorliegenden Kontoauszügen und Auszahlungsbeträgen des Jahres 2012 abgeleitet werden.

Gemäß § 27 Abs. 8 EStG können realisierte Wertverluste des Kapitals nicht mit Zinserträgen aus Geldeinlagen und sonstigen Geldforderungen bei Kreditinstituten iSd § 37a Abs.1 Z 1 (idR "Sparbuchzinsen") ausglichen werden. Ein Ausgleich von Verlusten im Kapitalstamm bei anderen Anlageformen mit Erträgen aus diesen Anlagenformen - hierunter fallen insbesondere Beteiligungen - ist jedoch im Rahmen der Veranlagung vorzunehmen. Das gilt insbesonders auch für nur im Wege der Veranlagung erfassbare ausländische Kapitaleinkünfte (ohne inländische auszahlende Stelle).

Bezogen auf den festgestellten Sachverhalt ist daher für das Jahr 2012 eine Verrechnung des aufgrund Auflösung des Depots eingetretenen Kapitalverlustes mit den im Schätzungsweg errechneten Zinsen vorzunehmen. Bei dieser Verrechnung ergibt sich aufgrund des hohen Kapitalverlustes jedenfalls ein Verlustüberhang. Die genaue Ermittlung der Höhe des Verlustüberhanges kann mangels Relevanz entfallen.

Zusammenfassend ist daher der Beschwerde betreffend 2011 teilweise stattzugeben und der bekämpfte Bescheid im Sinne der Berechnung im Rahmen der BVE abzuändern. Der Beschwerde betreffend 2012 ist wegen Vorliegens eines nicht ausgleichsfähigen Gesamtverlustes aus Kapitalvermögen stattzugeben.
Da die Wiederaufnahmebescheide - entgegen dem Vorlagebericht -nicht bekämpft wurden, sind diese rechtskräftig und haben daher die seinerzeitigen Sachbescheide aus dem Rechtsbestand entfernt.

Für den Sachbescheid Einkommensteuer 2012 bedeutet das, dass aufgrund der vollinhaltlichen Stattgabe der Beschwerde nunmehr der Sachbescheid nach Wiederaufnahme so abzuändern ist, dass er inhaltlich dem seinerzeitigen Einkommensteuerbescheid vom entspricht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegebenen Fall waren lediglich Sachverhaltsfragen und Fragen der Beweiswürdigung (Vorsatz bei Abgabenverkürzung, Höhe der Schätzung und Vorliegen eines endgültigen Vermögensverlustes) zu klären und sohin mangels Rechtsfrage eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100573.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
OAAAF-48675

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden