VwGH 17.11.2020, Ra 2020/07/0054
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AVG §42 Abs1 AVG §42 Abs3 AVG §71 AVG §71 Abs1 AVG §8 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §27 VwRallg |
RS 1 | Nach den Materialien zu § 42 Abs. 3 AVG wurde mit dieser Bestimmung eine Regelung geschaffen, die die nachträgliche Erhebung von Einwendungen für Personen ermöglicht, die infolge - auch unverschuldeter - Versäumung der mündlichen Verhandlung ihre Parteistellung verlieren und auf die somit § 71 Abs. 1 AVG nicht anwendbar ist. § 42 Abs. 3 AVG ist daher (als "Quasi-Wiedereinsetzungsantrag") in enger Anlehnung an § 71 Abs. 1 AVG konzipiert (vgl. AB 1167 BlgNR 20. GP 32) und gilt demnach nur für Personen, die glaubhaft machen, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert waren, rechtzeitig Einwendungen zu erheben. Sie sind gehalten, binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen zu erheben. Die Materialien und der Wortlaut des § 42 Abs. 3 AVG erhellen, dass diese Bestimmung von vornherein nur auf präkludierte Parteien zur Anwendung kommt und es ihnen unter ähnlichen Voraussetzungen, wie sie für die Wiedereinsetzung nach § 71 AVG gelten, ermöglicht, die verlorene Parteistellung wieder zu gewinnen. Hingegen stehen Personen, die ihre Stellung als Partei nicht verloren haben, ohnedies alle Rechtsverfolgungsmöglichkeiten im weiteren Verfahren offen. Gelangt die Behörde bzw. das VwG zur Erkenntnis, dass eine Partei in rechtswidriger Weise nicht am Verfahren beteiligt wurde, ist sie verpflichtet, diese Person unmittelbar dem Verfahren beizuziehen und dadurch deren Status als übergangene Partei zu beenden. Auf die übergangene Partei selbst findet § 42 Abs. 3 AVG keine Anwendung. |
Normen | AVG §8 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwRallg WRG 1959 §102 Abs1 litb WRG 1959 §12 Abs2 WRG 1959 §22 Abs1 |
RS 2 | Das Wasserrecht ist weitgehend vom Grundsatz der "Dinglichkeit" und der daraus erfließenden Möglichkeit der Rechtsnachfolge in wasserrechtliche Rechtspositionen gekennzeichnet. Es tritt der Rechtsnachfolger im Eigentum an einer Liegenschaft, mit welcher ein Wasserrecht verbunden ist (§ 22 WRG), in dieses Wasserrecht ein. Für die Rechtsnachfolge in die Parteistellung ist der grundbücherliche Eigentumserwerb maßgebend (Hinweis Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Randziffer 6 zu § 102 WRG), wobei dieser von Todes wegen oder unter Lebenden erfolgen kann. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 91/07/0099 E RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/07/0055
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. des M H und 2. der B H, beide in R und beide vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-551499/3/BZ/JoS - 551500/2, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land; mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung in 4021 Linz, Bahnhofplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind - als Rechtsnachfolger der Eltern der Zweitrevisionswerberin - seit jeweils grundbücherliche Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 121, KG R., auf der sich ein Nutzwasserbrunnen befindet.
2 Im Jahr 2011 beantragte die mitbeteiligte Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Oberflächenentwässerung der Bundesstraße B139 bei Straßenkilometer 30,89 bis 31,56 im Zuge der Errichtung des Bauloses „Bahnunterführung U.“, in deren Nahbereich sich die Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien befindet.
3 Dazu beraumte die belangte Behörde für den eine mündliche Verhandlung an. Die Rechtsvorgänger der revisionswerbenden Parteien bzw. diese selbst wurden zu der Verhandlung weder persönlich geladen noch überhaupt dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren beigezogen. Die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung wurde von 6. bis an der Amtstafel der Gemeinde R. angeschlagen und unter anderem der mitbeteiligten Partei sowie betroffenen Grundeigentümern zugestellt. Eine Kundmachung auf sonstige Weise erfolgte nicht.
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte wasserrechtliche Bewilligung erteilt.
5 Nach der Aktenlage wurde dieser Bescheid - neben weiteren Verfahrensbeteiligten - der mitbeteiligten Partei am zugestellt.
6 In der Folge wurde kein Rechtsmittel gegen den Bescheid erhoben.
7 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde schließlich festgestellt, dass die ausgeführten Maßnahmen zur Oberflächenentwässerung der B139 mit der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung im Wesentlichen übereinstimmten.
8 Mit Schriftsatz vom beantragten die revisionswerbenden Parteien „als übergangene Parteien“ die nachträgliche Zustellung des Bescheids vom . Dazu führten sie im Wesentlichen aus, sie hätten dem Verfahren als Parteien beigezogen werden müssen, weil die gegenständliche Bauausführung der Bahnunterführung U. unmittelbare Auswirkungen auf den Wasserbestand der Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien hätte haben können (und gehabt habe).
9 Mit Schreiben vom übermittelte die belangte Behörde den revisionswerbenden Parteien eine Abschrift des Bescheids vom unter Hinweis auf „§ 126 Abs. 1 WRG 1959, wonach die Einsichtnahme in das Wasserbuch sowie die Abschriftnahme jedermann nach Maßgabe bestehender gesetzlicher Beschränkungen (...) möglich ist.“ Sie wies ausdrücklich darauf hin, dass damit keine Anerkennung der Stellung der revisionswerbenden Parteien als übergangene Parteien verbunden sei.
10 Mit weiteren Schriftsätzen vom 11. bzw. beantragten die revisionswerbenden Parteien sodann die Zustellung des Bescheids vom „einschließlich aller Bescheidbestandteile“, weil die vormalige Zustellung - aus hier nicht relevanten Gründen - unvollständig erfolgt sei.
11 Unter einem erhoben sie in beiden Schriftsätzen „vorsichtshalber“ Beschwerde gegen den Bescheid vom .
12 Diese wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
13 Begründend führte es aus, die belangte Behörde habe die mündliche Verhandlung vom nicht im Sinn des § 42 Abs. 1 AVG „doppelt“ kundgemacht. Die Präklusionsfolgen seien daher auf jene Personen beschränkt, die von der Verhandlung persönlich verständigt worden seien. Dementsprechend seien die revisionswerbenden Parteien (bzw. ihre Rechtsvorgänger) nicht präkludiert und somit als übergangene Parteien anzusehen.
14 Entscheidungswesentlich sei jedoch die Tatsache, dass das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren für die Oberflächenentwässerung der B139 im Zuge der Errichtung des Bauloses „Bahnunterführung U.“ mit Bescheid der belangten Behörde vom „rechtskräftig abgeschlossen“ worden sei. Mit ihrem dagegen gerichteten Beschwerdevorbringen übersähen die revisionswerbenden Parteien die Bestimmung des § 42 Abs. 3 AVG, der ausdrücklich von einer „rechtskräftigen Entscheidung“ im unmittelbaren Zusammenhang mit den Rechten einer dem Verfahren nicht beigezogenen Partei spreche. Damit anerkenne diese Vorschrift die Rechtskraftwirkung eines wasserrechtlichen Bewilligungsbescheids auch gegenüber einer übergangenen Partei.
15 Unabhängig davon, ob die revisionswerbenden Parteien (bzw. ihre Rechtsvorgänger) in dem mit dem bekämpften Bescheid abgeschlossenen Verfahren beachtliche Einwendungen hätten vorbringen können, stehe ihnen als übergangenen Parteien somit nur mehr der in § 26 WRG 1959 aufgezeigte Weg frei, den Ersatz eines Schadens der dort näher charakterisierten Art im ordentlichen Rechtsweg zu begehren.
16 Zusammenfassend gelte es demnach festzuhalten, dass die revisionswerbenden Parteien (bzw. ihre Rechtsvorgänger) in Bezug auf die gegenständliche wasserrechtliche Bewilligung vom zwar nicht präkludiert seien, der Bescheid jedoch auch gegenüber ihnen als übergangenen Parteien Rechtskraftwirkung entfalte. Für eine inhaltliche Entscheidung bzw. ein näheres Eingehen auf die von ihnen vorgetragenen Argumente (etwa, dass die belangte Behörde ein unzureichendes Ermittlungsverfahren geführt habe) bleibe daher kein Raum mehr.
17 Gegen diesen Beschluss erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , Zl. E 26/2020-5, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag der revisionswerbenden Parteien mit Beschluss vom , dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
18 Daraufhin erhoben die revisionswerbenden Parteien die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
19 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
21 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird zunächst vorgebracht, zur Frage, ob § 42 Abs. 3 AVG auf Verfahrensbeteiligte, die von der verwaltungsbehördlichen Verhandlung keine Kenntnis gehabt hätten und auch nicht hätten haben können, anwendbar sei, liege bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
22 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch begründet.
23 § 42 AVG idgF. lautet:
„§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.
(1a) Die Kundmachung im Internet unter der Adresse der Behörde gilt als geeignet, wenn sich aus einer dauerhaften Kundmachung an der Amtstafel der Behörde ergibt, dass solche Kundmachungen im Internet erfolgen können und unter welcher Adresse sie erfolgen. Sonstige Formen der Kundmachung sind geeignet, wenn sie sicherstellen, dass ein Beteiligter von der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.
(3) Eine Person, die glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.
(4) Versäumt derjenige, über dessen Antrag das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann sie entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden.“
24 Nach den Materialien zu § 42 Abs. 3 AVG wurde mit dieser Bestimmung eine Regelung geschaffen, die die nachträgliche Erhebung von Einwendungen für Personen ermöglicht, die infolge - auch unverschuldeter - Versäumung der mündlichen Verhandlung ihre Parteistellung verlieren und auf die somit § 71 Abs. 1 AVG nicht anwendbar ist. § 42 Abs. 3 AVG ist daher (als „Quasi-Wiedereinsetzungsantrag“) in enger Anlehnung an § 71 Abs. 1 AVG konzipiert (vgl. AB 1167 BlgNR 20. GP 32) und gilt demnach nur für Personen, die glaubhaft machen, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert waren, rechtzeitig Einwendungen zu erheben. Sie sind gehalten, binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen zu erheben.
25 Die Materialien und der Wortlaut des § 42 Abs. 3 AVG erhellen damit, dass diese Bestimmung von vornherein nur auf präkludierte Parteien zur Anwendung kommt und es ihnen unter ähnlichen Voraussetzungen, wie sie für die Wiedereinsetzung nach § 71 AVG gelten, ermöglicht, die verlorene Parteistellung wieder zu gewinnen. Hingegen stehen Personen, die ihre Stellung als Partei nicht verloren haben, ohnedies alle Rechtsverfolgungsmöglichkeiten im weiteren Verfahren offen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG [2005] § 42 Rz 50).
26 Gelangt die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht zur Erkenntnis, dass eine Partei in rechtswidriger Weise nicht am Verfahren beteiligt wurde, ist sie verpflichtet, diese Person unmittelbar dem Verfahren beizuziehen und dadurch deren Status als übergangene Partei zu beenden. Auf die übergangene Partei selbst findet § 42 Abs. 3 AVG keine Anwendung (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG [2005] § 42 Rz 58).
27 Dem vorliegenden Fall ist voranzustellen, dass nach der hg. Rechtsprechung das Wasserrecht weitgehend vom Grundsatz der „Dinglichkeit“ und der daraus erfließenden Möglichkeit der Rechtsnachfolge in wasserrechtliche Rechtspositionen gekennzeichnet ist. Es tritt der Rechtsnachfolger im Eigentum an einer Liegenschaft, mit welcher ein Wasserrecht verbunden ist (§ 22 WRG), in dieses Wasserrecht ein. Für die Rechtsnachfolge in die Parteistellung ist der zivilrechtliche Eigentumserwerb maßgebend, wobei dieser von Todes wegen oder unter Lebenden erfolgen kann (vgl. ; , 2003/07/0119).
28 Nach den unstrittigen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses wurden die vormaligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 121, KG R., - die Eltern der Zweitrevisionswerberin - weder persönlich zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vom geladen, noch wurde diese im Sinn des § 42 Abs. 1 AVG in qualifizierter Form (d.h. „doppelt“) kundgemacht. Darauf aufbauend gelangte das Verwaltungsgericht, indem es ohne nähere Begründung von einer Parteistellung der revisionswerbenden Parteien im Sinn des § 12 Abs. 2 WRG 1959 - die es offenkundig auf deren mit vollzogene Rechtsnachfolge in das Eigentum der mit einem Wasserrecht (Nutzwasserbrunnen) verbundenen Liegenschaft EZ 121, KG R., stützte - ausging, zum Ergebnis, dass diese als „übergangene Parteien“ des gegenständlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens nicht präkludiert seien.
29 Damit kann sich die vom Verwaltungsgericht unterstellte „Rechtskraftwirkung“ des Bescheids der belangten Behörde vom jedoch nicht auf die revisionswerbenden Parteien erstrecken, weil ohne deren Präklusion im gegenständlichen Verfahren die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 3 AVG von vornherein nicht in Betracht kam und sie demnach auch nicht gehalten waren, im Sinn dieser Bestimmung „spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache“ Einwendungen zu erheben. Ihnen stehen als übergangenen Parteien vielmehr nach wie vor alle Rechtsverfolgungsmöglichkeiten des gegenständlichen Verfahrens offen, weshalb die Zurückweisung ihrer Beschwerde aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen nicht zu Recht erfolgte.
30 Der angefochtene Beschluss war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
31 Im Übrigen ist für die revisionswerbenden Parteien aus ihrem weiteren Revisionsvorbringen, mit dem sie offenkundig vermeinen, das Verwaltungsgericht hätte über ihre Beschwerden nicht absprechen dürfen, weil ihnen der Bescheid der belangten Behörde vom nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, nichts zu gewinnen.
32 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung kann eine übergangene Partei eines Mehrparteienverfahrens, sobald der Bescheid gegenüber einer Partei erlassen ist, bereits vor der Zustellung des Bescheids an sie ein Rechtsmittel erheben, wobei sie freilich dabei zu erkennen gibt, auf die Zustellung des Bescheids zu verzichten (vgl. , 0182; , Ro 2017/11/0006, 0053, 0160, jeweils mwN).
33 Beim gegenständlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren handelt es sich unzweifelhaft um ein Mehrparteienverfahren, in welchem der Bescheid der belangten Behörde vom - unter anderen - gegenüber der mitbeteiligten Partei am erlassen wurde. Die revisionswerbenden Parteien als übergangene Parteien konnten daher nach formloser Übermittlung dieses Bescheids dagegen die oben erwähnten Beschwerden erheben. Eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Behandlung der Beschwerden lag damit aber nicht vor.
34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AVG §42 Abs1 AVG §42 Abs3 AVG §71 AVG §71 Abs1 AVG §8 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §27 VwRallg WRG 1959 §102 Abs1 litb WRG 1959 §12 Abs2 WRG 1959 §22 Abs1 |
Schlagworte | Allgemein Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070054.L00 |
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IAAAF-47880