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VwGH 03.09.2019, Ro 2019/15/0029

VwGH 03.09.2019, Ro 2019/15/0029

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
NotifG Wr 1996
VwGG §38b
WettenG Wr 2016
WettterminalabgabeG Wr 2016
12010E267 AEUV Art267
31998L0034 Notifikations-RL
32015L1535 Notifikations-RL Art1
61997CJ0226 Lemmens VORAB
61998CJ0443 Unilever VORAB
61999CJ0278 van der Burg VORAB
62003CJ0267 Lindberg VORAB
62010CJ0361 Intercommunale Intermosane VORAB
62011CJ0213 Fortuna VORAB
62013CJ0307 Ivansson VORAB
62014CJ0098 Berlington Hungary VORAB
62014CJ0336 Ince VORAB
62015CJ0303 M. und S. VORAB
62016CJ0255 Falbert VORAB
62017CC0299 VG Media Schlussantrag
62017CJ0137 Van Gennip VORAB
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
RS 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft dahin auszulegen, dass die Regelungen des Wiener Wettterminalabgabegesetzes, die eine Besteuerung des Haltens von Wettterminals vorsehen, als "technische Vorschriften" im Sinne dieser Bestimmung zu beurteilen sind?

2. Führt die Unterlassung der Mitteilung der Bestimmungen des Wiener Wettterminalabgabegesetzes im Sinne der Richtlinie (EU) 2015/1535 dazu, dass eine Abgabe wie die Wettterminalabgabe nicht erhoben werden darf?
Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
RS 1
Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Eine bei Einbringung der Revision bestehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung kann nachträglich wegfallen, wenn die Frage in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geklärt wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt aber auch dann nicht vor, wenn sie durch ein Urteil des EuGH gelöst ist (vgl. , mwN).
Normen
NotifG Wr 1996 §2
WettterminalabgabeG Wr 2016
32015L1535 Notifikations-RL Art1 Abs1
62019CJ0711 Admiral Sportwetten VORAB
RS 2
Sprachliche Abweichungen der Definitionen (vgl. Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 und § 2 WNotifG) ergeben sich einerseits nur dahin, dass in § 2 WNotifG auch der Anhang I der Richtlinie (wenn auch ohne die in der Richtlinie aufgezählten Beispiele) eingearbeitet ist (vgl. die Erläuterungen zur Änderung des WNotifG mit LGBl. Nr. 32/2003, Beilage Nr. 1/2003: damals noch verwiesen auf Anhang V der Richtlinie 98/34/EG vom ), und anderseits durch eine "Anpassung an eine gendergerechte Sprache" (vgl. Erläuterungen zur Änderung des WNotifG mit LGBl. Nr. 36/2016, Beilage Nr. 10/2016). Damit ist aber aus den im , angeführten Gründen auch abzuleiten, dass die Bestimmungen des WWAG nicht notifizierungspflichtig iSd WNotifG waren. Im Übrigen könnte die Verletzung einer über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden (bloß) innerstaatlichen Notifizierungspflicht nur zum Verstoß der Bestimmungen des WWAG gegen Verfassungsrecht des Landes Wien (und nicht zu ihrer Unwirksamkeit) führen.
Normen
B-VG Art133 Abs1 Z1
12010E267 AEUV Art267 Abs3
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
RS 3
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG über Revisionen gegen Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten. Für die Prüfung und Beurteilung des Verfahrens und der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig. Auch ist die Vorlagepflicht der Höchstgerichte durch Rechtsprechung geklärt (vgl. insbesondere Kommission/Frankreich, C-416/17; u.a., VfSlg. 19.702; , E 304/2014, VfSlg. 19.896; , je mwN; vgl. im Übrigen auch , VwSlg 18726 A/2013).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ro 2019/15/0030

Ro 2019/15/0031

Vorabentscheidungsverfahren:

* EU-Register: EU 2019/0001

* EuGH-Zahl: C-711/19

* Ausgesetzte Revisionsverfahren gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:

Ra 2019/15/0018 B

Ro 2019/15/0017 B

Ro 2019/15/0020 B

Ro 2019/15/0023 B

Ro 2019/15/0026 B

Ro 2019/15/0032 B

Ro 2019/15/0035 B

Ro 2019/15/0038 B

Ro 2019/15/0041 B

Ro 2019/15/0044 B

Ro 2019/15/0047 B

Ro 2019/15/0050 B

Ro 2019/15/0053 B

Ro 2019/15/0056 B

Ro 2019/15/0059 B

Ro 2019/15/0062 B

Ro 2019/15/0065 B

Ro 2019/15/0068 B

Ro 2019/15/0071 B

Ro 2019/15/0074 B

Ro 2019/15/0077 B

Ro 2019/15/0080 B

Ro 2019/15/0083 B

Ro 2019/15/0086 B

Ro 2019/15/0089 B

Ro 2019/15/0092 B

Ro 2019/15/0095 B

Ro 2019/15/0098 B

Ro 2019/15/0101 B

Ro 2019/15/0104 B

Ro 2019/15/0107 B

Ro 2019/15/0110 B

Ro 2019/15/0113 B

Ro 2019/15/0116 B

Ro 2019/15/0119 B

Ro 2019/15/0122 B

Ro 2019/15/0125 B

Ro 2019/15/0128 B

Ro 2019/15/0131 B

Ro 2019/15/0134 B

Ro 2019/15/0137 B

Ro 2019/15/0140 B

Ro 2019/15/0143 B

Ro 2019/15/0146 B

Ro 2019/15/0149 B

Ro 2019/15/0152 B

Ro 2019/15/0155 B

Ro 2019/15/0158 B

Ro 2019/15/0161 B

Ro 2019/15/0164 B

Ro 2019/15/0167 B

Ro 2019/15/0170 B

Ro 2019/15/0173 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62019CJ0711 B

* Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren:

Ro 2019/15/0029 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision 1. der A GmbH, 2. der N AG, beide in G, 3. der A GmbH in W, alle vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400063/2017, betreffend Wettterminalabgabe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft dahin auszulegen, dass die Regelungen des Wiener Wettterminalabgabegesetzes, die eine Besteuerung des Haltens von Wettterminals vorsehen, als „technische Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung zu beurteilen sind?

2. Führt die Unterlassung der Mitteilung der Bestimmungen des Wiener Wettterminalabgabegesetzes im Sinne der Richtlinie (EU) 2015/1535 dazu, dass eine Abgabe wie die Wettterminalabgabe nicht erhoben werden darf?

Begründung

1 A. Sachverhalt und bisheriges Verfahren

2 Die Erstrevisionswerberin ist Aufstellerin von Wettterminals, die Zweitrevisionswerberin ist Eigentümerin dieser Wettterminals, die Drittrevisionswerberin ist Inhaberin eines für das Halten von Wettterminals benutzten Raums.

3 Die Erstrevisionswerberin teilte mit mehreren Eingaben ab August 2016 der belangten Behörde mit, sie werde an einem Standort der Drittrevisionswerberin ein Wettterminal in Wien betreiben. Es werde um Festsetzung der Abgabe mit 0 € ersucht, weil nach ihrer Ansicht keine Abgabenpflicht bestehe.

4 Mit Bescheid vom setzte der Magistrat der Stadt Wien die Wettterminalabgabe für September 2016 und Oktober 2016 mit jeweils 350 € (pro Monat und Wettterminal) gegenüber den Revisionswerberinnen - entsprechend ihrer jeweiligen Eigenschaft als Aufstellerin oder Eigentümerin des Wettterminals bzw. Inhaberin des für das Halten des Wettterminals benutzten Raumes - fest.

5 Mit weiteren Bescheiden vom und vom setzte der Magistrat der Stadt Wien die Wettterminalabgabe für den Zeitraum November bis Dezember 2016 sowie Jänner bis Juni 2017 fest (jeweils 350 € je Monat und Wettterminal).

6 Die Revisionswerberinnen erhoben gegen diese Bescheide Beschwerden. Sie machten zusammengefasst geltend, bei den im Wiener Wettterminalabgabegesetz (WWAG) enthaltenen Regelungen betreffend Wettterminals handle es sich um „Technische Vorschriften“ im Sinne des Gesetzes über internationale Informationsverfahren und Notifizierungen auf dem Gebiet technischer Vorschriften (WNotifG) und der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom . Diese technischen Vorschriften seien der Kommission nicht mitgeteilt worden, sodass sie einem Einzelnen nicht entgegenhalten werden könnten. Dies bewirke, dass die Wettterminalabgabe zu Unrecht vorgeschrieben worden sei.

7 Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab.

8 Das Bundesfinanzgericht kam mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Regelungen des WWAG nicht um technische Vorschriften iSd WNotifG bzw. der Richtlinie 2015/1535 handle. Es habe daher für das WWAG keine Notifizierungspflicht bestanden. Dies habe zur Folge, dass den Revisionswerberinnen das WWAG entgegengehalten habe werden dürfen; die Wettterminalabgabe sei zu Recht vorgeschrieben worden.

9 Die Behandlung einer gegen dieses Erkenntnis von den Revisionswerberinnen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem abgelehnt.

10 B. Maßgebende Bestimmungen des nationalen Rechts

11 Das Wiener Wettterminalabgabegesetz (WWAG), ein Landesgesetz, lautet in der hier anwendbaren Stammfassung LGBl. Nr. 32/2016 auszugsweise:

„Abgabengegenstand

§ 1. Für das Halten von Wettterminals im Gebiet der Stadt Wien ist eine Wettterminalabgabe zu entrichten.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten:

1.Wettterminal: eine Wettannahmestelle an einem bestimmten Standort, die über eine Datenleitung mit einer Buchmacherin bzw. einem Buchmacher oder einer Totalisateurin bzw. einem Totalisateur verbunden ist und einer Person unmittelbar die Teilnahme an einer Wette ermöglicht.

2.Buchmacherin oder Buchmacher: wer gewerbsmäßig Wetten abschließt.

3.Totalisateurin oder Totalisateur: wer gewerbsmäßig Wetten vermittelt.

Höhe der Abgabe

§ 3. Die Abgabe für das Halten von Wettterminals beträgt je Wettterminal und begonnenem Kalendermonat 350 Euro.

[...]

Strafbestimmungen

§ 8. (1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Abgabe verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 42.000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung dauert so lange an, bis die bzw. der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Abgabenbehörde die Abgabe bescheidmäßig festsetzt. [...]“

12 In der Begründung zum Initiativantrag zu diesem Gesetz (LG - 00689-2016/0001/LAT) wurde insbesondere ausgeführt:

„Die einfache und anonyme Bedienungsmöglichkeit von Wettterminals führt zu einer hohen Akzeptanz bei den potentiellen Kundinnen und Kunden, die noch durch Zusatzangebote der Aufstellerinnen und Aufsteller gesteigert werden kann. Im Hinblick auf diese besonderen Umstände ist es daher zweckmäßig, Wettterminals einer besonderen Besteuerung zu unterziehen, um diese Form der Wetten zurückzudrängen, zumal auch dieser Bereich unter dem Aspekt der Spielsucht mit all seinen negativen gesellschaftlichen Folgen zu betrachten ist.

Wettterminals weisen im Vergleich zu persönlichen Wettannahmestellen eine erhöhte Suchtgefahr auf. Dies liegt vor allem daran, dass durch den mangelnden persönlichen Kontakt die Hemmschwelle zur Wettteilnahme abgebaut und somit die Wettteilnahme erleichtert wird. Die Wettteilnahme über ein Wettterminal führt insgesamt zu einem erhöhten Wettverhalten. Dies liegt auch daran, dass den Wettkundinnen und Wettkunden aufgrund der technischen Möglichkeiten über Wettterminals ein viel größeres Wettangebot zur Verfügung gestellt werden kann. Gleichzeitig ermöglichen Wettterminals, dass mehrere Wetten in eher kurzen Zeitabständen hintereinander abgeschlossen werden können.

Für das Halten von Wettterminals im Gebiet der Stadt Wien soll daher eine Wettterminalabgabe in Höhe von 350 Euro je Wettterminal und begonnenem Kalendermonat eingeführt werden. [...]

Den Gegenstand der Abgabe bildet das Halten von Wettterminals. Wettterminal im Sinn dieses Gesetzes ist eine Wettannahmestelle an einem bestimmten Standort, die über eine Datenleitung mit einer Buchmacherin bzw. einem Buchmacher oder einer Totalisateurin bzw. einem Totalisateur verbunden ist und einer Person unmittelbar die Teilnahme an einer Wette ermöglicht. Mit der Formulierung ‚unmittelbar die Teilnahme an einer Wette ermöglicht‘ soll klargestellt werden, dass jene technischen Geräte, wo ausschließlich Personal des jeweiligen Unternehmens für die Kundin oder den Kunden Wetten eingeben kann, keine Wettterminals im Sinn des Gesetzes darstellen (so z.B. in Trafiken, wo die Eingabe der Wette ausschließlich durch das Verkaufspersonal erfolgt und der Annahmeschalter für Kundinnen und Kunden nicht frei zugänglich ist).

Aus den Begriffsbestimmungen ist abzuleiten, dass der Steuergegenstand nicht an den Begriff des Wettterminals und die sonstigen Begriffsbestimmungen des im Entwurf vorliegenden Wiener Wettengesetz anknüpft und sich von jenem nach dem Gebührengesetz 1957 dahingehend unterscheidet, dass nicht der Abschluss eines Wettvertrages, sondern das Halten von Wettterminals besteuert wird. [...]

Bezüglich der Abgabenhöhe wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 533/11, VfSlg. 19.580/2011, hingewiesen. In diesem Erkenntnis wurde unter anderem festgestellt, dass dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten ist, wenn er statt eines Verbotes des Aufstellens von Geldspielautomaten eine Eindämmung der Automatenaufstellung oder des Spielens mit Hilfe einer Erhöhung der Abgabenbelastung erreichen möchte. Sollten damit potenzielle Spielerinnen und Spieler wegen mangelnder Attraktivität vom Spielen abgehalten werden, liegt das genau in der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Absicht des Gesetzgebers. Dieser Gedankengang ist auf die Wettterminalabgabe übertragbar. [...]“

13 Das Gesetz über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten (Wiener Wettengesetz), in der hier anwendbaren Stammfassung LGBl. Nr. 26/2016, regelt den gewerbsmäßigen Abschluss (Buchmacherwette) und die gewerbsmäßige Vermittlung (Totalisateurwette) von Wetten aus dem Anlass sportlicher Veranstaltungen sowie die gewerbsmäßige Vermittlung von derartigen Wetten und Wettkundinnen und Wettkunden (§ 1 des genannten Gesetzes). Es enthält in § 2 Z 8 eine eigene - von jener des Wettterminalabgabegesetz geringfügig abweichende - Definition des Begriffs Wettterminal. Das Gesetz enthält sodann umfangreiche Bestimmungen zu den Erfordernissen der Bewilligung für die Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer. In seinem § 13 enthält das Gesetz nähere Regelungen betreffend Wettterminals.

14 Das Wiener Wettengesetz wurde gemäß den Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2015/1535 mitgeteilt (Notifikationsnummer: 2015/602/A).

15 Das Wiener Notifizierungsgesetz, LGBl. Nr. 28/1996, (WNotifG) dient - in der aktuellen Fassung (LGBl. Nr. 36/2016) - der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/1535 (§ 7 WNotifG). Es enthält im Wesentlichen dieser Richtlinie entsprechende Definitionen.

16 C. Erläuterungen zu den Vorlagefragen

17 1. Relevanz der Vorlagefragen

18 Nach § 3 WWAG beträgt die Abgabe für das Halten von Wettterminals je Wettterminal und begonnenem Kalendermonat 350 €. Dass dieser Tatbestand im vorliegenden Fall in den betroffenen Zeiträumen erfüllt ist und die Revisionswerberinnen in ihrer jeweiligen Eigenschaft (Halter, Eigentümer bzw. Inhaber des für das Halten des Wettterminals benützten Raumes) abgabepflichtig im Sinne des WWAG sind, ist unbestritten. Mit Einwänden, die auf das innerstaatliche Verfassungsrecht gestützt wurden, sind die Revisionswerberinnen vor dem Verfassungsgerichtshof nicht durchgedrungen. Nach innerstaatlichem Recht besteht daher die strittige Abgabepflicht.

19 Die Revisionswerberinnen machen aber geltend, der Abgabepflicht stehe Unionrecht entgegen. Hiezu blieb im Verfahren unbestritten, dass der Entwurf des WWAG - anders als jener zum Wiener Wettengesetz - nicht entsprechend der Richtlinie 2015/1535 der Kommission übermittelt wurde.

20 Handelt es sich bei den Bestimmungen des WWAG - wie von den Revisionswerberinnen geltend gemacht - um technische Vorschriften im Sinne der Richtlinie 2015/1535 und könnte ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht bewirken, dass die Wettterminalabgabe nicht erhoben werden darf, wäre eine Abgabepflicht der Revisionswerberinnen aber zu verneinen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hängt sohin von den genannten Fragen ab.

21 2. zur ersten Vorlagefrage

22 Zunächst ist zu bemerken, dass - soweit für den Verwaltungsgerichtshof erkennbar - zur hier auszulegenden Richtlinie 2015/1535 noch keine Entscheidungen des EuGH vorliegen (ein Vorabentscheidungsersuchen zu dieser Richtlinie liegt offenkundig zur Zahl C-727/17 vor). Der Verwaltungsgerichtshof geht aber davon aus, dass insoweit die Judikatur zu Vorgängerrichtlinien, zu deren Kodifikation diese Richtlinie diente (vgl. Erwägungsgrund 1 der Richtlinie), heranzuziehen ist.

23 Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu den Vorgängerrichtlinien umfasst der Begriff der „technischen Vorschrift“ vier Kategorien von Maßnahmen, nämlich erstens „technische Spezifikationen“ im Sinne von Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 98/34 (Art. 1 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2015/1535; vgl. hiezu auch die Entsprechungstabelle in Anhang IV der Richtlinie), zweitens „sonstige Vorschriften“ gemäß der Definition Art. 1 Nr. 4 dieser Richtlinie (nunmehr Art. 1 Abs. 1 lit. d), drittens „Vorschriften betreffend Dienste“ nach Art. 1 Nr. 5 der Richtlinie (nunmehr Art. 1 Abs. 1 lit. e) und viertens „Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden“, im Sinne von Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie (nunmehr Art. 1 Abs. 1 lit. f; vgl. zuletzt Van Gennip u.a., C-137/17, Rn. 37, mwN; vgl. weiters Schlussanträge , VG Media, C-299/17, Rn. 19).

24 a) „technische Spezifikationen“

25 Dieser Begriff setzt voraus, dass sich die nationale Maßnahme auf das Erzeugnis oder seine Verpackung als solche bezieht und daher eines der vorgeschriebenen Merkmale für ein Erzeugnis - wie Abmessungen, Verkaufsbezeichnung, Beschriftung oder Kennzeichnung - festlegt (vgl.  van der Burg, C-278/99, Rn. 20; Lindberg, C-267/03, Rn. 57; EuGH, Van Gennip, u.a., Rn. 38; vgl. auch Ivansson, C-307/13, Rn. 19 ff). Allgemeine Regelungen sind nicht als derartige technische Spezifikationen zu beurteilen (vgl. neuerlich EuGH Ivansson, Rn. 21 f).

26 Das WWAG bezieht sich zwar auf „Erzeugnisse“ (Wettterminals), die bei der Tätigkeit zum Einsatz kommen (vgl. etwa Ince, C-336/14, Rn. 71). Konkrete Merkmale betreffend Wettterminals werden im WWAG - anders als im Wiener Wettengesetz - aber nicht geregelt. Im WWAG wird lediglich beschrieben, welche Funktion das Wettterminal erfüllt; es handelt sich insoweit wohl um „beschreibende Elemente“ (vgl. hiezu M. und S., C-303/15, Rn. 28), nicht um „Vorschriften“. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass keine technische Spezifikation vorliegt.

27 b) „sonstige Vorschrift“

28 Eine nationale Maßnahme kann nur dann als „sonstige Vorschrift“ (zur Begründung der Einführung dieser Kategorie vgl. näher Lindberg, C-267/03, Rn. 61 ff) eingestuft werden, wenn sie eine „Vorschrift“ darstellt, die die Zusammensetzung, die Art oder die Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses wesentlichen beeinflussen kann (vgl.  M. und S., C-303/15, Rn. 20, mwN; weiters Ince, C-336/14, Rn. 72). Das Verbot einer Ausstellung, Verlängerung oder Änderung der Erlaubnisse für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Automatenspiele mit niedrigen Gewinnen außerhalb von Spielcasinos ist geeignet, den Handel mit den Automaten für Spiele mit niedrigen Gewinnen - und damit deren Vermarktung - unmittelbar zu beeinträchtigen (vgl.  Fortuna u.a., C-213/11 u.a., Rn. 36; vgl. weiters Berlington Hungary, C-98/14, Rn. 99).

29 Im vorliegenden Fall liegt insoweit kein Verbot vor, sondern lediglich eine Besteuerung. Wie aus den Erläuterungen zum Initiativantrag ersichtlich ist, dient diese Besteuerung aber (jedenfalls auch) dazu, „diese Form der Wetten zurückzudrängen“. Neben fiskalischen Zielen lag es somit offenbar auch in der Absicht des Gesetzgebers, Spielerinnen und Spieler vom Spielen abzuhalten, auch wenn die Anzahl der in Wien gehaltenen Wettterminals mit rund 2.000 Stück in der Folge im Wesentlichen konstant blieb.

30 Es erscheint daher jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Besteuerung des Haltens von Wettterminals als Vorschrift insbesondere zum Schutz der Verbraucher (Spielerinnen und Spieler) zu beurteilen ist, die den Lebenszyklus des Erzeugnisses (Wettterminals) nach seinem Inverkehrbringen im Rahmen des Gebrauches betrifft und die die Vermarktung des Wettterminals wesentlich beeinflussen kann.

31 Fraglich könnte freilich weiters sein, ob es sich dabei um eine Maßnahme im Sinne des Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie handelt. Wenn in diesem Zusammenhang allerdings - wenn auch nur „insbesondere“ - der Schutz von Arbeitnehmern angesprochen wird, so scheint es zumindest nicht naheliegend, dass insoweit auch Spielerinnen und Spieler im Hinblick auf eine mögliche Spielsucht geschützt werden sollen.

32 c) „Vorschriften betreffend Dienste“

33 Für eine Einstufung nach dieser Kategorie müssen diese Vorschriften „speziell“ auf Dienstleistungen der elektronischen Informationsgesellschaft abzielen. Dies ist nach Begründung und Wortlaut der Vorschrift zu klären. Hiefür reicht es aus, dass einzelne Bestimmungen dieser Vorschrift hierauf abstellen (vgl.  Falbert, C-255/16, Rn. 32). Eine nationale Vorschrift, die eine Bestrafung für unerlaubte Glücksspiele vorsieht, stellt eine technische Vorschrift dar, wenn diese Regelung ausdrücklich und gezielt Online-Glücksspieldienstleistungen betrifft (vgl. neuerlich EuGH Falbert, Rn. 37).

34 Das WWAG sieht insoweit eine Bestrafung nur im Fall eine Abgabenverkürzung oder einer unterlassenen Anmeldung vor. Mit der Normierung einer Abgabepflicht auf das Halten von Wettterminals zielt es aber (auch) darauf ab, den Abschluss von Wetten über diesen Vertriebsweg zurückzudrängen (vgl. oben zu den „sonstigen Vorschriften“). Insoweit erscheint eine Beurteilung des WWAG als allgemein gehaltene Vorschrift über die Betreibung einer Dienstleistung der Informationsgesellschaft jedenfalls nicht ausgeschlossen. Auch erscheint nicht ausgeschlossen, dass diese Bestimmungen des WWAG als Regelung dieser Dienste - nämlich der mit dem Halten von Wettterminals unmittelbar verbundenen Ermöglichung der Information über Wettmöglichkeiten und des Abschlusses von Wetten - zu beurteilen sind. Mit dem Fall der Buchung eines Flugtickets über ein Computernetz, wenn sie in einem Reisebüro in Anwesenheit des Kunden vorgenommen wird (Anhang I, Z 1 lit. c der Richtlinie), scheint die Situation nicht vergleichbar, da die Bedienung des Wettterminals vom Kunden selbst - wenn auch wohl regelmäßig in Anwesenheit (eines Vertreters) des Inhabers der Räumlichkeiten, in dem sich das Wettterminal befindet - erfolgt.

35 Dazu, ob eine derartige Beurteilung wiederum etwa durch Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie ausgeschlossen wird, kann auf die obigen Ausführungen (zu den „sonstigen Vorschriften“) verwiesen werden.

36 d) Vorschriften im Sinne der vierten Kategorie

37 Eine Einstufung nach dieser Kategorie (vgl. zur Einführung dieser Kategorie wiederum Lindberg, C-267/03, Rn. 73) setzt voraus, dass Vorschriften die Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes verbieten (vgl.  Intercommunale Intermosane, C-361/10, Rn. 13; Ivansson, C-307/13, Rn. 16).

38 Da das WWAG keinerlei Verbot in diesem Sinne enthält, fällt dieses Gesetz nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht unter diese Kategorie. Insbesondere sieht auch § 8 WWAG kein Verbot der genannten Tätigkeiten vor, sondern eine Bestrafung für den Fall der Abgabenverkürzung oder für den Fall der unterlassenen Anmeldung.

39 e) „De-facto-Vorschriften“

40 Verweist eine Vorschrift, die nicht als technische Vorschrift zu beurteilen ist, auf andere Vorschriften, die ihrerseits als technische Vorschriften anzusehen sind, so ist die zuerst genannte Vorschrift als „technische De-facto-Vorschrift“ zu beurteilen (vgl.  Ivansson, C-307/13, Rn. 31).

41 Hiezu genügt es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes darauf zu verweisen, dass das WWAG gerade keinen Verweis auf andere Vorschriften - insbesondere nicht auf das Wiener Wettengesetz - beinhaltet (vgl. im Übrigen hiezu Berlington Hungary, C-98/14, Rn. 96 f).

42 3. zur zweiten Vorlagefrage

43 Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht führt nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (zu Vorgängerrichtlinien; anders - zu einer noch früheren Regelung - Enichem Base, 380/87, Rn. 22 f) zur Unanwendbarkeit der betreffenden „technischen Vorschriften“, so dass sie einem Einzelnen nicht entgegengehalten werden können (vgl.  CIA Security International, C-194/94, Rn. 54; Unilever Italia, C-443/98, Rn. 49 ff; Ivansson, C-307/13, Rn. 48; Ince, C-336/14, Rn. 68: nur die darin enthaltenen technischen Vorschriften, nicht die übrigen Bestimmungen eines Gesetzes sind unanwendbar; vgl. weiters Schlussanträge , VG Media, C-299/17, Rn. 2; vgl. aber auch Lemmens, C-226/97, Rn. 35 ff).

44 Insgesamt erscheint die Auslegung des Unionrechts nicht derart offenkundig zu sein, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl.  Kommission/Französische Republik, Rn. 110).

45 Die Fragen werden daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ro 2019/15/0030

Ro 2019/15/0031

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2019/15/0018 B

Ro 2019/15/0017 B

Ro 2019/15/0020 B

Ro 2019/15/0023 B

Ro 2019/15/0026 B

Ro 2019/15/0032 B

Ro 2019/15/0035 B

Ro 2019/15/0038 B

Ro 2019/15/0041 B

Ro 2019/15/0044 B

Ro 2019/15/0047 B

Ro 2019/15/0050 B

Ro 2019/15/0053 B

Ro 2019/15/0056 B

Ro 2019/15/0059 B

Ro 2019/15/0062 B

Ro 2019/15/0065 B

Ro 2019/15/0068 B

Ro 2019/15/0071 B

Ro 2019/15/0074 B

Ro 2019/15/0077 B

Ro 2019/15/0080 B

Ro 2019/15/0083 B

Ro 2019/15/0086 B

Ro 2019/15/0089 B

Ro 2019/15/0092 B

Ro 2019/15/0095 B

Ro 2019/15/0098 B

Ro 2019/15/0101 B

Ro 2019/15/0104 B

Ro 2019/15/0107 B

Ro 2019/15/0110 B

Ro 2019/15/0113 B

Ro 2019/15/0116 B

Ro 2019/15/0119 B

Ro 2019/15/0122 B

Ro 2019/15/0125 B

Ro 2019/15/0128 B

Ro 2019/15/0131 B

Ro 2019/15/0134 B

Ro 2019/15/0137 B

Ro 2019/15/0140 B

Ro 2019/15/0143 B

Ro 2019/15/0146 B

Ro 2019/15/0149 B

Ro 2019/15/0152 B

Ro 2019/15/0155 B

Ro 2019/15/0158 B

Ro 2019/15/0161 B

Ro 2019/15/0164 B

Ro 2019/15/0167 B

Ro 2019/15/0170 B

Ro 2019/15/0173 B

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

Ro 2019/15/0029 B

* EuGH-Entscheidung:

EU 2019/0001-0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revisionen 1. der A GmbH, 2. der N AG, beide in G, und 3. der A GmbH in W, alle vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400063/2017, betreffend u.a. Wettterminalabgabe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist Aufstellerin von Wettterminals, die Zweitrevisionswerberin ist Eigentümerin dieser Wettterminals, die Drittrevisionswerberin ist Inhaberin eines für das Halten von Wettterminals benutzten Raums.

2 Die Erstrevisionswerberin teilte mit mehreren Eingaben ab August 2016 der belangten Behörde mit, sie werde an einem Standort der Drittrevisionswerberin ein Wettterminal in Wien betreiben. Es werde um Festsetzung der Abgabe mit € 0 ersucht, weil nach ihrer Ansicht keine Abgabenpflicht bestehe.

3 Mit Bescheid vom setzte der Magistrat der Stadt Wien die Wettterminalabgabe gemäß § 3 Wiener Wettterminalabgabegesetz (WWAG), LGBl. Nr. 32/2016, für September 2016 und Oktober 2016 mit jeweils € 350 gegenüber den Revisionswerberinnen - entsprechend ihrer jeweiligen Eigenschaft als Aufstellerin oder Eigentümerin des Wettterminals bzw. Inhaberin des für das Halten des Wettterminals benutzten Raumes - fest. Weiters wurde ein Säumniszuschlag gemäß § 217 BAO auferlegt.

4 Mit weiteren Bescheiden vom und vom setzte der Magistrat der Stadt Wien die Wettterminalabgabe für den Zeitraum November bis Dezember 2016 sowie Jänner bis Juni 2017 fest (jeweils € 350 je Monat und Wettterminal); weiters wurden Säumniszuschläge gemäß § 217 BAO auferlegt.

5 Die Revisionswerberinnen erhoben gegen diese Bescheide Beschwerden. Sie machten zusammengefasst geltend, bei den im WWAG enthaltenen Regelungen betreffend Wettterminals handle es sich um „Technische Vorschriften“ im Sinne des Gesetzes über internationale Informationsverfahren und Notifizierungen auf dem Gebiet technischer Vorschriften (WNotifG), LGBl. Nr. 28/1996 (idF LGBl. Nr. 36/2016), und der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom . Diese technischen Vorschriften seien der Kommission nicht mitgeteilt worden, sodass sie einem Einzelnen nicht entgegengehalten werden könnten. Die mangelnde Notifizierung führe auch zur Verfassungswidrigkeit des WWAG. Die Wettterminalabgabe sei somit zu Unrecht vorgeschrieben worden.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht - nach Beschwerdevorentscheidungen der belangten Behörde und Vorlageanträgen der revisionswerbenden Parteien - den Beschwerden betreffend Säumniszuschläge zum Teil Folge; betreffend Wettterminalabgabe wies es die Beschwerden aber als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7 Das Bundesfinanzgericht kam mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Regelungen des WWAG nicht um technische Vorschriften iSd WNotifG bzw. der Richtlinie 2015/1535 handle. Es habe daher für das WWAG keine Notifizierungspflicht bestanden. Dies habe zur Folge, dass den Revisionswerberinnen das WWAG entgegengehalten werden dürfe; auch die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des WWAG liege damit nicht vor. Die Wettterminalabgabe sei zu Recht vorgeschrieben worden. Da zur Frage, ob das WWAG notifizierungspflichtig sei, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, sei die Revision zulässig.

8 Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 4011/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof insbesondere aus, der primäre Zweck der Abgabe nach dem WWAG liege in der Beschaffung von Einnahmen. Auch wenn nach den Materialien zum WWAG die Besteuerung im Hinblick auf die besonderen Umstände, die in der einfachen und anonymen Bedienungsmöglichkeit von Wettterminals und der damit einhergehenden hohen Akzeptanz bei potentiellen Kundinnen und Kunden lägen, erfolge und es vor diesem Hintergrund zweckmäßig sei, Wettterminals einer besonderen Besteuerung zu unterziehen, um diese Form der Wetten zurückzudrängen, zumal auch dieser Bereich unter dem Aspekt der Spielsucht mit all seinen negativen gesellschaftlichen Folgen zu betrachten sei, vermöge der Verfassungsgerichtshof entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zu erkennen, dass die Abgabe einem Verbot des Haltens von Wettterminals gleichkäme. Ein solches Verbot sei im WWAG weder angeordnet noch könne ein solches faktisch aus der Höhe der Abgabenbelastung, die bei € 11,50 pro Tag liege, oder sonstigen Regelungen des WWAG abgeleitet werden. Im Übrigen vermöge der Verfassungsgerichtshof auch nicht zu erkennen, dass Bestimmungen des WNotifG verletzt worden seien.

9 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich nunmehr die Revision. Die geltend gemachten Revisionspunkte (aber auch das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision sowie zu den Revisionsgründen) beziehen sich nur auf die Wettterminalabgabe; die Säumniszuschläge sind sohin nicht Gegenstand der Revision.

10 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, die im vorliegenden Fall zentrale Rechtsfrage sei, ob die Bestimmungen des WWAG als „technische Vorschriften“ nach dem WNotifG hätten notifiziert werden müssen. Dies könne aus Sicht der Revisionswerberinnen - wie sodann näher dargelegt wird - nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Es fehle auch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum WNotifG. Weiters gebe es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob der Verfassungsgerichtshof verpflichtet gewesen wäre, das Verfahren zu unterbrechen und die Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH vorzunehmen. Auch diese Frage sei für die Revision entscheidend, zumal es sich hiebei um eine Frage der Auslegung von Unionsrecht handle und entgegen den Anregungen der revisionswerbenden Parteien der Verfassungsgerichtshof keine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt habe.

11 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

12 Mit Beschluss vom , EU 2019/0001 bis 0003, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Ist Art. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft dahin auszulegen, dass die Regelungen des Wiener Wettterminalabgabegesetzes, die eine Besteuerung des Haltens von Wettterminals vorsehen, als ‚technische Vorschriften‘ im Sinne dieser Bestimmung zu beurteilen sind?

2. Führt die Unterlassung der Mitteilung der Bestimmungen des Wiener Wettterminalabgabegesetzes im Sinne der Richtlinie (EU) 2015/1535 dazu, dass eine Abgabe wie die Wettterminalabgabe nicht erhoben werden darf?“

13 Mit Urteil vom , Admiral Sportwetten GmbH u.a., C-711/19, hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden:

„Art. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass eine nationale Abgabenvorschrift, die eine Besteuerung des Haltens von Wettterminals vorsieht, keine ‚technische Vorschrift‘ im Sinne dieses Artikels darstellt.“

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

17 Die Revision ist nicht zulässig.

18 Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Eine bei Einbringung der Revision bestehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung kann nachträglich wegfallen, wenn die Frage in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geklärt wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt aber auch dann nicht vor, wenn sie durch ein Urteil des EuGH gelöst ist (vgl. , mwN).

19 Mit dem , wurde ausgesprochen, dass eine nationale Abgabenvorschrift, die eine Besteuerung des Haltens von Wettterminals vorsieht, keine „technische Vorschrift“ im Sinne des Art. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 ist.

20 Das WNotifG dient - in der aktuellen Fassung (LGBl. Nr. 36/2016) - der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/1535 (§ 7 WNotifG). Es enthält im Wesentlichen dieser Richtlinie entsprechende Definitionen und sieht - als Landesverfassungsbestimmung - vor, dass Gesetzesvorlagen, die einer Notifizierungspflicht unterliegen, vom Präsidenten des Landtages dem zuständigen Ausschuss oder einer vom Landtag hiefür gewählten Kommission mit Hinweis auf diesen Umstand zur Behandlung zuzuweisen sind. Der Ausschuss oder die Kommission hat - falls nicht schon eine Notifizierung erfolgt ist - vor Fassung eines Beschlusses, der eine Verhandlung im Landtag ermöglicht, die Gesetzesvorlage dem Amt der Landesregierung zur erforderlichen Notifizierung zu übermitteln. Eine Weiterleitung an den Landtag ist erst nach Ablauf der Anhörungsfristen zulässig (§ 5 Abs. 2 WNotifG).

21 Dass inhaltlich relevante Abweichungen der Definitionen betreffend „technische Vorschriften“ der Richtlinie 2015/1535 zu jenen der diese Richtlinie umsetzenden Bestimmungen des WNotifG vorlägen, wird in der Revision nicht geltend gemacht. Sprachliche Abweichungen der Definitionen (vgl. Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2015/1535 und § 2 WNotifG) ergeben sich einerseits nur dahin, dass in § 2 WNotifG auch der Anhang I der Richtlinie (wenn auch ohne die in der Richtlinie aufgezählten Beispiele) eingearbeitet ist (vgl. die Erläuterungen zur Änderung des WNotifG mit LGBl. Nr. 32/2003, Beilage Nr. 1/2003: damals noch verwiesen auf Anhang V der Richtlinie 98/34/EG vom ), und anderseits durch eine „Anpassung an eine gendergerechte Sprache“ (vgl. Erläuterungen zur Änderung des WNotifG mit LGBl. Nr. 36/2016, Beilage Nr. 10/2016). Damit ist aber aus den im angeführten Gründen auch abzuleiten, dass die Bestimmungen des WWAG nicht notifizierungspflichtig iSd WNotifG waren. Im Übrigen könnte die Verletzung einer über die unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden (bloß) innerstaatlichen Notifizierungspflicht nur zum Verstoß der Bestimmungen des WWAG gegen Verfassungsrecht des Landes Wien (und nicht zu ihrer Unwirksamkeit) führen; die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen wurde im vorliegenden Verfahren aber bereits vom Verfassungsgerichtshof geprüft und verneint.

22 Wenn die Revisionswerberinnen als weiteren Zulässigkeitsgrund die Frage der Vorlagepflicht des Verfassungsgerichtshofes anführen, ist zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG über Revisionen gegen Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten erkennt. Für die Prüfung und Beurteilung des Verfahrens und der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig. Auch ist die Vorlagepflicht der Höchstgerichte durch Rechtsprechung geklärt (vgl. insbesondere Kommission/Frankreich, C-416/17; u.a., VfSlg. 19.702; , E 304/2014, VfSlg. 19.896; , je mwN; vgl. im Übrigen auch , VwSlg. 18726/A).

23 Die Revision war daher zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

24 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
NotifG Wr 1996
VwGG §38b
WettenG Wr 2016
WettterminalabgabeG Wr 2016
12010E267 AEUV Art267
31998L0034 Notifikations-RL
32015L1535 Notifikations-RL Art1
61997CJ0226 Lemmens VORAB
61998CJ0443 Unilever VORAB
61999CJ0278 van der Burg VORAB
62003CJ0267 Lindberg VORAB
62010CJ0361 Intercommunale Intermosane VORAB
62011CJ0213 Fortuna VORAB
62013CJ0307 Ivansson VORAB
62014CJ0098 Berlington Hungary VORAB
62014CJ0336 Ince VORAB
62015CJ0303 M. und S. VORAB
62016CJ0255 Falbert VORAB
62017CC0299 VG Media Schlussantrag
62017CJ0137 Van Gennip VORAB
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019150029.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-48191