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DBA | Doppelte Nichtbesteuerung durch Qualifikationskonflikte

Von ICON am

Bendlinger Stefan | Bendlinger Valentin

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) beschränken Besteuerungsrechte und unterdrücken somit nationales Steuerrecht. Durch unterschiedliche Auslegung von Regelungen eines DBA durch die beiden Vertragsstaaten können negative Qualifikationskonflikte ausgelöst werden, mit der Folge einer doppelten Nichtbesteuerung. Um dem entgegenzuwirken, sehen einzelne DBA, die zwecks Vermeidung von Doppelbesteuerung die Befreiungsmethode vorsehen, sogenannte „Switch-Over“- oder „Subject-To-Tax“-Klauseln vor, die es dem Ansässigkeitsstaat ermöglichen, die Steuerfreistellung von Auslandseinkünften zu verweigern. Das BFG hatte sich kürzlich mit der Auslegung einer solchen „Switch-Over“-Klausel im DBA Deutschland idF vor dem Abänderungsprotokoll 2023 zu befassen.

Sachverhalt -

Die Beschwerdeführerin, eine italienische Staatsbürgerin, hatte ihren Wohnsitz im Jahr 2015 von Deutschland nach Österreich verlegt. Sie bezog unter anderem von der “Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder” (VBL) Pensionseinkünfte aus einem ehemaligen Angestelltenverhältnis als Dolmetscherin für den deutschen Staat. In Deutschland wurden die Einkünfte als “Andere Einkünfte” iSd Art 21 Abs 1 DBA Deutschland betrachtet, weshalb die deutsche Finanzverwaltung von einem ausschließlichen Besteuerungsrecht Österreichs ausgegangen war und die Pensionseinkünfte folglich in Deutschland nicht besteuert wurden. In Österreich wurden die Einkünfte zunächst nur für Zwecke des Progressionsvorbehalts berücksichtigt.

Im Jahr 2020 erhielt die Beschwerdeführerin einen neuen Einkommensteuerbescheid, in dem die von der VBL bezogenen deutschen Pensionseinkünfte nach § 25 Abs 1 Z 2 lit b EStG als in Österreich steuerpflichtig behandelt wurden. Die Einkünfte seien als “Ruhegehälter” gemäß Art 19 Abs 2 DBA Deutschland zwar in Deutschland zu versteuern, allerdings sei die Befreiung auf Grundlage von Art 28 Abs 1 lit a DBA Deutschland zu verweigern und die Doppelbesteuerung nach der Anrechnungsmethode zu verweigern. Die Bestimmung hatte den folgenden Wortlaut:

Der Ansässigkeitsstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung nach Art 23 und nicht durch Steuerbefreiung nach dem genannten Artikel, [...] wenn in den Vertragsstaaten Einkünfte oder Vermögen unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet oder verschiedenen Personen zugerechnet werden [...] und dieser Konflikt sich nicht durch ein Verfahren nach Art 25 regeln lässt und wenn auf Grund dieser unterschiedlichen Zuordnung oder Zurechnung die betreffenden Einkünfte oder Vermögensverwerte unbesteuert blieben oder zu niedrig besteuert würden

Da Deutschland auf die Pensionseinkünfte Art 21 Abs 1 DBA Deutschland und Österreich Art 19 Abs 2 DBA Deutschland angewandt hatten, seien die Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet worden und damit unbesteuert geblieben, weshalb Österreich gemäß Art 28 Abs 1 lit a DBA Deutschland von der Freistellungsverpflichtung entbunden gewesen sei.

Entscheidung des BFG

Das BFG widmet sich zunächst der Einordnung der deutschen Einkünfte in den Katalog der DBA Verteilungsnormen und kommt zum Schluss, dass die Pensionseinkünfte Art 19 Abs 2 DBA Deutschland zuzuordnen sind und deshalb nur in Deutschland besteuert werden dürfen, wenngleich Deutschland Art 21 DBA Deutschland als die relevante Verteilungsnorm qualifiziert hatte. Das BFG erkannte darin einen doppelte Nichtbesteuerung auslösenden (negativen) Qualifikationskonflikt und bestätigte die Rechtsansicht der Finanzbehörde: „Gemäß Art. 28 Abs. 1 lit a DBA D-Ö sind die Einkünfte aus der Versorgungsanstalt Bund und Länder in Österreich zu besteuern. Da gemäß deutscher Rechtsauffassung keine Besteuerung der Bezüge der VVBL erfolgt, ist Österreich auch nicht zur Steuerfreistellung verpflichtet. Zur Vermeidung einer Nichtbesteuerung werden die Bezüge aus der VBL daher in der österreichischen Einkommensteuerfestsetzung erfasst”.

Kritische Würdigung

Die Entscheidung des BFG überzeugt nicht, als Art 28 Abs 1 lit a DBA Deutschland idF vor Abänderungsprotokoll 2023 seinem Wortlaut nach, überhaupt nicht anwendbar gewesen wäre. Die Norm verlangt nämlich, dass sich die Steuerfreistelllungsverpflichtung des Ansässigkeitsstaates aus dem Methodenartikel ergibt. Bei Art 19 Abs 2 Satz 1 DBA Deutschland handelt es sich aber um eine geschlossene Verteilungsnorm, auf die der Methodenartikel von vornherein gar nicht anwendbar wäre. Die Befreiung ergibt sich alleine aus Art 19 Abs 2 Satz 1 DBA Deutschland und gerade nicht aus dem Methodenartikel. Zudem ist ein Wechsel auf die Anrechnungsmethode ausdrücklich nur dann zulässig, wenn “dieser Konflikt sich nicht durch ein Verfahren nach Art 25 regeln lässt”. Es gibt allerdings keinerlei Indizien, warum ein Verständigungsverfahren in dem konkreten Fall nicht möglich gewesen wäre (umfassend auch Lang/Frenkenberger, BFG-Journal 20024, 391 ff).

Art 28 DBA Deutschland wurde allerdings mit dem Abänderungsprotokoll 2023 (BGBl III 2024/12) umfassend novelliert und an die aktuelle Fassung des OECD-Musterabkommens angepasst, wodurch der Verweis auf Art 25 DBA Deutschland entfallen ist. Allerdings setzt auch die neue Bestimmung eine Befreiung aufgrund des Methodenartikels voraus; eine Bedingung, die im vorliegenden Sachverhalt eben nicht erfüllt gewesen ist.

FAZIT

Die Entscheidung zeigt auf, dass die Rechtsprechung zusehends dazu tendiert, doppelte Nichtbesteuerung durch extensive Auslegung von Missbrauchsbestimmungen hintanzuhalten. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass derzeit nur wenige österreichische DBA “Switch-Over” oder “Subject-to-tax” Klauseln enthalten und diese höchst unterschiedlich ausgestaltet sind. Ob in einem konkreten Fall eine grundsätzlich bestehende Verpflichtung ausländische Einkünfte steuerfrei zu stellen von den Finanzbehörden tatsächlich verweigert werden darf, ist anhand des konkreten Einzelfalles zu beurteilen.

Sie haben Fragen zu einem grenzüberschreitenden Qualifikationskonflikt und dadurch bewirkter doppelter Nichtbesteuerung? Wir unterstützen gerne!

Autoren

Bendlinger Stefan

Bendlinger Valentin

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CAAAF-48290