VwGH 23.06.2020, Ra 2020/22/0122
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Nichtstattgebung - Aufenthaltstitel - Der Revisionswerber begründet den Aufschiebungsantrag damit, dass dem Mitbeteiligten, der sich derzeit noch in Nigeria aufhalte, aufgrund des angefochtenen Erkenntnisses ein Aufenthaltstitel zu erteilen und ihm die Einreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen sei. Im Fall der Aufhebung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien durch den Verwaltungsgerichtshof wäre das Niederlassungsverfahren wieder beim Verwaltungsgericht anhängig. Eine Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung wäre daher "mit erheblichen faktischen und rechtlichen Schwierigkeiten im Bereich der durchzuführenden Rückabwicklung von Niederlassungsverfahren verbunden". Die bloße Verpflichtung zur Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit stellt keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen dar. Soweit der Revisionswerber faktische und rechtlichen Rückabwicklungsschwierigkeiten ins Treffen führt, legt er nicht konkret dar, welcher unverhältnismäßige Nachteil damit fallbezogen verbunden wäre (vgl. zur Konkretisierungspflicht ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/22/0063 B RS 1 (hier nur der vorletzte Satz) |
Normen | |
RS 1 | Beträgt die Gültigkeit des Reisepasses weniger als die maximal mögliche für den Aufenthaltstitel gültige Aufenthaltsdauer, so ist dieser nur für die Gültigkeitsdauer des Reisepasses auszustellen (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/22/0019 E RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Weder aus § 1 Abs. 1 NAG 2005 noch aus den Erläuterungen dazu (RV 952 BlgNR 22. GP 114) lässt sich aber der Schluss ableiten, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG 2005 bereits dann dem Grunde nach unzulässig ist, wenn die Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes (gerechnet ab der Erlassung der Entscheidung) nicht mehr mindestens noch sechs Monate beträgt. § 1 Abs. 1 NAG 2005 stellt darauf ab, ob sich der Fremde länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhält oder aufhalten will. |
Normen | |
RS 3 | Nach seinem § 1 Abs. 1 regelt das NAG 2005 (u.a.) die Erteilung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen. Konstitutive Berechtigungen für einen Aufenthalt unter sechs Monaten fallen nicht in den Geltungsbereich des NAG 2005, sondern sind im FrPolG 2005 geregelt (siehe RV 952 BlgNR 22. GP 114). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/22/0013 E RS 1 |
Normen | |
RS 4 | Um in den Geltungsbereich des NAG 2005 zu fallen, muss es sich um einen tatsächlichen oder beabsichtigten Aufenthalt von mehr als sechs Monaten handeln. Dies bedeutet nicht, dass die Erteilung einer Berechtigung für weniger als sechs Monate auf Grund des § 20 Abs. 1 letzter Halbsatz NAG 2005 (kürzere Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes) per se unzulässig wäre. Es kommt nicht darauf an, ob der Aufenthaltstitel - im Hinblick auf seinen nach der geplanten Einreise verbleibenden Gültigkeitszeitraum - für mehr als sechs Monate ausgenützt werden kann, sondern ist auf die Absicht der Niederlassung während der Gültigkeitsdauer des beantragten Aufenthaltstitels abzustellen (vgl. ). Das FrPolG 2005 sieht die Erteilung eines Visums zum Zweck des Studiums nicht vor. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz in 4041 Linz, Hauptstraße 1-5, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-750656/7/MB/AO, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: S, geboren 1986, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1/4/23), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der mitbeteiligten Partei eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ erteilt.
2 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wurde mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Zur Begründung dieses Antrags führte der Revisionswerber aus, er müsste - sollte seinem Aufschiebungsantrag nicht stattgegeben werden - den Druck einer Aufenthaltstitelkarte in Auftrag geben, diese sodann an den Mitbeteiligten ausfolgen und sie nach Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wieder einziehen. Dies wäre auf Grund der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses unbillig.
3 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist auch bei einer Amtsrevision zulässig (vgl. , mwN).
4 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass im Aufschiebungsverfahren die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen ist und daher Mutmaßungen über den voraussichtlichen Verfahrensausgang außer Betracht zu bleiben haben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (siehe erneut VwGH Ra 2020/22/0027, mwN). Die Behauptung des Revisionswerbers, die Rechtswidrigkeit sei von Anfang an erkennbar, führt zu keinem anderen Ergebnis.
5 Soweit der Revisionswerber den Druck und die Ausfolgung der Aufenthaltstitelkarte ins Treffen führt, legt er nicht dar, welcher unverhältnismäßige Nachteil damit fallbezogen verbunden wäre. Die bloße Verpflichtung zur Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit stellt keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen dar (vgl. zu allem wiederum VwGH Ra 2020/22/0027, mwN).
6 Dem Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war somit nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , Zl. LVwG-750656/7/MB/AO, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: S A, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1/4/23), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (belangte Behörde, Revisionswerber) den Antrag des Mitbeteiligten, eines iranischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ nach § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde statt und erteilte dem Mitbeteiligten eine Aufenthaltsbewilligung „Student“, befristet bis zum . Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für die vorliegende Revisionssache von Relevanz - fest, dass der Mitbeteiligte mit seinem Antrag einen Reisepass mit Gültigkeit bis zum vorgelegt habe. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Verwaltungsgericht - mit näherer Begründung - davon aus, dass kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 NAG vorliege und sowohl die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 NAG als auch die besondere Erteilungsvoraussetzung nach § 64 Abs. 1 Z 2 NAG erfüllt seien. Da die Gültigkeit des vom Mitbeteiligten vorgelegten Reisepasses am ende, sei die Aufenthaltsbewilligung entsprechend der Vorgabe des § 20 Abs. 1 NAG nur bis zu diesem Zeitpunkt zu erteilen gewesen.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes fehle es an Legitimation, weil der Mitbeteiligte mangels Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, die länger als sechs Monate gültig sei, gemäß § 1 Abs. 1 NAG nicht in den Anwendungsbereich des NAG falle. Der Revisionswerber verweist auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/22/0013, demzufolge konstitutive Berechtigungen für einen Aufenthalt von unter sechs Monaten nicht in den Geltungsbereich des NAG fielen. Es könne kein Aufenthaltstitel (nach dem NAG) mit einer Gültigkeitsdauer von unter sechs Monaten ausgestellt werden, weil dies in den Anwendungsbereich des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) fiele.
6 Gemäß seinem § 1 Abs. 1 regelt das NAG (ua.) die Erteilung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen. In den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP 114) heißt es dazu, dass alle konstitutiven Berechtigungen für einen Aufenthalt unter sechs Monaten aus dem Geltungsbereich des NAG herausfallen. Gemäß § 20 Abs. 1 NAG sind befristete Aufenthaltstitel (in der Regel) für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen, es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf. Beträgt die Gültigkeitsdauer des Reisepasses - wie hier - weniger als die für den beantragten Aufenthaltstitel maximal mögliche Aufenthaltsdauer (vorliegend zwölf Monate), so ist der Aufenthaltstitel nur für die Gültigkeitsdauer des Reisepasses auszustellen (vgl. , Rn. 11, mwN).
7 Weder aus § 1 Abs. 1 NAG noch aus den Erläuterungen dazu lässt sich aber der (vom Revisionswerber gezogene) Schluss ableiten, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG bereits dann dem Grunde nach unzulässig ist, wenn die Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes (gerechnet ab der Erlassung der Entscheidung) nicht mehr mindestens noch sechs Monate beträgt. § 1 Abs. 1 NAG stellt darauf ab, ob sich der Fremde länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhält oder aufhalten will. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Mitbeteiligte, der im November 2018 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ beantragt hat, nicht länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten will, sind nicht ersichtlich. Derartiges wird seitens des Revisionswerbers in seinem Zulässigkeitsvorbringen auch nicht behauptet.
8 Auch der vom Revisionswerber ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar unter Bezugnahme auf die oben zitierten Erläuterungen zu § 1 Abs. 1 NAG festgehalten, dass konstitutive Berechtigungen für einen Aufenthalt unter sechs Monaten nicht in den Geltungsbereich des NAG fallen (, Rn. 12). Das bedeutet aber, dass es sich um einen (wie in dem im Satz zuvor zitierten § 1 Abs. 1 NAG zum Ausdruck gebracht wird) tatsächlichen oder beabsichtigten Aufenthalt von mehr als sechs Monaten handeln muss, nicht hingegen, dass die Erteilung einer Berechtigung für weniger als sechs Monate auf Grund des § 20 Abs. 1 letzter Halbsatz NAG (kürzere Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes) per se unzulässig wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch zum Ausdruck gebracht, dass es nicht darauf ankommt, ob der Aufenthaltstitel - im Hinblick auf seinen nach der geplanten Einreise verbleibenden Gültigkeitszeitraum - für mehr als sechs Monate ausgenützt werden kann, sondern er hat auf die Absicht der (dort) Niederlassung während der Gültigkeitsdauer des beantragten Aufenthaltstitels abgestellt (vgl. ). Soweit der Revisionswerber auf den Anwendungsbereich des FPG verweist, genügt schließlich der Hinweis, dass das FPG die Erteilung eines Visums zum Zweck des Studiums nicht vorsieht.
9 Ausgehend davon ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht dem Mitbeteiligten im vorliegenden Fall eine mit dem Ende der Gültigkeitsdauer seines Reisedokumentes befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt hat.
10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
Schlagworte | Unverhältnismäßiger Nachteil |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220122.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-48073