VwGH 08.10.2020, Ra 2020/07/0067
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Ein Rechtsmittel kann namens der Agrargemeinschaft durch den Obmann nur dann rechtswirksam erhoben werden, wenn das Rechtsmittel durch einen entsprechenden Beschluß des zuständigen Organes der Agrargemeinschaft gedeckt ist, sofern nach der Verwaltungssatzung ein solcher erforderlich ist (Hinweis E , 87/07/0042, VwSlg 12594 A/1987). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 94/07/0010 E RS 1 |
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RS 2 | Nach § 35 Abs. 8 Tir FlVfLG 1996 (hier auch nach der Satzung) ist die dem Obmann eingeräumte Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis dadurch beschränkt, dass sie sich im Rahmen der im jeweiligen (durch die Satzung bestimmten) Aufgabenbereich der Vollversammlung und des Ausschusses von diesen Organen gefassten Beschlüsse zu halten hat. Wenn nun zufolge der Satzung der Agrargemeinschaft die Angelegenheit "Erhebung eines Rechtsmittels gegen eine agrarbehördliche Entscheidung" im Wirkungsbereich des Ausschusses liegt, so ist der Obmann ohne Deckung durch einen entsprechenden Beschluss des Ausschusses nicht in der Lage, eine solche Berufung rechtswirksam zu erheben (vgl. E , 87/07/0042; B , 91/07/0072). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/07/0245 E RS 2 (Hier: Dies gilt gleichermaßen für die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes und den Auftrag, namens der Agrargemeinschaft ein Rechtsmittel zu erheben.) |
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RS 3 | Die Erhebung eines Rechtsmittels setzt sich aus zwei Akten zusammen, nämlich aus der Willensbildung und aus der Willenserklärung, bei Körperschaften des öffentlichen Rechtes aus der Beschlussfassung durch das zuständige Organ und der Vollziehung des Beschlusses, insbesondere der Einbringung des Rechtsmittels innerhalb der Rechtsmittelfrist. Beide Akte müssten aber innerhalb der Rechtsmittelfrist gesetzt werden, wenn sie als rechtzeitig gelten sollten. Eine nachträgliche Genehmigung durch das zuständige Organ erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist kann die rechtzeitige Willensbildung nicht ersetzen (Hinweis E , 87/07/0042, VwSlg 12594 A/1987; B , 91/07/0072; E , 94/07/0010). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/07/0134 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Gemeindegutsagrargemeinschaft S, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2018/35/1390-11, betreffend Anträge nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz; mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Das Regulierungsgebiet der antragstellenden Agrargemeinschaft besteht aus einerseits einer auf österreichischem Staatgebiet befindlichen und anderseits einer auf deutschem Staatsgebiet befindlichen Alm. Zwischen der Agrargemeinschaft und der mitbeteiligten Gemeinde bestehen Auffassungsunterschiede über die Qualifikation des in Deutschland befindlichen Teils des Regulierungsgebietes und damit insbesondere das Schicksal des für die Verpachtung eines Teils der dort gelegenen Sennhütte erzielten Bestandzinses.
2 Das Verwaltungsgericht stellte im Beschwerdeweg mit Erkenntnis vom fest, „dass die ... für die in Deutschland gelegene ...Alpe bezahlten Bestandszinse im Innenverhältnis (als Ausfluss ihres Anteilsrechtes) der Gemeinde ... zustehen“. Weiters hob es die Beschlüsse des Ausschusses der Agrargemeinschaft vom betreffend den Jahresabschluss 2017 und den Voranschlag 2018 auf.
3 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision verband die Agrargemeinschaft mit dem Antrag, dieser gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4 Sie begründete den Antrag damit, dass das angefochtene Erkenntnis insofern einem Vollzug zugänglich sei, als es die verbindliche Grundlage für nachfolgende Vollzugakte bilde. Die Agrarbehörde habe die Agrargemeinschaft mit Schreiben vom bereits aufgefordert, die Zugangsdaten zum Bankkonto für die echt gemischten Teile der Agrargemeinschaft unverzüglich dem Substanzverwalter zu übermitteln, die strittigen Pachteinnahmen auf das Substanzkonto zu überweisen, den Abschluss des Abrechnungskontos für das Jahr 2017 neu zu beschließen sowie die Jahresabrechnungen betreffend das Substanzkonto für 2017, 2018 und 2019 der Agrarbehörde vorzulegen.
5 Dadurch komme es zu einem Eigentumseingriff, der - sollte die Agrargemeinschaft mit der erhobenen Revision durchdringen - nicht ohne größeren Schaden wieder rückgängig gemacht werden könne. Die antragstellende Agrargemeinschaft wäre verhalten, die Pachteinnahmen, auf die sie angewiesen sei, auf das Substanzkonto zu überweisen, sodass die Rückforderung unter Umständen mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei. Zudem bedeute eine neue Beschlussfassung über das Abrechnungskonto und die Jahresabrechnungen einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Der Aufschiebung stünden weder zwingende öffentliche Interessen entgegen, noch wären Rechte Dritter gefährdet.
6 Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Äußerung, in der sie dem Antrag näher begründet entgegentrat.
7 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
8 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlich, dass eine revisionswerbende Partei schon in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihr behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. , mwN).
9 Die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteiles erfordert die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der revisionswerbenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. , mwN).
10 Eine solche Darlegung ist dem Antrag nicht zu entnehmen, wenn darin lediglich abstrakt vorgebracht wird, die Antragstellerin sei auf die Pachteinnahmen angewiesen, die Rückforderung sei „unter Umständen mit einem erheblichen Aufwand verbunden“ und die geforderten Beschlussfassungen bedeuteten „einen erheblichen Verwaltungsaufwand“.
11 Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Gemeindegutsagrargemeinschaft S Alpe in H, vertreten durch den Obmann G B, dieser vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2018/35/1390-11, betreffend Anträge nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 und dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine Agrargemeinschaft nach § 34 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996). Es handelt sich bei ihr um eine Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 („Gemeindegutsagrargemeinschaft“), die Mitbeteiligte ist die an der Revisionswerberin substanzberechtigte Gemeinde.
2 Das Regulierungsgebiet der Revisionswerberin besteht aus einerseits einer auf österreichischem Staatgebiet befindlichen und anderseits einer auf deutschem Staatsgebiet befindlichen Alm. Zwischen der Revisionswerberin und der mitbeteiligten Gemeinde bestehen Auffassungsunterschiede über die Qualifikation des in Deutschland befindlichen Teils des Regulierungsgebietes und damit insbesondere das Schicksal des für die Verpachtung eines Teils der dort gelegenen Sennhütte erzielten Bestandzinses.
3 Das Verwaltungsgericht stellte mit dem angefochtenen Erkenntnis über Antrag der mitbeteiligten Gemeinde in Abänderung eines Bescheides der belangten Behörde vom und - nachdem sein zunächst ergangenes Erkenntnis vom vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2018/07/0443, zum Teil aufgehoben worden war - nunmehr im zweiten Rechtsgang fest, „dass die ... für die in Deutschland gelegene ...Alpe bezahlten Bestandszinse im Innenverhältnis (als Ausfluss ihres Anteilsrechtes) der Gemeinde ... zustehen“. Weiters hob es die Beschlüsse des Ausschusses der revisionswerbenden Agrargemeinschaft vom betreffend den Jahresabschluss 2017 und den Voranschlag 2018 auf. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , E 1197/2020-5, deren Behandlung ablehnte und sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird. Der einschreitende Rechtsanwalt beruft sich darin gemäß § 10 AVG und § 8 RAO auf die ihm erteilte Vollmacht und führt im Rubrum an, dass die revisionswerbende Agrargemeinschaft durch ihren Obmann vertreten werde.
6 Nach Vorlage der Verfahrensakten und Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstatteten die mitbeteiligte Gemeinde und die belangte Behörde Revisionsbeantwortungen.
7 Die mitbeteiligte Gemeinde wendete darin unter anderem ein, die Revisionswerberin sei nicht wirksam vertreten. Die Revision betreffe den Substanzwert, sodass der Obmann der Revisionswerberin gemäß § 36c Abs. 6 TFLG 1996 nicht zu deren Vertretung nach außen berufen sei. Selbst wenn die Revision nicht den Substanzwert betreffen sollte, sei der Obmann nach § 35 Abs. 9 TFLG 1996, den korrespondierenden Satzungsbestimmungen und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zur Revisionserhebung berechtigt, wenn der Ausschuss der Revisionswerberin dies innerhalb der Rechtsmittelfrist beschlossen hätte. Die Revision enthalte keinen Hinweis auf eine solche Beschlussfassung. Dem Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde, zugleich Substanzverwalter der Revisionswerberin, sei weder bekannt, dass eine entsprechende Ausschusssitzung stattgefunden hätte, noch dass ein derartiger Beschluss gefasst worden wäre.
8 Nachdem die Revisionswerberin mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom aufgefordert worden war, sich dazu zu äußern und gegebenenfalls einen entsprechenden Beschluss des Ausschusses nachzuweisen, legte sie das Protokoll der Sitzung des Ausschusses der Revisionswerberin vom vor und brachte vor, dass die Mitglieder des Ausschusses bereits im März 2020 aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie einstimmig einen entsprechenden „mündlichen Umlaufbeschluss“ gefasst hätten, welcher in der Sitzung vom „schriftlich bestätigt“ worden sei. Der Obmann der Revisionswerberin habe diese daher wirksam vertreten können.
9 Das vorgelegte Protokoll lautet zu Tagesordnungspunkt 2.:
„Der Ausschuss beschloss bereits im März 2020, dass der bereits für Rechtsangelegenheiten bisher bevollmächtigte Vertreter der Gemeindegutsagrargemeinschaft ... hiermit beauftragt wird, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom , GZ ..., alle möglichen Gesetzesmittel zu ergreifen. Die Wiederholung des bereits Ende März 2020 in dieser Rechtssache erfolgten mündlichen Umlaufbeschlusses (wegen Corona) wird hiermit schriftlich bestätigt.
Der Ausschuss wiederholt diese Beschlussfassung hiermit.
Beschlussfassung durch die Ausschussmitglieder - einstimmig dafür.
Substanzverwalter, Bgm. ... und sein Stellvertreter ... stimmen gegen den Beschluss.“
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach Abs. 3 ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 § 35 TFLG 1996 lautet auszugsweise:
„§ 35
Organe, Willensbildung, Vertretung nach außen
(1) Die Organe der Agrargemeinschaften sind:
a) die Vollversammlung;
b) der Ausschuss;
c) der Obmann.
...
(8) Der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder, im Fall einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 1 auch die Gemeinde, eingeladen wurden und der Obmann oder dessen Stellvertreter sowie mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Bei Verhinderung von Mitgliedern sind Ersatzmitglieder einzuberufen. Der Ausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Obmannes.
(9) Der Obmann vertritt die Agrargemeinschaft nach außen, in Angelegenheiten, die der Beschlussfassung durch die Vollversammlung oder den Ausschuss unterliegen, jedoch nur im Rahmen entsprechender Beschlüsse. Zu allen Vertretungshandlungen, durch die der Agrargemeinschaft Verbindlichkeiten auferlegt werden, ist der Obmann nur gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des Ausschusses, im Fall des Abs. 6 der Vollversammlung, befugt; dies gilt insbesondere für die Fertigung von Urkunden.
...“
12 Die geltende Satzung der revisionswerbenden Agrargemeinschaft, erlassen mit Bescheid vom , lautet auszugsweise:
„§ 9 Obmann
1) Abgesehen von der Zuständigkeit des Substanzverwalters ist der Obmann zur Leitung der Agrargemeinschaft nach Maßgabe der Beschlüsse des Ausschusses und der Vollversammlung berufen.
...
b) Der Obmann vertritt die Agrargemeinschaft nur in Angelegenheiten, die ausschließlich die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte bzw. die Interessen der Nutzungsberechtigten betreffen, nach außen; in Angelegenheiten, die der Beschlussfassung durch die Vollversammlung oder den Ausschuss unterliegen, jedoch nur im Rahmen entsprechender Beschlüsse.
...
§ 10 Ausschuss
...
3) der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder und der Substanzverwalter eingeladen wurden und der Obmann sowie mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. ...
...
5) Die Beschlüsse sind unverzüglich in das Beschlussbuch einzutragen und von sämtlichen anwesenden Ausschussmitgliedern und dem anwesenden Substanzverwalter zu unterschreiben.
...
10) Soweit Angelegenheiten, die ausschließlich die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte bzw. die Interessen der Nutzungsberechtigten betreffen, nicht ausdrücklich einem anderen Organ vorbehalten sind, zählen alle Aufgaben zum Wirkungskreis des Ausschusses, wie insbesondere die Wahl und Bestellung weiterer Funktionäre wie Schriftführer, Alpmeister, die Erstattung eines Voranschlages an die Vollversammlung über die Entschädigung der Funktionäre, Beschlussfassung auf Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten gemäß § 4 Abs. 3 der Satzung sowie die Beschlussfassung über das Abrechnungskonto der Nutzungsberechtigten.“
13 Die Satzung enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, welches Organ zur Beschlussfassung über die Erhebung von Rechtsmitteln oder Einleitung gerichtlicher Schritte zuständig ist.
14 Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die Revisionserhebung im vorliegenden Fall ausschließlich die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte bzw. die Interessen der Nutzungsberechtigten betrifft oder (zumindest auch) den Substanzwert im Sinne des § 33 Abs. 3 TFLG 1996 (diesfalls wäre nach § 36c Abs. 6 TFLG 1996 und § 8 Abs. 5 der Satzung an der Stelle des Obmannes nur der Substanzverwalter zur Vertretung nach außen befugt): Dem bei der Mandatserteilung an den Rechtsvertreter für die Revisionswerberin einschreitenden Obmann fehlte es nämlich jedenfalls schon mangels eines entsprechenden Beschlusses des Ausschusses der Revisionswerberin an der erforderlichen Vertretungsmacht.
15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a.) zum TFLG 1996 kann ein Rechtsmittel namens der Agrargemeinschaft durch den Obmann nur dann rechtswirksam erhoben werden, wenn das Rechtsmittel durch einen entsprechenden Beschluss des zuständigen Organs der Agrargemeinschaft gedeckt ist, sofern nach der Verwaltungssatzung ein solcher erforderlich ist. Demnach ist die dem Obmann eingeräumte Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis dadurch beschränkt, dass sie sich im Rahmen der im jeweiligen (durch die Satzung bestimmten) Aufgabenbereich der Vollversammlung und des Ausschusses von diesen Organen gefassten Beschlüsse zu halten hat. Wenn nun zufolge der Satzung der Agrargemeinschaft die Angelegenheit „Erhebung von Rechtsmitteln bei Verwaltungsbehörden und bei Gerichten“ im Wirkungsbereich des Ausschusses liegt, so ist der Obmann ohne Deckung durch einen entsprechenden Beschluss des Ausschusses nicht in der Lage, ein solches Rechtsmittel rechtswirksam zu erheben (vgl. ; , 2011/07/0245; , 2007/07/0100; je mwN). Dies gilt gleichermaßen für die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes und den Auftrag, namens der Agrargemeinschaft ein Rechtsmittel zu erheben.
16 Die Satzung der revisionswerbenden Agrargemeinschaft weist die (Beschlussfassung über die) Erhebung von Rechtsmitteln zwar nicht ausdrücklich dem Ausschuss, aber auch keinem anderen Organ zu, sodass diese Kompetenz aufgrund der subsidiären Generalklausel des § 10 Abs. 10 der Satzung dem Ausschuss zukommt (vgl. , Pkt. 2.2.2, zum insofern vergleichbaren TFLG 1978 und einer vergleichbaren Satzungsbestimmung).
17 Die Revisionswerberin beruft sich auf einen (nicht näher dargelegten) „mündlichen Umlaufbeschluss“ ihres Ausschusses vom März 2020 über die Beauftragung des Rechtsvertreters der Revisionswerberin sowohl mit der Einbringung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie dessen schriftliche Bestätigung im Rahmen der Ausschusssitzung vom .
18 Ob eine mündliche Beschlussfassung des Ausschusses im März 2020 tatsächlich stattgefunden hat - was angesichts des konträren Vorbringens der Parteien strittig ist - kann dahingestellt bleiben, weil eine solche - wie im Folgenden ausgeführt wird - nicht wirksam gewesen wäre.
19 Aus dem Vorbringen der Revisionswerberin ergibt sich nicht, in welcher Art und Weise der „mündliche Umlaufbeschluss“ gefasst worden sein soll, etwa ob Erklärungen der Ausschussmitglieder gegenüber dem Obmann (oder anderen Mitgliedern) persönlich, telefonisch oder im Wege einer Videokonferenz abgegeben wurden. Eine nähere Dokumentation des Abstimmungsvorgangs wurde - abgesehen von der bekräftigenden Protokollierung in der Sitzung vom - ebensowenig vorgelegt; auch eine Eintragung im Beschlussbuch wurde nicht behauptet. Es ist aber angesichts der Bezugnahme auf die herrschende COVID-19-Pandemie und wegen der Bezeichnung des Beschlusses als „Umlaufbeschluss“ jedenfalls davon auszugehen, dass die an der Abstimmung teilnehmenden Ausschussmitglieder nicht zeitgleich (im Rahmen einer Sitzung) anwesend waren.
20 Die Beschlussfähigkeit des Ausschusses der Revisionswerberin erfordert jedoch nach den klaren Regelungen des § 35 Abs. 8 TFLG 1996 und § 10 Abs. 3 der Satzung unter anderem die Anwesenheit einer Mindestanzahl von Ausschussmitgliedern. Regelungen über eine Beschlussfassung im Umlaufweg - überdies ohne Dokumentation („mündlich“) - bestehen hingegen nicht. Die Durchführung einer Sitzung unter gleichzeitiger Anwesenheit der an der Abstimmung teilnehmenden Ausschussmitglieder ist daher als formelles Mindestmaß für die Annahme einer wirksamen Beschlussfassung anzusehen, sodass im vorliegenden Fall nicht lediglich ein fehlerhafter, sondern überhaupt kein wirksamer Beschluss zustande gekommen wäre.
21 Für die Dauer der zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 bestehenden behördlichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und zwischenmenschlichen Kontakte ermöglicht das Gesetz, mit dem besondere Vorschriften aufgrund des Auftretens von COVID-19 erlassen werden (Tiroler COVID-19-Gesetz), LGBl. Nr. 51/2020, in seinen §§ 14 und 15 den landesgesetzlich vorgesehenen bzw. eingerichteten Kollegialorganen zwar eine Beschlussfassung im Umlaufweg und die Abhaltung von Videokonferenzen, auch wenn dies materiengesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Diese Bestimmungen sind jedoch erst am - und damit nach der behaupteten Beschlussfassung - in Kraft getreten (§ 18 Abs. 1 Tiroler COVID-19-Gesetz). Außerdem entspräche ein „mündlicher Umlaufbeschluss“ auch nicht den konkreten Vorgaben dieser Regelungen.
22 Auch die (nachträgliche) Beschlussfassung in der Sitzung des Ausschusses vom ist nicht von Relevanz, weil der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass sich die Erhebung eines Rechtsmittels aus zwei Akten zusammensetzt, nämlich aus der Willensbildung und aus der Willenserklärung, bei Körperschaften des öffentlichen Rechtes aus der Beschlussfassung durch das zuständige Organ und der Vollziehung des Beschlusses, insbesondere der Einbringung des Rechtsmittels innerhalb der Rechtsmittelfrist. Beide Akte müssten aber innerhalb der Rechtsmittelfrist gesetzt werden, wenn sie als rechtzeitig gelten sollten. Eine nachträgliche Genehmigung durch das zuständige Organ erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist kann die rechtzeitige Willensbildung nicht ersetzen (; , 87/07/0042; je mwN).
23 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, weil die Revisionswerberin bei Revisionserhebung nicht wirksam vertreten war.
24 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070067.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-47882