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VwGH 30.04.2020, Ra 2020/02/0058

VwGH 30.04.2020, Ra 2020/02/0058

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AuskunftspflichtG Wr 1988 §1
AuskunftspflichtG 1987
AVG §8
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 1
Das Recht auf Auskunft nach dem Wr AuskunftspflichtG 1988 ist - ebenso wie nach dem Auskunftsgesetz des Bundes - unabhängig von einer allfälligen Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Magistrats der Stadt Wien, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-101/045/234/2019-10, betreffend Auskunftserteilung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz (mitbeteiligte Partei: Dr. W), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht einem Auskunftsersuchen der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und die revisionswerbende Partei zur Auskunftserteilung verhalten. Letztere hat mit ihrer Revision gegen dieses Erkenntnis einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Begründend führte die Antragstellerin u.a. aus, dass das mit der Revision verfolgte Ziel, die begehrte Auskunft nicht erteilen zu müssen, vereitelt würde, wenn die begehrten Daten noch vor Abschluss des Verfahrens beim Verwaltungsgerichtshof herausgegeben werden müssten. Mit der Herausgabe wäre ein irreversibler Zustand geschaffen, was ein unverhältnismäßiger Zustand für die Behörde wäre.

2 In ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag ging die mitbeteiligte Partei davon aus, dass im Lichte der Spruchpraxis des VwGH zu § 30 Abs. 2 VwGG dem Antrag allein aus dem Grund stattzugeben sei, weil eine einmal erteilte Auskunft nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, und trat somit diesem Begründungselement bei.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

4 Im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geht es nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, sondern einzig und allein um die Auswirkungen eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Erkenntnisses. Bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Interessenabwägung ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element ist. Die Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofes soll durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses während der Dauer des Revisionsverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden. Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zugunsten der revisionswerbenden Partei aus, wenn der ihr durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses (Beschlusses) drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Revision nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte (vgl. , mwN).

5 Dies ist vorliegend der Fall, weil eine einmal erteilte Auskunft nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. 6 Dem Antrag war daher stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-101/045/234/2019-10, betreffend Auskunftserteilung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz (mitbeteiligte Partei: Dr. W U in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schreiben vom ersuchte die mitbeteiligte Partei unter Hinweis auf einen Beschluss der Bezirksvertretung Währing vom und einer darin angesprochenen jüngst durchgeführten Verkehrszählung der Magistratsabteilung 46 auf Basis des Wiener Auskunftspflichtgesetzes (im Folgenden: Wr. AuskunftspflichtG) um „Übermittlung der Ergebnisse der Verkehrszählung (möglichst per mail), die laut dem erwähnten Antrag von Seiten der MA 46 im Zusammenhang mit dem Projekt S.-Gasse vorgenommen wurden“.

2 Mit Bescheid vom stellte die revisionswerbende Behörde gemäß § 3 Abs. 3 Wr. AuskunftspflichtG fest, dass die begehrte Auskunft nicht zu erteilen sei.

3 Begründend wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall die Geheimhaltung der begehrten Auskunft zur Vorbereitung einer Entscheidung geboten sei. Anrainer hätten bei der Erlassung einer Verordnung zudem keine Parteistellung, weshalb ihnen ein Recht auf Akteneinsicht nicht zukomme. Eine Akteneinsicht könne auch nicht im Umweg des Auskunftsrechts erlangt werden. Die mitbeteiligte Partei begehre nicht eine Erklärung, sondern darüber hinaus die Übermittlung von Unterlagen der Verkehrszählung. Dies gehe über das Ausmaß einer Erklärung hinaus.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der mitbeteiligten Partei wies die revisionswerbende Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge, hob die Beschwerdevorentscheidung vom auf und stellte fest, dass die revisionswerbende Behörde dem Begehren auf Übermittlung der Ergebnisse der Verkehrszählung zum „Projekt S.-Gasse“ zu Unrecht nicht entsprochen und die Ergebnisse der Verkehrszählung (Zähldaten) in dem im Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen Umfang zu übermitteln habe. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, es sei nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen, dass die revisionswerbende Behörde aufgrund einer entsprechenden Initiative der Bezirksvertretung für den 18. Wiener Gemeindebezirk im Jahr 2017 die Firma A. mit einer Verkehrszählung im Bereich der S.-Gasse beauftragt habe. Die Verkehrszählung sei Bestandteil des „Projektes S.-Gasse“ mit dem finalen Zweck der Umgestaltung der S.-Gasse und der Entschärfung der Verkehrssituation vor einer näher genannten Volksschule gewesen. Seitens der revisionswerbenden Behörde sei in diesem Zusammenhang ein Verordnungsverfahren eingeleitet worden. Laut der im Verwaltungsakt erliegenden E-Mail Korrespondenz seien die Zählergebnisse der Verkehrszählung am an das „Team Verkehrsmanagement“ der revisionswerbenden Behörde übermittelt worden. Das Ergebnis der Verkehrszählung sei im Zeitpunkt des gegenständlichen Auskunftsersuchens vom lediglich in Form von Zähldaten vorgelegen. Laut einer Mitteilung der revisionswerbenden Behörde sei das Verordnungsverfahren zwischenzeitlich abgeschlossen worden.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass das gegenständliche Auskunftsbegehren in die Sphäre der Hoheitsverwaltung der Stadt Wien reiche und demnach von der Auskunftspflicht gemäß § 1 Wr. AuskunftspflichtG grundsätzlich erfasst sei, darüber hinaus eine Wissenserklärung zum Gegenstand habe, nämlich die Zähldaten einer durch ein beauftragtes Unternehmen durchgeführten Verkehrszählung, und diese Wissenserklärung zudem der revisionswerbenden Behörde bekannt und jederzeit abrufbar gewesen sei. Durch deren Übermittlung habe die Besorgung der übrigen Aufgaben der Behörde nicht oder jedenfalls nicht wesentlich beeinträchtigt werden können. Die mitbeteiligte Partei sei als Anrainerin der S.-Straße von den Verkehrsmaßnahmen im Zuge des Umbaus der S.-Gasse und der damit allenfalls einhergehenden Erhöhung der Verkehrsdichte in der S.-Straße betroffen und beabsichtigte nach ihren Angaben u.a. die Daten der Verkehrszählung mit jenen zu vergleichen, deren Erhebung einer im Zuge der Bürgerbeteiligung angekündigten weiteren Verkehrszählung nach der Sperre der S.-Gasse vorbehalten worden sei. Damit habe die mitbeteiligte Partei ein im Zeitpunkt der Antragstellung bestehendes und nach wie vor aktuelles Interesse an der Auskunftserteilung dargelegt. Von einem allenfalls mutwilligen Auskunftsbegehren iSd § 1 Abs. 5 Wr. AuskunftspflichtG könne daher keine Rede sein. Das Recht auf Auskunft gemäß dem Wr. AuskunftspflichtG sei - wie auch nach dem Auskunftspflichtgesetz des Bundes - in Verbindung mit Art. 20 Abs. 4 B-VG völlig unabhängig von einer allfälligen Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren. Die revisionswerbende Behörde habe es unterlassen, die ins Treffen geführte Pflicht zur Amtsverschwiegenheit näher zu begründen. Für das Verwaltungsgericht sei nicht erkennbar, dass ohne die Amtsverschwiegenheit betreffend die ersuchten Zähldaten die Erlassung der Verordnung wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht wäre. Die verlangte Auskunft sei daher im spruchgemäßen Umfang zu erteilen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Magistrats der Stadt Wien.

9 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die revisionswerbende Behörde bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , Ra 2017/02/0141, ausgesprochen, dass das Auskunftspflichtgesetz 1987 keine Grundlage für einen Rechtsanspruch auf Ausfolgung von Kopien von Aktenteilen bilde. Da der „Auskunftsbegriff“ im Bundesrecht und Landesrecht identisch sei, finde diese Judikatur auch auf den „Auskunftsbegriff“ nach dem Wr. AuskunftspflichtG Anwendung.

14 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

15 Mit dem Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2017/02/0141, übersieht die revisionswerbende Behörde, dass dem dortigen Verfahren ein Antrag auf die unmittelbare Zurverfügungstellung von sämtlichen, einen bestimmten Schriftverkehr betreffenden Akten und damit auf die Zurverfügungstellung von Detailinformationen zugrunde lag, weshalb der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis kam, dass der dortige Antrag nicht auf eine Auskunft, sondern auf Akteneinsicht gerichtet war. Mangels Vorliegens eines Auskunftsersuchens bestand dort somit auch keine Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft (vgl. Rn 27 und 28).

Im Gegensatz dazu begehrte die mitbeteiligte Partei im vorliegenden Fall mit dem gegenständlichen Antrag aber weder eine Einsicht in Akten per se noch eine Ausfolgung von Kopien von Aktenteilen, sondern erkennbar die Bekanntgabe von Informationen über einen Akteninhalt, nämlich der - der Behörde bekannten - Ergebnisse der Verkehrszählung. Das Verwaltungsgericht hat das gegenständliche Begehren demnach jedenfalls vertretbar als Auskunftsbegehren und nicht als Antrag auf Akteneinsicht gedeutet (vgl. erneut , wonach eine vertretbare Auslegung von Parteierklärungen grundsätzlich nicht revisibel ist). Ein Abweichen von der zitierten hg. Judikatur liegt somit nicht vor. Weitere Gründe zur Zulässigkeit werden in der Revision nicht geltend gemacht.

16 Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch der in den Revisionsgründen geltend gemachte Begründungsmangel nicht vorliegt, da das Verwaltungsgericht nachvollziehbar darlegte, weshalb gegenständlich von einer Wissenserklärung auszugehen sei. So stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die begehrten Zählergebnisse der durch ein beauftragtes Unternehmen durchgeführten Verkehrszählung der revisionswerbenden Behörde übermittelt und somit zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens bekannt und abrufbar gewesen seien.

17 Diese Begründung steht im Einklang mit der ständigen hg. Rechtsprechung, wonach Auskünfte im Sinne der Auskunftspflichtgesetze des Bundes und der Länder stets Wissenserklärungen zum Gegenstand haben, wobei deren Inhalt ausschließlich solche Informationen sind, die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung bereits bekannt sind und nicht erst von der ersuchten Verwaltungseinheit zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen (vgl. , mwN).

18 Wenn die revisionswerbende Behörde ferner - ebenso in den Revisionsgründen - moniert, dass das gegenständliche Begehren über den Rahmen einer Auskunft hinausgehe, weil es für eine Auskunft per Telefon gar nicht geeignet sei, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 3 Abs. 1 Wr. AuskunftspflichtG die Auskunft „nach Möglichkeit“ mündlich oder telefonisch zu erteilen ist. Fallbezogen ist nicht erkennbar, weshalb die revisionswerbende Behörde die von der mitbeteiligten Partei begehrte Auskunft nicht auf schriftlichem Weg - wie von dieser begehrt - hätte erteilen können.

19 Soweit die revisionswerbende Behörde in den Revisionsgründen schließlich auf die mangelnde Parteistellung von Anrainern bei der Erlassung einer Verordnung hinweist, ist festzuhalten, dass nach der hg. Rechtsprechung das Recht auf Auskunft nach dem Wr. AuskunftspflichtG - ebenso wie nach dem Auskunftsgesetz des Bundes - unabhängig von einer allfälligen Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren ist (vgl. zum Tiroler AuskunftspflichtG, , mwN).

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020058.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-47827