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VwGH 05.02.2025, Ra 2022/15/0053

VwGH 05.02.2025, Ra 2022/15/0053

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Novak und die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des R G in W, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Argentinierstraße 21/10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-400550/5/Kü/MG, betreffend Übertretung Lustbarkeitsabgabeordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom  legte der Bürgermeister der Stadt Linz dem Revisionswerber zur Last, er habe als strafrechtlich Verantwortlicher des abgabepflichtigen Unternehmens X GmbH näher genannte Übertretungen der Lustbarkeitsabgabeordnung der Landeshauptstadt Linz zu verantworten, verhängte über ihn gemäß § 11 Oö. Abgabengesetz iVm §§ 5, 10 und 11 der erwähnten Lustbarkeitsabgabeordnung eine Geldstrafe von 150 € (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden) und setzte einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens fest.

2 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Dieses beraumte mit Anordnung vom eine mündliche Verhandlung für den an. Die mit datierte Ladung wurde vom Landesverwaltungsgericht am abgefertigt und dem Revisionswerber zu Handen seiner Rechtsvertreter im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt, wobei im Zustellnachweis (einem mit Signatur vom datierten Dokument) der Vermerk enthalten ist: „Zugestellt - Im Verfügungsbereich des ERV-Teilnehmers seit “.

3 Mit Email vom fragte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers an, ob die Durchführung der Verhandlung per Videokonferenz möglich wäre.

4 Am führte das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch. Es hielt fest, „trotz ausgewiesener Ladung“ seien weder der Revisionswerber noch dessen Rechtsvertreter zur Verhandlung erschienen. Aufgrund der erwähnten Eingabe vom sei mit dem Rechtsvertreter Kontakt aufgenommen und er darüber informiert worden, dass im ausgewählten Verhandlungssaal die Durchführung einer Videokonferenz nicht möglich sei. Der Rechtsvertreter habe dies so zur Kenntnis genommen und für den Fall des Fernbleibens eine schriftliche Stellungnahme angekündigt, die bisher nicht eingelangt sei.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und setzte einen vom Revisionswerber zu leistenden Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung der belangten Behörde erstattet wurde, erwogen hat:

7 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision macht der Revisionswerber unter anderem ein Abweichen von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen, wonach gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG eine zweiwöchige Zeit zur Vorbereitung auf eine mündliche Verhandlung zu gewähren sei.

8 Damit erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.

9 Gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG sind die Parteien so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner insofern auf die geltende Rechtslage übertragbaren Judikatur zu § 51e Abs. 6 VStG, der „Vorgängerbestimmung“ des § 44 Abs. 6 VwGVG, bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Zustellung der Ladung und der Verhandlung nicht gewahrt wurde, die Behörde den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weil nicht gesagt werden kann, dass die Behörde bei Wahrung dieser Mindestfrist nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, weshalb sich dieser Verfahrensmangel als wesentlich erweist. Die zweiwöchige Vorbereitungszeit gilt jedenfalls für die erste Verhandlung (vgl. , mwN).

11 Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu der Vorgängerbestimmung § 51e Abs. 6 VStG erkannt, dass Voraussetzung der ordnungsgemäßen Ladung u.a. deren Rechtzeitigkeit ist. Eine verspätete Ladung ist nicht als ordnungsgemäß anzusehen. Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. b EMRK, wonach jeder Angeklagte über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen hat, wurde in § 51e Abs. 6 VStG angeordnet, dass dem Beschuldigten von der Zustellung der Ladung an eine Vorbereitungszeit von mindestens zwei Wochen zur Verfügung zu stehen hat. Das bedeutet, dass die Ladung verspätet ist, wenn zwischen ihrer Zustellung und dem Verhandlungstermin weniger als zwei Wochen liegen (vgl. , mwN).

12 Da im vorliegenden Fall die Ladung zur mündlichen Verhandlung den Vertretern des Revisionswerbers im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am Donnerstag, den als zugestellt anzusehen war (zur Zustellung über den elektronischen Rechtsverkehr im Anwendungsbereich des § 28 Abs. 3 ZustG vgl. neuerlich das Erkenntnis ), endete die nach § 44 Abs. 6 VwGVG vorgeschriebene zweiwöchige Vorbereitungsfrist erst mit Ablauf des Donnerstags, , und hätte die Verhandlung bis dahin nicht durchgeführt werden dürfen. Anhaltspunkte für einen ausdrücklich erklärten Verzicht auf die Vorbereitungsfrist ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht (zu einem solchen siehe etwa und 0072, mwN). Die schon am abgehaltene Verhandlung erweist sich somit als rechtswidrig. Dies ist dem Unterbleiben einer Verhandlung gleichzuhalten. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. erneut , mwN).

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

14 Zu den übrigen vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfragen wird für das fortgesetzte Verfahren darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof diese bereits in seinem - in einem Parallelverfahren des Revisionswerbers ergangenen - Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0095, behandelt hat.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2025:RA2022150053.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-48665