VwGH 09.07.2019, Ra 2019/13/0060
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | BAO §248 |
RS 1 | Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (vgl. ). Aus § 248 BAO ergibt sich weiters, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss (; , 98/14/0142, VwSlg 7661 F/2001). |
Norm | BAO §248 |
RS 2 | Es besteht kein Neuerungsverbot im Rahmen des § 248 BAO. |
Normen | |
RS 3 | Beweisanträge, die nur pauschal zum Beweis für das gesamte Vorbringen gestellt werden, entsprechen nicht dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung des Beweisthemas, das durch das Beweismittel erwiesen werden soll (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/02/0004 B RS 1 |
Normen | |
RS 4 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa bis 0779, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/13/0050 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des M, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105389/2014, betreffend u. a. Kapitalertragsteuer für den Zeitraum September 2007 bis 2010 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2010, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils aus einer Verpflichtung zu einer Geldleistung ist durch ziffernmäßige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu konkretisieren (vgl. den Beschluss VwGH (VS) , VwSlg. 10381/A).
3 Eine solche Konkretisierung enthält der vorliegende Antrag nicht. Es wird nur geltend gemacht, die sofortige Entrichtung des strittigen Betrages würde die Aufnahme eines hochverzinsten Kredites erfordern und die mit der Kreditaufnahme verbundenen Kosten und Zinsen würden dem Revisionswerber im Falle eines Erfolgs der Revision nicht ersetzt werden.
4 Fremdfinanzierungskosten reichen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht aus, um die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu begründen (vgl. etwa den , m.w.N.).
5 Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des N in B, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105389/2014, betreffend u.a. Kapitalertragsteuer für den Zeitraum September 2007 bis 2010 und Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2010, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt 1) wegen Verletzung vom Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber war als Geschäftsführer der X GmbH tätig. In einer Betriebsprüfung betreffend die X GmbH hinsichtlich Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 sowie einer Nachschau für den Zeitraum 1/2009 bis 12/2010 wurden diverse kalkulatorische Differenzen festgestellt.
2 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und den im Schätzungsweg vorgenommenen Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen und erließ in wiederaufgenommenen Verfahren neue Sachbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2006 bis 2008. Weiters erließ das Finanzamt einen Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheid 2009, einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid 1-6/2010 und einen Bescheid über Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2006 bis 2010.
3 Die X GmbH erhob gegen diese Bescheide fristgerecht Berufungen (nunmehr Beschwerden). Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes und Vorlageantrag der X GmbH stellte das Bundesfinanzgericht das Beschwerdeverfahren mit Beschluss ein, weil die X GmbH amtswegig gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei. Durch die Löschung der X GmbH wegen Vermögenslosigkeit wurde der Abgabenrückstand uneinbringlich.
4 In weiterer Folge erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid an den Revisionswerber als ehemaligen Geschäftsführer der X GmbH für die im Bezug auf Umsatz- und Kapitalertragsteuer aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 231.364,48. Begründend wurde ausgeführt, dass er als Geschäftsführer den abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei und er aufgrund der Uneinbringlichkeit bei der X GmbH als Haftender für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Anspruch genommen werde. Der Revisionswerber erhob gegen den Haftungsbescheid Beschwerde, die mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes abgewiesen wurde. Begründend führte das Finanzamt aus, bei Beachtung der Sorgfaltspflichten eines ordnungsgemäßen Geschäftsführers hätte der Revisionswerber bei Übernahme der Geschäftsführerfunktion erkennen müssen, dass seit Beginn des Unternehmens der Wareneinsatz zum Teil beträchtlich höher als die erklärten Umsätze gewesen sei und dass Gelder offensichtlich in die Gesellschaftersphäre abgeschöpft worden seien. Die offensichtlichen Unregelmäßigkeiten seien jedoch während seiner Geschäftsführertätigkeit nicht beseitigt worden. Es sei daher von der schuldhaften Pflichtverletzung an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Beträge auszugehen, weshalb die Haftungsinanspruchnahme zu Recht erfolgt sei.
5 Mit Erkenntnis vom , RV/7103228/2014, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Haftungsbescheid teilweise Folge und schränkte die Haftung auf den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit ab September 2007 bis 2010 ein. Eine Revision wurde nicht erhoben.
6 Gleichzeitig mit der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid erhob der Revisionswerber eine Beschwerde gemäß § 248 BAO gegen den Bescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer betreffend die Jahre 2006 bis 2010, die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 01-06/2010 (im Jahr 2015 wurde dann der Umsatzsteuerbescheid 2010 erlassen). In der Beschwerde führte der Revisionswerber aus, dass er den Prüfungsbericht überarbeitet und Korrekturen an Hand der tatsächlichen Preise beigefügt habe. Er wendete sich gegen die Berechnungen im Prüfbericht, bestritt sein Verschulden an der Verletzung der Abgabepflichten und beantragte seine Einvernahme. Es habe - wie schon im Verfahren der X GmbH vorgebracht - dolose Handlungen des früheren Geschäftsführers K (Geschäftsführer im Zeitraum bis ) gegeben, der Afterworkparties veranstaltet und die Gesellschaft damit geschädigt habe. Von diesen Malversationen habe der Revisionswerber erstmals bei der Schlussbesprechung des Finanzamtes erfahren. K habe in der Zeit als tatsächlicher Geschäftsführer alle Aktivitäten selbst geplant, Personal selbst eingestellt, den Einkauf selber organsiert, die Preise selbst festgelegt, das Controlling selbst durchgeführt sowie die Abrechnungen selbst entgegengenommen und kontrolliert; dies sei auch noch erfolgt, als der Revisionswerber bereits als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen sei.
7 Der Revisionswerber legte mit der Beschwerde von ihm durchgeführte kalkulatorische Getränkeverprobungen für die Jahre 2006 - 2010 vor und besserte die von der Betriebsprüfung angesetzten Preise für die Getränke auf die „tatsächlichen Preise“ aus. Weiters wurden von ihm sonstige Abzüge pauschal für Werbung und Personalverpflegung von den Umsätzen vorgenommen.
8 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Es führte aus, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschulden Nachforderungen auf Grund einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der X GmbH seien, welche mit Bericht vom abgeschlossen worden sei und bei welcher gravierende Kalkulationsdifferenzen, Buchführungsmängel sowie verdeckte Gewinnausschüttungen festgestellt worden seien. Diese Kalkulationsdifferenzen hätten laut den Angaben des Revisionswerbers aus Warendiebstählen resultiert, die anlässlich der Betriebsprüfung zur Anzeige gebracht worden und auf die Geschäftsführung des Herrn K zurückzuführen gewesen seien, allerdings bis dato nicht aufgeklärt worden seien. Der Revisionswerber sei bereits seit Gründung der X GmbH in leitender Position gewesen (zunächst als Prokurist und ab als Geschäftsführer) und es sei ihm daher anzulasten, dass ihm spätestens bei entsprechender Einsichtnahme in die Bücher und Aufzeichnungen zu Beginn seiner Geschäftsführertätigkeit die Unregelmäßigkeiten und Missstände hätten auffallen müssen. Bei Beachtung der Sorgfaltspflichten eines ordnungsgemäßen Geschäftsführers bei Übernahme der Geschäftsführerfunktion hätte der Revisionswerber erkennen müssen, dass seit Beginn des Unternehmens der Wareneinsatz zum Teil beträchtlich höher als die erklärten Umsätze gewesen sei und dass Gelder ganz offensichtlich in die Gesellschaftersphäre abgeschöpft worden, also verdeckte Gewinnausschüttungen erfolgt seien. Er habe aber die offensichtlichen Unregelmäßigkeiten nicht beseitigt.
9 Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag. In diesem führte er aus, er habe die maßgeblichen Gründe, nämlich im Wesentlichen eine falsche bzw. aktenwidrige Annahme der Bemessungsgrundlagen, detailliert dargelegt und er lege nochmals - zur Untermauerung - diverse Rechnungen zum Beweis dafür vor, dass die Verkaufspreise tatsächlich nicht den vom Betriebsprüfer in seiner kalkulatorischen Getränkeverprobung angenommenen Werten entsprechen würden. Weiters weise er darauf hin, dass in der Küche kein Werbebeitrag durch den Betriebsprüfer angesetzt worden sei. Diesbezüglich sei unter der kalkulatorischen Getränkeverprobung „sonstige Abzüge - Werbung“ immer eine Pauschale von € 20.000,00 angesetzt worden. Detto sei ein Abzug wegen Personalverpflegung nicht auf die Küche umgelegt worden, womit in diesem Zusammenhang sich keine Nachforderung hätte ergeben dürfen.
10 Mit Spruchpunkt 1 des angefochtenen Erkenntnisses wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden hinsichtlich Kapitalertragsteuer ab September 2007 sowie hinsichtlich Umsatzsteuer als unbegründet ab. Es führte - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - aus, der Revisionswerber sei bei der mittlerweile gelöschten X GmbH Gesellschafter-Geschäftsführer gewesen. Er habe die X GmbH von bis selbständig als Geschäftsführer und ab April 2011 als Liquidator vertreten. Im Betriebsprüfungsbericht der X GmbH sei festgehalten worden, dass auf Grund der Außenprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 und Nachschau für die Jahre 2009 und 2010 Kalkulationsdifferenzen und Mängel bei der Ermittlung des Umsatzes festgestellt worden seien. In der Beschwerde gegen die (geänderten) Bescheide sei zu den Kalkulationsdifferenzen vorgebracht worden, dass sich diese auf Grund von Diebstählen und Afterworkparties ergeben hätten. Dazu seien drei Anzeigebestätigungen des Revisionswerbers gegen unbekannte Täter vorgelegt worden. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft seien diese Verfahren jedoch gemäß § 197 Abs. 2 StPO abgebrochen worden, da es keine Ermittlungsergebnisse gegeben habe. Zur Begründung in den Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes, dass die Verfahren betreffend die Diebstahlsanzeigen eingestellt wurden, und daher die Beschwerden abgewiesen worden seien, sei vom Revisionswerber im Vorlageantrag nichts entgegnet worden. Der Vorlageantrag sei ohne Begründung erfolgt. Zu den von der Betriebsprüfung festgestellten Mängeln sei nichts Neues vorgebracht worden.
11 In der Beweiswürdigung gab das Bundesfinanzgericht an, dass im gegenständlichen Verfahren die Kalkulation der Betriebsprüfung und das sich daraus ergebende Mehrergebnis strittig seien. Die grundsätzliche Berechtigung zur Schätzung sei nicht bestritten worden.
12 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, im Zuge der Prüfung der X GmbH seien laut Betriebsprüfungsbericht neben den gravierenden kalkulatorischen Differenzen (im groben Maße branchenunübliche Rohaufschläge; bei den Speisen sei der Wareneinsatz in allen Prüfungsjahren beträchtlich über den erklärten Umsätzen gelegen) weitere Mängel festgestellt worden (u.a. keine Vorlage von Inventuren, fehlende Abschlüsse bei der Registrierkasse, fehlerhaftes Steuerberechnungsprogramm der Registrierkasse). Weder im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens noch im weiteren Beschwerdeverfahren seien zu diesen Mängeln Erläuterungen seitens der X GmbH erfolgt. Auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sei dazu keine Stellungnahme erfolgt.
13 Der Aufklärungspflicht der Behörde stehe die Pflicht der Partei gegenüber, ihrerseits alles zur Aufklärung des Sachverhaltes Erforderliche zu tun. Stelle sich ihr Verhalten als das Gegenteil dessen dar, was § 119 Abs. 1 BAO von ihr verlange, so habe auch die Aufklärungspflicht der Behörde ihre Grenzen. Sie sei in diesem Fall berechtigt und verpflichtet, den Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festzustellen. Den Ausführungen des Revisionswerbers in der Beschwerde, dass Fragen der Betriebsprüfung zum Großteil beantwortet worden seien, könne das Bundesfinanzgericht nicht folgen. Weder der steuerliche Vertreter noch der Revisionswerber habe zu den vorstehend angeführten Mängeln insofern Stellung genommen, sodass die festgestellten Kalkulationsdifferenzen hätten aufgeklärt werden können. In der Beschwerde gegen die im Zuge der Betriebsprüfung ergangenen neuen Abgabenbescheide der X GmbH sei lediglich ausgeführt worden, dass „die Begründung unrichtig sei“ und die Abgabenbehörde das Ermittlungsverfahren der Strafbehörden hätte abwarten müssen. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens der X GmbH seien die Umsätze als zu hoch angesetzt gesehen und dies ausschließlich damit begründet worden, dass in dem Restaurant-Cafe hohe Diebstähle erfolgt seien und dass sich die Angestellten und Gäste bei Afterworkparties selbst bedient hätten. Es seien Diebstahlsanzeigen gegen Unbekannt vorgelegt worden; allerdings sei von der Staatsanwaltschaft das Verfahren mangels Ermittlungsergebnissen eingestellt worden. Im Vorlageantrag sei seitens des Revisionswerbers in keiner Weise auf die Ausführungen des Finanzamtes betreffend die eingestellten Diebstahlsverfahren eingegangen worden.
14 Den Ausführungen des Revisionswerbers in der gegenständlichen Beschwerde, dass er Korrekturen an Hand tatsächlicher Preise beigefügt habe, halte das Bundesfinanzgericht entgegen, dass er einerseits bereits im Zuge des Beschwerdeverfahrens der GmbH diese Korrekturen (zeitnah) hätte geltend machen können und andererseits aber auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren diese nicht näher ausgeführt habe. In der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 und UStVZ 1-6/2010 und den KEst-Bescheid betreffend die Zeiträume 2006 bis 2010 (gemeint: der X GmbH) seien ausschließlich die Diebstähle, die auch erst im Zuge der Betriebsprüfung zur Anzeige gebracht worden waren, und zahlreiche „aus den Ruder gelaufene Afterworkspartys“ als alleiniger Grund für die niedrigen Rohaufschläge (RAK) herangezogen worden. Das Bundesfinanzgericht könne nicht nachvollziehen, wieso der Revisionswerber, der ab September 2007 bereits Geschäftsführer der X GmbH gewesen sei, die von ihm nunmehr angeführten niedrigeren RAK - ausschließlich beruhend auf den fünf vorgelegten Rechnungen - im Zuge der Betriebsprüfung und weiters im Beschwerdeverfahren betreffend die von ihm als Geschäftsführer vertretene X GmbH nicht vorgebracht habe. Im nunmehrigen Beschwerdeverfahren habe der Revisionswerber erstmalig ausgeführt, dass der RAK von der Betriebsprüfung zu hoch angesetzt worden sei, mit der Begründung, dass die Verkaufspreise von der Betriebsprüfung zu hoch angenommen worden seien. Allerdings seien die durch den Revisionswerber neu kalkulierten Umsätze für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar. Die RAK wurden niedriger angesetzt, indem lediglich die Verkaufspreise niedriger angesetzt wurden. Als Begründung dafür seien seitens des Revisionswerbers lediglich die fünf Rechnungen betreffend die Jahre 2006 und 2007 (Zeitraum vor seiner Geschäftsführertätigkeit) herangezogen worden. Aus der nunmehr vorgelegten Getränke- und Speisekarte, deren Preise der Kalkulation der Betriebsprüfung zugrunde gelegt worden seien, sei für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar, welches Jahr diese betreffe. Von den Umsätzen seien vom Revisionswerber dann ein höherer Personalverbrauch und höhere Aufwendungen für die Werbung pauschal, ohne weitere Ausführungen, abgezogen worden. Auf die von der Betriebsprüfung angeführten Mängel sei - wie auch bereits im Betriebsprüfungsverfahren - jedoch in keiner Weise eingegangen worden. Nach den allgemeinen Denkgesetzen bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens wären diese Vorbringen im Beschwerdeverfahren der GmbH „zeitnah schlüssiger und glaubhaft“ gewesen. Der Revisionswerber hätte die abgabenrechtlich bedeutsamen Umstände, die von der Betriebsprüfung als Mängel festgestellt worden seien, bereits damals vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen gehabt. Aus der nunmehrigen Beschwerde gehe auch nicht hervor, auf Grund welcher neuen Erkenntnisse im Jahr 2014 - somit 7 Jahre nach dem angefochtenen Jahr 2007 - der Revisionswerber nunmehr die RAK als zu hoch angesetzt erachte. Die angesprochenen fünf Kassenbelege seien bereits im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens vorgelegt worden. Die vom Revisionswerber nunmehr beantragte Einvernahme in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer sehe das Bundesfinanzgericht nicht als zielführend an, weil dem Revisionswerber bereits während der Betriebsprüfung und auch im anschließenden Beschwerdeverfahren betreffend die X GmbH ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden sei, zeitnah sein Beschwerdevorbringen zu erläutern und zur Klärung beizutragen. Dem Revisionswerber sei somit mehrmals die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Parteiengehörs geboten worden. Den Feststellungen der Betriebsprüfung seien ausschließlich die Diebstahlsanzeigen entgegengehalten worden, in denen pauschale Beträge für den Schwund aus Bar- und Küchenbereich und Tabakwaren zur Anzeige gebracht worden seien. Eine Möglichkeit für die nunmehrige Berechnung des korrigierten RAK könne das Bundesfinanzgericht daraus nicht ableiten.
15 Die vom Revisionswerber erst im Zuge des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens angeführten Beschwerdegründe erschienen dem BFG weiters aus folgenden Gründen nicht schlüssig: Einerseits führe der Revisionswerber aus, sich in der Branche der Gastronomie nicht auszukennen und sämtliche Entscheidungen Herrn K überlassen zu haben, andrerseits führe er nunmehr nach 7 Jahren aus, dass der RAK von der Betriebsprüfung zu hoch angesetzt worden sei, und belege dies mit den bereits vorgelegten fünf Rechnungen und führe dazu nur aus,das diese den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Zu den Fragen wie Mängel in der Buchhaltung, Fehlen von Monatsabschlüssen der Registrierkassen, Fehlen von Inventuren und Vorliegen eines fehlerhaften Berechnungsprogrammes, der Feststellungen der Betriebsprüfung, dass im großen Maße branchenunübliche Rohaufschläge vorliegen würden, habe der Revisionswerber nichts sagen können. Dem habe der Revisionswerber ausschließlich entgegengehalten, dass im November 2010 die drei bereits angeführten Diebstahlsanzeigen gemacht worden seien, die den hohen Schwund rechtfertigen würden. Zu dem Abbruch des Strafverfahrens mangels Ermittlungsergebnissen sei jedoch vom Revisionswerber wieder nichts ausgeführt worden. Das Bundesfinanzgericht könne daher nicht erkennen, dass das Vorbringen des Revisionswerbers über bloße Behauptungen hinausgehen würde und somit die schlüssige Kalkulation der Betriebsprüfung entkräften könne. Die Betriebsprüfung habe sich bei den Preisen betreffend die Getränke an die Preise in der vorgelegten Getränkekarte gehalten, damit sei sie nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe gekommen. Auf Grund all dieser sehr vagen Ausführungen des Revisionswerbers komme das Bundesfinanzgericht mittels freier Beweiswürdigung daher zu dem Schluss, dass die von der Betriebsprüfung ermittelten Steuerbemessungsgrundlagen gegenüber den vom Revisionswerber vorgebrachten Ausführungen die Gewissheit hätten, dass sie den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden.
16 Gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht dürfe sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Das Bundesfinanzgericht habe den Antrag des Revisionswerbers auf Einvernahme der Zeugen B und A sowie auf seine eigene Einvernahme negiert und damit eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen. Weiters verstoße das Bundesfinanzgericht gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Haftungspflichtige umfassenden und effektiven Rechtsschutz genieße, wozu auch das Stellen von Beweisanträgen und die Erhebung von inhaltlichen Einwendungen gegen den Abgabenanspruch gehöre. Das Bundesfinanzgericht habe argumentiert, dass die Vernehmung des Revisionswerbers bereits im Verfahren der X GmbH erfolgen hätte können, weshalb sie nunmehr nicht zielführend sei. Diese Argumentation sei gesetzwidrig, weil sie der Rechtslage bei Haftungsbescheiden zuwiderlaufe. Gemäß § 248 BAO könne der Haftungspflichtige auch Beschwerde gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch einbringen und diesen dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen. Das Bundesfinanzgericht habe sich zudem nicht mit dem 300 Seiten starken Konvolut mit detaillierten Berechnungen auseinandergesetzt, das dazu gedient habe, die Berechnungen der Betriebsprüfung zu widerlegen.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
19 Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.
20 Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (vgl. ). Aus § 248 BAO ergibt sich weiters, dass der zur Haftung Herangezogene jedenfalls den gegen ihn geltend gemachten Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen können muss (; , 98/14/0142, VwSlg. 7661/F).
21 Dies bedeutet, dass der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren betreffend die Sachbescheide der X GmbH eigenes Vorbringen erstatten kann, mit dem sich die Behörde und das Verwaltungsgericht auseinandersetzen müssen. Das Bundesfinanzgericht kann daher nicht allein mit der Begründung, der Revisionswerber hätte im Verfahren der X GmbH als deren Vertreter bereits Vorbringen erstatten können und es sei ihm in diesem Verfahren mehrmals die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Parteiengehörs geboten worden, seine Einvernahme als nicht zielführend ablehnen, zumal im vorliegenden Verfahren ein zusätzliches Vorbringen zu den Abgabenschulden der X GmbH erstattet wurde und kein Neuerungsverbot im Rahmen des § 248 BAO besteht.
22 Soweit die Revision die Nichteinvernahme der Zeugen B und A rügt, ist allerdings darauf zu verweisen, dass in der Beschwerde lediglich pauschal auf „aktenkundige Strafanzeigen“ verwiesen wurde, zu denen die beiden Zeugen einvernommen werden sollten. Beweisanträge, die nur pauschal zum Beweis für das gesamte Vorbringen gestellt werden, entsprechen nicht dem Erfordernis der konkreten Bezeichnung des Beweisthemas, das durch das Beweismittel erwiesen werden soll (vgl. , mwN). Wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist, dann ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Unterlassung einer Beweisaufnahme kein Verfahrensmangel gelegen (vgl. , mwN).
23 Der Revisionswerber bringt in der Revision weiters vor, er habe im Rahmen der Beschwerdeerhebung ein umfassendes Konvolut mit detaillierten Berechnungen und Belegen vorgelegt, mit dem sich das Bundesfinanzgericht nicht auseinandergesetzt habe. Derartige Unterlagen liegen auch im Verwaltungsakt ein. Das Finanzamt hat sich in der Beschwerdevorentscheidung mit dem Vorbringen zu den Sachbescheiden mit der Begründung nicht auseinandergesetzt, dass das Bundesfinanzgericht über den Haftungsbescheid noch nicht entschieden habe und damit die Rechtsmittelbefugnis betreffend die zugrundeliegenden Abgabenbescheide noch nicht feststehe. Das Bundesfinanzgericht hat keine Feststellungen zu diesen Belegen und Kalkulationen getroffen.
24 Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise dabei auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. , mwN).
25 Der Revisionswerber hat im Beschwerdeverfahren vorgebracht, dass die Verkaufspreise von der Betriebsprüfung zu hoch angesetzt worden seien, und weiteres Vorbringen zur Kalkulation erstattet sowie auf von ihm vorgelegte Kassenbelege verwiesen. Das Bundesfinanzgericht hat zwar in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass fünf Kassenbelege aus den Jahren 2006 und 2007 bereits im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens vorgelegt worden seien und die Betriebsprüfung sich bei den Preisen betreffend die Getränke an die Preise in der vorgelegten Getränkekarte gehalten habe. Das Bundesfinanzgericht scheint sich aber mit den vorgelegten Unterlagen, in denen jedenfalls auch Kassenbelege aus den Jahren 2008 und 2009 enthalten sind und die - nach dem Vorbringen des Revisionswerbers - abweichende Verkaufspreise belegen sollten, nicht auseinandergesetzt zu haben.
26 Das vorliegende Erkenntnis entzieht sich sohin der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes und war wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
27 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
28 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130060.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-47642