Sechstelbegünstigung einer Grenzgängerin
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang/Sachverhalt:
1. Die Bf (Beschwerdeführerin) ist Grenzgängerin und war im Beschwerdejahr in ***5***, ***6*** wohnhaft. Sie war das ganze Jahr über bei der ***2*** in Deutschland beschäftigt. Ihr Bruttobezug betrug € ***4***. An Sonderzahlungen wurde ein Betrag von € ***7*** geleistet.
2. Am erging der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2022. Die sonstigen Bezüge wurden mit € ***7*** ausgewiesen.
3. In der gegen den genannten Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wurde ausgeführt, die Bf sei in Deutschland (***3***) in einem ***8*** nichtselbstständig erwerbstätig und wegen ihres Wohnsitzes in Österreich als Grenzgängerin einkommensteuerpflichtig. In Österreich sei es allgemein üblich, ein Siebtel der Jahresbezüge unselbstständig Erwerbstätiger (sowie von Pensionisten) begünstigt zu besteuern. Da auch die Bf ihren Lebensunterhalt aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit bestreite, werde beantragt, ein Siebtel der Jahresbezüge als sonstige Bezüge (wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld) zu besteuern, da sie ansonsten gegenüber anderen in Österreich lebenden unselbstständig Erwerbstätigen benachteiligt werde.
4. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, eine nachträgliche, rein rechnerische Aufteilung des Gesamtbezuges in laufende und sonstige Bezüge könne mangels eindeutig erkennbarer Unterscheidungsmerkmale zwischen laufenden und sonstigen Bezügen nicht als ausreichende Grundlage für die Annahme sonstiger Bezüge angesehen werden (). Vom Arbeitgeber der Bf sei nur ein Betrag von € ***7*** als sonstiger Bezug deklariert worden.
5. Im rechtzeitig gestellten Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht vom wurde ergänzend noch vorgebracht, der dem zitierten VwGH Erkenntnissen zugrundeliegende Sachverhalt sei mit der Situation der Bf nicht vergleichbar. In Österreich werde zwischenzeitlich generell Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt und somit bei allen Arbeitern und Angestellten ein Siebtel des Jahreseinkommens begünstigt besteuert. In Deutschland werde das Urlaubs- und Weihnachtsgeld hingegen meist nicht in Höhe eines regulären Monatsbezugs ausgezahlt. Dieses müsse daher rechnerisch in einfacher Weise ermittelt werden, um eine gleichheitsgrundsatzwidrige Ungleichbehandlung zu vermeiden. Unter Hinweis auf einen Link des BMF wurde sodann die Ansicht vertreten, dass die Rechtsauffassung der Bf zwischenzeitlich vom Finanzamt geteilt werde.
II. Rechtslage und Erwägungen:
1. Zu den Werbungskosten zählen ua. Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung, Beträge von Grenzgängern zu einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung und Beiträge zu ausländischen Pensionskassen (§ 16 Abs. 1 Z 4 lit f bis h EStG 1988).
Grenzgängern iSd § 16 Abs. 1 Z 4 lit. g EStG 1988 stehen die Pauschalbeträge des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 für die gesamte Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte zu.
2. Gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt die Einkommensteuer jährlich für die ersten 11 000 Euro 0 %, für Einkommensteile über 11 000 Euro bis 18 000 Euro 25 % und für Einkommensteile über 18 000 Euro bis 31 000 Euro 35 %.
3. § 67 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung normiert:
"Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Abs. 2 nach Abzug der in Abs. 12 genannten Beträge
1. für die ersten 620 Euro …………….………..0%,
2. für die nächsten 24.380 Euro ……………..6%,
3. für die nächsten 25.000 Euro …………….27%.
4. für die nächsten 33.333 Euro ………..35,75%
Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Abs. 2 höchstens 2.100 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2.100 Euro sind bei Bezügen gemäß Abs. 3, Abs. 4, Abs. 5 erster Teilstrich, Abs. 6 bis 8 und Abs. 10 nicht zu berücksichtigen."
§ 67 EStG 1988 legt für "sonstige Bezüge" eine begünstigte Besteuerung fest, indem diese Bezüge aus der allgemeinen Besteuerungsgrundlage ausgeschieden und einer selbständigen Besteuerung unterworfen werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Vorschrift des § 67 Abs. 1 EStG 1988 und ihren Vorgängerbestimmungen erkennt, liegen sonstige Bezüge nur vor, wenn die Bezüge neben dem laufenden Arbeitslohn (idR für einen Zeitraum von einem Monat) und von demselben Arbeitgeber ausbezahlt werden. Eine weitere Definition enthält die Bestimmung nicht. Bei einem "sonstigen Bezug" handelt es sich um einen Lohnteil, den der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Arbeitslohn, auszahlt, was aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muss. Die sonstigen Bezüge müssen sich sowohl durch den Rechtstitel, aus dem der Arbeitnehmer den Anspruch ableiten kann, als auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen unterscheiden. Sonstige Bezüge sind demnach solche, die nicht für den üblichen Lohnzahlungszeitraum geleistet werden (vgl. , und die dort angeführte Vorjudikatur; vgl. auch: Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 67 Abs. 1 und 2 Tz 5-9; Kirchmayr/Schaunig in Doralt et.al, EStG19 § 67 Tz 9; Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG, 20. EL, § 67 Anm. 3-6; ebenso Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2020, § 67 Rz 2).
§ 67 EStG 1988 unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften (vgl. ). Die Bestimmung des § 67 EStG 1988 ist daher auf Einkünfte gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 unabhängig davon anwendbar, ob es sich um inländische oder ausländische Einkünfte handelt, sofern diese die Voraussetzungen des § 67 EStG 1988 erfüllen (vgl. ).
4. Zum besseren Verständnis dieser steuerlichen Begünstigung sei erwähnt, dass die in Österreich für Dienstnehmer üblichen 14 Monatsbezüge eine Folge der begünstigen Sechstelbesteuerung ist und nicht umgekehrt. Die ursprünglich aus dem reichsdeutschen Einkommensteuergesetz (dRGBl 1934 I, S 1005 v. ) stammende Bestimmung in § 40 dEStG über die begünstigte Besteuerung von sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen (wie zB. Tantiemen und Gratifikationen) ist nach der Austrifizierung des Einkommensteuergesetzes im Jahr 1946, mit der Einkommensteuernovelle 1947 (BGBl Nr. 127/1947) abgeändert und ab dem Jahre 1954 mit dem damals neuen Einkommensteuergesetz 1954 (BGBl Nr. 1/1954) in eine Sechstelbegünstigung umgewandelt worden. Diese Begünstigung wirkt sich allerdings nur dann voll aus, wenn die Bezüge aus den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in idealer Weise auf 14 gleich hohe Monatsbezüge aufgeteilt sind.
Die lohnpolitische Reaktion auf diese steuerliche Begünstigung hat dazu geführt, dass in Österreich im Laufe der folgenden Jahre die Kollektivvertragspartner in der Privatwirtschaft und die Vertragspartner in den individuell gestalteten Arbeitsverträgen, aber auch der Gesetzgeber für die öffentlich Bediensteten, die Monatsbezüge der Dienstnehmer so umgestaltet haben, dass die Summe der Jahresbezüge auf volle 14 Monatsbezüge oder auf 12 Monatsbezüge und zusätzlich vier halbe Monatsbezüge aufgeteilt wurden, um die Sechstelbegünstigung zur Gänze ausschöpfen zu können (vgl. ; Hollik, Die Vor- und Nachteile der Sechstelbegünstigung, FJ 10/2006, 380 ff und FJ 7-8/2007, 255 ff). Selbst für Pensionisten wurde die Auszahlung der Pension in der gleichen Form umgestaltet, um in den vollen Genuss dieser Reglung zu kommen.
5. Nach der Rechtsprechung des des EuGH (siehe Urteil , C-403/03 Schempp, RN 45) garantiert der EG-Vertrag einem Unionsbürger nicht, dass die Verlagerung seiner Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, hinsichtlich der Besteuerung neutral ist. Wird beispielsweise eine ausländische Pension nur 12-mal jährlich ausbezahlt, kann eine fiktive Aufspaltung der Jahrespension in 14 Teile, um in den Genuss der begünstigten Besteuerung des § 67 EStG 1988 zu kommen, nicht erfolgen, da diese Möglichkeit auch bei einem inländischen Bezug nicht besteht ().
Nichts anderes kann im Beschwerdefall gelten. Eine rein rechnerische Erhöhung der (tatsächlich) ausbezahlten Sonderzahlungen ist nach der zitierten Rechtsprechung nicht möglich. Die eingewendete Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Ob und in welchem Umfang Zahlungen neben den laufenden (monatlich ausbezahlten) Bezügen erfolgen, wird nämlich nicht durch das Steuerrecht, sondern durch das Arbeitsrecht bestimmt. Kommt kein Kollektivvertrag zur Anwendung und sind auch im Arbeitsvertrag keine Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vereinbart, erhalten Dienstnehmer (auch) in Österreich keine dieser Sonderzahlungen. Im Rahmen von privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen gibt es nämlich keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
6. Insoweit die Bf auf Ausführungen des BMF zu Dienstleistungsschecks verweist, ist ihr zu erwidern, dass der Dienstleistungscheck ein Zahlungsmittel ist und zur Entlohnung für befristete Arbeitsverhältnisse in privaten Haushalten dient. Der Lohn der Arbeitskraft ist jedoch frei zu vereinbaren. Als Untergrenze gilt jedoch ein Stundenlohn (inklusive anteiliger Urlaubsersatzleistung und Sonderzahlungen), der mindestens den vorgeschriebenen Mindeststundenlöhnen für Hausgehilfen im jeweiligen Bundesland entspricht.
7. Im Beschwerdefall wurde vom deutschen Arbeitgeber der Bf lediglich ein Betrag von € ***7*** als Sonderzahlungen ausgewiesen. Auf diesen Umstand hat die Abgabenbehörde sowohl in der Beschwerdevorentscheidung vom als auch im Vorlagebericht vom , hingewiesen. Diesen Ausführungen des Finanzamtes kommt Vorhaltswirkung zu. Dass die Bf im Beschwerdejahr tatsächlich höhere sonstige Bezüge erhalten hätte, wurde aber nicht behauptet.
III. Zulässigkeit einer Revision:
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 67 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.6100154.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
BAAAF-48461