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VwGH 28.05.2019, Ra 2019/22/0036

VwGH 28.05.2019, Ra 2019/22/0036

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Das VwG ist bei der Prüfung der ihm vorliegenden Sache aufgrund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung nicht an das Beschwerdevorbringen gebunden. Vielmehr darf und muss es seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde legen (vgl. E , Ra 2014/10/0038; E , Ro 2014/03/0066).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/07/0081 B RS 1
Normen
RS 2
Aus § 11 Abs. 5 NAG 2005 ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Der Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren (vgl. E , 2007/21/0091)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/23/0129 E RS 1
Normen
RS 3
Ein vertraglicher Unterhaltsanspruch ist durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a  Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das - am  mündlich verkündete und mit schriftlich ausgefertigte - Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/011/11323/2017-21, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: J Z, vertreten durch Mag. Jakob Mahringer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 22), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Den vorgelegten Verfahrensakten ist zu entnehmen, dass die Mitbeteiligte, eine serbische Staatsangehörige, seit über einen Aufenthaltstitel "Studierender" verfügte, der bis gütig war. Am stellte sie einen Verlängerungsantrag, der vom Landeshauptmann von Wien (Behörde, Revisionswerber) mit Bescheid vom abgewiesen wurde, weil kein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachgewiesen worden sei.

2 Aufgrund einer Beschwerde der Mitbeteiligten erteilte das Verwaltungsgericht Wien (VwG) dieser den beantragten Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das VwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, die Mitbeteiligte habe einen Wohnungsnachweis an der Adresse ihres Lebensgefährten vorgelegt. Ein ausreichender Studienerfolg und eine Krankenversicherung seien nachgewiesen worden. Die Mitbeteiligte werde von ihrem Lebensgefährten finanziell unterstützt; dieser bringe - den vorgelegten Einkommensnachweisen, Kontoauszügen und der Erörterung im Zuge der mündlichen Verhandlung zufolge - durchschnittlich einschließlich der aliquoten Remunerationen zumindest EUR 2.200,-- netto monatlich ins Verdienen. Versagungsgründe seien nicht aktenkundig und von der Behörde auch nicht vorgebracht worden. Die Gültigkeitsdauer des erteilten Aufenthaltstitels werde aufgrund der Befristung des Reisepasses (bis ) verkürzt.

3 Dagegen richtet sich die außerordentliche Amtsrevision.

4 Die Mitbeteiligte beantragte die Zurückweisung, in eventu

die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 In der Zulässigkeitsbegründung wird ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung betreffend den Nachweis vertraglicher Unterhaltsansprüche durch Beibringung einer Haftungserklärung gerügt (Hinweis auf ).

6 Im Hinblick darauf ist die Revision zulässig und auch berechtigt.

7 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das VwG nach ständiger hg. Rechtsprechung bei der Prüfung der vorliegenden Sache (nämlich der Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels "Studierender") auf Grund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung nicht an das Beschwerdevorbringen der mitbeteiligten Partei gebunden war, sondern seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde legen durfte und musste. Konkret hatte das VwG sämtliche Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel zu prüfen (vgl. etwa , Rn. 8, mwN).

8 Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG darf ein Aufenthaltstitel "Studierender" nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Eine Haftungserklärung ist zulässig (§ 64 Abs. 1 letzter Satz NAG). Aus § 11 Abs. 5 NAG ergibt sich, dass der Nachweis des Vorhandenseins der für einen Fremden notwendigen Unterhaltsmittel auch durch das Bestehen von Unterhaltsansprüchen erbracht werden kann. Der Unterhaltsanspruch kann sowohl aus einem gesetzlichen, etwa familienrechtlichen, als auch aus einem vertraglichen Titel herrühren (vgl. etwa , mwN). Ein vertraglicher Unterhaltsanspruch ist durch Beibringung einer Haftungserklärung jenes Dritten, der sich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet hat, nachzuweisen (vgl. etwa ). Eine Haftungserklärung ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer, dass sie für die Erfordernisse einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten zum Zeitpunkt der Erklärung nachgewiesen wird.

9 Der Revisionswerber bringt zutreffend vor, dass die Mitbeteiligte gegenüber ihrem Lebensgefährten keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hat und ein vertraglicher Titel nicht durch eine § 2 Abs. 1 Z 15 NAG entsprechende Haftungserklärung nachgewiesen wurde. Somit liegt fallbezogen das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG vor, was die Anwendung des § 25 NAG zur Folge hätte.

10 In der Revisionsbeantwortung wird dazu auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2018/22/0283, hingewiesen und vorgebracht, das VwG habe eine unionsrechtlich gebotene Einzelfallprüfung vorgenommen; die Mitbeteiligte habe bereits in der Vergangenheit über einen Aufenthaltstitel "Studierender" verfügt und es sei keine Belastung einer Gebietskörperschaft hervorgekommen.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit, auf die sich das hg. Erkenntnis Ra 2018/22/0283 stützt, zum Zeitpunkt der Verkündung des im gegenständlichen Fall angefochtenen Erkenntnisses () noch nicht umzusetzen war (die Umsetzungsfrist endete am ). Darüber hinaus regelt diese Richtlinie nicht die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Einzelfallprüfung, etwa welche Unterlagen zum Zweck der Prüfung ausreichender Mittel vorzulegen sind. Aus der Richtlinie (EU) 2016/801 lässt sich somit nicht ableiten, dass das Erfordernis einer Haftungserklärung zum Zweck der Beurteilung ausreichender Unterhaltsmittel unzulässig wäre.

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben. 12 Im Übrigen ist unklar, ob der Antrag der Mitbeteiligten vom als Verlängerungsantrag oder als Erstantrag zu werten ist, zumal dieser erst nach Ablauf des erteilten Aufenthaltstitels (am ) eingebracht wurde. Das VwG geht offenbar von einem Verlängerungsantrag aus, wenn es

ausführt, dass der "Studienerfolg ... in den zu beurteilenden

beiden Studienjahren erfolgreich nachgewiesen" worden sei. Ausführungen gemäß § 24 Abs. 2 NAG enthält jedoch weder der Antrag der Mitbeteiligten noch das angefochtene Erkenntnis. Abgesehen davon wäre der Studienerfolg für das vorangegangene Studienjahr (vgl. etwa die Ausführungen in , mit Hinweis u.a. auf § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002) zu prüfen, nicht für die "beiden Studienjahre".

Wien, am

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Fundstelle(n):
AAAAF-47809