VwGH 11.12.2019, Ra 2019/13/0014
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | ABGB §276 Abs1 ABGB §276 Abs2 AVG §38 VwGG §38b VwGG §62 Abs1 12010E267 AEUV Art267 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art132 Abs1 litg |
RS 1 | Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2019/13/0025, vorgelegte Frage ausgesetzt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des H, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101412/2018, betreffend u.a. Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO (Umsatzsteuer 2014) sowie Umsatzsteuer 2015 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Lilienfeld St. Pölten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2019/13/0025, vorgelegte Frage ausgesetzt.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Rechtsanwalt. Er macht geltend, er sei für eine Vielzahl von Personen als gerichtlich beauftragter Sachwalter tätig. Die ihm dafür zustehenden Entschädigungen seien in § 276 Abs. 1 ABGB geregelt. Lediglich für Leistungen, die er in seiner Eigenschaft als Anwalt für den Besachwalteten erbringe, stehe ihm ein "angemessenes Entgelt" zu (§ 276 Abs. 2 ABGB). Die Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalter stelle eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung dar. Bei korrekter Umsetzung des Art. 132 Abs. 1 lit. g der Richtlinie 2006/112/EG wären die Entschädigungen, die einem Sachwalter für seine Betreuungstätigkeit zugesprochen würden, von der Umsatzsteuer befreit. Lediglich die Einnahmen für seine über die Betreuungstätigkeit hinausgehenden Tätigkeiten (etwa anwaltliche Leistungen) seien umsatzsteuerpflichtig.
2 In dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis behandelte das Bundesfinanzgericht - wie schon zuvor das Finanzamt - die Umsätze des Revisionswerbers aus Tätigkeiten als Sachwalter als steuerpflichtig.
3 In der dagegen gerichteten Revision wird insbesondere geltend gemacht, die Tätigkeit eines Sachwalters sei iSd Art. 132 Abs. 1 lit. g der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer zu befreien.
4 Mit dem im Spruch genannten Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Ist Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass Dienstleistungen eines Rechtsanwaltes, die dieser als vom Gericht bestellter Sachwalter - soweit es sich nicht um anwaltstypische Leistungen handelt - erbringt, von der Mehrwertsteuer befreit sind?"
5 Der Beantwortung dieser Frage durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101412/2018, betreffend u.a. Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO (Umsatzsteuer 2014) sowie Umsatzsteuer 2015, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO betreffend Umsatzsteuer 2014; Umsatzsteuer 2015) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 fest.
2 Mit Eingabe vom beantragte der Revisionswerber gemäß § 299 BAO die Aufhebung und Abänderung dieses Bescheides. Er machte - mit näherer Begründung - geltend, er sei als Rechtsanwalt für viele Personen als gerichtlich beauftragter Sachwalter tätig. Er erhalte hiefür „Entschädigungen“ gemäß § 276 Abs. 1 ABGB; für anwaltliche Leistungen, die er für die Besachwalteten erbringe, stehe ihm ein angemessenes Entgelt zu (§ 276 Abs. 2 ABGB). Bei korrekter Umsetzung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie seien die „Entschädigungen“ als Sachwalter von der Umsatzsteuer zu befreien.
3 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag ab.
4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
5 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Umsatzsteuer für das Jahr 2015 fest.
6 Der Revisionswerber erhob auch gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte neuerlich geltend, die „Entschädigungen“ als bestellter Sachwalter seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Umsatzsteuer zu befreien.
7 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt diese Beschwerden als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht u.a. diese Beschwerden als unbegründet ab.
9 Dagegen wendet sich die vorliegende Revision.
10 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
11 Nach Ergehen des , erstattete das Finanzamt weiteres Vorbringen.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Der vorliegende Fall gleicht in Sachverhalt und Rechtsfrage jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2019/13/0025, entschieden wurde. Aus den in jenem Erkenntnis angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war auch das vorliegende Erkenntnis - im angefochtenen Umfang - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Da ein Ersatz für Schriftsatzaufwand dann nicht in Betracht kommt, wenn - wie hier - ein Rechtsanwalt in eigener Sache einschreitet, war das Mehrbegehren abzuweisen (vgl. z.B. ; , Fr 2020/13/0003, je mwN).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | ABGB §276 Abs1 ABGB §276 Abs2 AVG §38 VwGG §38b VwGG §62 Abs1 12010E267 AEUV Art267 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art132 Abs1 litg |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130014.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-47625