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VwGH 07.10.2019, Ra 2019/08/0138

VwGH 07.10.2019, Ra 2019/08/0138

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Die - wenngleich mit einem hohen Maß an tatsächlicher Selbständigkeit verbundene (vgl. ; , Ra 2016/15/0079 ) - Ausübung ärztlicher Tätigkeiten kann grundsätzlich auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgen, sofern die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen (vgl. auch , betreffend die Tätigkeit von Ärzten im chef- und kontrollärztlichen Bewilligungsdienst eines Sozialversicherungsträgers).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2019/08/0139 B

Ra 2019/08/0140 B

Ra 2019/08/0141 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der R-GmbH in S, vertreten durch die Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Canovagasse 7/1/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I413 2169478-1/6E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. C G in F; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65-67; 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem festgestellt wurde, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung als Fachärztin für Kardiologie durch die Revisionswerberin in deren Rehabilitationsklinik - einer privaten Sonderkrankenanstalt nach dem Vorarlberger Gesetz über Krankenanstalten (im Folgenden: SpitalG) - im Zeitraum vom bis zum als Dienstnehmerin der Pflichtversicherung (Vollversicherung) in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

3. Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. das Fehlen einer solchen Rechtsprechung behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

4.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. etwa ), ist die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung aller für bzw. gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände. Wurde diese Gesamtabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Abwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.

4.2. Vorliegend ist das Verwaltungsgericht unter eingehender Würdigung der im angefochtenen Erkenntnis dargelegten Erhebungsergebnisse auf jedenfalls nicht unvertretbare Weise zur Überzeugung gelangt, dass nach den im Sinn der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH (verstärkter Senat) , VwSlg. 12325 A; , 2013/08/0258; u.v.a.) anzuwendenden Abgrenzungskriterien bezogen auf das Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung im Rahmen einer fallbezogenen Gesamtabwägung aller maßgebenden Umstände von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen ist.

4.3. Dem vermag die revisionswerbende Partei in den zur Zulässigkeit der Anfechtung vorgebrachten Gründen (§ 28 Abs. 3 VwGG) nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.

5.1. Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Anfechtung geltend, das Verwaltungsgericht sei unrichtig davon ausgegangen, dass ein freies Dienstverhältnis bereits auf Grund der krankenanstaltenrechtlichen Vorgaben ausgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung (Hinweis auf u.a.) könnten Spitalsärzte sowohl in einem abhängigen als auch in einem freien Dienstverhältnis zur Krankenanstalt stehen, wobei für die Einordnung nicht die krankenanstaltenrechtlichen Bestimmungen, sondern das tatsächlich gelebte Dienstverhältnis maßgeblich seien.

5.2. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses keineswegs bloß auf die - eine Weisungsgebundenheit der Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes gegenüber den jeweiligen leitenden Vorgesetzten vorsehenden - krankenanstaltenrechtlichen Vorgaben (durch das SpitalG und die darauf beruhende Anstaltsordnung) gegründet hat. Vielmehr hat es - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa ; , Ra 2015/08/0080; u.v.a.) - als unterscheidungskräftige Kriterien für die Abgrenzung von einem freien Dienstverhältnis auch die Bindungen der Erstmitbeteiligten an die Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse bei persönlicher Arbeitspflicht (Fehlen eines generellen Vertretungsrechts) herangezogen und ist dabei ohne Rechtsirrtum zum Ergebnis gelangt, dass jedenfalls von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit der Erstmitbeteiligten und damit vom Vorliegen eines abhängigen (echten) Beschäftigungsverhältnisses auszugehen ist.

5.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass die - wenngleich mit einem hohen Maß an tatsächlicher Selbständigkeit verbundene (vgl. ; , Ra 2016/15/0079 ) - Ausübung ärztlicher Tätigkeiten grundsätzlich auch im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgen kann, sofern - wie hier - die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen (vgl. auch , betreffend die Tätigkeit von Ärzten im chef- und kontrollärztlichen Bewilligungsdienst eines Sozialversicherungsträgers).

5.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner schon festgehalten (vgl. das bereits von der Revisionswerberin zitierte Erkenntnis VwGH 93/08/0162 u.a.), dass es - unter Bedachtnahme auf eine Krankenanstaltsordnung - im Allgemeinen zutreffen wird, dass Spitalsärzte in Beschäftigungsverhältnissen nach § 4 Abs. 2 ASVG zum Träger der Krankenanstalt stehen. Zwar sei - so der Verwaltungsgerichtshof weiter - das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht schlechthin zwingend, zumal atypische Fälle durchaus denkbar seien. Gegenständlich ist jedoch das Verwaltungsgericht - wie schon gesagt - nicht nur an Hand der tatsächlich eingehaltenen krankenanstaltenrechtlichen Vorgaben, sondern auch der sonstigen unterscheidungskräftigen Kriterien in nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis gelangt, dass von einer persönlichen Abhängigkeit der Erstmitbeteiligten von der Revisionswerberin und damit vom Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auszugehen ist.

6. Insgesamt werden daher in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit etwa ) keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080138.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-47571