VwGH 24.06.2020, Ra 2020/17/0012
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §38 GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 GSpG 1989 §52 Abs2 VStG §16 VStG §64 VwGG §38b VwGG §62 Abs1 12010E056 AEUV Art56 12010E267 AEUV Art267 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 62018CJ0064 Maksimovic VORAB |
RS 1 | Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen ausgesetzt. |
Normen | GSpG 1989 §52 GSpG 1989 §52 Abs2 VStG §16 VStG §64 VwGVG 2014 §38 12010E056 AEUV Art56 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 62020CJ0231 M.T. VORAB |
RS 1 | Die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989, für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretungen des § 52 GSpG 1989 gemäß § 16 VStG sind im Zusammenhang mit der Verhängung solcher Geldstrafen und für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art 49 Abs. 3 GRC) vereinbar (vgl. MT, C-231/20; ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/17/0100 B RS 1 |
Normen | GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 GSpG 1989 §52 Abs2 VStG §16 VStG §22 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §38 12010E056 AEUV Art56 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 |
RS 2 | Bei verbotenen Ausspielungen mit vier Glücksspielgeräten ist die Verhängung von Strafen grundsätzlich für jedes einzelne Gerät zulässig und geboten (vgl. ). Das VwG verhängte die Strafe jedoch nicht pro Glückspielgerät, sondern in Form einer Gesamtstrafe. Da die Verhängung kumulierter Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG 1989 gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG 1989 iVm dem VStG jedoch grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist (vgl. ), verstößt das angefochtene Erkenntnis gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG, dem zufolge über jemanden, der durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind. |
Entscheidungstext
Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:
* Fortgesetztes Verfahren im VwGH nach EuGH-Entscheidung:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Berger, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zlen. 1. VGW-002/011/7534/2019-9, 2. VGW-002/011/7535/2019, 3. VGW-002/V/011/2663/2019 und 4. VGW-002/V/011/2664/2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. I P und 2. N GmbH, beide vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10 (4. OG)), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt A) des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Erstmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Zweitmitbeteiligten der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. In der Straffrage gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde „unter Einbeziehung des Urteils zum Kumulationsverbot des verb Rs C 64/18, C 140/18, C 146/18 und C 148/18“ insoweit Folge, als es anstelle der von der belangten Behörde gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG verhängten vier Geldstrafen (für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Ersatzfreiheitsstrafen) eine „Gesamtstrafe von EUR 25.000,00 und eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen“ verhängte. Ferner werden (u.a.) die Kosten des Strafverfahrens neu bemessen (§ 64 Abs. 1 und 2 VStG) und ausgesprochen, dass die „beschwerdeführende Partei“ keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Mit Spruchpunkt B) wurde die Beschwerde der Zweitmitbeteiligten gegen einen Bescheid (mit zwei Spruchpunkten) der belangten Behörde, mit dem die Beschlagnahme sowie die Einziehung der Glücksspielgeräte verfügt worden waren, abgewiesen. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Nach der ausdrücklichen Anfechtungserklärung richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen nur gegen Spruchpunkt A) dieses Erkenntnisses, soweit mit diesem die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen als Gesamtstrafe verhängt und neu bemessen sowie soweit mit diesem Spruchpunkt die Kosten bestimmt wurden.
3 Der Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
4 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3)Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?“
5 Da im vorliegenden Revisionsverfahren aufgrund der angelasteten Übertretungen des GSpG von der belangten Behörde Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sowie die Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG und ein Kostenbeitrag gemäß § 64 VStG verhängt wurden und diese Bestimmungen auch vom Verwaltungsgericht bei der Verhängung der Gesamtstrafe angewendet wurden, kommt der Beantwortung dieser Fragen durch den EuGH für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Auch im vorliegenden Revisionsverfahren ist zunächst zu klären, ob bzw. allenfalls welche Teile dieser gesetzlichen Bestimmungen aufgrund der vom EuGH zu präzisierenden Auslegung des Unionsrechts unanwendbar zu bleiben haben. Die Voraussetzungen des nach § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG liegen daher vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - beschlossen, das Revisionsverfahren auszusetzen.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:
* Ausgesetztes Verfahren:
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62020CJ0231 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Berger, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , 1. VGW-002/011/7534/2019-9, 2. VGW-002/011/7535/2019, 3. VGW-002/V/011/2663/2019 und 4. VGW-002/V/011/2664/2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. I P und 2. N GmbH, beide vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, MBA, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich seines Spruchpunktes A) im Umfang des Ausspruches über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt A) des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Erstmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Zweitmitbeteiligten der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. In der Straffrage gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde „unter Einbeziehung des Urteils zum Kumulationsverbot des verb Rs C 64/18, C 140/18, C 146/18 und C 148/18“ insoweit Folge, als es anstelle der von der belangten Behörde gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG verhängten vier Geldstrafen (für den Fall der Uneinbringlichkeit vier Ersatzfreiheitsstrafen) eine „Gesamtstrafe von EUR 25.000,00 und eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen“ verhängte. Ferner wurden (u.a.) die Kosten des Strafverfahrens neu bemessen (§ 64 Abs. 1 und 2 VStG) und es wurde ausgesprochen, dass die „beschwerdeführende Partei“ keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Mit Spruchpunkt B) wurde die Beschwerde der Zweitmitbeteiligten gegen einen Bescheid (mit zwei Spruchpunkten) der belangten Behörde, mit dem die Beschlagnahme sowie die Einziehung der Glücksspielgeräte verfügt worden waren, abgewiesen. Weiters wurde jeweils gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Nach der ausdrücklichen Anfechtungserklärung richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen nur gegen Spruchpunkt A) dieses Erkenntnisses, soweit mit diesem die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen als Gesamtstrafe verhängt und neu bemessen sowie soweit mit diesem Spruchpunkt die Kosten bestimmt wurden.
3 Der Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
4 Mit Beschluss vom setzte der Verwaltungsgerichtshof das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen aus.
5 Der EuGH hat über diesen Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofes mit Urteil vom , MT, C-231/20, Folgendes erkannt:
„1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer wegen Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol verhängten Sanktion befasst ist, in einem Verfahren über die Verhängung von Sanktionen wegen eines solchen Verstoßes speziell prüfen muss, ob die in der anwendbaren Regelung vorgesehenen Sanktionen unter Berücksichtigung der konkreten Methoden für deren Bestimmung mit Art. 56 AEUV vereinbar sind.
2. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die im Fall der unternehmerischen Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen Folgendes zwingend vorsieht:
- die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen, sofern der Gesamtbetrag der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil steht;
- die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtdauer der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen, sofern die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Schwere der festgestellten Taten nicht übermäßig lang ist, und
- einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen, sofern dieser Beitrag im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt.“
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei von der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beachtung des Kumulationsprinzipes gemäß § 22 VStG abgewichen, als zulässig und begründet.
7 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2020/17/0013, ausgesprochen hat, sind die Rechtsgrundlagen
i) für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 13/2014,
ii) für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG und
iii) für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013,
grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) vereinbar. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
8 Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG macht sich strafbar, „wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt“. Im Revisionsfall wurde der Erstmitbeteiligte - rechtskräftig - wegen des näher konkretisierten unternehmerisch Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen mit vier Glücksspielgeräten schuldig erkannt. Die Verhängung von Strafen war daher grundsätzlich für jedes einzelne Gerät zulässig und geboten (vgl. zum Kumulationsprinzip im GSpG bereits z.B. , mwN).
9 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Strafe jedoch nicht pro Glückspielgerät, sondern in Form einer Gesamtstrafe (in der Höhe von € 25.000,-- bzw. 6 Tage Ersatzfreiheitstrafe) verhängt, während die belangte Behörde vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 20.000,-- sowie Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 7 Tagen verhängt hatte.
10 Da die Verhängung kumulierter Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG iVm dem VStG jedoch grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist (vgl. erneut ), verstößt das angefochtene Erkenntnis somit gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG, dem zufolge über jemanden, der durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind.
11 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang - und damit hinsichtlich des Ausspruchs über die verhängte Gesamtstrafe und hinsichtlich des davon abhängigen Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §38 GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 GSpG 1989 §52 Abs2 VStG §16 VStG §64 VwGG §38b VwGG §62 Abs1 12010E056 AEUV Art56 12010E267 AEUV Art267 12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3 62018CJ0064 Maksimovic VORAB |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170012.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-48041