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VwGH 08.03.2019, Ra 2019/11/0024

VwGH 08.03.2019, Ra 2019/11/0024

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
RS 1
Die Begründung eines Bescheides ist nicht der Rechtskraft fähig und entfaltet damit - von Ausnahmefällen abgesehen - keine Bindungswirkung (vgl. B , 2006/07/0111).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/07/0227 E RS 2
Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
RS 2
Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/08/0236, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2012/08/0138 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. A F in W, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW- 162/045/13495/2015 u.a., betreffend Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Jahre 2009 bis 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem - allein - angefochtenen Spruchpunkt I. des oben angeführten Erkenntnisses hat das Verwaltungsgericht einerseits sechs Bescheide insoweit bestätigt, als mit ihnen die belangte Behörde dem Revisionswerber die Wohlfahrtsfondsbeiträge für die Jahre 2009 bis 2014 vorgeschrieben hatte, und andererseits vier Bescheide insofern bestätigt, als mit ihnen die Anträge des Revisionswerbers auf Erlass, in eventu Ermäßigung, der Fondsbeiträge für die Jahre 2009 bis 2014, auf Befreiung von der Beitragspflicht für denselben Zeitraum und auf Rückzahlung des vorläufigen Fondsbeitrags 2014 abgewiesen worden waren. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sei von bis im Krankenhaus Hietzing (Rechtsträger: Gemeinde Wien) angestellt gewesen. Von bis sei er karenziert gewesen und habe im Sanatorium Hera (Rechtsträger: Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien - KFA) gearbeitet. Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei der Revisionswerber antragsgemäß infolge eines nachgewiesenen unkündbaren Dienstverhältnisses zur Gemeinde Wien (KH Hietzing) bis zum "Wegfall eines für die Befreiung maßgebenden Umstandes" von der Beitragspflicht befreit worden. Im Dezember 2008 sei dieses Dienstverhältnis beendet worden und die KFA habe dem Revisionswerber, welcher "bis dato" (Jänner 2018) im Sanatorium Hera angestellt sei, das Bestehen eines erhöhten Kündigungsschutzes bescheinigt. Mit Schreiben vom habe die belangte Behörde dem Revisionswerber das durch Wegfall des unkündbaren Dienstverhältnisses ausgelöste Bestehen seiner Beitragspflicht ab  mitgeteilt und die Dienstgeberin habe einen vorläufigen Fondsbeitrag für 2014 einbehalten. Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei der Revisionswerber antragsgemäß ab von der Beitragspflicht befreit worden, weil "seit auch ein unkündbares Dienstverhältnis zum Sanatorium Hera" (KFA) bestehe. In der Folge ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der einzig maßgebliche Umstand für die 1994 ausgesprochene Befreiung mit der Beendigung des unkündbaren Dienstverhältnisses am weggefallen und die Beitragspflicht ex lege eingetreten sei (Hinweis auf ). Der Bescheid der belangten Behörde vom über die Befreiung von der Beitragspflicht ab sei entgegen der Ansicht des Revisionswerbers für die Beurteilung des Zeitraums 2009 bis 2014 irrelevant, abgesehen davon, dass darin der "erhöhte Kündigungsschutz" fälschlicher Weise (Hinweis auf ) als Unkündbarkeit qualifiziert worden sei. Überdies mangle es an einer Rechtsgrundlage für eine rückwirkende Befreiung. Die Abweisung der Anträge auf Erlass bzw. Ermäßigung der Fondsbeiträge für die Jahre 2009 bis 2014 wurde damit begründet, dass die Höhe der Nachzahlung für diesen Zeitraum keinen berücksichtigungswürdigen Umstand iSd. Satzung darstelle (Hinweis auf , mwN), da es sich dabei nicht um ein außergewöhnliches Ereignis außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds handle, das eine Behinderung der Berufsausübung und dadurch einen Einkommensverlust zur Folge habe.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 770/2018-7, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Zulässigkeitsbegründung der daraufhin erhobenen außerordentlichen Revision wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zusammengefasst geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis greife in die Rechtskraft der Bescheide vom und vom ein. In der Begründung des letzteren sei die belangte Behörde davon ausgegangen, der Revisionswerber stehe seit in einem unkündbaren Dienstverhältnis zum KFA-Sanatorium Hera. Da dieses Dienstverhältnis nahtlos an jenes zur Gemeinde Wien angeschlossen habe, sei somit rechtskräftig festgestellt, dass seit dem Befreiungsbescheid von 1994 nie ein für die Befreiung maßgebender Umstand weggefallen sei. Aufgrund der Bindung an diese rechtskräftige Feststellung sei das Verwaltungsgericht auch an den Befreiungsbescheid von 1994 gebunden gewesen. Es habe diese Bindung hinsichtlich beider Bescheide entgegen der Judikatur missachtet.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse , und , jeweils mwN).

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, ist die Begründung eines Bescheides nicht der Rechtskraft fähig und entfaltet damit (von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen) keine Bindungswirkung. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. etwa -0016, oder , jeweils mwN).

7 Aus der Begründung des Befreiungsbescheids vom kann somit - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - eine rechtskräftige Feststellung über das durchgehende Bestehen der Befreiungsvoraussetzungen seit 1994 nicht abgeleitet werden.

8 Im Übrigen ergibt sich weder aus dem angefochtenen Erkenntnis noch aus der Revision ein Hinweis darauf, dass der Spruch des Bescheides vom (Befreiung ab ) unklar gewesen wäre und daher einer Auslegung bedurft hätte. Der behauptete Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zur hg. Judikatur zur Bindungswirkung rechtskräftiger Bescheide ist daher nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht war somit, anders als die Revision meint, hinsichtlich des Zeitraumes 2009 bis 2014 nicht gehindert, aufgrund seiner eigenen Rechtsansicht zu beurteilen, ob der im Befreiungsbescheid vom festgelegte "Wegfall eines für die Befreiung maßgebenden Umstandes" vorlag oder nicht.

9 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
VwRallg;
Schlagworte
Spruch und Begründung
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der
Behörde
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden
und von Parteierklärungen VwRallg9/1
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von
Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110024.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-47606