Verjährung - vorläufige Feststellungsbescheide
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Verlassenschaftskurator***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2006, 2007 und 2009 sowie Festsetzung der Anspruchszinsen 2006, 2007 und 2009, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2006 und 2007 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2009 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Festsetzung der Anspruchszinsen 2006, 2007 und 2009 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der am TT.10.2022 verstorbene Beschwerdeführer (Bf) war in den Beschwerdejahren ua. an mehreren Mitunternehmerschaften beteiligt und erklärte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Betreffend Einkommensteuer 2006 erging am der Erstbescheid. Am und am ergingen gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide.
Betreffend Einkommensteuer 2007 erging am der Erstbescheid. Am , und ergingen gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide.
Betreffend Einkommensteuer 2009 erging am der Erstbescheid. Am erging ein gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid.
Am erließ das Finanzamt die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2009, mit welchen die am ergangenen Einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2009 gemäß § 295 Abs 1 BAO geändert wurden.
Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2006 erfolgte aufgrund der Feststellungsbescheide vom betreffend die ***GesA*** (StNr ***GesA***) und vom betreffend die ***GesB*** (StNr ***B***) für die auf den Bf entfallenden anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 erfolgte aufgrund der Feststellungsbescheide vom betreffend die ***GesA*** (StNr ***A***), vom betreffend die ***GesB*** (StNr ***B***) und vom betreffend die ***GesC*** (StNr ***C**) für die auf den Bf entfallenden anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 erfolgte aufgrund des Feststellungsbescheides vom betreffend die ***GesA*** (StNr ***A***) für die auf den Bf entfallenden anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit den Einkommensteuerbescheiden vom erließ das Finanzamt gleichzeitig auch Bescheide betreffend Anspruchszinsen 2006, 2007 und 2009.
Gegen diese Bescheide erhob der Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde, in der er die bereits eingetretene Verjährung geltend machte.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf in den Jahren 2006 und 2007 an der ***GesB***, in den Jahren 2006, 2007 und 2009 an der ***GesA*** und im Jahr 2007 an der ***GesC*** als Mitunternehmer beteiligt gewesen sei. Im Jahr 2018 seien in den jeweiligen Feststellungsverfahren wiederaufgnommene Feststellungsbescheide ergangen, die geänderte Gewinntangenten erwirkt hätten. Aufgrund der geänderten Gewinntangenten seien im Jahr 2018 für den Bf gem. § 295 BAO neue Einkommensteuerbescheide 2006, 2007 und 2009 erlassen worden.
Die Feststellungsbescheide der ***GesA*** und der ***GesC***, die im Jahr 2018 abgeändert worden seien, seien vorläufige Bescheide gewesen (für die ***GesA*** sei der F-Bescheid 2006 im Jahr 2009, der F-Bescheid 2007 im Jahr 2009, der F-Bescheid 2009 im Jahr 2011 ergangen, für die ***GesC*** der F-Bescheid 2007 im Jahr 2008). Grund für die Vorläufigkeit seien anhängige Beschwerdeverfahren betreffend die Vorjahre gewesen, in denen die Frage strittig gewesen sei, ob die Kommanditisten als Mitunternehmer anzusehen seien.
Die Beschwerdeverfahren seien mit Entscheidung des RV/0785-K/07 und vom , RV/0316-K/07 erledigt worden.
Da die Vorläufigkeit des Feststellungsbescheides auf den davon abgeleiteten Abgabenbescheid durchschlage, beginne die fünfjährige Verjährungsfrist für die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide mit zu laufen, wobei die absolute Verjährung aufgrund der Vorläufigkeit fünfzehn Jahre betrage.
Die Einkommensteuerfestsetzung aller drei streitgegenständlichen Jahre sei im Jahr 2018 noch innerhalb der verlängerten Verjährungsfrist gem. § 208 Abs 1 lit. d BAO erfolgt.
Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung durch den Senat und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Mit Schreiben vom wurde der diesbezügliche Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes vom fristgerecht erfüllt.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor.
Am erörtete die Richterin mit dem Vertreter des Finanzamtes die Sach- und Rechtslage. Hinsichtlich der Vorläufigkeit der Feststellungsbescheide wurde besprochen, dass eine Ungewissheit im Tatsachenbereich nicht feststellbar sei und damit die fünfjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres der Erlassung der vorläufigen Feststellungsbescheide beginne, somit für die Streitjahre 2006 und 2007 mit Ablauf des Jahres 2009 und für das Streitjahr 2009 mit Ablauf des Jahres 2011. Für die Jahre 2006 und 2007 seien im Jahr 2015 keine Verlängerungshandlungen ersichtlich.
Mit Email vom teilte der Vertreter des Finanzamtes mit, dass für die Zeiträume 2006 und 2007 weder beim Bf noch bei einer seiner zahlreichen Beteiligungen eine (dokumentierte) Unterbrechungshandlung im erforderlichen Zeitraum 2015 zu finden sei. Damit werde für die Zeiträume 2006 und 2007 die bereits vermutete Festsetzungsverjährung bestanden haben.
Mit Email vom übermittelte das BFG dem Verlassenschaftskurator eine Sachverhaltsdarstellung samt kurzer rechtlicher Würdigung.
Mit Email vom übermittelte der Verlassenschaftskurator das Schreiben einer Parteienvertreterin im Verlassenschaftsverfahren vom . Darin wurde ausgeführt, dass die Verjährungsfrist für die ESt gemäß § 207 Abs 2 BAO nur 5 Jahre betrage, und zwar auch dann, wenn eine Veranlagung vorläufig erfolgt sein sollte. Die Richterin möge ferner bedenken, dass selbst eine Wiederaufnahme eines vorläufigen Verfahrens zur Feststellung von Einkünften, so überhaupt zu Recht erfolgt, jedenfalls zur Beseitigung jenes Bescheides führe, der das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht habe. Durch die Wiederaufnahme des Verfahrens (so rechtmäßig erfolgt), hätte der frühere Bescheid zur Gänze außer Kraft zu treten. Somit wäre selbst im Falle einer verfügten Wiederaufnahme auch die Vorläufigkeit zur Gänze beseitigt gewesen, bevor es zu neuen, hier wiederum verjährten Sachbescheiden auch auf Gesellschaftsebene gekommen sei. Auch aus diesem Grund sei jedenfalls Verjährung eingetreten. Eine "Ungewissheit" sei schon seinerzeit nicht gegeben gewesen, sodass auch § 209 Abs 4 BAO nicht anwendbar gewesen sei.
Mit Schreiben vom wurden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat zurückgezogen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der am TT.10.2022 verstorbene Bf war in Streitjahren an mehreren Mitunternehmerschaften beteiligt.
Im Einkommensteuerverfahren des Bf wurden nachstehende Verfahrenshandlungen vorgenommen:
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2006 | |
Erstbescheid | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO ua. wegen F-Bescheiden zu StNr ***A*** ***GesA*** v. (vorläufig) und zu StNr ***B*** ***GesB*** v. (endgültig) | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO wg. F-Bescheid zu StNr ***A*** ***GesA*** v. und zu StNr ***B*** ***GesB*** v. | |
2007 | |
Erstbescheid | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO | |
Berufung gegen Bescheid v. | |
Berufungsvorentscheidung | |
Vorlageantrag | |
Berufungsvorentscheidung | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO wg. F-Bescheiden zu StNr ***A*** ***GesA*** v. , zu ***GesC***, StNr ***C** v. und zu StNr ***B*** ***GesB*** v. | |
2009 | |
Erstbescheid | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO ua. wg. F-Bescheiden zu StNr ***D*** ***GesD*** v. und zu StNr ***E*** ***GesE*** v. | |
Bescheidänderung gem. § 295 (1) BAO wegen F-Bescheid zu StNr ***A*** ***GesA*** v. |
In den Feststellungsverfahren folgender Beteiligungen wurden nachstehende verfahrensrelevante Amtshandlungen vorgenommen:
Bei der ***GesA*** (StNr ***A***) erging ein vorläufiger Feststellungsbescheid für 2006 am , für 2007 am und für 2009 am . Die Vorläufigkeit wurde damit begründet, dass der Umfang der Abgabenpflicht von einem noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahren abhängig sei.
Im Zuge einer im Jahr 2017 begonnenen Außenprüfung (Schlussbesprechung am ) wurden am , nach Wiederaufnahme der Verfahren gem. § 303 BAO, neue (endgültige) Feststellungsbescheide für die Streitjahre erlassen.
Bei der ***GesB*** (StNr ***B***), erging ein (endgültiger) Feststellungsbescheid für 2006 am und für 2007 am .
Im Zuge einer im Jahr 2017 begonnenen Außenprüfung (Schlussbesprechung am ) wurden am , nach Wiederaufnahme der Verfahren gem. § 303 BAO, neue (endgültige) Feststellungsbescheide für die Jahre 2006 und 2007 erlassen.
Bei der ***GesC*** (StNr ***C**), erging ein vorläufiger Feststellungsbescheid für 2006 am , für 2007 am und für 2009 am . Die Vorläufigkeit wurde 2006 und 2009 damit begründet, dass der Umfang der Abgabenpflicht von einem noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahren abhängig sei. 2007 blieb der Bescheid unbegründet.
Nach Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO wurde am ein neuer (unbegründeter) vorläufiger Feststellungsbescheid 2007 erlassen.
Im Zuge einer im Jahr 2017 begonnenen Außenprüfung (Schlussbesprechung am ) wurden am der vorläufigen Feststellungsbescheid 2006 vom und der vorläufige Feststellungsbescheide 2009 vom für endgültig erklärt sowie, nach Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO, ein neuer (endgültiger) Feststellungsbescheid für das Jahr 2007 erlassen.
Soweit in den Feststellungsverfahren vorläufige Feststellungsbescheide ergingen, sind diese in Rechtskraft erwachsen. Eine Ungewissheit im Tatsachenbereich war nicht feststellbar.
Betreffend die Streitjahre 2006 und 2007 konnten im Jahr 2015 weder im Einkommensteuerverfahren noch in den Feststellungsverfahren der Beteiligungen des Bf nach außen erkennbare Amtshandlungen der Abgabenbehörde im Sinne des § 209 Abs 1 BAO festgestellt werden.
Betreffend das Streitjahr 2009 wurden im Jahr 2016 in den einzelnen Feststellungsverfahren folgende nach außen erkennbare Amtshandlungen der Abgabenbehörde im Sinne des § 209 Abs 1 BAO unternommen: Bei der ***GesD*** (StNr ***D***) und bei der ***GesE*** (StNr ***E***) wurden am bzw. , jeweils nach Wiederaufnahme des Verfahrens, neue (endgültige) Feststellungsbescheide 2009 erlassen.
Bei folgenden Beteiligungen wurden in den Feststellungsverfahren erhobene Beschwerden zwischenzeitlich vom Bundesfinanzgericht entschieden:
***GesF*** (StNr ***F***): Mit Entscheidung vom , RV/7100470/2014, wurde die Beschwerde gegen den Nichtfeststellungsbescheid für 2006 vom als unzulässig zurückgewiesen und die Beschwerde ua. gegen den Nichtfeststellungsbescheid für 2007 vom als unbegründet abgewiesen.
***GesA*** (StNr ***A***): Mit Erkenntnis vom , RV/4100349/2018, wurde die Beschwerde ua. gegen die Feststellungsbescheide 2006, 2007 und 2009 vom als unbegründet abgewiesen.
***GesC*** (StNr ***C**): Mit Erkenntnis vom , RV/4100188/2019, wurde die Beschwerde ua. gegen den Feststellungsbescheid 2007 vom als unbegründet abgewiesen.
***GesG*** (StNr ***G***): Mit Erkenntnis vom wurden die Beschwerden gegen die Bescheide vom betreffend das Unterbleiben einer Feststellung ua. für die Jahre 2006, 2007 und 2009 als unbegründet abgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Der vorliegende Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Finanzamtsakt und den aus dem Abgabeninformationssystem des Bundes bezogenen Dokumenten.
Soweit Feststellungsbescheide in den Streitjahren vorläufig ergangen sind, erfolgte dies auf Grund noch nicht beendeter Rechtsmittelverfahren der Vorjahre. Das Vorliegen einer Ungewissheit im Tatsachenbereich bei der Erlassung der vorläufigen Feststellungsbescheide ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgebracht.
Dass im Jahr 2015 keine Verlängerungshandlungen im Sinne des § 209 Abs 1 BAO stattgefunden haben, hat das Bundesfinanzgericht nach eigener Sichtung im Abgabeninformationssystem des Bundes und aufgrund der von der belangten Behörde am dazu erteilten Information als erwiesen angenommen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Einkommensteuer)
Gemäß § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO entsteht der Abgabenanspruch für die zu veranlagende Abgabe grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorzunehmen ist.
Gemäß § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei der Einkommensteuer fünf Jahre. Nach § 208 Abs 1 lit a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. In den Fällen des § 200 BAO beginnt gemäß § 208 Abs 1 lit d BAO die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.
Gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207 BAO) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Feststellungsbescheide (§ 188 BAO) sowie nach außen erkennbare Amtshandlungen im Feststellungsverfahren für abgeleitete Abgaben (im gegenständlichen Fall die Einkommensteuer der Beteiligten) auch verjährungsfristverlängernd (vgl. ; ; ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 209 Anm 5). Die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen stellen beispielsweise auch abgabenbehördliche Prüfungen (vgl. zB. ), eine Schlussbesprechung ( bis 0198) oder ein Prüfungsbericht () dar.
Gemäß § 209 Abs 3 erster Satz BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO). Abweichend von Abs 3 verjährt nach § 209 Abs 4 BAO das Recht, eine gem. § 200 Abs 1 BAO vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs 1 BAO durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.
Nach der Rechtsprechung des VwGH legt § 209 Abs 4 BAO nicht fest, auf welche Art und Weise ein vorläufiger Bescheid durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird. Es steht daher der Anwendung des § 209 Abs 4 BAO nicht entgegen, wenn die endgültige Festsetzung nicht unmittelbar auf § 200 Abs 2 BAO, sondern - wie im gegenständlichen Fall - auf § 303 BAO (amtswegige Wiederaufnahme), gestützt worden ist (vgl. ).
Gemäß § 200 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde eine Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. § 200 BAO erlaubt eine vorläufige Abgabenfestsetzung, wenn Ungewissheiten im Tatsachenbereich bestehen. (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 200 Tz 1 und die dort angeführte Judikatur des VwGH).
Wurde ein vorläufiger Abgabenbescheid rechtskräftig erlassen, ist es für die Anwendbarkeit des § 209 Abs 4 BAO auch unerheblich, ob tatsächlich eine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs 1 BAO bestanden hat, da eine fehlende tatsächliche Ungewissheit einer Endgültigerklärung nach der Rechtsprechung des VwGH nicht entgegensteht (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 209 Anm 41 sowie § 200 Anm 16 unter Hinweis auf ; ; ).
Die absolute Verjährung legt allerdings lediglich die äußerste zeitliche Grenze für die Abgabenfestsetzung fest und begrenzt damit insbesondere die (mehrfachen) Möglichkeiten der Verlängerung der Verjährungsfristen des § 207 BAO (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 209 Anm 1).
Die (noch nicht eingetretene) fünfzehnjährige absolute Verjährung ermöglicht eine Abgabenfestsetzung aber nur dann, wenn die nach Maßgabe des § 208 BAO begonnene und gegebenenfalls nach § 209 Abs 1 BAO verlängerte Verjährungsfrist nicht früher geendet hat.
Das Verfahren nach § 188 BAO stellt sich als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten dar. Vorläufige Bescheide werden erlassen, um einen dem Grunde nach wahrscheinlich entstandenen Abgabenanspruch in jenen Fällen realisieren zu können, in denen der eindeutigen und zweifelsfreien Klärung der Abgabepflicht oder der Höhe der Abgabenschuld nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vorübergehende Hindernisse entgegenstehen. Soweit im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO die Höhe des einheitlichen Gewinnes bzw Überschusses aufgrund vorübergehender Hindernisse nicht ermittelt werden kann, steht der Anteil am Gewinn bzw Überschuss der einzelnen Beteiligten nicht fest. Diese Ungewissheit kommt durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck und erfasst insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs 1 lit d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl mit Verweis auf ).
Wurde ein vorläufiger Abgabenbescheid erlassen, obwohl keine Ungewissheit iSd § 200 Abs 1 BAO bestanden hat, und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, so ist nach der herrschenden Rechtsprechung in der Folge auch für die Frage, mit welchem Zeitpunkt die Verjährung beginnt, von der Ungewissheit iSd § 200 Abs 1 BAO bei Bescheiderlassung auszugehen. Dies hat zur Folge, dass der Verjährungsbeginn nach der Regelung des § 208 Abs 1 lit d BAO bestimmt wird und keinesfalls vor dem Zeitpunkt der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheids liegen kann. Entscheidend für den - nach der Regelung des § 208 Abs 1 lit d BAO zu bestimmenden - Beginn der Verjährung ist daher, ob zum Zeitpunkt der Erlassung der in Rede stehenden vorläufigen Bescheide - objektiv gesehen - eine Ungewissheit bestanden hat und wann diese Ungewissheit weggefallen ist. Hat tatsächlich keine Ungewissheit bestanden, beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres der Erlassung des vorläufigen Bescheids (; ).
Zwar unterliegt die Erlassung von Feststellungsbescheiden selbst grundsätzlich nicht der Festsetzungsverjährung des § 207 Abs 1 BAO (vgl etwa ), sodass § 207 BAO keine Grenze für deren Erlass bietet.
Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass für den Beginn und damit den Lauf der Verjährungsfrist für die streitgegenständlichen Einkommensteuerverfahren 2006, 2007 und 2009 die beschriebene Durchschlagswirkung einer vorläufigen Feststellung durch § 208 Abs 1 lit d BAO zeitlich befristet ist, wonach die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. Die Verjährung nach § 208 Abs 1 lit d BAO kann jedoch keinesfalls vor der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheides beginnen (; ).
Im vorliegenden Fall bestand keine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs 1 BAO bei Erlassung der (in Rechtskraft erwachsenen) vorläufigen Feststellungsbescheide.
Die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer 2006 begann daher aufgrund des bei der ***GesA*** im Jahr 2009 erlassenen vorläufigen Feststellungsbescheides 2006 mit Ablauf des Jahres 2009 zu laufen und würde ohne Berücksichtigung von Verlängerungshandlungen mit Ablauf 2014 enden.
Die Verjährungsfrist wurde in Folge gemäß § 209 Abs 1 BAO ua durch den im Veranlagungsverfahren des Beschwerdeführers gem. § 295 Abs 1 BAO ergangenen Einkommensteuerbescheid 2006 vom um ein Jahr bis Ende 2015 verlängert. Im Jahr 2015 konnten weder im Einkommensteuerverfahren 2006 noch in den Feststellungsverfahren 2006 nach außen erkennbare Amtshandlungen festgestellt werden. Damit endete für das Streitjahr 2006 die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2015.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2006 vom war daher bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.
Die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer 2007 begann mit Ablauf des Jahres der Erlassung der vorläufigen Feststellungsbescheide 2007 betreffend die ***GesA*** und die ***GesC*** (beide im Jahr 2009), sohin mit Ablauf des Jahres 2009, zu laufen und würde ohne Berücksichtigung von Verlängerungshandlungen mit Ablauf 2014 enden.
Die Verjährungsfrist wurde in Folge gemäß § 209 Abs 1 BAO durch die im Einkommensteuerverfahren 2007 ergangenen Berufungsvorentscheidungen vom und um ein Jahr bis Ende 2015 verlängert. Im Jahr 2015 konnten weder im Einkommensteuerverfahren 2007 noch in den Feststellungsverfahren 2007 nach außen erkennbare Amtshandlungen festgestellt werden. Damit endete für das Streitjahr 2007 die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2015.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2007 vom war daher bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.
Die fünfjährige Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuer 2009 begann aufgrund des im Jahr 2011 erlassenen vorläufigen Feststellungsbescheides 2009 betreffend die ***GesA*** mit Ablauf des Jahres 2011 zu laufen und würde ohne Berücksichtigung von Verlängerungshandlungen mit Ablauf 2016 enden. Im Jahr 2016 wurde in den Feststellungsverfahren der ***GesD*** und der ***GesE*** nach Wiederaufnahme der Verfahren gem. § 303 BAO neue Feststellungsbescheide für das Jahr 2009 erlassen, wodurch die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2017 verlängert wurde. Durch den im Einkommensteuerverfahren des Bf im Jahr 2017 gemäß § 295 Abs 1 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheid 2009 und den im Jahr 2017 vorgenommenen Außenprüfungen bei der ***GesA***, der ***GesC*** und der ***GesB*** wurde die Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2018 verlängert.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 vom wurde daher vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist erlassen.
Der Beschwerde war somit hinsichtlich der Jahre 2006 und 2007 infolge der eingetretenen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Die auf Grundlage des § 295 Abs 1 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 vom waren gemäß § 279 Abs 1 BAO aufzuheben.
Die Beschwerde gegen den vor Ablauf der Verjährungsfrist erlassenen Einkommensteuerbescheid 2009 war somit als unbegründet abzuweisen.
Ergänzender Hinweis:
§ 209a Abs. 1 BAO sieht vor, dass einer Abgabenfestsetzung, die in einer Beschwerdevorentscheidung oder in einem Erkenntnis zu erfolgen hat (auf Grund eines Rechtsmittels gegen einen vorangehenden, innerhalb der Verjährungsfrist erlassenen Bescheid), der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht.
Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer vor Eintritt der Verjährung eingebrachten Beschwerde ab, steht nach § 209a Abs 2 BAO der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Beschwerde vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde
Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Dabei hat das Bundesfinanzgericht nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden, die im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt und somit auch jene Feststellungsbescheide zu Grunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts dem Rechtsbestand angehören ().
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass infolge der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts vom hinsichtlich des Feststellungsbescheides 2009 vom betreffend die ***GesA*** und vom hinsichtlich des Nichtfeststellungsbescheides 2009 vom betreffend die ***GesG***, mit denen die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurde, keine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2009 vom erfolgt.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Anspruchszinsen)
Gemäß § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gemäß § 207 Abs 2 letzter Satz BAO gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
Anspruchszinsenbescheide sind an den Stammabgabebescheid gebunden. Sie sind grundsätzlich selbständig anfechtbar. Wegen der Bindung ist der Anspruchszinsenbescheid allerdings nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig. Erweist sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert oder aufgehoben, so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid und keine Änderung oder Aufhebung des ursprünglichen Zinsenbescheides (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 205 Rn 34f; vgl. ; ).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Die gegenständliche Rechtsfrage, ob der Erlassung der bekämpften Einkommensteuerbescheide die bereits eingetretene Festsetzungsverjährung entgegensteht, wurde im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur entschieden. Auch in Bezug auf die Anspruchszinsen weicht die Entscheidung nicht von der höchstgerichtlichen Judikatur ab. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 208 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 205 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.6100501.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
NAAAF-48483