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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2025, RV/4100352/2020

1. Legitimation zur Stellung eines Antrages auf Rückerstattung von Kapitalertragsteuer gemäß § 94 Z 2 EStG 1998 und der Mutter-Tochter-Richtlinie 2. Keine Antragslegitimation der über eine Kapitalgesellschaft mittelbar beteiligten Großmuttergesellschaft

Beachte

Revision eingebracht.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
Der Begriff der mittelbaren Beteiligung iSd § 94 Z 2 EStG 1988 umfasst nur Fälle, bei welchen Beteiligungen über „zwischengeschaltete“ transparente Personengesellschaften gegeben sind, nicht jedoch „indirekte“ Beteiligungen über andere Gesellschaftsformen. Eine mittelbare Beteiligung durch eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft ist darunter nicht zu subsumieren.
Im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie erfüllt eine indirekte Beteiligung über eine weitere Kapitalgesellschaft nicht die Voraussetzungen für eine Entlastung von der Kapitalertragsteuer.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Gerhard Verderber, den Richter Mag. Andreas Wieser sowie die fachkundigen Laienrichter ***LR1*** und ***LR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch braunegg palkovits & partner Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsges.m.b.H., Obere Donaustraße 37, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Großbetriebe (vormals des Finanzamtes Klagenfurt) vom betreffend Kapitalertragsteuer 2012, Kapitalertragsteuer 2013, Kapitalertragsteuer 2014, Kapitalertragsteuer 2015, Kapitalertragsteuer 2016 und Kapitalertragsteuer 2017 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** (in weiterer Folge kurz Ltd 1) ist eine zypriotische Limit Company mit Sitz in ***Ort1***, Zypern, welche am ***Bf1-GrD*** gegründet wurde und im Beschwerdezeitraum in Zypern zur Körperschaftssteuer veranlagt war. In den streitgegenständlichen Jahren 2012 bis 2017 war die Ltd 1 zu 100% an ihrer zypriotischen Tochtergesellschaft ***Ltd2*** (in weiterer Folge Ltd 2) beteiligt. Die Ltd 2 wiederum war in diesem Zeitraum an der ***AT-SE1*** (in weiterer Folge AT-SE1), einer europäischen Aktiengesellschaft mit Sitz in Österreich, beteiligt.

Am stellte die Beschwerdeführerin Ltd 1 einen Antrag gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 und der Mutter-Tochter-Richtlinie (2011/96/EU) auf Rückzahlung der österreichischen Kapitalertragsteuer für in den Jahren 2012 bis 2017 zugeflossene Dividenden, wobei sie die Rückerstattung für folgende Kapitalertragssteuerbeträge begehrte:

Euro 2.907.000,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2012

Euro 1.037.571,40 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2013

Euro 2.488.821,30 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2014

Euro 3.562.500,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2015

Euro 5.094.375,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2016

Euro 7.445.625,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2017

Der Rückzahlungsantrag beziehe sich auf Dividendenausschüttungen der österreichischen
AT-SE1. Die Anteile an diesem Unternehmen halte die Ltd 1 ausschließlich über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Ltd 2, jedoch berechtige nach der Ausgestaltung des § 94 Z 2 EStG 1988 auch eine mittelbare Beteiligung am Grundkapital zu einer KESt-Rückerstattung. Ein solcher Antrag unterliege keiner Verjährung. Neben einer Darstellung der Unternehmensgruppenstruktur wurde im Antrag insbesondere bekanntgegeben, dass paralell auch von der Tochtergesellschaft Ltd 2 für die identen Dividendenausschüttungen ein Rückzahlungsantrag gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 gestellt wurde, darüber jedoch noch keine Entscheidung vorliege. Zudem sei über einen Rückzahlungsantrag der Ltd 2 betreffend Dividendenausschüttungen der AT-SE1 für das Jahr 2008 noch nicht abschließend entschieden worden und das Verfahren hierzu beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Die Ltd 1 sei zwar der klaren Auffassung, dass auf Basis der Mutter-Tochter-Richtlinie eine vollständige Erstattung der gegenständlichen Kapitalertragsteuer an die Tochtergesellschaft Ltd 2 zu erfolgen habe, zur Wahrung von prozessualen Möglichkeiten werde jedoch auch der gegenständliche Antrag von der Ltd 1 eingebracht.

Das im Antrag bezeichnete Verfahren der Tochtergesellschaft Ltd 2 hinsichtlich der im Jahr 2008 von Österreich nach Zypern geflossenen Dividenden der AT-SE1 wurde bereits im Jahr 2011 durch den Unabhängigen Finanzsenat behandelt und wurde dem Antrag der Ltd 2 im ersten Verfahrensgang stattgegeben ( RV/0492-K/09). Dieses Erkenntnis wurde durch den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben ().

Der VwGH begründete seine aufhebende Entscheidung zusammengefasst mit einer nicht ordnungsgemäßen Durchführung der Missbrauchsprüfung gemäß § 22 BAO. Sinn und Zweck der Missbrauchseinschränkung nach § 94a Abs 2 Z 2 EStG 1988 idF BGBl I Nr 180/2004 ist laut VwGH die Verhinderung des "Directive Shopping", das heißt der Inanspruchnahme der Mutter-Tochter-Richtlinie durch Steuerpflichtige, denen die Vorteile dieser Richtlinie sonst nicht zustehen würden. EU-"Briefkastengesellschaften", deren man sich für internationale Steuerumgehungsstrategien bedient, sollen damit von diesen Begünstigungen ausgeschlossen werden. Ist die zwischengeschaltete EU-Gesellschaft lediglich ein Briefkasten, könne aus der Mutter-Tochter-Richtlinie keine Verpflichtung zur Erstattung der Quellensteuer abgeleitet werden. Im Beschwerdefall stehe außer Streit, dass die Mitbeteiligte von in Russland ansässigen (physischen und juristischen) Personen beherrscht werde. Diese haben die streitgegenständlichen Aktien nicht selbst erworben, sondern im Wege einer EU-Gesellschaft als Subholding (Ltd 2), deren Muttergesellschaft (Ltd 1) ebenfalls mit Sitz in Zypern als Holdinggesellschaft fungiere. Gesellschafter der Ltd 1 seien weitere Gesellschaften, die in bekannten Steueroasen angesiedelt sind. Die Angemessenheit dieses Weges ist daher Gegenstand der vorzunehmenden Missbrauchsprüfung. Dem Erkenntnis des könne keine schlüssige Begründung entnommen werden, weshalb es sich bei der Zwischenschaltung der Ltd 2 nicht um eine Gestaltung handelt, die einer missbräuchlichen Rechtsanwendung dient ().

Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde die durch die Ltd 2 beantragte Rückerstattung der Kapitalertragssteuer 2008 abgewiesen, da außersteuerliche Gründe für die Zwischenschaltung der zypriotischen Gesellschaft nicht erkennbar seien. Die tatsächliche rechtliche Gestaltung iSd § 22 BAO sei eine Direktbeteiligung der Gesellschaftsgruppe bzw der dahinter stehenden Gesellschafter an der AT-SE1 gewesen (). Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wies der VwGH aufgrund des Fehlens eines dargelegten Zulassungsgrundes mittels Beschluss zurück ().

Nach Abschluss des oben skizzierten Rückerstattungsverfahrens betreffend dem Jahr 2008 und nach der Durchführung eines umfangreichen Vorhalteverfahrens durch die Abgabenbehörde wurden die Anträge der Ltd 2 auf Rückerstattung der auf Grundlage der Ausschüttungen der AT-SE1 einbehaltenen Kapitalertragssteuer betreffend der Jahre 2012 bis 2017 mit Bescheiden vom ebenfalls abgewiesen. Die Abweisungen erfolgten im Wesentlichen ident zum BFG-Erkenntnis RV/4100494/2014 mit der Begründung, dass weder bei der Ltd 2, noch bei deren Muttergesellschaft Ltd 1 wirtschaftliche, oder sonst beachtliche Gründe für deren Zwischenschaltung erkennbar sind und keine wirtschaftlichen Tätigkeiten der Gesellschaften festgestellt werden konnten. Es werde weiterhin eine Beherrschung durch in einem Drittstaat ansässige (juristische) Personen festgestellt. Die beantragten Rückerstattungen von Kapitalertragsteuer wurden daher aufgrund der missbräuchlichen Gestaltung versagt.

Die Anträge der im gegenständlichen Verfahren beschwerdeführenden Ltd 1 auf Rückerstattung der Kapitalertragssteuer betreffend der Jahre 2012 bis 2017 aufgrund von Dividendenzahlungen der AT-SE1 an die Ltd 2 wurden von der Abgabenbehörde mit Bescheiden vom als unzulässig zurückgewiesen. Sowohl nach § 94 Z 2 EStG 1988 als auch nach der Mutter-Tochter-Richtlinie habe die Rückerstattung "auf Antrag der Muttergesellschaft" zu erfolgen. Da die Ltd 1 in Bezug auf die AT-SE1 keine Muttergesellschaft sei (dies treffe ausschließlich auf die Ltd 2 zu), sei sie zur KESt-Rückerstattung nicht antragsbefugt. Hinsichtlich des Jahres 2012 sei der Antrag zudem verspätet gestellt worden, da bereits die Verjährung gemäß § 207 Abs 2 BAO eingetreten sei. Abschließend führt das Finanzamt in den Zurückweisungsbescheiden umfangreich aus, dass hinsichtlich der gegenständlichen Anträge, wenn sie nicht zurückzuweisen wären, Abweisungen zu erfolgen hätten. Als Begründung hierfür wird erneut auf die missbräuchliche Gestaltung verwiesen.

Sowohl die Ltd 1, als auch die Ltd 2 erhoben fristgerecht Beschwerden gegen die abweisenden bzw zurückweisenden Bescheide vom .

In der Beschwerde der Ltd 1 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Rechtsmittel von dieser Gesellschaft lediglich für den Fall eingebracht wurde, dass das Bundesfinanzgericht oder eines der Höchstgerichte zu dem Ergebnis kommen sollte, dass nicht die Ltd 2, sondern die
Ltd 1 zur Rückerstattung der gegenständlichen Kapitalertragsteuer antragsbefugt wäre. Weitere Ausführungen zur Antragslegitimation der Ltd 1 sind der Beschwerde nicht zu entnehmen. Inhaltlich wird auf die am selben Tag eingebrachte Beschwerde der Ltd 2 verwiesen.

Die Ltd 2 argumentierte in ihrer Beschwerde zusammengefasst, dass keine missbräuchliche Gestaltung iSd Mutter-Tochter-Richtlinie vorliege. Es stehe unstrittig fest, dass mit der Ausschüttung von Dividenden durch die AT-SE1 an die Ltd 2 Gewinnausschüttungen einer in einem Mitgliedsstaat ansässigen Tochtergesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Muttergesellschaft erfolgten. Die Anwendungsvoraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie seien erfüllt, sämtliche Nachweise seien erbracht worden. Es liege keine rein künstliche Unternehmenskonstruktion vor. Die Ansässigkeit der letztlich Berechtigen in einem Drittland dürfe nicht zur Versagung der Richtlinienvorteile führen. Nach der Rechtsprechung der VwGH sei das Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit einer im EU-Raum ansässigen Gesellschaft nicht schädlich, wenn ihre ebenfalls dort ansässige Muttergesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalte. Im Ergebnis seien daher bei der rechtlichen Würdigung die Ltd 2 und die Ltd 1 gemeinsam zu betrachten. Zwar sei die wirtschaftliche Struktur der Ltd 2 weniger ausgeprägt als jene der Ltd 1, dies werde jedoch durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Ltd 1 kompensiert. Die Aufgaben beider Gesellschaften, der Ltd 1 und Ltd 2, seien außerdem an eine weitere im Konzern verbundene Gesellschaft, die ***Ltd3*** mit Sitz in Zypern (in weiterer Folge Ltd 3), ausgelagert worden. Die Ltd 3 habe über das erforderliche Personal und die erforderliche Substanz zur Verwaltung der Gesellschaften verfügt. Seit 2016 fungiere die Ltd 3 als Geschäftsführer der Ltd 1, sodass die Aufgaben seit 2016 von der Ltd 1 selbst wahrgenommen worden seien.

Aufgrund beantragter Direktvorlagen wurden die Beschwerden der Ltd 1 und der Ltd 2 ohne Erlass von Beschwerdevorentscheidungen dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Ltd 1 wurde im Einvernehmen mit den Verfahrensparteien bis zur Entscheidung über die Beschwerde der Ltd 2 ausgesetzt.

Mit Erkenntnis RV/4100351/2020 des Bundesfinanzgerichts vom wurde die Beschwerde der Ltd 2 als unbegründet abgewiesen. Das Gericht stellte zusammengefasst fest, dass in den Jahren 2012 bis 2017 keine wirtschaftliche Tätigkeit der Ltd 2, auch unter Einbeziehung der Ltd 1 und der Ltd 3, nachvollzogen werden kann. Generell wurde eine wirtschaftliche Tätigkeit der Ltd 1 nicht als erwiesen angesehen. Zudem gelangte das Gericht zu dem Schluss, dass auch die tatsächliche Übernahme der Aufgaben der Ltd 1 und der Ltd 2 durch die Ltd 3 nicht festgestellt werden konnte. Die ins Treffen geführten Gründe für die Niederlassung der Gesellschaften in Zypern wurden als keine tauglichen wirtschaftlichen bzw sonst beachtlichen außersteuerlichen Gründe qualifiziert. Eine wirtschaftlich sinnvolle Funktion für die Situierung der Ltd 2, der Ltd 1 und der Ltd 3 in Zypern konnte nicht erblickt werden. Die Beherrschung der Ltd 2 durch im Drittstaat ansässige (juristische) Person(en), denen im Falle einer Direktbeteiligung die KESt-Rückerstattung nicht zustünde, wurde für den Beschwerdezeitraum 2012-2017 durch das Gericht bejaht.

Die gegen das Erkenntnis RV/4100351/2020 eingebrachte außerordentliche Revision wies der VwGH aufgrund des Fehlens eines dargelegten Zulassungsgrundes mittels Beschluss zurück. Insbesondere führte das Höchstgericht in der Begründung aus: "Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass weder die Ltd. 1 noch ihre Muttergesellschaft eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet haben und keine ausreichende Substanz für die Zwecke der Gesellschaften vorhanden war. Auch die Erbringung der wirtschaftlichen Tätigkeiten durch eine dritte Konzerngesellschaft, worauf sich die Revisionswerberin im Verfahren gestützt hatte, habe nicht nachgewiesen werden können, weil dazu keine tauglichen Unterlagen vorgelegt worden seien. Eine wirtschaftlich sinnvolle Funktion der Ltd. 1 und der Muttergesellschaft konnte seitens der Bundesfinanzgerichts nicht festgestellt werden. Gegen diese Beweiswürdigung wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht." ().

Nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens der Ltd 2 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortgeführt und wurde der Ltd 1 vorgehalten, diese würde nur für den Fall erfolgen, dass das Bundesfinanzgericht oder eines der Höchstgerichte zu dem Ergebnis komme, dass nicht die
Ltd 2, sondern die Ltd 1 hinsichtlich der Rückerstattung der von den Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuer antragsbefugt wäre. Mit Verweis auf das Erkenntnis RV/4100351/2020 wurde die Ltd 1 um Bekanntgabe ersucht, ob sie die gegenständliche Beschwerde dennoch aufrechterhalte. Seitens der Ltd 1 wurde dies bejaht.

Die beantragte mündliche Verhandlung wurde am durchgeführt. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Amtspartei nahmen an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** (kurz Ltd 1) ist eine Company limited mit Sitz in ***Ort1***, Zypern und wurde am ***Bf1-GrD*** gegründet. Die Gesellschaft wurde in Zypern zur Körperschaftssteuer veranlagt (mit dem Welteinkommen), wobei keine Option zu einer Steuerbefreiung bestand. Die Ltd 1 wird nach zypriotischen Recht für steuerrechtliche Zwecke als "nicht transparent" qualifiziert. Die Gesellschaft ist eine juristische Person, welche nach ihrer Ausgestaltung nach zypriotischen Recht als "company limited by shares" mit einer österreichischen GmbH vergleichbar ist (vgl Pinetz/Steiner, Der Typenvergleich in der steuerlichen Beratungspraxis (2019), Seite 73).

Die Ltd 1 ist Teil der ***G1*** Unternehmesgruppe. Hierbei handelt es sich um einen weltweit tätigen Konzern, dessen indirekter Mehrheitsgesellschafter der in Russland ansässige Herr ***Ru1*** ist. Unternehmenszweck der Ltd 1 im Beschwerdezeitraum war das Halten und Verwalten von Beteiligungen (eine sogenannte Holdinggesellschaft).

Gesellschafter der Ltd 1 waren in den beschwerdegegenständlichen Jahren die seit dem Jahr 2007 beteiligten Gesellschaften ***Gs1*** mit Sitz auf den Channels Islands (Anteil 35%) und ***Gs2*** mit Sitz auf den British Virgin Islands (Anteil 31,82%) sowie Herr ***Ru1*** als "ultimate shareholder" mit einem Anteil von 13,18%. Auf Grundlage eines Stakeholders Agreement vom wurden drei weitere auf Zypern ansässige Gesellschaften an der Ltd 1 beteiligt, und zwar die ***Gs3*** (Anteil 7,5%), die ***Gs4*** (Anteil 6,26%) und die ***Gs5*** (Anteil 6,24%).

Im Jahr 2007 erwarb die Ltd 1 100% Anteile an der ebenfalls auf Zypern ansässigen ***Ltd2*** (Ltd 2). Auch im gesamten Beschwerdezeitraum 2012-2017 war die Ltd 1 Alleingesellschafterin der Ltd 2. Eine Organschaft zwischen der Ltd 1 und der Ltd 2 bestand nicht. Die Ltd 1 war im Beschwerdezeitraum somit die 100%ige Muttergesellschaft der Ltd 2.

Die Ltd 2 war eine Company limited by shares nach zypriotischen Recht, welche am ***Ltd2-GrD*** gegründet wurde. Die Gesellschaft wurde in Zypern zur Körperschaftssteuer veranlagt, wobei keine Option zu einer Steuerbefreiung bestand. Die Ltd 2 wurde nach zypriotischen Recht für steuerrechtliche Zwecke als "nicht transparent" qualifiziert. Die Gesellschaft war eine juristische Person, welche nach ihrer Ausgestaltung nach zypriotischen Recht als "company limited by shares" mit einer österreichischen GmbH vergleichbar ist (vgl Pinetz/Steiner, Der Typenvergleich in der steuerlichen Beratungspraxis (2019), Seite 73). Im Jahr 2018, somit nach dem Beschwerdezeitraum, wurde von der Ltd 2 eine Sitzverlegung von Zypern nach Russland beschlossen. Im Jahr 2019 wurde die Ltd 2 in weiterer Folge aus dem zypriotischen Firmenbuch gelöscht.

Die Ltd 2 war in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2012-2017 ununterbrochen an der österreichischen ***AT-SE1*** (AT-SE1) beteiligt, wobei das Beteiligungsausmaß nicht gleichbleibend war, jedoch immer zu mindestens 17% bestand. Bei der AT-SE1 handelt es sich um eine im österreichischen Firmenbuch eingetragene, börsennotierte Europäische Gesellschaft, welche insbesondere im Baudienstleistungssektor tätig ist.

In den Jahren 2012 bis 2017 schüttete die AT-SE1 Dividenden in folgender Höhe an die Ltd 2 aus:

Dividendenzahlung vom in Höhe von Euro 11.628.000,00 (brutto)

Dividendenzahlung vom in Höhe von Euro 4.150.285,60 (brutto)

Dividendenzahlung vom in Höhe von Euro 9.955.285,20 (brutto)

Dividendenzahlung vom in Höhe von Euro 14.250.000,00 (brutto)

Dividendenzahlung vom in Höhe von Euro 18.525.000,00 (brutto)

Dividendenzahlung vom in Höhe von Euro 27.075.000,00 (brutto)

Im Zuge der oben angeführten Ausschüttungen wurden von der AT-SE1 folgende Kapitalsteuerbeträge gemäß § 93 EStG 1988 einbehalten und an das Finanzamt abgeführt:

Euro 2.907.000,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2012

Euro 1.037.571,40 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2013

Euro 2.488.821,30 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2014

Euro 3.562.500,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2015

Euro 5.094.375,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2016

Euro 7.445.625,00 an einbehaltener Kapitalertragssteuer für den Zeitraum 2017

Sowohl von der Muttergesellschaft Ltd 2, als auch von der im Verhältnis zur AT-SE1 als Großmuttergesellschaft zu qualifizierenden Ltd 2 wurden parallel Anträge gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 und der Mutter-Tochter-Richtlinie auf Rückzahlung der österreichischen Kapitalertragsteuer für die oben angeführten, in den Jahren 2012 bis 2017 bei der Ltd 2 zugeflossenen Dividenden gestellt.

Die von der Muttergesellschaft Ltd 2 gestellten Rückerstattungsanträge wurden von der Abgabenbehörde als formalrechtlich korrekt qualifiziert, jedoch aufgrund der Vorlage einer missbräuchlichen Gestaltung abgewiesen. Die Beurteilung der Behörde wurde im Zuge des Beschwerdeverfahrens durch das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen bestätigt (siehe obrige Ausführungen zum Verfahrensgang; ). Die gegen dieses Erkenntnis eingebrachte außerordentliche Revision wurde vom VwGH mittels Beschluss zurückgewiesen (). Die gegenständlichen Rückerstattungsverfahren der Ltd 2 wurde somit rechtskräftig abgeschlossen.

Die verfahrensgegenständlichen Rückerstattungsanträge der Beschwerdeführerin Ltd 1 für die von der AT-SE1 an die Ltd 2 in den Jahren 2012 bis 2017 ausgeschütteten Dividenden wurden von der Abgabenbehörde mangels Antragslegitimation, hinsichtlich des Jahres 2012 auch wegen eingetretener Verjährung, als unzulässig zurückgewiesen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt fußt im Wesentlichen auf die von der Beschwerdeführerin Ltd 1 bzw der Ltd 2 im Zuge der von der Abgabenbehörde geführten Vorhalteverfahren vorgelegten Unterlagen.

Die verfahrensrelevanten Unternehmensgruppen- und Gesellschaftsstrukturen und die in den Jahren 2012-2017 bestehenden Beteiligungsverhältnisse wurden von der beschwerdeführenden Partei umfassend dargestellt und mittels Dokumenten (zB Firmenbuchauszüge, Jahresabschlüsse der Gesellschaften, etc) belegt. Zwischen den Verfahrensparteien besteht keine Uneinigkeit über die in den Beschwerdejahren vorliegende Ausgestaltung der Unternehmensgruppe und den Beteiligungsverhältnissen.

Ebenso steht zwischen den Verfahrensparteien unstrittig fest, dass die österreichische AT-SE1 in den Jahren 2012-2017 Dividenden an die Ltd 2 ausgeschüttet hat und in diesem Zusammenhang die inländische Kapitalertragssteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat. Direkte Ausschüttungen der AT-SE1 an die Ltd 1 konnten nicht festgestellt werden und wurden solche von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.

Zusammengefasst steht der streitgegenständliche Sachverhalt zwischen den Parteien dieses Beschwerdeverfahrens dem Grunde nach unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Bescheide, mit welchen der Antrag der Ltd 1 betreffend Rückerstattung von österreichischer Kapitalertragssteuer nach § 94 Z 2 EStG 1988 als unzulässig zurückgewiesen wurde.

Die Änderungsbefugnis des Verwaltungsgerichts ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (vgl ua ; , 2012/15/0161; , Ra 2020/16/0137; , Ra 2018/16/0121). Der Prozessgegenstand der angefochtenen Bescheide - die Zurückweisung der Anträge - begrenzt somit die "Sache" dieses Beschwerdeverfahrens.

Eine meritorische Entscheidung des Verwaltungsgerichts über eine zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Antrages ginge nach ständiger Rechtsprechung des VwGH über die anhängige Sache hinaus und würde das Recht auf den gesetzlichen Richter, durch erstmalige inhaltliche Entscheidung der zuständigen Abgabenbehörde über diesen Antrag, verletzten (vgl ; , Ra 2020/15/0129; , Ra 2019/15/0036, jeweils mwN).

Im gegenständlichen Beschwerdefall ist daher durch das Bundesfinanzgericht ausschließlich zu prüfen, ob die sachliche Behandlung des Antrags der Ltd 1 auf Rückerstattung von Kapitalertragssteuer zu Recht aufgrund von fehlenden Prozessvoraussetzungen, insbesondere aufgrund einer fehlenden Antragslegitimation, als unzulässig zurückgewiesen wurde. Im Fall einer rechtswidrigen Zurückweisung hat durch das Verwaltungsgericht eine ersatzlose Aufhebung der Zurückweisungsbescheide zu erfolgen.

Gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 hat der Abzugsverpflichtete (§ 95 Abs 2) bei Kapitalerträgen von Körperschaften im Sinne des § 1 Abs 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 keine Kapitalertragsteuer abzuziehen, wenn es sich um Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften handelt und die Körperschaft mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist.

Dies gilt auch für ausländische Körperschaften, die die in der Anlage 2 zu diesem Bundesgesetz vorgesehenen Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl Nr L 345 vom (kurz Mutter-Tochter-Richtlinie) in der jeweils geltenden Fassung erfüllen, wenn die Beteiligung während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestanden hat.

Davon abweichend hat der Abzugsverpflichtete die Kapitalertragsteuer dann einzubehalten, wenn Gründe vorliegen, wegen derer der Bundesminister für Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerverkürzung und Missbrauch (§ 22 der Bundesabgabenordnung) sowie in den Fällen verdeckter Ausschüttungen (§ 8 Abs 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) durch Verordnung anordnet. In diesen Fällen ist eine der Mutter-Tochter-Richtlinie entsprechende Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Antrag der Muttergesellschaft durch ein Steuerrückerstattungsverfahren herbeizuführen.

Mit der Bestimmung des § 94 Z 2 EStG 1988 wird die innerstaatliche Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie determiniert und sieht diese Regelung auch den Entfall der Kapitalertragsteuer für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen innerhalb der EU vor.

Fest steht, dass die österreichische AT-SE1 bei den an die Ltd 2 ausgeschütteten Dividenden in den Jahren 2012 bis 2017 die Kapitalertragssteuer gemäß § 93 EStG 1988 einbehalten und an das zuständige Finanzamt abgeführt hat. Eine Entlastung von der Kapitalertragssteuer kann daher im gegenständlichen Fall nur durch ein Rückerstattungsverfahren erreicht werden. Dieses kann aufgrund des Wortlauts des § 94 Z 2 EStG 1988 nur auf Antrag der Muttergesellschaft erfolgen, nicht jedoch von der zum Abzug verpflichteten Tochtergesellschaft eingeleitet werden.

Nach der Rsp des EuGH obliegt es in einem ersten Schritt dem Abzugsverpflichteten darzutun, dass die Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie erfüllt sind (vgl und C-1176/16, T Danmark und Y Denmark). In diesem Sinn entspricht es grds der Mutter-Tochter-Richtlinie, wenn die Rückerstattung von einbehaltener Kapitalertragsteuer davon abhängig gemacht wird, dass der Abzugsverpflichtete die Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG 1988 entsprechend nachweist.

Bei den von der AT-SE1 an die Ltd 2 ausgeschütteten Dividenden handelt es sich um Gewinnanteile iSd § 94 Z 2 EStG 1988 bzw der Mutter-Tochter-Richtlinie. Sowohl bei der AT-SE1, als auch den zypriotischen Gesellschaften Ltd 1 und Ltd 2 handelt es sich um Unternehmen nach Art 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie. Darüber besteht zwischen den Verfahrensparteien keine Uneinigkeit.

Als eine weitere Antragsvorausetzung für die KESt-Befreiung bzw deren Rückerstattung normiert § 94 Z 2 EStG 1988 im Sinne einer richtlinienkonformen Umsetzung des Art 3 der Mutter-Tochter-Richtlinie, dass die ausländische Gesellschaft mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der inländischen Körperschaft im Sinne des § 1 Abs 2 KStG beteiligt sein muss, um als Muttergesellschaft und somit als antragsbefugtes Zurechnungssubjekt qualifiziert werden zu können.

Als Muttergesellschaft iSd § 94 Z 2 EStG ist somit nur eine Körperschaft anzusehen, welche mindestens zu einem Zehntel mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Tochtergesellschaft beteiligt ist. Nur eine solche ist berechtigt einen Antrag gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 auf Rückerstattung der Kapitalertragssteuer zu stellen.

Unstrittig steht zwischen den Verfahrensparteien fest, dass die Ltd 1 im Beschwerdezeitraum keine unmittelbare Beteiligung an der AT-SE1 gehalten hat. Von der Ltd 1 wird weder ein zivilrechtliches, noch ein wirtschaftliches Eigentum an Gesellschaftsanteilen (Aktien) der AT-SE1 behauptet und lässt sich ein solches aus dem vorliegenden Akt nicht entnehmen. Ebenso wenig wird von der beschwerdeführenden Partei in Zweifel gezogen, dass die AT-SE1 keine Ausschüttungen an die Ltd 1 vorgenommen hat, sondern diese ausschließlich der Ltd 2 zugeflossen sind. Der Ltd 1 kann somit die Eigenschaft einer Muttergesellschaft im Verhältnis zur AT-SE1 iSd § 94 Z 2 EStG 1988 und der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht aufgrund einer unmittelbaren Beteiligung zuerkannt werden.

Strittig ist jedoch, ob die Ltd 1 aufgrund der 100% Beteiligung an der Ltd 2, welche ihrerseits wiederum im gesamten Beschwerdezeitraum zu mindestens 17% an der AT-SE1 beteiligt war, als mittelbar beteiligte Körperschaft an der AT-SE1 anzusehen ist und ihr aus dieser Stellung die Eigenschaft einer Muttergesellschaft iSd § 94 Z 2 EStG im Verhältnis zur AT-SE1 zukommt.

Sowohl die Ltd 1 als auch die Ltd 2 sind Kapitalgesellschaften, welche nach ihrer Ausgestaltung nach zypriotischen Recht als "company limited by shares" mit einer österreichischen GmbH vergleichbar sind (vgl Pinetz/Steiner, Der Typenvergleich in der steuerlichen Beratungspraxis (2019), Seite 73) und nach nationalen zypriotischen Recht als "intransparent" behandelt werden. Kapitalgesellschaften sind juristische Personen, hinter denen als Eigentümer natürliche oder juristische Personen stehen. Die Sphäre einer Kapitalgesellschaft ist abgabenrechtlich von der ihrer Gesellschafter zu trennen (sogenanntes Trennungsprinzip). Die Gesellschaft Ltd 2 steht damit als selbständiges Steuersubjekt grundsätzlich gleichwertig neben ihrer 100%-Gesellschafterin Ltd 1. Die Stellung der Ltd 1 als Alleingesellschafterin ändert daran nichts. Bei den Gesellschaften Ltd 1 und Ltd 2 handelt es sich somit um zwei Kapitalgesellschaften, welchen als juristische Personen des Privatrechts eine eigene Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen ist. Es stellt sich im gegenständlichen Fall somit die Frage, ob die Kapitalgesellschaft Ltd 1 über die Kapitalgesellschaft Ltd 2 als mittelbar Beteiligte gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 an der AT-SE1 zu qualifizieren ist.

Der Begriff der mittelbaren Beteiligung iSd § 94 Z 2 EStG 1988 umfasst jedoch nur jene Fälle, bei welchen Beteiligungen über "zwischengeschaltete" transparente Personengesellschaften gegeben sind, nicht jedoch "indirekte" Beteiligungen über andere Gesellschaftsformen. Eine mittelbare Beteiligung durch eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft, wie im gegenständlichen Fall, ist darunter nicht zu subsumieren. Dies geht bereits eindeutig aus den Gesetzesmaterialen zum Budgetbegleitgesetz 2011 hervor, welche im Zusammenhang mit der Novellierung dieser Gesetzesstelle ausschließlich auf Beteiligungen über Personengesellschaften abstellt. So wird im Bundesgesetzblatt explizit ausgeführt:"…die Befreiung soll künftig schon ab einem Beteiligungsausmaß von 10% und auch bei mittelbaren Beteiligungen (d.h. Beteiligungen über eine Personengesellschaft) zustehen." (EB 981 BlgNr 24 GP 128; vgl Steindl/Wörndl, ÖStZ 2012, 155 f). Dieses Ergebnis lässt sich auch rechtshistorisch begründen. So war in § 94a EStG 1988 (BGBl Nr 400/1988 aufgehoben durch BGBl I Nr 111/2010) zur Anwendung der KESt-Befreiung eine unmittelbare Beteiligung normiert. Das Unmittelbarkeitserfordernis des § 94a EStG wurde von der Finanzverwaltung im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation der Mutter-Tochter-Richtlinie (nur) für Personengesellschaften schrittweise entschärft und mit der Neufassung des § 94 Z 2 EStG 1988 schließlich aufgegeben (vgl Stefaner/Schragl, Grenzüberschreitende Beteiligungserträge, 2011, Seite 264). So kann für die Bestimmung des Mindestbeteiligungsausmaßes durch eine inländische bzw eine im jeweiligen EU-Staat als transparent behandelte ausländische Personengesellschaf durchgerechnet werden (ua Franke/Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24,2024, § 94 Tz 18; EStR 2000 Rz 7754, vgl auch Blasina, "Direct Ownership" in connection with international intercompany holdings and with the exemption from tax on investment income, SWI, 04/2002, 171). Diese Möglichkeit besteht jedoch bei nicht transparenten Gesellschaften, wie etwa bei Kapitalgesellschaften, nicht.

Auch aus der von der Beschwerdeführerin zitierten, höchstgerichtlichen Entscheidung Ro 2018/13/0004, wonach das Fehlen einer eigenen Wirtschaftstätigkeit einer im EU-Raum ansässigen Gesellschaft für eine KESt-Rückerstattung nach § 94 Z 2 EStG 1988 nicht schädlich ist, wenn ihre ebenfalls dort ansässige Muttergesellschaft wirtschaftlich tätig ist, kann teleologisch abgeleitet werden, dass einer solchen (Groß)Muttergesellschaft keine eigene Antragslegitimation zur KESt-Rückererstattung zukommt. So ist im Zuge einer Missbrauchsprüfung bereits bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft die Tätigkeit der Großmuttergesellschaft (ihrer Muttergesellschaft) miteinzubeziehen (vgl ). Die wirtschaftliche Rolle der Großmuttergesellschaft ist somit im Rückerstattungsverfahren der Muttergesellschaft zu behandeln. Eine eigenständige Antragslegitimation der Großmuttergesellschaft aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bzw aufgrund ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft besteht jedoch nicht.

Im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie erfüllt eine indirekte Beteiligung über eine weitere Kapitalgesellschaft nach hA ebenfalls nicht die Voraussetzungen für eine Entlastung von der Quellensteuer (vgl Franke/Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG23, § 94, Rz 19/1; Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie Kommentar, Art 3, Tz 25). Dies ergibt sich bereits aus der international vorherrschenden Abschirmwirkung von Kapitalgesellschaften (vgl Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie Kommentar, Art 3, Tz 25 mwN).

Die Mutter-Tochter-Richtlinie stellt in Art 3 Abs 1 lit a für die Definition der Muttergesellschaft auf einen "Anteil" am "Kapital" der Tochtergesellschaft ab und legt in Art 4 eine Entlastungsverpflichtung dann auf, wenn die Muttergesellschaft Gewinne "aufgrund ihrer Beteiligung" an der Tochtergesellschaft bezieht. Durch diese Verknüpfung wird nach Ansicht des EuGH in der Entscheidung Les Vergers du Vieux Tauves ausgeschlossen, dass auch andere als gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse geeignet sein könnten, das Mutter-Tochter-Verhältnis zu begründen, ist doch die Tochtergesellschaft dadurch charakterisiert, dass "an deren Kapital dieser Anteil", dh derjenige der Muttergesellschaft, besteht (, Les Verges du Vieux). Aus dieser Rechtsprechung kann abgeleitet werden, dass die Richtlinie in Art 3 nur die gesellschaftsrechtliche Verbindung zweier Gesellschaften erfassen möchte: Nämlich jene zwischen der Tochter- und der an dieser beteiligten Muttergesellschaft. Demgemäß kann die Muttergesellschaft im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie nur eine einzige, bestimme Gesellschaft sein (vgl , Les Verges du Vieux; Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie Kommentar, Art 3, Tz 17, 18, 38). Die von der Ltd 2 gehaltene Beteiligung an der AT-SE1 erfüllt offenkundig das Kriterium eines "Anteils am Kapital" im Sinne von Art 3 der Richtlinie und ist diese Gesellschaft, sofern sie auch die übrigen in der Richtlinie festgelegten Kriterien erfüllt, als "Muttergesellschaft" im Sinne von Art 3 anzusehen. Dies trifft jedoch nicht auf die Ltd 1 zu, da sie nachweislich keine Anteile an der AT-SE1 hält, weder unmittelbar, noch mittelbar über eine etwaige Personengesellschaft. Die Ltd 1 ist im Verhältnis zur AT-SE1 als Großmuttergesellschaft anzusehen und kann lediglich in ihrer Beziehung zur Kapitalgesellschaft Ltd 2 als "Mutter" qualifiziert werden.

Im Sinne einer unionskonformen Auslegung des § 94 Z 2EStG 1988 kann somit zusammenfassengefasst festgestellt werden, dass die Ltd 1 im Beschwerdezeitraum weder eine unmittelbare, noch eine mittelbare Beteiligung an der AT-SE1 gehalten hat und somit nicht als deren Muttergesellschaft nach Art 3 der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw § 94 Z 2 EStG 1988 anzusehen ist. Ihr kommt dementsprechend keine Aktivlegitimation zur Stellung eines Antrags gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 auf Rückzahlung der österreichischen Kapitalertragssteuer hinsichtlich der von der AT-SE1 im Zuge der Dividendenausschüttungen an die Ltd 2 in den Jahren 2012-2017 einbehaltenen und an das Finanzamt abgeführten KESt zu.

Der eingebrachte Antrag der Ltd 1 gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 betreffen Rückerstattung von österreichischer Kapitalertragssteuer vom wurde demgemäß mangels Antragslegitimation von der Abgabenbehörde rechtskonform als unzulässig zurückgewiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage, ob unter einer mittelbaren Beteiligung iSd § 94 Z 2 EStG 1988 auch eine indirekte Beteiligung über eine weitere Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist, besteht keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher vom erkennenden Senat zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 3 Mutter-Tochter-Richtlinie, RL 2011/96/EU, ABl. Nr. L 345 vom S. 8
§ 94 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
mittelbare Beteiligung
indirekte Beteiligung
Mutter-Tochter-Richtlinie
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100352.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
UAAAF-48673