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VwGH 29.01.2025, Ra 2023/13/0014

VwGH 29.01.2025, Ra 2023/13/0014

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des Finanzamtes für Großbetriebe in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102339/2022, betreffend Haftung für Lohnsteuer 2011 und 2012 und Festsetzung Dienstgeberbeitrag 2010 bis 2012 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei ist im Bereich der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung tätig. Infolge einer Außenprüfung betreffend Lohnabgaben für die Jahre 2010 bis 2012 wurde vom Finanzamt - so weit für den Revisionsfall relevant - die begünstigte Besteuerung gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 der freiwilligen Abfertigungen von drei Dienstnehmern im Jahr 2011 sowie von zwei Dienstnehmern im Jahr 2012 nicht anerkannt und die mitbeteiligte Partei zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen. Zudem wurden Dienstgeberbeiträge vorgeschrieben.

2 Die dagegen von der Mitbeteiligten erhobene Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer 2011 und 2012 gemäß § 279 BAO Folge und hob die angefochtenen Bescheide auf. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Dienstgeberbeitrag 2010 wurde als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 2011 und 2012 im Umfang der Anfechtung stattgegeben.

4 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass mit drei und mit zwei weitere Mitarbeiter das Dienstverhältnis mit der Mitbeteiligten einvernehmlich beendet hätten. Diese fünf Personen seien ab bzw.  in den konzernmäßig mit der Mitbeteiligen verbundenen Gesellschaften entsprechend ihrem neuen Tätigkeitsfeld als Geschäftsführer angestellt worden. Die neuen Anstellungsverhältnisse seien bei jenen Gesellschaften aufgenommen worden, bei denen sie zu Geschäftsführern bestellt worden und tatsächlich eigenverantwortlich tätig geworden seien. Die Tätigkeiten als Mitarbeiter einerseits und als Geschäftsführer andererseits seien weder von den Rahmenbedingungen (Arbeitszeitregelung, Gehalt) noch vom wahren wirtschaftlichen Gehalt her vergleichbar. Es sei im Zuge des Dienstgeberwechsels jeweils eine Ab- und Anmeldung bei der Sozialversicherung vorgenommen worden. Des Weiteren sei zwischen den Dienstnehmern und der Mitbeteiligten jeweils eine Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses getroffen und in der Folge ein neuer Dienstvertrag mit der jeweiligen Konzerngesellschaft abgeschlossen worden. Beide vertraglichen Vereinbarungen seien nur zwischen jeweils zwei Parteien geschlossen worden und würden Bindungswirkung auch nur für dieselben zwei Parteien entfalten. Im Zuge des vorgenommenen Dienstgeberwechsels sei einzelvertraglich vereinbart worden, dass die gesetzlichen Abfertigungsansprüche gemäß § 23 Abs. 1 AngG vom neuen Konzerndienstgeber übernommen werden würden. Die Dienstnehmer seien alle vor dem in den Dienst der Mitbeteiligten getreten und unterlägen daher dem System „Abfertigung alt“. Eine freiwillige Abfertigung in Höhe von drei Monatsgehältern sei ausbezahlt worden. Urlaubsansprüche - soweit nicht konsumiert - seien nicht ausbezahlt, sondern in das neue Dienstverhältnis übernommen worden.

5 Dass die Tätigkeiten im alten und neuen Dienstverhältnis nicht miteinander vergleichbar seien, sei von den Vertretern der Mitbeteiligten ebenso wie die vorliegenden außersteuerlichen Gründe nachvollziehbar im Vorlageantrag und in der mündlichen Verhandlung dargelegt worden.

6 Der Sachverhalt sowie die zu lösenden Rechtsfragen glichen im Wesentlichen dem betreffend die Vorprüfung der Jahre 2007 bis 2009 durchgeführten Verfahren, in welchem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2017/13/0006, die Amtsrevision abgewiesen worden sei. Neu im gegenständlichen Verfahren sei nunmehr das Vorbringen des Finanzamtes, dass die Dienstverhältnisse nur geändert und nie beendet worden seien. Das Argument sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Hinweis auf das Neuerungsverbot nicht behandelt worden.

7 Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht zur Haftung für die Lohnsteuer aus, § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG sehe vor, dass die alten Abfertigungsregelungen u. a. dann weiter Geltung besitzen würden, wenn Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns iSd §§ 15 AktG oder 115 GmbHG „in ein neues Arbeitsverhältnis wechseln“, es sei denn, es läge eine Vereinbarung gemäß § 47 Abs. 1 BMSVG vor. Eine solche Vereinbarung liege im Revisionsfall nicht vor. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung werde bei einem Wechsel innerhalb des Konzerns ein neues Arbeitsverhältnis begonnen. Das Finanzamt bringe nun aber vor, dass aufgrund einer getroffenen Dreiparteieneinigung nur eine Änderung des Dienstverhältnisses, nicht aber eine Beendigung und Neubeginn bestehe. Dem sei entgegen zu halten, dass nachweislich An- und Abmeldungen bei der zuständigen Sozialversicherung für die betreffenden Dienstnehmer erfolgt seien. Die Ab- und Anmeldung sei dabei jeweils durch eine andere Gesellschaft - nämlich jene zu der das konkrete Dienstverhältnis bestanden habe - erfolgt. Weiters sei sowohl die Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses als auch die neuen Dienstverträge von jeweils zwei Parteien unterschrieben worden und binde daher nur diese beiden. Eine reine Änderung der Dienstverträge - wie von der Abgabenbehörde angenommen - liege nicht vor. Ungeachtet der Formulierung in Punkt 4 der Auflösungsvereinbarung, welcher dahingehend laute, dass das bisherige Dienstverhältnis mit sämtlichen Rechten und Pflichten von der A bzw. der T übernommen werde, könne darin keine Verpflichtung für diese erblickt werden, zumal sie nicht Vertragsparteien seien. Die Regelung für die neue Arbeitgeberin finde sich in § 3 des neuen Dienstvertrages: „Für alle Ansprüche, die nach Gesetz oder Kollektiwertrag von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, gilt der... (ursprüngliche Dienstbeginn) als Eintrittstag. Die Vordienstzeiten ab diesem fiktiven Eintrittszeitpunkt werden somit angerechnet.“

Ergänzend sei anzuführen, dass die Tätigkeiten im alten und neuen Dienstverhältnis auch bei Beleuchtung des wahren wirtschaftlichen Gehalts nicht miteinander vergleichbar seien. Mit einer Anstellung als Geschäftsführer seien naturgemäß auch andere Aufgaben verbunden als mit der Tätigkeit als „reiner Mitarbeiter“. Es bestünden auch nach Abgleich der alten und neuen Dienstverträge wesentliche Unterschiede in Bezug auf ua Gehalt, Weisungsgebundenheit, Arbeitszeiten und Konkurrenzverbot. Auch gelte es für das Gericht als erwiesen, dass für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe vorlägen. Diese seien insbesondere in der Vermeidung von Haftungen für die Mitbeteiligte und in der Mitarbeiterbindung, die durch die Weitergeltung des Anspruchs auf Erhalt einer gesetzlichen Abfertigung nach dem System Abfertigung alt erzielt werde, ersichtlich.

8 Im vorliegenden Fall könne keine Dreiparteieneinigung erkannt werden und seien daher die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der begünstigten Besteuerung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 als gegeben anzusehen.

9 Hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages reduzierte das Bundesfinanzgericht die vorgeschriebenen Dienstgeberbeiträge für 2011 und 2012 auf die Beträge gemäß dem Beschwerdebegehren.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die sich in ihrer Anfechtungserklärung nur gegen die begünstigte Besteuerung der freiwilligen Abfertigungen wendet. Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes, die auf einer als unschlüssig zu qualifizierenden Beweiswürdigung beruhen würden, seien ungeachtet ihrer Einzelfallbezogenheit immer revisibel. Aus Sicht des revisionswerbenden Finanzamtes sei die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes nicht vollständig. Das Bundesfinanzgericht führe im verfahrensgegenständlichen Erkenntnis in der Sachverhaltsdarstellung zwar aus, dass die neuen Konzernarbeitgeber die Urlaubsansprüche übernommen hätten, würdige diesen Umstand in seinem Erkenntnis jedoch nicht und führe auch nicht aus, weshalb dieser Umstand, der aus Sicht des revisionswerbenden Finanzamtes jedenfalls für eine vertragliche Übernahme der Arbeitsverhältnisse durch die neuen Konzernarbeitgeber spreche, für das Bundesfinanzgericht nicht entscheidungswesentlich gewesen sei. Aus dem Umstand, dass offene arbeitsrechtliche Ansprüche vom neuen Konzernarbeitgeber übernommen worden seien, ergebe sich in Zusammenhalt mit der anlässlich des Arbeitgeberwechsels innerhalb des Konzerns geschlossenen Vereinbarung für das revisionswerbende Finanzamt, dass nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt eine Dreiparteieneinigung vorgelegen sei und es daher im konkreten Fall anlässlich des Arbeitgeberwechsels innerhalb des Konzerns nicht zur Beendigung der Dienstverhältnisse gekommen sei. Damit seien die Anwendungsvoraussetzungen des § 67 Abs. 6 EStG 1988 auf Ebene des vormaligen Konzernarbeitgebers, der die freiwilligen Abfertigungen zur Auszahlung gebracht habe, nicht erfüllt worden. Zudem sei die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Auslegung der anlässlich des Konzernwechsels getroffenen Vereinbarung aus Sicht des revisionswerbenden Finanzamtes nicht vertretbar.

11 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Die Revision wendet sich gegen die Beurteilung der Auflösungsvereinbarung und der Dienstverträge, die nicht als Vertragsänderung und nicht als Dreiparteieneinigung, sondern als zwei voneinander getrennte Verträge angesehen wurden.

16 Gemäß § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die Angaben der Parteien über ihre Absicht im Rahmen des Vertragsabschlusses zählen zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens, welche gemäß § 167 Abs. 2 BAO bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind (vgl. , mwN).

17 Die im konkreten Einzelfall getroffene Auslegung von Verträgen kann nur dann eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, wenn sie grobe Auslegungsfehler oder sonstige krasse Fehlbeurteilungen erkennen lässt (vgl. , mwN).

18 Dass dem Bundesfinanzgericht bei der Auslegung der Verträge ein grober Auslegungsfehler bzw. eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, zeigt die Revision mit ihren Ausführungen zur Zulässigkeit nicht auf.

19 Das Bundesfinanzgericht hat sich ausführlich mit der Auflösungsvereinbarung und den Dienstverträgen auseinandergesetzt und ist aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeitsfelder, der anderen Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten, Konkurrenzverbote, etc. und der Formulierungen in den Verträgen zu der Beurteilung gelangt, dass es sich nicht um eine Vertragsübernahme, sondern um eine Vertragsbeendigung mit Neuabschlüssen von Dienstverträgen gehandelt hat. Das Bundesfinanzgericht verweist zutreffend darauf, dass Punkt 4 der Auflösungsvereinbarung, der eine Übernahme des bisherigen Dienstverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten vorsieht, für die neue Arbeitgeberin nicht bindend war, weil diese nicht Vertragspartnerin war. Aus Punkt 3 des neuen Dienstvertrages ergibt sich vielmehr, dass das bisherige Dienstverhältnis nur hinsichtlich der Vordienstzeiten übernommen wurde. Dem Bundesfinanzgericht ist auch beizupflichten, dass sich die Tätigkeiten eines Mitarbeiters von der eines Geschäftsführers erheblich unterscheiden und auch die Rahmenbedingungen der Dienstverhältnisse andere waren. Vor diesem Hintergrund begegnet es auch keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sich das Bundesfinanzgericht nicht mit der Übernahme offener Urlaubsansprüche auseinandergesetzt hat. Diese Übernahme kann in einem Fall wie hier vorliegend die Annahme einer Beendigung der bisherigen Verträge und des Abschlusses neuer Verträge nicht in Frage stellen.

20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

21 Die Höhe des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2025:RA2023130014.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-48666

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