VwGH 05.06.2019, Ra 2019/08/0091
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | 31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14 Abs1 lita 32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art12 Abs1 |
RS 1 | Art. 14 Abs. 1 lit. a VO 1408/71 wäre auch auf einen Arbeitnehmer anwendbar, der ausschließlich für Arbeiten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen eingestellt wird, in dessen Hoheitsgebiet der Betrieb gelegen ist, dem er gewöhnlich angehört, sofern die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung im Hoheitsgebiet dieses Staates zwölf Monate nicht übersteigt (). Allerdings muss der Arbeitnehmer bereits vor der Entsendung den Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaats des Arbeitgebers unterlegen sein (vgl. zur insoweit unveränderten Rechtslage nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 - arg "weiterhin" - Spiegel SV-Komm § 3 ASVG Rz 66 sowie die nunmehr ausdrückliche diesbezügliche Anordnung in Art. 14 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der
M Anstalt in S, vertreten durch Mag. Andreas Germann, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Scheffelstraße 7a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. I401 2004895- 1/19E, I401 2004999-1/16E, I401 2005001-1/20E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Vorarlberg; mitbeteiligte Parteien: 1. E N, F, 2. A K, H, 3. M S, H,
Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4,
Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 6. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass die erst- bis drittmitbeteiligte Partei in näher angegebenen Zeiträumen zwischen dem und dem gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG der Vollversicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung unterliegen.
5 Die Revisionswerberin habe ihren Sitz im Fürstentum Liechtenstein. Sie beschäftige sich ua mit dem Personalverleih und der Ausführung von Schlosser- und Servicearbeiten. Sie habe in Österreich keine Betriebsstätte, Niederlassung oder Geschäftsstelle. Die in Österreich wohnhaften erst- bis drittmitbeteiligte Parteien hätten im Fürstentum Liechtenstein nicht manuell in ihren Berufen als Schlosser bzw. Industriemonteure gearbeitet. Sie hätten ihre Arbeitsleistungen nach Anweisung der Revisionswerberin (im Rahmen von ihr zu erbringender Werkleistungen) und mit deren Arbeitsmitteln u.a. für Unternehmen in Österreich und im EU-Ausland erbracht. Die erst- bis drittmitbeteiligte Partei hätten ihre Tätigkeit nicht in Liechtenstein ausgeführt und seien nicht dem liechtensteinischen System der sozialen Sicherheit unterlegen. 6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, strittig sei, ob die drei Dienstnehmer unmittelbar vor ihrer Entsendung den Rechtsvorschriften Liechtensteins zur sozialen Sicherheit unterlegen seien. Dies sei zu verneinen, weil diese Dienstnehmer nach übereinstimmenden glaubhaften Angaben nie in Liechtenstein gearbeitet hätten. Da somit Artikel 14 Abs. 1 lit. a der VO 1408/71 nicht anwendbar sei, kämen nach dem allgemeinen Grundsatz des Artikel 13 Abs. 1 lit. a der VO 1408/71 die genannten österreichischen Bestimmungen über die Pflichtversicherung zur Anwendung.
7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in der Frage, "wie sich die wiederholte Entsendung von Arbeitnehmern, wenn diese niemals manuell im Entsendeland gearbeitet haben, sondern sie nur zwischen den Aufträgen zu Verwaltungszwecken in das Entsendeland zurückgekehrt sind, auf die Frage auswirkt, ob für diese Arbeitnehmer Art 14 Abs 1 lit a der VO 1408/71 ... anwendbar ist". 9 Art. 13 und 14 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden: VO 1408/71) lauten auszugsweise:
"Artikel 13
Allgemeine Regelung
(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
(...)
Artikel 14
Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine
abhängige Beschäftigung ausüben
Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit abgelaufen ist.
b) ...
(...)"
10 Art. 14 Abs. 1 lit. a VO 1408/71 wäre auch auf einen Arbeitnehmer anwendbar, der ausschließlich für Arbeiten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen eingestellt wird, in dessen Hoheitsgebiet der Betrieb gelegen ist, dem er gewöhnlich angehört, sofern die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung im Hoheitsgebiet dieses Staates zwölf Monate nicht übersteigt (). Allerdings muss der Arbeitnehmer bereits vor der Entsendung den Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaats des Arbeitgebers unterlegen sein (vgl. zur insoweit unveränderten Rechtslage nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnun g Nr. 883/2004 - arg "weiterhin" - Spiegel SV-Komm § 3 ASVG Rz 66 sowie die nunmehr ausdrückliche diesbezügliche Anordnung in Art. 14 Abs. 1 der VO Nr. 987/2009). Nach den Feststellungen haben die erst- bis drittmitbeteiligte Partei vor ihrer Entsendung in das Gebiet anderer Mitgliedstaaten keinem Betrieb in Liechtenstein angehört und sie waren auch sonst vor ihrer Entsendung nicht dem liechtensteinischen System der sozialen Sicherheit angeschlossen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mehrmals im Verlauf des Verfahrens auf das Fehlen einer solchen vorangehenden Rechtsunterworfenheit hingewiesen. Die revisionswerbende Partei hat im Verwaltungsverfahren nicht in Abrede gestellt, dass bei der erst- bis drittmitbeteiligten Partei ein derartiger vorangehender Anschluss an das liechtensteinische System der sozialen Sicherheit fehlt. Aus der im Zusammenhang mit dem Zulässigkeitsvorbringen aufgestellten Behauptung, dass die "betreffenden Arbeitnehmer zwischen den Auslandsaufträgen immer wieder (und wenn es nur zur Besprechung des nächsten Auftrags war) zum Sitz ihres Arbeitgebers nach Liechtenstein zurückgekehrt" seien, lässt sich ein solcher vorangehender Anschluss nicht ableiten.
11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | 31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art14 Abs1 lita 32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit Art12 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080091.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-47565