VwGH 17.01.2020, Ra 2020/13/0002
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa bis 0779, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/13/0050 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der C Immobilienverwaltung GmbH, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alter Markt 1, der gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102590/2019, betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antra nicht stattgegeben.
Begründung
1 Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 30 Abs. 2 VwGG unter anderem davon abhängig, dass nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils aus der Verpflichtung zu einer Geldleistung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg.Nr. 10.381/A) schon im Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung durch zahlenmäßige Angaben über die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu konkretisieren. Erst die ausreichende und zudem glaubhaft dargetane Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung.
3 Mangels konkreter Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers konnte dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben werden.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der C GmbH in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alter Markt 1, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102590/2019, betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer sowie Anspruchszinsen 2016, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war von bis in Konkurs. Als Masseverwalter wurde AM bestellt. Am erließ das Finanzamt Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 und stellte sie an den Masseverwalter zu. Dieser brachte innerhalb der Beschwerdefrist einen Fristverlängerungsantrag ein, dem das Finanzamt Folge gab und die Beschwerdefrist bis verlängerte.
2 Am brachte der Rechtsanwalt WL Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 namens der Revisionswerberin ein und gab an, dass er vom Gesellschafter der Revisionswerberin, GB, dazu bevollmächtigt worden sei.
3 Am erließ das Finanzamt einen Mängelbehebungsauftrag wegen inhaltlicher Mängel der Beschwerden, der innerhalb offener Frist beantwortet wurde.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden wegen fehlender „Aktivlegitimation“ zurückgewiesen. egründend führte das Finanzamt aus, dass GB, wie aus dem Firmenbuch ersichtlich, kein Gesellschafter der Revisionswerberin und somit nicht legitimiert gewesen sei, die Revisionswerberin zu vertreten. Er habe daher auch WL nicht rechtsgültig bevollmächtigen können, die Beschwerden vom einzubringen. Auch sei die Revisionswerberin damals noch in Konkurs gewesen, weshalb nur ihr Masseverwalter AM die Beschwerden hätte einbringen dürfen.
5 Die Beschwerdevorentscheidung wurde von WL mit Vorlageantrag vom namens der Revisionswerberin angefochten. Darin wurde vorgebracht, dass der Masseverwalter AM eine Steuerberatungskanzlei beauftragt und bevollmächtigt habe, an seiner Stelle die Beschwerden für die Revisionswerberin einzubringen. Die Steuerberatungskanzlei habe WL beauftragt und bevollmächtigt, weshalb er berechtigt gewesen sei, für die Revisionswerberin einzuschreiten. WL sei jetzt auch von der Revisionswerberin beauftragt und bevollmächtigt worden. GB habe als Bote zwischen der Revisionswerberin und WL fungiert. Bei Bedarf könne WL nachweisen, bevollmächtigt gewesen zu sein; jedoch berufe er sich ausdrücklich auf § 8 Abs. 1 RAO.
6 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurück. Es traf, soweit für das Revisionsverfahren relevant, folgende Feststellungen: Im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide sei die Revisionswerberin in Konkurs gewesen. Das Finanzamt habe die Bescheide an AM als Masseverwalter der in den Bescheiden namentlich genannten Revisionswerberin adressiert und zugestellt. Im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerden durch WL namens der Revisionswerberin und bevollmächtigt von GB sei die Revisionswerberin immer noch in Konkurs und AM ihr Masseverwalter gewesen. GB seit laut Firmenbuchauszug nicht befugt gewesen, die Revisionswerberin zu vertreten. Den Verwaltungsakten sei nicht zu entnehmen, dass AM irgendjemanden bevollmächtigt oder beauftragt hätte, die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 einzubringen.
7 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Beschwerden seien von GB, vertreten durch den Rechtsanwalt WL, eingebracht worden, der nachweislich nicht befugt gewesen sei, die Revisionswerberin zu vertreten. Weiters habe er die Beschwerden eingebracht, als die Revisionswerberin noch in Konkurs gewesen sei. Wer in Konkurs sei, sei nicht berechtigt, über das Massevermögen zu verfügen, weshalb nur der Masseverwalter legitimiert sei, Abgabenbescheide mit Beschwerde anzufechten. Derjenige, über den der Konkurs eröffnet sei, könne weder selbständig noch durch Vertreter Rechtsmittel in Abgabenverfahren erheben. Er könne jedoch Rechtsmittel als Vertreter des Masseverwalters mit dessen ausdrücklicher Genehmigung einbringen. Dass der Masseverwalter AM eine derartige Genehmigung der Revisionswerberin, GB, einem Steuerberater oder WL erteilt habe, habe die Revisionswerberin nicht nachgewiesen. Die Beschwerden seien daher von einer Person eingebracht worden, die dazu nicht legitimiert gewesen sei. Fehle die Aktivlegitimation, eine Beschwerde einzubringen, sei sie gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückzuweisen.
8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit ausführt, das Bundesfinanzgericht habe über die Beschwerden der Revisionswerberin entschieden, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei ausdrücklich gestellt worden, indem die Revisionswerberin in ihren Beschwerden beantragt habe, das Bundesfinanzgericht möge „nach einem eigenen und ergänzenden Beweisverfahren und in der Sache selbst entscheiden“. Außerdem sei die Parteienvernehmung beantragt worden. Das Bundesfinanzgericht habe zudem gegen § 8 Abs. 1 RAO verstoßen und sei damit von der ständigen Rechtsprechung des VwGH abgewichen. Das Bundesfinanzgericht hätte bei Zweifeln über die Bevollmächtigung Ermittlungen anstellen müssen und die Behebung etwaiger Mängel veranlassen müssen. Der vertretende Rechtsanwalt habe vorgebracht, dass er von der Steuerberaterkanzlei, die vom Masseverwalter beauftragt worden sei, bevollmächtigt worden sei, die Beschwerden einzubringen. Dazu habe das Bundesfinanzgericht keine Nachforschungen getätigt.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
11 Soweit die Revision das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung rügt, ist ihr zu entgegnen, dass das Vorbringen in der Beschwerde, das Bundesfinanzgericht solle „nach einem eigenen und ergänzenden Beweisverfahren in der Sache selbst entscheiden“, keinen Antrag auf eine mündliche Verhandlung darstellt. Ebenso wenig stellt es einen Antrag auf mündliche Verhandlung im Sinne des § 274 BAO dar, wenn in der Beschwerde unter der Überschrift „Beweis“ „PV“ angeführt wird.
12 Gemäß § 8 Abs. 1 Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 idF BGBl. I Nr. 68/2008 (RAO), erstreckt sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfasst die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. Vor allen Gerichten und Behörden ersetzt die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis.
13 Bestehen über Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis Zweifel, so sind diese nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 BAO von Amts wegen zu veranlassen (vgl. ).
14 Der Rechtsanwalt WL hat sich in den Beschwerden vom gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2016 zwar auf die Erteilung einer Vollmacht berufen, gleichzeitig aber ausdrücklich angegeben, dass ihm diese Vollmacht von GB als Gesellschafter der Revisionswerberin erteilt worden sei und er sich auf diese von GB erteilte Vollmacht berufe. Das Bundesfinanzgericht hatte daher zu Recht Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung des WL, konnte doch eine derartige Bevollmächtigung während des anhängigen Insolvenzverfahrens nur vom Masseverwalter erteilt werden. Darüber hinaus war zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung nur der Masseverwalter AM befugt, für die Revisionswerberin Beschwerden einzubringen.
15 Die Revision ist aber im Recht, wenn sie rügt, das Bundesfinanzgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, dass der Masseverwalter eine Steuerberaterkanzlei beauftragt und bevollmächtigt und diese WL beauftragt und bevollmächtigt habe, die Beschwerden einzubringen. Auch wenn dieses Vorbringen im Gegensatz zu den Ausführungen zur Bevollmächtigung in den Beschwerden stand, hätte sich das Bundesfinanzgericht nicht darauf zurückziehen dürfen, dass sich aus dem Verwaltungsakt keine Nachweise für eine derartige Bevollmächtigung ergeben hätten. Zudem hat das Bundesfinanzgericht das Beweisanbot, eine Bevollmächtigung von WL nachzuweisen, begründungslos übergangen.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa , mwN).
17 Das Bundesfinanzgericht hätte sich mit dem Vorbringen der Revisionswerberin auseinandersetzen und gegebenenfalls eigene Ermittlungen - etwa durch Nachfrage beim Masseverwalter - durchführen müssen.
18 Indem das Bundesfinanzgericht dies unterlassen hat, hat es seinen Beschluss mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
20 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130002.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-47930