VwGH 20.08.2020, Ra 2020/13/0067
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung kommt es nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann. |
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RS 2 | Eine Haftungsinanspruchnahme setzt voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung hat weiters zur Voraussetzung, daß zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeit Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (Hinweis E , 92/17/0042). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 95/16/0155 E RS 1 (hier ohne den ersten Satz) |
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RS 3 | Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters, den Betrag der bei Gläubigergleichbehandlung zu entrichtenden Abgaben und zur Errechnung einer entsprechenden Quote nachzuweisen, bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0039). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/16/0187 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des R, geboren 1982, in 8113 St. Oswald bei Plankenwarth, vertreten durch Kapp & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8054 Seiersberg, Kärntner Straße 532, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 61.37-2634/2019-11, betreffend Haftung gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat d.Stadt Graz), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist der Revision auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Im vorliegenden Aufschiebungsantrag wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der sofortige Vollzug des Bescheides zu einem unverhältnismäßigen Nachteil für den Beschwerdeführer führen würde, weil er aufgrund seines Einkommens den geforderten Betrag nicht leisten könne, ohne seinen Lebensunterhalt zu gefährden und eine sofortige Abdeckung aus dem laufenden Einkommen nicht möglich sei.
3 Der Antragsteller zeigt mit seinem Vorbringen schon deshalb keinen ihm drohenden unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne der zitierten Norm auf, weil er die Möglichkeit, bei der Behörde um Zahlungserleichterungen (Stundung, Ratenzahlungen) anzusuchen, völlig ausblendet. Dass ihm keine Zahlungserleichterungen bewilligt werden könnten, behauptet der Antragsteller nicht.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des F in S, vertreten durch die Kapp & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8054 Seiersberg, Kärntner Straße 532, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 61.37-2634/2019-11, betreffend Haftung gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadt Graz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Graz hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber wurde als handelsrechtlicher Geschäftsführer der E GmbH, die eine Betriebsstätte in G hatte, gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG) iVm § 80 BAO für den Zeitraum bis für aushaftende Kommunalsteuerrückstände in der Höhe von insgesamt 23.206,81 € herangezogen. Gegen den Haftungsbescheid erhob der Revisionswerber fristgerecht Berufung und sodann Beschwerde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Landesverwaltungsgericht den Bescheid ab, indem es den Haftungsbetrag auf 16.244,34 € herabsetzte. Es führte aus, der Revisionswerber habe nur die Höhe der Haftung, nicht aber die Haftungsinanspruchnahme dem Grunde nach bekämpft. Die Primärschuldnerin sei in Konkurs gegangen, der Konkurs mit einer Quote von 30 % aufgehoben worden. Die Abgaben seien uneinbringlich. Im Haftungszeitraum habe die Primärschuldnerin über liquide Mittel verfügt und Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern zumindest teilweise erfüllt. Die Primärschuldnerin habe keine Zahlungen für die offenen Kommunalsteuerverbindlichkeiten der Jahre 2013 und 2014 geleistet. Die von dem Revisionswerber angegebenen Zahlungen würden das Jahr 2012 betreffen. Eine Liquiditätsaufstellung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei nicht vorgelegt worden. Aus den vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen ergebe sich, dass die Verbindlichkeiten die liquiden Mittel der Primärschuldnerin überstiegen hätten, so dass nicht ausreichende Mittel zur Befriedigung sämtlicher Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Der Revisionswerber habe trotz Vorhalt keine Nachweise der Gläubigergleichbehandlung erbracht. Die Vorlage von Saldenlisten als Nachweis dafür, dass den Revisionswerber kein Verschulden an der Nichtentrichtung offener Abgaben treffe, liefere nicht den geforderten Liquiditätsnachweis. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich nicht, welche Verbindlichkeiten getilgt worden seien und in welchem Verhältnis die Gläubigerbefriedigung erfolgt sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vorbringt, es liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Das Landesverwaltungsgericht habe den Revisionswerber trotz konkreter, sachbezogener Behauptungen und Urkundenvorlagen nicht zur Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufgefordert.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:
5 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
6 Gemäß § 6a Abs. 1 KommStG haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 6a KommStG annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. ).
8 Der Vertreter haftet für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. ).
9 Dabei kommt es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag an, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben kann.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Heranziehung des Vertreters zur Haftung, dass zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeit Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (vgl. ; , 96/15/0053; , 95/14/0034; jeweils mwN).
11 Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters, den Betrag der bei Gläubigergleichbehandlung zu entrichtenden Abgaben und zur Errechnung einer entsprechenden Quote nachzuweisen, bedeutet jedoch nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. ).
12 Der Revisionswerber hat dem Landesverwaltungsgericht umfangreiche Unterlagen vorgelegt. Wenn das Landesverwaltungsgericht der Ansicht war, dass diese Unterlagen nicht ausreichten, um den Gläubigergleichbehandlungsnachweis erbringen zu können, hätte es den Revisionswerber zu einer Präzisierung auffordern müssen, zumal es selbst widersprüchlich argumentiert hat, weil es einerseits in seinem Vorhalt an den Revisionswerber ausführte, dass es nicht auf die geleisteten Zahlungen ankomme, sondern nur auf die zum Fälligkeitstag zur Verfügung gestandenen Mittel, andererseits in seinem Erkenntnis aufgrund der Nichtdarstellung der erfolgten Tilgungen der übrigen Verbindlichkeiten von einer Unvollständigkeit des Gläubigernachweises ausgegangen ist.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
14 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | KommStG 1993 §6a VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130067.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-47951