VwGH 17.12.2020, Ra 2020/16/0137
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Die Änderungsbefugnis im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO - nach jeder Richtung - ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/15/0161). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/16/0069 B RS 3 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/16/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision 1. der H S und 2. des E S, beide in K, beide vertreten durch Dr. Harald Pichler, Rechtsanwalt in 9580 Villach-Drobollach, Seeblickstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom , Zl. KLVwG-267-268/4/2020, betreffend Wasserbezugsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde Techelsberg am Wörther See; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Die Gemeinde Techelsberg am Wörther See hat der Erstrevisionswerberin Aufwendungen von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Gemeinde Techelsberg am Wörther See den Revisionswerbern Wasserbezugsgebühren für eine näher bezeichnete Liegenschaft für den Zeitraum vom bis zum , ausgehend von einem Wasserbrauch von 18.708 m3 als Bemessungsgrundlage, in Höhe von 52.324,99 € einschließlich Umsatzsteuer vor.
2 Anlässlich einer Wasserablesung am sei am Wasserzähler ein Stand von 19.024 Kubikmetern festgestellt worden. Von diesem Stand seien 300 Kubikmeter abgezogen worden, weil in den Jahren 2011, 2012 und 2013 ein Verbrauch von insgesamt 300 Kubikmeter vorgeschrieben und auch bezahlt worden sei.
3 Der wesentlich über dem sonst üblichen jährlichen Verbrauch liegende Wasserverbrauch sei dadurch begründet, dass am ein Schaden an der Hausanschlussleitung festgestellt worden sei. Ein Bruch des Absperrventils im Wasserschachtbereich habe den Wasseraustritt verursacht. Der private Wasserschacht, in dem die Wasseruhr und die Hauszuleitung verlegt seien, sei im Zuge der Errichtung des Badehauses (Baubewilligungsbescheid vom ) in einem direkt vor dem Badehaus vorbeiführenden Weg, der sich im Eigentum der Österreichischen Bundesbahnen befinde, errichtet worden.
4 Dagegen erhoben die Revisionswerber mit Schriftsatz vom Berufung, u.a mit der Begründung, der aus der Beschädigung (Bruch des Absperrventils) resultierende unkontrollierte Wasseraustritt stelle keinen Wasserbezug im Sinne des § 5 des Kärntner Gemeindewasserversorgungsgesetzes dar. Der Wasserschacht befinde sich überdies nicht auf der Liegenschaft der Revisionswerber und somit nicht in deren Eigentum.
5 Mit Bescheid (Berufungsentscheidung) vom wies der Gemeindevorstand der Gemeinde Techelsberg am Wörther See die Berufung als unbegründet ab, wogegen die Revisionswerber mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben.
6 Mit Beschluss vom hob das Landesverwaltungsgericht Kärnten den bekämpften Bescheid (Berufungsentscheidung) des Gemeindevorstandes vom auf und verwies die Sache gemäß § 278 Abs. 1 BAO an den Gemeindevorstand zurück.
7 Der in Rede stehende Wasserzähler sei am im Rahmen eines regulären Tauschs eingebaut worden und habe damals den Zählerstand „0“ aufgewiesen. Am sei der Wassermesserstand bei „16“ gelegen. In den darauffolgenden Jahren, somit im Juli 2012, 2013 und 2014 sei der Wasserverbrauch jeweils geschätzt worden, nachdem keine Meldungen der Revisionswerber bei der Gemeinde eingelangt seien. Erst auf Grund des Schadensereignisses mit sei ein abgelesener Zählerstand mit „19.024“ protokolliert worden. Die belangte Behörde habe die Berechnung des Wasserverbrauchs basierend auf diesem Zählerstand abzüglich der verrechneten m3 mit 18.708 m3 in den Zeitraum vom bis gelegt. Da aber ab keine Ablesung des Wasserzählers erfolgt sei, könne nicht festgehalten werden, wie hoch der tatsächliche einzelne Jahresverbrauch gewesen sei. Wie die Revisionswerber vorgebracht hätten, habe die belangte Behörde keine Ermittlungen hinsichtlich der zeitlichen Entstehung des Risses in der Leitung getätigt.
8 Der Gemeindevorstand änderte darauf mit Bescheid (Berufungsentscheidung) vom den bekämpften Bescheid des Bürgermeisters vom insofern, als er die Wasserbezugsgebühren ausgehend von einem Wasserverbrauch von 19.008 m3 als Bemessungsgrundlage mit 50.381,20 € einschließlich Umsatzsteuer festsetzte und abzüglich der bereits entrichteten Wasserbezugsgebühren für die Jahre 2011 bis 2014 mit 49.439 € zur Zahlung vorschrieb.
9 Bei der Ablesung des Wasserzählers am sei ein Stand von 19.024 m3 festgestellt worden. Unter Abzug der 16 m3, welche am festgestellt worden seien, ergebe dies einen tatsächlichen Wasserbezug vom bis zum von 19.008 m3. Der um Ergänzung des seinerzeitigen Gutachtens ersuchte Sachverständige sei zum Ergebnis gelangt, dass eine exakte Feststellung des tatsächlichen Bruchzeitpunktes nicht möglich sei. Technisch wäre es möglich, dass es sich um eine „schleichende Beschädigung“ am Absperrventil gehandelt habe, womit über einen längeren technisch nicht berechenbaren Zeitraum bereits Wasser ausgetreten wäre. Da die Ermittlung und Feststellung des tatsächlichen jährlichen Wasserverbrauchs somit nicht möglich sei, habe der Gemeindevorstand dem tatsächlich festgestellten Wasserverbrauch von 19.008 m3 jenen Gebührensatz der Berechnung der Wasserbezugsgebühr zu Grunde gelegt, welcher ab dem entsprechend der damals geltenden Verordnung des Gemeinderates vom in Geltung gestanden sei.
10 Mit Schriftsatz vom erhoben die Revisionswerber dagegen Beschwerde. Sie trugen u.a. vor, der Zeitraum der Gebührenvorschreibung sei falsch. Im Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz sei die Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum vom bis zum vorgeschrieben worden. Dieser Zeitraum sei von der belangten Behörde offenkundig beibehalten worden. Damit habe sie aber nach ihren eigenen Feststellungen den zwischen dem und dem angefallenen Wasserverbrauch für einen Zeitraum verrechnet, für den dieser Verbrauch eben nicht gemessen worden sei und vom Sachverständigen auch nicht habe festgestellt werden können.
11 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis änderte das Landesverwaltungsgericht Kärnten den Spruch des vor ihm bekämpften Bescheides (Berufungsentscheidung) des Gemeindevorstandes vom dahingehend, dass das Landesverwaltungsgericht die Wasserbezugsgebühren für den Zeitraum vom bis zum 31. Juni (gemeint offensichtlich: 30. Juni) 2012 anhand eines anteiligen Verbrauchs von 6.336 m3, für den Zeitraum vom bis zum (gemeint offensichtlich: 30. Juni) 2013 anhand eines anteiligen Verbrauchs von 6.336 m3 und für den Zeitraum vom bis zum anhand eines anteiligen Verbrauchs von 6.336 m3 mit jeweils näher angeführten Beträgen festsetzte und aussprach, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
12 Da nunmehr Wasserzählerstandsablesungen nicht mehr nachgeholt werden könnten und auch keine rechtskräftigen Abgabenbescheide vorlägen, sei von einem gesamten Wasserverbrauch des Zeitraumes vom bis zum von 19.008 m3 auszugehen. Da weiters eine exakte nachträgliche Berechnung des tatsächlichen jährlichen Wasserverbrauchs zwischen den Ablesungen vom und nicht mehr möglich sei, habe das Landesverwaltungsgericht den jährlichen Wasserverbrauch geschätzt und gleichmäßig auf die drei Jahre verteilt. Es sei denkunlogisch, dass der Riss sofort in der im August 2014 vorgefundenen Größe entstanden sei, denn dann wäre der Wasserverbrauch um vieles höher gewesen. Vielmehr gehe das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass zu Beginn ein geringerer Verbrauch vorgelegen sei. Da ein solcher nicht exakt berechnet werden könne, halte das Landesverwaltungsgericht eine geschätzte gleichmäßige Verteilung der verbrauchten 19.008 m3 über die drei Jahre hinweg für gerechtfertigt, zumal dabei für die Revisionswerber begünstigend auch die niedrigeren Gebührensätze entsprechend berücksichtigt würden.
13 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
14 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); der Gemeindevorstand der Gemeinde Techelsberg am Wörther See verwies mit Schriftsatz vom an Stelle einer Revisionsbeantwortung auf seine vor dem Landesverwaltungsgericht bekämpfte Entscheidung und auf das angefochtene Erkenntnis.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
16 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Die Revisionswerber tragen zur Zulässigkeit ihrer Revision u.a. vor, das Landesverwaltungsgericht habe zu Unrecht „Wassergebühr auch für die Zeiträume bis , bis und bis vorgeschrieben.“
19 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
20 Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzten.
21 Die Änderungsbefugnis im Sinne des § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO - nach jeder Richtung - ist durch die Sache nach § 279 Abs. 1 erster Satz leg. cit. begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (vgl. etwa ; und ).
22 Sache des Beschwerdeverfahrens war die Festsetzung der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum vom bis zum . Das ergibt sich aus dem Bescheid des Bürgermeisters vom . Durch die Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes vom tritt keine Änderung der „Sache“ ein.
23 Das Landesverwaltungsgericht hat jedoch Wasserbezugsgebühren für die Zeiträume vom bis zum und vom bis zum , welche gänzlich außerhalb des von der Sache erfassten Zeitraumes liegen, und für den Zeitraum vom bis zum , welcher teilweise außerhalb des von der Sache erfassten (erst mit beginnenden) Zeitraumes liegen, erstmals festgesetzt. Dafür war das Landesverwaltungsgericht funktionell nicht zuständig.
24 Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Bürgermeister für außerhalb der Sache des Beschwerdeverfahrens liegende Zeiträume bereits früher rechtskräftige Abgabenbescheide erlassen hat (wie es von den Revisionswerbern in der Revision vertreten wird) oder ob es sich bei jenen Schriftstücken lediglich um Lastschriftanzeigen handelt (wovon das Landesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ausgeht).
25 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.
26 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 VwGG abgesehen werden.
27 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff, insb. § 53 Abs. 1 VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160137.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-48027