UMSATZSTEUER | Auswirkungen der Verschärfung des § 51b FinStrG
Von ICON am
Mit dem Inkrafttreten des Betrugsbekämpfungsgesetzes 2024 wurden bedeutende Änderungen im Finanzstrafgesetz (FinStrG) vorgenommen, insbesondere durch die Einführung des neuen § 51b FinStrG. Diese neue Regelung zielt darauf ab, eine finanzstrafrechtliche Sanktionslücke im Zusammenhang mit verfälschten, falschen und unrichtigen Belegen, insbesondere Schein- und Deckungsrechnungen zu schließen. Was diese Änderung für die alltägliche Umsatzsteuerpraxis bedeutet, soll der folgende Beitrag aufzeigen.
Die Änderungen und Verschärfungen aufgrund des Betrugsbekämpfungsgesetzes 2024, über die wir Sie auch bereits in unserem Newsletter-Beitrag FINANZSTRAFRECHT | Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 vom 12.08.2024 informiert haben, gründen auf Hochrechnungen des Amts für Betrugsbekämpfung, wonach basierend auf Geldwäscheverdachtsmeldungen von einem Bargeldabfluss in Höhe von 800 Millionen Euro über Scheinunternehmen ausgegangen wird. Diese Gelder werden häufig zur Auszahlung von Schwarz- oder Teilschwarzlöhnen, zur Ermöglichung von Gewinnentnahmen sowie Gewinnverschiebungen und für „Kick-back-Zahlungen“ verwendet. Ziel der Änderungen des Finanzstrafgesetzes ist es die Strafbarkeit im Zusammenhang mit Schein- und Deckungsrechnungen zu verschärfen sowie verfahrensbeschleunigende Maßnahmen vorzusehen.
Im Folgenden soll auf den für die Umsatzsteuerpraxis besonders relevanten und neu eingeführten § 51b FinStrG eingegangen werden, der in der Ausgestaltung einer Finanzordnungswidrigkeit insbesondere darauf abzielt, die Strafbarkeit im Zusammenhang mit Schein- und Deckungsrechnungen zu ermöglichen. Diese Neuregelung soll nicht nur die Sanktionsmöglichkeiten bei Scheinunternehmen vereinfachen, sondern ganz allgemein auch als abschreckende Maßnahme für alle sonstigen Fälle der Erstellung und Verwendung von verfälschten, falschen oder unrichtigen Belegen für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen dienen.
Inhalt und Strafdrohung des § 51b FinStrG
Der neu eingeführte § 51b Abs 1 FinStrG lautet folgendermaßen: „Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich schuldig, wer mit dem Vorsatz, einen Geschäftsvorgang vorzutäuschen oder dessen wahren Gehalt zu verschleiern, für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen Belege verfälscht, falsche oder unrichtige Belege herstellt oder verfälschte, falsche oder unrichtige Belege verwendet.“
Unter den aufgezählten Tatbestandsmerkmalen ist gemäß den Erläuterungen zum Betrugsbekämpfungsgesetz Folgendes zu verstehen:
Einen Beleg verfälscht, wer dessen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt als stamme der jetzige Inhalt vom Aussteller.
Unter der Herstellung eines falschen Belegs wird ein Beleg verstanden, dessen scheinbarer und wirklicher Aussteller nicht identisch sind. Unrichtig ist ein Beleg dann erstellt, wenn eine inhaltlich unrichtige Tatsache als richtig darstellt wird.
Als Verwendung von verfälschten, falschen oder unrichtigen Belegen wird auch das Aushändigen oder Überlassen solcher Belege an Dritte verstanden.
Der Tatbestand des § 51b FinStrG setzt eine vorsätzliche Handlung voraus. Werden verfälschte oder falsche Belege selbst ausgestellt, ist der Vorsatz erfüllt. Die Abgrenzung von (grob) fahrlässigen zu vorsätzlichen Handlungen wird sich hingegen bei unrichtigen Belegen bzw. der Verwendung derartiger Belege schwieriger gestalten.
Als Belege, welche für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen dienen, sind alle Schriftstücke anzusehen, die als Grundlage für die Eintragung in Büchern oder Aufzeichnungen herangezogen werden können. Dazu zählen sämtliche für die gesetzliche Dokumentation notwendige Belege, wie unter anderem Rechnungen, Kassenbelege, Frachtbriefe/Transportnachweise oder auch Lohnabrechnungen.
Die Strafdrohung für diese Finanzordnungswidrigkeit beträgt laut § 51b Abs 2 FinStrG bis zu EUR 100.000,- und es gilt gemäß § 31 Abs 2 FinStrG eine Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Auswirkungen auf die Umsatzsteuerpraxis
Betroffen von dieser finanzstrafrechtlichen Verschärfung sind nicht nur (Schein-)Unternehmen, die sich an Umsatzsteuerkarrusellen beteiligen und beispielsweise Scheinrechnungen für nicht erbrachte Leistungen ausstellen, damit Folgeunternehmer unrechtmäßig Vorsteuerbeträge geltend machen können. Darüber hinaus, kann der neue § 51b FinStrG erhebliche Auswirkungen auf alle Unternehmen haben, die steuerbare Tatbestände in Österreich verwirklichen, da die Integrität der für die Umsatzsteuererklärungen relevanten Dokumente betroffen ist. Die sehr weit gefasste Formulierung, wodurch nicht nur die tatsächlich betrügerischen Handlungen durch Ausstellung und Verwendung von gefälschten oder falschen Belegen vom Tatbestand der Finanzordnungswidrigkeit umfasst sind, sondern auch die Ausstellung und Verwendung von unrichtigen Belegen, führt dazu, dass sämtliche Unternehmer verstärkt darauf achten sollten, die Richtigkeit ihrer Unterlagen zu prüfen und kritisch zu hinterfragen, um mögliche Strafdrohungen zu vermeiden.
Unternehmen, die innergemeinschaftliche Lieferungen tätigen, müssen besonders auf die korrekte Dokumentation und Meldung dieser Transaktionen achten, um Betrugsvorwürfe zu vermeiden. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung müssen durch geeignete Belege nachgewiesen werden, wozu unter anderem auch Transportnachweise zählen. Werden diese Transportdokumente verfälscht oder mit unrichtigen Angaben ausgestellt und (wissentlich) für die gesetzlich geforderte Dokumentation verwendet, kann dies bei Aufdeckung durch die Finanzbehörde nicht nur zur Versagung der Steuerfreiheit und somit Nachbelastung der Umsatzsteuer führen, sondern auch bei einer möglichen Finanzordnungswidrigkeit von bis zu EUR 100.000,- (pro Fall) enden.
Vor diesem Hintergrund ist bei Reihengeschäften, bei denen mehrere Unternehmen in verschiedenen Ländern beteiligt sind, eine genaue Überprüfung der Dokumentation anzuraten. Einerseits gilt es immer auszuklammern, dass eine Beteiligung an einem Umsatzsteuerbetrug vorliegt, von dem ein Unternehmer wissen müsste, andererseits muss von “gestalterischen Eingriffen” Abstand genommen werden, mit denen zwar nicht zwingend Umsatzsteuer hinterzogen wird, allerdings oft Leistungsorte verschoben werden und somit eine Ausstellung oder Verwendung von unrichtigen Belegen/Dokumenten vorliegen kann. Generell ist von nicht gänzlich rechtskonformen Gestaltungen mit Transportdokumenten abzuraten.
Die offene Formulierung was die Ausstellung und Verwendung von unrichtigen Belegen anbelangt, kann weitreichende Auswirkungen auf die tägliche Buchhaltungs- und Umsatzsteuerpraxis haben. Wird eine Rechnung zu Unrecht mit Umsatzsteuer ausgestellt, obwohl beispielsweise eine Steuerbefreiung oder ein Reverse Charge Verfahren zur Anwendung gelangen würde, oder generell der Leistungsort im Ausland liegt, so zählt dies als Ausstellung eines unrichtigen Beleges. Wird ein derartiger Beleg vom Leistungsempfänger verbucht und die Vorsteuer geltend gemacht, wird ein unrichtiger Beleg verwendet.
Aus diesem Grund müssen die Unternehmen sicherstellen, dass ihre Umsatzsteuererklärungen korrekt und vollständig sind, was zwangsläufig zu einem weitreichenden internen Kontrollsystem führt und zur Standardisierung von Compliance-Maßnahmen. Zu den präventiven Maßnahmen, können auch regelmäßige Umsatzsteuerschulungen der Mitarbeiter zählen, um ein notwendiges Bewusstsein zu schaffen und Fehler in der Ausstellung oder Verwendung von Belegen zu vermeiden.
FAZIT
Mit dem neuen § 51b FinStrG wurde ein mächtiges und wirkungsvolles Instrument geschaffen, um gegen (Umsatzsteuer-) Betrug vorzugehen, aber vor allem um relativ schnell Sanktionen verhängen zu können. Allerdings stellt die sehr offene Formulierung ein gewisses Risiko dar, dass nicht nur Scheinunternehmer damit belangt werden, sondern auch andere Unternehmen mit dieser Bestimmung sanktioniert werden, wenn der Tatbestand des Ausstellens oder Verwendens von unrichtigen Belegen als erfüllt angesehen wird.
Dieser Tatbestand kann in der Theorie sehr schnell auch von solchen Unternehmen verwirklicht werden, die mit Sicherheit keine Scheingeschäfte abwickeln, sondern beispielsweise die Unrichtigkeit von Transportdokumenten nicht erkannt haben. Wie streng diese Bestimmung in der Prüfungspraxis tatsächlich gelebt bzw. angewendet wird, bleibt natürlich noch abzuwarten, es ist allerdings kritisch zu sehen, dass für die Verwirklichung dieser Finanzordnungswidrigkeit keine tatsächliche oder beabsichtigte Abgabenverkürzung vorliegen muss, sondern faktisch das Ausstellen bzw. Verwenden eines verfälschten/falschen/unrichtigen Beleges genügt.
Nicht nur aufgrund dieser finanzstrafrechtlichen Verschärfungen, sondern auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Änderungen im Zusammenhang mit dem ViDA-Reformpaket (06.11.2024 UMSATZSTEUER | ECOFIN-Rat beschließt ViDA-Reformpaket) ist anzuraten, dass präventive Maßnahmen in den Unternehmen ergriffen werden. Beispielsweise kann die Einführung bzw. Verbesserung der internen Kontrollsysteme zusammen mit einer Aufschulung der verantwortlichen Mitarbeiter dazu führen, dass Risiken bereits im Vorfeld erkannt und somit abgefedert werden.
Für Rückfragen zu diesen neuen Herausforderungen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner der Service Line “Indirect Tax & Customs” und “Tax Controversy” gerne zur Verfügung!
Fundstelle(n):
RAAAF-48502