VwGH 02.10.2019, Ra 2019/13/0078
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Nach § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden. Demnach ist es - auch einem Bundesminister für Finanzen - nicht möglich, einen wirksamen Verzicht betreffend Fristen des § 201 BAO zu erklären. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revisionen der T GmbH in W, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts vom , 1. Zl. RV/7101453/2019, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Versäumung der Frist zur Beantragung der Festsetzung des Dienstgeberbeitrages gemäß § 201 BAO für "den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008"; protokolliert zu Ra 2019/13/0078), und 2. Zl. RV/7101438/2019, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für "den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008" (protokolliert zu Ra 2019/13/0079), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schriftsatz vom führten die Revisionswerberin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sowie weitere Gesellschaften des X-Konzerns aus, im Zeitraum 1996 bis inklusive April 2008 seien von diesen Gesellschaften für die nach den Bestimmungen des Poststrukturgesetzes zugewiesenen Bundesbeamten Dienstgeberbeiträge abgeführt worden. Ab dem Zeitraum 10/2003 seien diese Beiträge unter dem Vorbehalt der Rückforderung auf das Abgabenkonto überwiesen worden. Die Rückforderungsmöglichkeit der im Zeitraum 10/2003 bis 4/2008 vorläufig entrichteten DB-Beträge sei auch durch ein Stillhalteabkommen zwischen der X AG und dem BMF abgesichert worden. In diesem Stillhalteabkommen sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Verjährung bzw. jeglicher Fristenlauf betreffend die weiterhin entrichteten strittigen Lohnnebenkosten bis zur endgültigen Klärung durch die Behörden bzw. Gerichte ausgeschlossen habe werden sollen. Hintergrund dieses Vorbehaltes sei ein gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Dienstgeberbeitrag 8/2003 und 9/2003 geführtes Rechtsmittelverfahren gewesen, dessen Ausgang habe abgewartet werden sollen. Gegenstand dieses Verfahrens sei die Frage gewesen, ob die ausgegliederten Gesellschaften oder aber der Bund als Dienstgeber iSd Familienlastenausgleichsgesetzes anzusehen seien. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/13/0110, sei die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen auf Ebene der Gesellschaften des Konzerns für zugewiesene Beamte als rechtswidrig erkannt worden. In weiterer Folge seien die erstinstanzlichen Festsetzungsbescheide betreffend 8/2003 und 9/2003 ersatzlos aufgehoben worden. Als Dienstgeber der Beamten sei der Bund anzusehen. Da insoweit von der Selbstträgerschaft des Bundes auszugehen sei, sei auch auf Ebene des Bundes keine Beitragspflicht ausgelöst worden, sodass die Abfuhr der Dienstgeberbeiträge in jedem Fall rechtsgrundlos erfolgt sei.
2 Vor diesem Hintergrund beantrage (u.a.) die Revisionswerberin die Erlassung eines Abrechnungsbescheides (§ 216 BAO) für die Zeiträume 1996 bis 7/2003 und 10/2003 bis 4/2008. Vor dem Hintergrund der Vorläufigkeit der Entrichtung der Beiträge handle es sich um eine Gebarungsfrage, die im Wege eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO zu klären sei. 3 Sollte die Abgabenbehörde der Erlassung eines Abrechnungsbescheides die Fünfjahresfrist des § 216 BAO entgegenhalten, werde zugleich mit dem Antrag auf Abrechnung ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist nach § 216 BAO und zusätzlich für die Frist nach § 309 BAO gestellt.
4 Weiters beantrage die Revisionswerberin, gemäß § 201 BAO die Dienstgeberbeiträge für die überlassenen Beamten im Zeitraum 10/2003 bis 4/2008 sowie weiters für den Zeitraum insgesamt von 1996 bis 4/2008 mit 0 EUR festzusetzen. Aufgrund des Stillhalteabkommens sei der Antrag als rechtzeitig eingebracht anzusehen. Sollte die Abgabenbehörde aber der Erlassung eines Festsetzungsbescheids die Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z 1 BAO entgegenhalten, werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Frist nach § 201 Abs. 2 Z 1 BAO und zusätzlich für die Frist nach § 309 BAO gestellt. Hiezu machte die Revisionswerberin geltend, sie habe es verabsäumt, Anträge auf Erlassung von Festsetzungsbescheiden gemäß § 201 Abs. 2 Z 1 BAO betreffend die Dienstgeberbeiträge 10/2003 bis 4/2008 zu stellen. Derartige Anträge hätten innerhalb von einem Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht werden müssen. Die Revisionswerberin habe bislang keinen Grund gehabt, an der Rückerlangungsmöglichkeit der vorläufig bezahlten Dienstgeberbeiträge innerhalb des Konzerns zu zweifeln, sodass keine Notwendigkeit für die Ergreifung entsprechender Rechtsmaßnahmen bestanden habe. Den Antragstellern könne im Zusammenhang mit der versäumten Frist nach § 201 BAO bzw. § 309 BAO kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, zumal ein Irrtum über die Rückforderungsmöglichkeit der vorläufig für die Beamten gezahlten Beiträge von der Finanzverwaltung veranlasst worden sei und keinesfalls den Vorwurf des groben Verschuldens zu rechtfertigen vermöge. Der Irrtum über die Rückforderungsmöglichkeit werde frühestens mit negativer Erledigung der Anträge nach § 216 BAO bzw. § 201 BAO manifest; somit sei der Wiedereinsetzungsantrag jedenfalls rechtzeitig. Die versäumten Handlungen (Antragstellung nach § 201 BAO bzw. nach § 308 BAO) seien mit diesem Schriftsatz nachgeholt worden. 5 Das Finanzamt wies die Anträge der Revisionswerberin auf Erlassung von Abrechnungsbescheiden gemäß § 216 BAO hinsichtlich des für die zur Dienstleistung zugewiesenen Bediensteten im Zeitraum 10/2003 bis 4/2008 und im Zeitraum 1996 bis inklusive 7/2003 abgeführten Dienstgeberbeitrages als unzulässig zurück. Der Antrag auf Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum 1996 bis 4/2008 wurde als verspätet zurückgewiesen (wobei darauf verwiesen wurde, dass der Antrag für den Zeitraum 10/2003 bis 4/2008 doppelt gestellt worden sei). Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (inklusive Anträge auf Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist) wurden als unbegründet abgewiesen.
6 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde.
7 Nach Abweisung der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts beantragte die Revisionswerberin die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht. 8 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde (nur; Beschwerdeerledigungen betreffend den Antrag auf Abrechnung samt Antrag auf Wiedereinsetzung hiezu liegen - wie in der Revision dargelegt wird - bisher nicht vor) betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Festsetzung des Dienstgeberbeitrages "für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008" (Ra 2019/13/0078) sowie betreffend Zurückweisung des Antrages auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages "für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008" (Ra 2019/13/0079) als unbegründet ab. Es sprach jeweils aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei am errichtet worden. Ihre Alleingesellschafterin (Konzernmutter) sei mit Wirksamkeit zur Besorgung der bisher von einer Verwaltungseinheit des Bundes wahrgenommenen Aufgaben als Aktiengesellschaft errichtet worden und habe ihre Agenden in den Folgejahren auf weitere Gesellschaften, deren Alleingesellschafterin sie gewesen sei, übertragen. Im Oktober 2000 hätten die Konzernmutter als übertragende Gesellschaft und die Revisionswerberin als übernehmende Gesellschaft einen Spaltungs- und Übernahmevertrag mit dem Ziel geschlossen, das gesamte Personal der Konzernmutter (ausgenommen die Vorstandsmitglieder) im Wege einer Abspaltung zur Aufnahme in die Revisionswerberin abzuspalten. Im Zuge dessen sei somit das gesamte Personal der Konzernmutter samt allen öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Dienstverhältnissen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Revisionswerberin übertragen worden. Von der Konzernmutter sei im Zeitraum Jänner 1996 bis April 2008 für die dem Konzern zugewiesenen Bundesbediensteten Dienstgeberbeitrag abgeführt worden. Dabei sei im Einvernehmen mit dem zuständigen Finanzamt die Vorgangsweise gewählt worden, dass die Revisionswerberin und weitere Konzerngesellschaften der Konzernmutter die Lohnsummen der bei ihnen beschäftigten Bundesbediensteten bekannt gegeben hätten, die Konzernmutter diese Bemessungsgrundlagen in ihre Erklärungen gegenüber dem Finanzamt aufgenommen habe und die darauf entfallenden Lohnabgaben inklusive des Dienstgeberbeitrages entrichtet habe. Die Bemessungsgrundlagen des im gesamten Zeitraum von der Revisionswerberin selbst berechneten und dem Finanzamt gegenüber bekannt gegebenen Dienstgeberbeitrages hätten immer nur die Arbeitslöhne der übrigen Bediensteten ohne jene der dem Konzern zugewiesenen Bundesbediensteten beinhaltet.
10 Mit Bescheid vom habe das Finanzamt über Antrag der Revisionswerberin für die Kalendermonate August und September 2003 die Verpflichtung der Revisionswerberin zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages auch für die dem Konzern zugewiesenen Bundesbediensteten ausgesprochen und deren Gehälter in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag der beiden Monate einbezogen. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2011/13/0110, die Festsetzung von Dienstgeberbeitrag für dem Konzern zugewiesene Bundesbedienstete als rechtswidrig erkannt habe, sei mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom der genannte Bescheid vom ersatzlos aufgehoben worden.
11 Am habe die Konzernmutter mit der Republik Österreich, diese vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, eine als "Stillhalteabkommen" titulierte Vereinbarung geschlossen.
Darin sei vereinbart worden:
"Präambel
Gegenstand des Abkommens ist die von der Republik Österreich bestrittene Forderung der (Konzernmutter) auf Ersatz der seitens der (Konzernmutter) für die ihr zugewiesenen Bundesbeamten nach Meinung der (Konzernmutter) zu viel geleisteten Lohnnebenkosten, die nach Auffassung der (Konzernmutter) als Ausgleich für die mit der dauernden Zuweisung der Bundesbeamten an die (Konzernmutter) verbundenen Mehraufwendungen bei der Verwendung bzw. dem Abbau dieser Beamten, vom Bund zu tragen wären, sowie die von der Republik Österreich ebenfalls bestrittene Forderung der (Konzernmutter) auf Ersatz der Aufwendungen, welche dem Unternehmen mit der Durchführung der Pensionsverrechnung für Pensionsbezieher des Bundes entstanden sind bzw. entstehen.
Vor diesem Hintergrund wird Folgendes vereinbart:
1. Unpräjudiziell der jeweiligen Rechtsstandpunkte wird versucht, bis zum Ablauf des eine einvernehmliche Lösung der gegenständlichen Problematik herbeizuführen.
2. Ab sofort nimmt die (Konzernmutter) unpräjudiziell vorerst, jedenfalls aber bis , die Überweisung der laufenden Pensionsdeckungsbeiträge wieder auf.
3. Die bislang durch Aufrechnung bezahlten Pensionsdeckungsbeiträge werden unpräjudiziell vorerst an den Bund überwiesen.
4. Die Überweisungsbeträge nach § 311 ASVG werden unpräjudiziell vorerst, jedenfalls aber bis zum , weiter vom Bund bezahlt.
5. Das Bundesministerium für Finanzen nimmt die Arbeit an der Novellierung des Poststrukturgesetzes unverzüglich auf. Als Termin für die Umsetzung wird der in Aussicht genommen. Im Mittelpunkt der Novellierung wird die Änderung der dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen stehen, wobei insbesondere die ökonomischen Verhältnisse eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens berücksichtigt werden.
6. Ab wird im Falle einer einvernehmlichen Lösung die Pensionsverrechnung durch das Bundespensionsamt in Zusammenarbeit mit der BRZ-GmbH durchgeführt. Die Mitarbeiter des Pensionsamtes der (Konzernmutter) (6 Mitarbeiter) werden vollständig in den Dienststand des Bundes übernommen.
7. Die Republik Österreich (der Bund) verzichtet auf die Einrede der Verjährung allfälliger die gegenständliche Rechtsangelegenheit betreffender Ansprüche und Forderungen der (Konzernmutter), insbesondere bezüglich des Ersatzes der nach Meinung der (Konzernmutter) zuviel bezahlten Lohnnebenkosten sowie bezüglich des Ersatzes des Aufwandes für die Durchführung der Pensionsverrechnung. Diese Verjährungsverzichtserklärung ist bis (Einlangen einer Klage bei Gericht oder eines Antrages bei der Behörde oder Zugang einer Aufrechnungserklärung) befristet und erstreckt sich nur auf Forderungen, die am Tag der Unterzeichnung dieses Abkommens oder zum Zeitpunkt der Aufrechnung seitens (der Konzernmutter) noch nicht verjährt sind bzw. waren.
8. Hinsichtlich der nunmehr erfolgenden Überweisungen der laufenden Pensionsbeiträge (siehe Punkt 2.) sowie hinsichtlich der Nachzahlung der bisher einbehaltenen Beträge (siehe Punkt 3.) verzichtet der Bund im Zusammenhang mit und wegen der Durchführung der Punkte 2. und 3. ausdrücklich auf die Einrede des Rückforderungsausschlusses wegen wissentlicher Leistung einer Nichtschuld (§ 1432 ABGB). Einen entsprechenden Verzicht leistet die (Konzernmutter) hinsichtlich Zahlung der Überweisungsbeträge gemäß Punkt 4.
9. Die (Konzernmutter) verzichtet bis zum auf die Geltendmachung von Ansprüchen und Forderungen in der gegenständlichen Angelegenheit."
Dieses Stillhalteabkommen sei in der Folge bis verlängert worden.
In einem Aktenvermerk des für den Konzern zuständigen Finanzbediensteten vom sei u.a. festgehalten worden (die hier abgekürzt bezeichnete M AG ist eine weitere Gesellschaft des Konzerns):
"(Konzernmutter)
Personalamt der (Konzernmutter)
Aktenvermerk:
Gegenstand: Anträge der (M AG) auf Festsetzung der Lohnabgaben der Beamten für die Monate Oktober und November 2003.
Telefonate mit Herrn Prok. (N) und Fr. (K)
Herr Prok. (N) bzw. Fr. (K) werden mit der (M) sprechen, damit diese die gestellten Anträge zurückzieht (...).
Derzeit ist die Vorgangsweise bei der Lohnsteuerabfuhr so, dass die (M) die Lohnsteuer der bei ihr beschäftigten Beamten an die (Konzernmutter) bekanntgibt und die (Konzernmutter) sodann die Überweisungen der Lohnsteuer der Beamten gemeinsam mit den anderen Lohnsteuerbeträgen der (Konzernmutter) durchführt. In dem für den Monat Oktober gebuchten Lohnsteuerbetrag ist somit auch jener der Beamten der (M) inkludiert. (...)
Hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages hat Fr. (K) zugesagt, dass die für die Monate Oktober und November fehlenden Beträge umgehend an das Finanzamt entrichtet werden."
Mit Schreiben vom an das Finanzamt habe das Personalamt der Konzernmutter u.a. mitgeteilt, unter Hinweis auf die Berufung gegen einen Festsetzungsbescheid (gemäß § 201 BAO) werde das Personalamt vorläufig und unpräjudiziell seines Rechtsstandpunktes, dass nämlich der Bund als Dienstgeber der Beamten "Selbstträger" im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetze s sei und daher das Personalamt keine Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds zu zahlen habe, die Zahlung der Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfonds ab Oktober 2003 wieder aufnehmen. Ausdrücklich werde festgehalten, dass der insbesondere in der Berufung gegen den Festsetzungsbescheid dargestellte Rechtsstandpunkt des Personalamtes unverändert aufrecht sei und die vorläufige Abgabenabfuhr unter Vorbehalt der Rückforderung der bezahlten Beträge erfolge.
12 Zum Antrag auf Wiedereinsetzung führte das Bundesfinanzgericht sodann im Wesentlichen aus, nach neuer Judikatur könne zwar auch ein Rechtsirrtum als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO qualifiziert werden; dies stelle aber eine wohl zu begründende Ausnahme dar. Die Revisionswerberin berufe sich hiezu auf das Stillhalteabkommen. Dieses sei jedoch mit der Konzernmutter ohne jeglichen Hinweis darauf abgeschlossen worden, dass es auch für die Konzerngesellschaften gelten solle. Es sei auch nur von den Vertretern der Konzernmutter unterzeichnet worden. Ein Abkommen mit der Revisionswerberin existierte nicht. Damit erkläre sich auch, weshalb die Revisionswerberin ungeachtet des Stillhalteabkommens einen Antrag auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Monate August und September 2003 zwecks Klärung der Pflicht zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages für die auf die dem Konzern zugewiesenen Bundesbediensteten entfallenden Arbeitslöhne gestellt habe. Nach Obsiegen der von ihr und vom Konzern vertretenen Rechtsansicht vor dem Verwaltungsgerichtshof seien die aufgrund des Festsetzungsantrages erlassenen Feststellungsbescheide im Hinblick darauf, dass sich die von ihr bekannt gegebene Selbstberechnung als richtig erwiesen habe, ersatzlos aufgehoben worden. 13 Dem entsprechend sei nicht erkennbar, warum die Revisionswerberin behaupte, sie sei aufgrund eines Rechtsirrtums davon ausgegangen, dass eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen dem Bundesminister für Finanzen und der Konzernmutter der Disposition entzogene, für sie geltende gesetzliche Fristen außer Kraft setzen könne, obwohl sie aufgrund der mit dem Finanzamt akkordierten Vorgangsweise von der im Stillhalteabkommen aufgezeigten Problematik gar nicht betroffen gewesen sei. Die in dem Aktenvermerk (vom ) dokumentierte Vorgangsweise des dort aufscheinenden Bediensteten des zuständigen Finanzamts lasse nur den Schluss zu, dass den Konzerngesellschaften habe vermittelt werden sollen, von weiteren Festsetzungsanträgen, soweit sie die Arbeitslöhne der dem Konzern zugewiesenen Bundesbediensteten beträfen, Abstand zu nehmen, da dieses Problem mit der Konzernmutter, die auch die darauf entfallenden Abgaben entrichtet habe, abgeklärt habe werden sollen.
14 Damit sei keineswegs der Eindruck erweckt worden, dass die in § 201 BAO normierten Fristen für die Revisionswerberin und die anderen Konzerngesellschaften außer Kraft gesetzt worden seien, sondern es habe lediglich vermittelt werden sollen, dass sie von der Problematik im Hinblick auf die mit der Konzernmutter akkordierten Vorgangsweise nicht betroffen seien. Ob gegenüber der Konzernmutter der Eindruck vermittelt worden sei, die Fristen des § 201 BAO würden aufgrund des Stillhalteabkommens außer Kraft gesetzt werden, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen. 15 Es sei daher weder erkennbar, worin ein für die von der Revisionswerberin entrichteten Selbstberechnungsabgaben und die dabei zu beachtenden Antragsfristen maßgeblicher Rechtsirrtum habe bestehen sollen, noch wodurch ein solcher vom zuständigen Finanzamt veranlasst worden sei. Das Finanzamt habe somit zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO verwehrt.
16 Zum Antrag auf Festsetzung der Abgaben führte das Bundesfinanzgericht weiters aus, der Antrag auf erstmalige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Jänner 1996 bis April 2004 sei am bei der Abgabenbehörde eingelangt. Zu diesem Zeitpunkt sei die einjährige Antragsfrist nach § 201 Abs. 2 Z 2 BAO für die erstmalige bescheidmäßige Festsetzung des Dienstgeberbeitrages ab Jänner 2003 verstrichen gewesen. Einer Abgabenfestsetzung des Dienstgeberbeitrages betreffend alle Zeiträume vor 2003 sei die Verjährung entgegengestanden.
17 Da auch dem Antrag auf Wiedereinsetzung keine Berechtigung zukomme, sei der Antrag auf Festsetzung zutreffend als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen gewesen.
18 Für die Monate August und September 2003 sei darüber hinaus festzuhalten, dass dazu bereits im Jahr 2003 Anträge auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages gestellt worden seien, über die in der Folge letztendlich mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom im Sinne des der Beschwerde zugrunde liegenden Antrages abgesprochen worden sei. Damit liege insoweit eine bereits entschiedene Sache vor. 19 Gegen diese Erkenntnisse wenden sich die Revisionen. 20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 23 Zur Zulässigkeit wird in der Revision betreffend Wiedereinsetzung geltend gemacht, juristische Personen müssten sich das Wissen ihrer Organe zurechnen lassen. Das Stillhalteabkommen sei von Personen unterfertigt worden, die sowohl Organe der Konzernmutter als auch der Revisionswerberin gewesen seien, sodass deren Wissen der Revisionswerberin zuzurechnen sei. Die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, die Revisionswerberin sei vom Stillhalteabkommen gar nicht betroffen gewesen, stünden daher nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Insoweit liege auch ein grober Verfahrensfehler vor, da es das Bundesfinanzgericht unterlassen habe, Feststellungen darüber zu treffen, ob die bei der Unterzeichnung des Stillhalteabkommens bzw. in den Kommunikationsprozess mit der Finanzverwaltung eingebundenen Personen auch Organfunktionen bei der Revisionswerberin innegehabt hätten.
24 In Bezug auf die Zurückweisung der Festsetzungsanträge wird zur Zulässigkeit der Revision lediglich auf das Wiedereinsetzungsverfahren verwiesen; die Wiedereinsetzungsanträge seien zu Unrecht abgewiesen worden. Im Fall der positiven Erledigung der Revision zum Wiedereinsetzungsverfahren seien die Festsetzungsanträge als fristgerecht gestellt zu behandeln. 25 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revisionen nicht aufgezeigt.
26 Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist (u.a.) gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
27 Ein Rechtsirrtum kann ein maßgebliches Ereignis sein; es ist dabei im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen. Ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum kann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen (vgl. ; , Ra 2017/16/0021).
28 Im vorliegenden Fall hatte die Konzernmutter mit der Republik Österreich (vertreten durch den Bundesminister für Finanzen) ein "Stillhalteabkommen" geschlossen, das sich - nach seiner Präambel - auf von der Republik Österreich bestrittene Forderungen der Konzernmutter auf Ersatz der von der Konzernmutter für die ihr zugewiesenen Bundesbeamten nach Meinung der Konzernmutter zu viel geleisteten Lohnnebenkosten bezogen hat. 29 Nach § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden. Demnach ist es - auch einem Bundesminister für Finanzen - nicht möglich, einen wirksamen Verzicht betreffend Fristen des § 201 BAO zu erklären. Die Vereinbarung bezog sich ihrem Wortlaut nach auch nicht auf diese Antragsfrist, sondern auf die "Verjährung".
30 Dass die Revisionswerberin zu der durch diese Vereinbarung gestalteten Rechtslage an kompetenter Stelle Erkundigungen eingeholt hätte (vgl. hiezu neuerlich ), wird von der Revisionswerberin nicht behauptet. Eine Rechtsauskunft eines behördlichen Organs ist aus dem Vorbringen der Revisionswerberin zur Wiedereinsetzung nicht ableitbar.
31 Vor diesem Hintergrund ist aber schon ein Rechtsirrtum der Revisionswerberin nicht erkennbar; es trifft demnach auf keine Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, wenn das Bundesfinanzgericht den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einbringung von Anträgen nach § 201 BAO als unbegründet abgewiesen hat.
32 Ob und gegebenenfalls in Bezug auf welche Zeiträume im Hinblick auf die geschilderten Umstände der Abgabenabführung und der Bekanntgabe der Selbstbemessungsabgaben durch die Unterlassung der Antragstellung nach § 201 BAO ein Nachteil für die Revisionswerberin (oder andere Gesellschaften des Konzerns) entstand (was auch Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung wäre; vgl. etwa Ritz, BAO6, § 308 Tz 2), kann hier offen bleiben.
33 Gegen die Bestätigung der Zurückweisung des Festsetzungsantrages wendet sich die diesbezügliche Revision nur mehr mit dem Argument, dass dem Wiedereinsetzungs-Antrag stattzugeben gewesen wäre.
34 In den Revisionen wird sohin nicht aufgezeigt, dass sie von der Lösung der im Zulässigkeitsvorbringen geltend gemachten Rechtsfrage abhingen. Die Revisionen waren daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen. Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130078.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-47651