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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2025, RV/7103122/2024

Anerkennung Kosten Privatklinik als außergewöhnliche Belastung während "Lock-Down"

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Richter*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Thomas Wagner-Szemethy LL.M., Wiener Straße 1 Top 8, 2320 Schwechat, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Die Einkommensteuer wird mit Euro - 2.561,00 (Gutschrift) festgesetzt.
Bisher war vorgeschrieben Euro 0,00.
Die Bemessungsgrundlagen und die Berechnung der Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit der am eingereichten Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 beantragte der Beschwerdeführer (in Folge kurz Bf) die Berücksichtigung von Krankheitskosten (u.a. Aufenthalt in Privatklinik und Operateur) als außergewöhnliche Belastung.

I. Verfahrensgang

1. In Beantwortung eines Vorhaltes übermittelte er die belegmäßigen Nachweise für die begehrten und nachfolgend aufgelisteten Kosten:

2. Im Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte die belangte Behörde folgende Kosten als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt:


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Datum
Dienstleister
Betrag
-
***Wundversorgung***
€ 2.720,00
***KH1*** (abzgl. Haushaltsersparnis)
€ 249,80
- € 115,06
€ 134,74
€ 2.854,74

Begründet wurde:
Die Kosten für den Aufenthalt in der Privatklinik seien nur bei eindeutiger medizinischer Indizierung, die eine Behandlung in dieser notwendig mache, anzuerkennen. Unterlagen hierfür seien nicht vorgelegt worden. Da die Aufwendungen den errechneten Selbstbehalt in Höhe von EUR 8.302,91 nicht übersteigen, ergeben sich keine steuerlichen Auswirkungen.

3. Zur fristgerecht erhobenen Beschwerde übermittelte der Bf eine ärztliche Bestätigung des Facharztes ***Arzt*** vom , in welcher dieser eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik aufgrund einer Nervenwurzelkompression bei Wirbelgleiten der LWS und die Notwendigkeit einer zeitnahen Operation attestierte und darauf verwies, dass aufgrund der Corona Pandemie eine zeitnahe Operation im öffentlichen Gesundheitswesen nicht möglich gewesen sei.
Ihm sei bedingt durch die Corona Pandemie kein anderer Weg geblieben, als diese Operation in einer Privatklinik durchführen zu lassen, weil viele Operationen verschoben worden seien und eine jahrelange Wartezeit bestanden habe.

4. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Zwangsläufigkeit der Krankheitskosten mangels ausreichender Nachweise, wie Befund, Terminvereinbarung, Terminabsage eines öffentlich allgemeinen Krankenhauses, als nicht gegeben erachtet. Eine kürzere Wartezeit auf die vorzunehmende Operation alleine stelle noch keinen triftigen medizinischen Grund dar.
Das im Nachhinein vom operierenden Arzt ***Arzt*** ausgestellte Schreiben vom bestätige lediglich die medizinische Dringlichkeit der Operation, enthalte aber keine zeitliche Komponente hinsichtlich der Durchführung der Operation noch Angaben über feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile, die das Zuwarten auf eine Durchführung in einem öffentlichen Krankenhaus zur Folge gehabt hätte.

5. Im Vorlageantrag vom führte der Bf ins Treffen, dass er die öffentlichen Krankenanstalten ***KH2*** (hiezu Vorlage der Ambulanzkarte) und ***KH3*** aufgesucht habe.
Er habe jedoch auf Grund der Corona Pandemie keinen Operationstermin innerhalb der nächsten zwei Jahre zugesagt bekommen, bereits für einen Termin für ein CTI hätte eine mehr als zweimonatige Wartezeit bestanden. In Folge legte er eine weitere ärztliche Bestätigung des Facharztes ***Arzt*** vom vor, welcher insbesondere die zeitliche Notwendigkeit und die medizinisch dringliche Indikation attestierte.

6. Am reichte der Bf bei der Behörde eine weitere ärztliche Bestätigung des Facharztes ***Arzt***, datiert mit , ein, nach welcher eine zeitnahe Operation medizinisch dringlich indiziert gewesen war, zumal eine Chronifizierung des Schmerzes sowie neurologische Defizitsymptomatik drohte.

7. Die belangte Behörde beantragte im Vorlagebericht die Kosten im Zusammenhang mit der Wirbelsäulenoperation in Höhe von EUR 9.968,80 nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, da der Bf. keinen Nachweis von triftigen medizinischen Gründen erbracht habe. Weder Terminvereinbarung noch Terminabsage eines öffentlichen Krankenhauses seien belegt worden. Auch in öffentlichen Krankenhäusern, beispielsweise in der Spezialambulanz des ***KH4***, seien derartige Operationen möglich.

8. Im Zuge der am stattgefundenen mündlichen Verhandlung verwiesen beide Parteien auf ihre bisherigen Vorbringen.
Der rechtsanwaltliche Vertreter des Bf. ergänzte, dass insbesondere die Operation aus medizinischen Gründen zwingend notwendig gewesen war und aufgrund des Lockdown sämtliche nicht lebensnotwendigen Operationen in den öffentlichen Spitälern auf unbestimmte Zeit verschoben worden waren. Es ging nicht darum ein akutes Schmerzleiden zu verkürzen, sondern bestand zum damaligen Zeitpunkt keine andere Möglichkeit um das Leiden zu kurieren. Der Vertreter beantragte der Beschwerde stattzugeben.
Der Vertreter der belangten Behörde beantragte unter Verweis auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Bereits Ende des Jahres 2019 traten beim Bf. zunehmende Lumboiscialgien auf, die lateral in Ober- und Unterschenkel ausstrahlten.
Nach erfolglosen Injektionsbehandlungen durch orthopädische Fachärzte suchte der Bf die ***KH3*** und die ***KH2***, beides öffentliche Gesundheitseinrichtungen, auf.

2. Im März 2020 wurde eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik aufgrund einer Nervenwurzelkompression bei Wirbelgleiten der LWS diagnostiziert, welches mit konservativen Therapien behandelt wurde.
Im Zuge der Untersuchung am in der ***KH2*** wurde festgehalten:


3.) Demnach wurde nach vorläufiger Abklärung des Beschwerdebildes in der ***KH2*** am laut Ambulanzkarte ein Termin am (zweieinhalb Monate später) zur Durchführung einer CTI Untersuchung und danach eine Wiedervorstellung in der neurochirurgischen Ambulanz vereinbart. Als zwischenzeitige Therapie wurde eine intravenöse Schmerztherapie beim Hausarzt empfohlen.
Auch in der ***KH3*** konnte der Bf keinen zeitnahen Termin erlangen.

4.) Aufgrund des nur unwesentlichen Ansprechens auf konservative Therapieversuche war eine zeitnahe Operation medizinisch dringlich indiziert, um die ansonsten drohende Chronifizierung des Schmerzes sowie neurologischer Defizitsymptomatik abzuwenden.

5.) Eine zeitnahe Operation war aufgrund der gegebenen ausgeprägten Schmerzsymptomatik infolge einer Nervenwurzelkompression bei Wirbelgleiten medizinisch indiziert, um eine Chronifizierung des Schmerzes hintan zu halten, wie in der ärztlichen Bestätigung vom des Operateurs ***Arzt*** attestiert wird:

[...]

6.) Am begann der erste Lockdown aufgrund der Corona Pandemie.
In den öffentlichen Krankenanstalten wurden sämtliche nicht lebensnotwendigen Operationen auf unbestimmte Zeit verschoben und orthopädische Ambulanzen zum Teil als Reserve für Corona-Erkrankte genutzt.
Hinsichtlich eines (orthopädischen) Operationstermins bestanden lange Wartezeiten.
Für den Bf. war die zeitnahe Durchführung der in Rede stehenden örthopädischen Operation während der Corona Pandemie, insbesondere im Frühjahr und Frühsommer 2020, nur in einer Privatklinik möglich.

7.) Als Folge des dringlichen Handlungsbedarfes war der Bf vom bis (22 Tage) zum Zwecke der Wirbelsäulenoperation, durchgeführt durch den Facharzt ***Arzt*** am , im ***KH1a*** stationär aufhältig. Im Anschluss absolvierte er eine 14-tägige Reha im ***Reha***.

8.) Zur Versorgung der nicht mit dem operativen Eingriff in Zusammenhang stehenden wunden Beine nahm der Bf Leistungen der ***Wundversorgung*** vom bis einschließlich , in regelmäßigen Abständen - gesamt 34mal - in Anspruch, welchen Betrag die belangte Behörde als außergewöhnliche Belastung anerkannte.

9.) In Summe wendete der Bf. den - unter Punkt I.1. im Detail aufgelisteten und belegmäßig nachgewiesenen - Betrag von Euro 14.589,75 an Krankheitskosten auf.

2. Beweiswürdigung

1. Der dargestellte Sachverhalt fusst auf den vorliegenden Akten, insbesondere ergibt sich der geschilderte Ablauf aus den vorgelegten Unterlagen des Bf und weiters aus dessen glaubhaftem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

2. Dass zumindest seit Ende des Jahres 2019 beim Bf. ein Wirbelsäulenleiden bestand, ist der am erstellten Diagnose in der ***KH2*** zu entnehmen, sowie ebenso, dass zumindest ab Märzbeginn 2020 eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik gegeben war, für welche zwischenzeitlich - bis zur damals vorgesehenen Abklärung durch ein CTI am - eine intravenöse Schmerztherapie indiziert war.

3. Die diesbezügliche Diagnose und die damit verbundene zeitnahe Erforderlichkeit der Operation bei ansonsten drohenden schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen bei nicht zeitnaher Vornahme der Operation (Chronifizierung des Schmerzes sowie neurologische Defizitsymptomatik) werden zweifelsohne in den Bestätigungen des Facharztes ***Arzt*** von und attestiert.
Alleine der Umstand, dass es sich bei ***Arzt*** um den in der Privatklinik operierenden Arzt handelt, schmälert deren Beweiskraft, insbesondere in Zusammenschau und unter Bedachtnahme auf die auch bereits in der Klinik Landstrasse erstellten Diagnose mit Feststellung der Schmerzsymtomatik und unter Terminvergabe für ein CTI, nicht. Denn auch seitens der ***KH2*** wurde eine Abklärung durch ein CTI als notwendig erachtet und eine intravenöse Schmerztherapie nur zwischenzeitlich empfohlen.
Zudem ist die Einhaltung des CTI-Termins am insofern zu relativieren, als diese Terminvergabe vor dem ersten Lockdown erfolgte, sodass unbeantwortet bleibt, ob dieser Termin angesichts des Lockdowns eingehalten worden wäre.

4. Es entspricht auch durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass man sich die bei erstmaligem Vorstelligwerden im Krankenhaus erhaltene Information, wonach ein Operationstermin erst nach langer Wartezeit, wie etwa in zwei Jahren möglich sein werde, nicht schriftlich ausfertigen lässt.

5. Dass während der COVID-19 Pandemie nur sehr begrenzt Operationen durchgeführt und daher mit langen Wartezeiten, insbesondere für orhopädische Operationen gerechnet werden musste, und dass Ambulanzen als Reservestationen für Corona-Erkrankte genutzt wurden, ist eine allgemein bekannte Tatsache.
Dies wird weiters sowohl durch die Schreiben des Facharztes ***Arzt*** und durch die im Vorlageantrag vom Bf. geschilderten Zeitabläufe, Wartezeiten etc... aufgezeigt, welche der Bf. abslolut glaubhaft in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigte.

4. Die Aufenthaltsdauer im ***Reha*** bezifferte der Bf. selbst mit 14 Tagen.


2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

a. Maßgebliche Grundlagen

1. Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
o Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2).
o Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3).
o Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst eine Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird gemäß Abs 4 leg cit durch die Belastung beeinträchtigt, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 in Verbindung mit Abs 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens EUR 7.300,00 6%.
mehr als EUR 7.300,00 bis EUR 14.600,00 8%.
mehr als EUR 14.600,00 bis EUR 36.400,00 10%.
mehr als EUR 36.400,00 12%.

Die Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs 3 EStG 1988 ergibt sich bei Krankheitskosten aus der Tatsache der Krankheit (vgl. ; ).

Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen (Doralt, EStG 11, § 34 Tz 78; RV 5101131/2020).

2. Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist ().

Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35, mit Judikaturhinweisen).

Grundsätzlich ist in einem von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlten öffentlichen Krankenhaus bzw. in der allgemeinen Gebührenklasse eine ordnungsgemäße und ausreichende Krankenbehandlung gewährleistet. Durch den Entschluss eines Steuerpflichtigen, sich in der Sonderklasse allgemein öffentlicher Krankenanstalten, in Privatkrankenhäusern oder durch Ärzte ohne Kassenvertrag, gegenüber der allgemeinen Gebührenklasse eines Krankenhauses behandeln zu lassen, entstehen wesentlich höhere Kosten, welche nur in medizinisch begründeten Ausnahmefällen als zwangsläufig entstanden angesehen werden können. Bloße Wünsche oder Vorstellungen des Betroffenen bezüglich der vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen medizinischen Betreuung stellen noch keine triftigen medizinischen Gründe für Aufwendungen dar, welche die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen. Die triftigen medizinischen Gründe müssen vielmehr in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden, ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden .

3. Die Zwangsläufigkeit des Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen ().

b. Rechtliche Erwägungen

1. Die beim Bf akut aufgetretene Nervenwurzelkompression der LWS mit ausgeprägter Schmerzsymptomatik erfüllt den Tatbestand der Krankheit im Sinne einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78; ).
Dem Bf erwuchsen die Aufwendungen hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden grundsätzlich zwangsläufig, zumal sich die Zwangsläufigkeit einer Krankheit, die hier zweifelsohne vorliegt, aus der Tatsache der Krankheit ergibt (vgl. ; ).

2. Die Konsultation des Facharztes für Neurologie und die nachfolgende Wirbelsäulenoperation durch den Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie in der Privatklinik durch diesen stellten für den Beschwerdeführer im Frühjahr 2020 die einzige Möglichkeit dar, seine Lebensqualität zu verbessern, nachdem konservative Schmerztherapien nicht anschlugen.
Dass eine alsbaldige Operation zur Heilung und Linderung der Krankheit nachweislich notwendig und auch aus diesem Grund geboten war, wird durch die Atteste ***Arzt*** bestätigt, da mit konservativer Therapie nur im unwesentlichen Maße Erfolge zu erzielen gewesen waren und dem Bf vor allem eine Chronifizierung der Schmerzen sowie neurologische Defizitsymptomatik, also sich konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteilen drohten.

3. Die ärztlichen Schreiben ***Arzt*** sind entgegen der Meinung der Behörde als Nachweis für die dringliche medizinische Indikation geeignet, auch wenn sie erst nach der Operation ausgestellt wurden. So entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass fachärztliche Bestätigungen auch noch nach Durchführung der Operation als Nachweis zu berücksichtigen sind (vgl. ; ; ; ).
Zudem erkennt der VwGH in der fehlenden Auseinandersetzung mit einem nach der Operation erstellten ärztlichen Schreiben, welches für die Inanspruchnahme privater ärztlicher Dienstleistungen von Bedeutung ist, einen Verfahrensmangel ().

4. Wenn seitens der belangten Behörde die Zwangsläufigkeit auch mangels Nachweis einer Terminvereinbarung oder Terminabsage des/der öffentlichen Krankenhauses/häuser verneint wird, ist zu entgegnen, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass man sich die bei erstmaligem Vorstelligwerden im Krankenhaus erhaltene Information, wonach ein Operationstermin erst in zwei Jahren möglich sein werde, nicht schriftlich ausfertigen lässt. Auch ist dem Bf zu Gute zu halten, dass er nachweislich einen zeitnahen Termin in der neurologischen Ambulanz angestrebt hat.

5. Dass kein Kostenersatz der Krankenversicherung vorliegt, ist nicht schädlich, zumal triftige medizinische Gründe vorgelegen sind (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35, mit Judikaturhinweisen). Die nicht mögliche zeitnahe Durchführung der Operation in einer öffentlichen Krankenanstalt infolge der Pandemie und die dadurch drohenden chronischen Folgebeschwerden sind als feststehende oder sich konkret abzeichnende ernsthafte gesundheitliche Nachteile zu qualifizieren.
Denn wenn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schwere neurologische Defizite mit Lähmungen bis zur Querschnittlähmung als solche triftige Gründe anzuerkennen sind, mag es wohl im Sinne dieser Rechtsprechung sein, auch eine Chronifizierung einer massiven Schmerzsymptomatik mit neurologischer Defizitsymptomatik als solche zu berücksichtigen (vgl. ; ). Auch bei Verlängerung einer Bewegungseinschränkung begleitet von massiven Schmerzen (vgl. ) oder bei starken Schmerzen mit der Gefahr der Beeinträchtigung der Nieren bejahte das BFG die Zwangsläufigkeit ().

6. Als eine Folge der auf Grund der allgemein bekannten Situation während der Corona Pandemie ist zu beurteilen, dass im Anschluss an die Operation ein Reha-Aufenthalt im ***Reha*** absolviert wurde, da auch bezüglich dieses Aufenthaltes davon auszugehen ist, dass ein solcher kaum ohne Verzögerung von mehreren Monaten in einer (öffentlichen) Anstalt in Anspruch hätte genommen werden können (vgl. ).

7. Aufwendungen für Verpflegung, die alle Steuerpflichtigen gleichermaßen treffen, sind nicht abzugsfähig (Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 34 Anm 23 und 78 "Kurkosten").
Bei einem Krankenhausaufenthalt und ebenso bei einem Rehabilitationsaufenthalt ist eine Haushaltsersparnis in Abzug zu bringen. Der Steuerpflichtige erspart sich durch die Bereitstellung der vollen Verpflegung, derartige Aufwendungen, die ansonsten bei der Verpflegung zu Hause (oder in Gaststätten) anfallen würden. Diese sogenannte "Haushaltsersparnis" ist daher von den diesbezüglichen Aufwendungen abzuziehen, damit der Bf nicht bessergestellt wird als jemand, der sich außerhalb eines Spitals oder einer Rehabilitationsanstalt verpflegen muss ().

Für die Berechnung der Haushaltersparnis ist vom Wert der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. II Nr. 2001/416 idF BGBl. II 2008/468 auszugehen, die in § 1 den Wert der vollen freien Station mit EUR 196,20 monatlich bemisst. Bei einem Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalt beträgt die monatliche Haushaltsersparnis nach Ausscheiden der Kostenanteile für Wohnung mit 1/10, Beleuchtung und Strom mit 1/10, EUR 156,96 (= 8/10 von EUR 196,20). Pro Tag ergibt sich somit eine Haushaltsersparnis von EUR 5,23 (= EUR 156,96 / 30) ().

Der Bf war 22 Tage im ***KH1a*** und 14 Tage auf Rehabilitation im ***Reha***, sohin liegt eine gesamte Aufenthaltsdauer von 36 Tagen vor, wofür eine Haushaltsersparnis in Höhe von EUR 188,28 in Abzug zu bringen ist.

8. Die gegenständlichen Aufwendungen sind - mangels entsprechend festgestellter qualifizierter Behinderung - nur als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, insoweit sie den Selbstbehalt übersteigen.
Dieser errechnet sich nach den Bestimmungen des § 34 Abs. 4 EStG 1988 in Höhe von EUR 8.302,91.

9. Die Höhe der neu anzusetzenden Bemessungsgrundlagen und der Abgabe ergeben sich wie folgt:

Gesamtbetrag der Einkünfte59.360,04 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):

Pauschbetrag für Sonderausgaben - 60,00 €

Außergewöhnliche Belastungen:

Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 Abs 4 EStG 1988) - 14.589,75 €

Selbstbehalt 8.302,91 €

Haushaltsersparnis 188,28 €

Freibetrag wegen eigener Behinderung (§ 35 Abs 3 EStG 1988) 0,00 €

Einkommen53.201,48 €

Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 beträgt:

0 % für die ersten 11.000,00 € 0,00 €

20 % für die weiteren 7.000,00 € 1.400,00 €

35 % für die weiteren 13.000,00 € 4.550,00 €

42 % für die restlichen 22.201,48 € 9.324,62 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge15.274,62 €

Pensionistenabsetzbetrag 0,00 €

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge15.274,62 €

Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:

0 % für die ersten 620,00 € 0,00 €

6 % für die restlichen 9.270,84 € 556,25 €

Einkommensteuer15.830,87 €

Anrechenbare Lohnsteuer (260) 18.392,31 €

Rundung gemäß § 39 Abs 3 EStG 1988 0,44 €

Festgesetzte Einkommensteuer- 2.561,00 €

Berechnung der Abgabennachforderung:

Festgesetzte Einkommensteuer - 2.561,00 €

Abgabengutschrift2.561,00 €

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob triftige Gründe für die Anerkennung von Krankheitskosten oder ob die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG vorliegen, war eine auf Sachverhaltsebene und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage. Über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu befinden.
Eine ordentliche Revision ist demnach nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001
§ 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 18 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 39 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Anerkennung Kosten Privatklinik als außergewöhnliche Belastung
Privatklinikaufenthalt während "Lock-Down"
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7103122.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
HAAAF-48501