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VwGH 10.02.2020, Ra 2019/04/0133

VwGH 10.02.2020, Ra 2019/04/0133

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art12 Abs3
B-VG Art144 Abs1
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012
VwGG §34 Abs1
RS 1
Art. 12 Abs. 3 B-VG sah bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012, BGBl. I Nr. 51, vor, dass - wenn und insoweit in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens die Bescheide der Landesinstanzen voneinander abweichen oder die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war - die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige Bundesministerium übergeht. Sobald dieses entschieden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörden außer Kraft. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012 wurde Art. 12 Abs. 3 B-VG aufgehoben. Auch wenn Art. 12 Abs. 3 B-VG, zumindest der äußeren Form nach, nicht als "normaler" Instanzenzug konstruiert war, wurde dieses Verfahren - von der Kontrollbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts her gesehen - einem echten Instanzenzug gleich gehalten. So hat der VfGH in ständiger Rechtsprechung in der durch Art. 12 Abs. 3 B-VG geschaffenen und durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 62/1926 näher ausgeführten Rechtschutzeinrichtung einen Instanzenzug im Sinn des Art. 144 Abs. 1 B-VG erblickt, dessen Nichterschöpfung die Unzuständigkeit des VfGH bewirkte und zur Zurückweisung der Beschwerde führte (vgl. VfSlg. 13.865/1994). Das vertrat auch (in einem verstärkten Senat) der VwGH.
Normen
AVG §52
AVG §53
AVG §7 Abs1
VwGVG 2014 §17
RS 2
Das VwG hat auf dem Boden des § 17 VwGVG 2014 iVm §§ 52 und 53 AVG die Verpflichtung, bei Beiziehung der ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) zu prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim VwG angefochten wird (vgl. , mwN). Dabei geht es insbesondere darum sicherzustellen, dass nicht die Besorgnis besteht, dass bezüglich der Tätigkeit des Amtssachverständigen andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle spielen können, wobei es ausreicht, dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen kann (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/11/0077 E RS 1
Normen
AVG §52
AVG §53
AVG §7 Abs1
B-VG Art20 Abs1
RS 3
Sachverständige sind bei der Erstattung ihrer Gutachten nicht an Weisungen iS des Art. 20 Abs. 1 B-VG gebunden, vielmehr beruht deren Begutachtung allein auf ihrer fachlichen Qualifikation (vgl. etwa , mwH). Der VwGH hat schon wiederholt festgehalten, dass Amtssachverständige für die Richtigkeit des Gutachtens alleine verantwortlich sind und eine Ausübung dieser Funktion unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht steht, gegen die im Hinblick auf Art. 20 B-VG das Weisungsrecht nicht durchzudringen vermag (vgl. etwa , mwH).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/03/0014 E RS 4 (hier ohne den ersten Satz)
Normen
AVG §52
UVPG 2000 §6
RS 4
Die Vorgangsweise des UVP-Sachverständigen, die zuvor auf ihre Plausibilität hin geprüften Ausführungen in der Umweltverträglichkeitserklärung seinem eigenen Gutachten zu Grunde zu legen, stößt auf keine Bedenken. Dies vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten hat, dass die Umweltverträglichkeitserklärung geeignet sein muss, im weiteren Genehmigungsverfahren berücksichtigt zu werden (Hinweis E vom , 2002/03/0213).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/03/0160 E VwSlg 18760 A/2013 RS 40 (hier nur der erste Satz)
Norm
AVG §52
RS 5
In Bezug auf von Parteien vorgelegte Gutachten und sachverständige Stellungnahmen hat der VwGH klargestellt, dass diese von amtlichen (bzw. nichtamtlichen) Sachverständigen erforderlichenfalls einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen sind (vgl. , und ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des F, vertreten durch Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 31a, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-642/001-2014, betreffend Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Stromerzeugungsanlage nach dem NÖ ElWG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: e Erzeugungsgesellschaft m.b.H., vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , mit dem der mitbeteiligten Partei die beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Stromerzeugungsanlage nach dem NÖ ElWG 2005 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden war, als unbegründet abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht verwies dabei auf die Beurteilungen der Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, Hydrologie (Oberflächenwässer und Grundwasser), Forsttechnik und Agrartechnik, wonach aus fachlicher Sicht keinesfalls eine Vernichtung der Substanz an den Grundstücken des Revisionswerbers stattfände. Seine Rechte als Nachbar im Sinn der §§ 9 und 10 NÖ ElWG 2005 würden durch das gegenständliche Projekt daher nicht verletzt.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist.

Dazu wird vorgebracht, dass mit der Ausübung der mit dem angefochtenen Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil bzw. ein nicht wieder gutzumachender Schaden verbunden wäre. Die vom Projekt der mitbeteiligten Partei ausgehenden Einwirkungen auf die Grundstücke des Revisionswerbers seien irreversibel. Abgestorbene Bäume könnten nicht mehr ersetzt werden, Ackerflächen gingen unwiederbringlich verloren, Wegzufahrten seien gefährdet und durch Hochwässer komme es zu einer Gefährdung der Grundstücke des Revisionswerbers in ihrer Substanz.

3 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Äußerung, in der sie beantragen, der Revision keine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. 4 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers der Revision die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

5 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu überprüfen, sondern es ist - wenn das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen ist - zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potentieller, sondern ein evidenter ist, mit anderen Worten die Partei mit den Folgen eines offenkundig vorliegenden Fehlers der belangten Behörde belastet wurde (vgl. etwa VwGH, , Ra 2017/04/0082, mwN). 6 Ein solcher evidenter Fehler liegt gegenständlich nicht vor:

Das Verwaltungsgericht ist auf der Grundlage von nicht von vornherein als unschlüssig anzusehenden Sachverständigengutachten davon ausgegangen, dass durch das gegenständliche Projekt eine Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Revisionswerbers nicht zu erwarten sei. Inwieweit die vom Revisionswerber gerügten Begründungsmängel vorliegen bzw. eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nach sich ziehen, wird Gegenstand der Entscheidung über die vorliegende Revision sein.

7 Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des F U in S, vertreten durch Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-642/001-2014, betreffend elektrizitätsrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Wasserkraftanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: e m.b.H. in M, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid vom erteilte die Niederösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) der mitbeteiligten Partei gemäß § 5 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 des NÖ Elektrizitätswesengesetzes 2005 (NÖ ElWG 2005) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Wasserkraftanlage an der unteren Y.

2 Der Revisionswerber stellte in der Folge einen Antrag gemäß (dem damals noch geltenden) Art. 12 Abs. 3 B-VG auf Übergang der Zuständigkeit an den Bundesminister für Wirtschaft, Familien und Jugend (im Folgenden: Bundesminister).

3 Mit Bescheid vom erteilte der Bundesminister der mitbeteiligten Partei unter Spruchpunkt I. die elektrizitätsrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der gegenständlichen Wasserkraftanlage unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, dessen Anträge auf Verfahrensunterbrechung, Durchführung eines Ortsaugenscheins und Einholung eines Sachverständigengutachtens für den Bereich Hydrogeologie sowie auf Einholung eines Gutachtens eines landwirtschaftlichen Sachverständigen abgewiesen.

4 Der dagegen erhobenen Revision des Revisionswerbers gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2014/05/0057, Folge und hob den Bescheid des Bundesministers wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

5 Begründend hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass der Bundesminister mit seiner Auffassung, wonach mit dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom rechtskräftig entschieden sei, dass eine massive Gefährdung des Grundeigentums des Revisionswerbers im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 2 NÖ ElWG durch das gegenständliche Kraftwerksprojekt nicht zu befürchten sei, weshalb die Einholung des vom Revisionswerber beantragten hydrologischen Sachverständigengutachtens habe unterbleiben können, und der Revisionswerber den in der von der mitbeteiligten Partei eingereichten Projektbeschreibung enthaltenen Ausführungen zu den Untersuchungen der Abflussverhältnisse auf gleicher fachlicher Ebene hätte entgegengetreten müssen, die Rechtslage verkannt habe.

6 2. Im fortgesetzten Verfahren wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom den gegen den elektrizitätsrechtlichen Genehmigungsbescheid vom gerichteten und „als Beschwerde zu behandelnden“ Devolutionsantrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG aF als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

7 Zu seiner Zuständigkeit führte das Verwaltungsgericht begründend aus, dass sich die vorliegende Rechtssache nach dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) richte und die vom Revisionswerber angesprochene Lücke mit § 4 VwGbk-ÜG zu schließen sei. Dass der Devolutionsantrag im vorliegenden Fall als Beschwerde zu werten sei, ergebe sich zudem aus Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG, weil der Bundesminister nicht als Verwaltungsbehörde in erster und letzter Instanz entschieden habe.

8 Dem Vorbringen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, die beigezogenen Amtssachverständigen „sollen als befangen erklärt werden“, weil diese als Dienstnehmer der Niederösterreichischen Landesregierung beim Land Niederösterreich beschäftigt seien und das Land Niederösterreich Mehrheitseigentümer der mitbeteiligten Partei sei, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, dass Amtssachverständige für die Richtigkeit ihrer Gutachten alleine verantwortlich seien und eine Ausübung dieser Funktion unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht stünde.

Auf Grund des Vorbringens des Revisionswerbers sei das Verwaltungsgericht dennoch verpflichtet, eine Prüfung der Befangenheit der beigezogenen Amtssachverständigen vorzunehmen. Im Zuge des über mehrere Verhandlungstage durchgeführten Beweisverfahrens sei klar zum Vorschein gekommen, dass die Amtssachverständigen sämtlichen Vorbringen nachgegangen seien und sich mit diesen beschäftigt hätten. Es sei nicht zu erkennen, dass die Amtssachverständigen ihrer Tätigkeit durch unsachliche psychologische Motive nachgegangen wären.

9 Zu den materiellen Entscheidungsgründen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass aus fachlicher Sicht der Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, Hydrologie (Oberflächenwässer und Grundwasser), Forsttechnik und Agrartechnik keinesfalls eine Vernichtung der Substanz an den Grundstücken des Revisionswerbers stattfinde. Seine Rechte als Nachbar im Sinn der §§ 9 und 10 NÖ ElWG würden nicht verletzt. Da das gegenständliche Vorhaben keine subjektiven Rechte des Revisionswerbers beeinträchtige, sei der als Beschwerde zu behandelnde Devolutionsantrag als unbegründet abzuweisen gewesen.

10 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11 Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten im eingeleiteten Vorverfahren jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt wird.

12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5.1. Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst geltend, dass das Verwaltungsgericht eine Zuständigkeit in Anspruch genommen habe, die ihm nicht zukomme, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis schon deshalb als rechtswidrig erweise.

Gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG aF sei die Zuständigkeit an den sachlich zuständigen Bundesminister übergegangen, der somit in erster und letzter Instanz entschieden habe. In einem solchen Fall sei im fortgesetzten Verfahren nach Aufhebung des Art. 12 Abs. 3 B-VG aF entweder die Niederösterreichische Landesregierung oder (wieder) der Bundesminister zuständig, aber niemals das Verwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht, zumal eben gar kein „in Beschwerde gezogener“ Bescheid mehr existiere. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis habe das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde vom bestätigt, der rechtlich aber gar nicht mehr existent gewesen sei, weil die Zuständigkeit durch den Devolutionsantrag des Revisionswerbers auf den Bundesminister übergegangen und mit dessen Entscheidung der Bescheid der belangten Behörde außer Kraft getreten sei. Dieser habe durch die Aufhebung des Bescheides des Bundesministers vom gar nicht mehr bekämpft werden können, weil nur mehr der Bescheid des Ministers vorgelegen sei.

15 5.2. Art. 12 Abs. 3 B-VG sah bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, vor, dass - wenn und insoweit in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens die Bescheide der Landesinstanzen voneinander abweichen oder die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war - die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige Bundesministerium übergeht. Sobald dieses entschieden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörden außer Kraft.

16 Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde Art. 12 Abs. 3 B-VG aufgehoben. Die Erläuterungen zu dieser Verfassungsänderung (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP 7) führen dazu aus, dass mit der Abschaffung des administrativen Instanzenzuges der erste Fall eines solchen Übergangs der Zuständigkeit auf den Bundesminister von vornherein nicht mehr eintreten könne. Da mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit nur mehr eine Verwaltungsinstanz entscheide, falle auch die sachliche Rechtfertigung dafür weg, gerade diesen Umstand zum Anknüpfungspunkt für eine Devolution der Rechtssache an eine weitere Verwaltungsinstanz zu machen, so wie Art. 12 Abs. 3 zweiter Fall B-VG dies tut. Aus diesem Grund könne Art. 12 Abs. 3 B-VG entfallen.

17 Im vorliegenden Fall steht der Argumentation der Revision, der Bundesminister habe in den Fällen eines Zuständigkeitsübergangs nach Art. 12 Abs. 3 B-VG „in erster und letzter Instanz“ entschieden, die Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch des Verfassungsgerichtshofes entgegen:

18 Auch wenn Art. 12 Abs. 3 B-VG, zumindest der äußeren Form nach, nicht als „normaler“ Instanzenzug konstruiert war (vgl. dazu weiterführend Novak, Quasi-Instanzenzüge im österreichischen Recht, ZfV 1976, 53 [60], sowie Mayer, Rechtliche Aspekte landesübergreifender Stromversorgung [1994] 25), wurde dieses Verfahren - von der Kontrollbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts her gesehen - einem echten Instanzenzug gleich gehalten.

So hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung in der durch Art. 12 Abs. 3 B-VG geschaffenen und durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 62/1926 näher ausgeführten Rechtschutzeinrichtung einen Instanzenzug im Sinn des Art. 144 Abs. 1 B-VG erblickt, dessen Nichterschöpfung die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes bewirkte und zur Zurückweisung der Beschwerde führte (vgl. VfSlg. 13.865/1994).

Das vertrat auch (in einem verstärkten Senat) der Verwaltungsgerichtshof und stellte dabei unter anderem klar, dass die auf Grund einer Anrufung des sachlich zuständigen Bundesministeriums ergehende Entscheidung eine an die Stelle des Bescheides der Landesinstanz tretende Entscheidung der Ministerialinstanz bewirkt, weil der Bescheid der Landesbehörde zufolge Art. 12 Abs. 3 B-VG außer Kraft tritt, sobald „das sachlich zuständige Bundesministerium“ entschieden hat. Im Ergebnis hat demnach der Bescheid des Bundesministers insofern dieselbe rechtliche Wirkung wie eine Berufungsentscheidung, als der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgeht und diese, sobald sie erlassen und aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist. Auch ist der Zweck eines Devolutionsantrages einer Partei gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG und der eines ordentlichen Rechtsmittels der gleiche, nämlich eine Änderung der Entscheidung der Landesregierung zu erreichen.

19 Damit kann mit dem - gegen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gerichteten - Vorbringen des Revisionswerbers, der Bundesminister habe im Rahmen seiner Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG aF erst- und letztinstanzlich entschieden und sei ein „in Beschwerde gezogener“ Bescheid gar nicht mehr vorgelegen, auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden.

Die Revision lässt hier zudem die ex tunc Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa , mwN) außer Acht. Diese führt im vorliegenden Fall dazu, dass mit dem bereits erwähnten aufhebenden Erkenntnis VwGH Ro 2014/05/0057 der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid des Bundesministers vom von Anfang an nicht erlassen worden wäre und es damit auch nicht zum Außerkrafttreten des Bescheides der belangten Behörde gekommen ist (vgl. Art. 12 Abs. 3 letzter Satz B-VG).

20 6.1. Die Revision bringt weiter vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Ablehnbarkeit von Amtssachverständigen bei gesellschaftsrechtlicher Verbindung ihres Dienstgebers zur Konsenswerberin“. Im vorliegenden Fall seien die Amtssachverständigen befangen, weil diese alle beim Land Niederösterreich angestellt seien und das Land Niederösterreich auch - über „Zwischengesellschaften“ - Mehrheitseigentümer der Antragstellerin sei. Der Anschein der Befangenheit könne nur dadurch weggewischt werden, dass sich die Amtssachverständigen umfangreich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt hätten. Dies sei gegenständlich jedoch nicht erfolgt.

21 6.2. Nach der gefestigten Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht auf dem Boden des § 17 VwGVG in Verbindung mit §§ 52 und 53 AVG die Verpflichtung, die ihm zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständigen) seinen Verfahren beizuziehen, wobei ein Verwaltungsgericht stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wird. Dabei muss insbesondere sichergestellt sein, dass nicht die Besorgnis besteht, dass bezüglich der Tätigkeit der Sachverständigen andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle spielen können, wobei es ausreicht, dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen kann (vgl. , mwN).

22 Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt festgehalten, dass Amtssachverständige für die Richtigkeit des Gutachtens alleine verantwortlich sind und eine Ausübung dieser Funktion unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht steht, gegen die in Hinblick auf Art. 20 B-VG das Weisungsrecht nicht durchzudringen vermag (vgl. , mwN, sowie VfSlg. 19.902/2014).

23 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die allfällige Befangenheit eines Sachverständigen nur dann mit Erfolg eingewendet werden, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Erledigung dieses Verwaltungsorganes ergeben oder besondere Umstände hervorkommen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit desselben in Zweifel zu ziehen, etwa wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung gefolgert werden kann. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, die die Objektivität des Sachverständigen in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen. Die Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, vermag die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage fallbezogen vertretbar gelöst hat (vgl. zuletzt etwa , mwN).

24 Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Vergangenheit im Umstand, dass ein Amtssachverständiger des Landes in einem Verfahren auftritt, in dem das Land als Partei beteiligt ist, keinen wichtigen Grund im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 4 AVG gesehen, der - wenn nicht besondere Umstände hervorkommen - geeignet wäre, die volle Unbefangenheit des Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen (vgl. etwa ).

25 Ausgehend davon vermag die Revision im vorliegenden Fall, in dem sich das Verwaltungsgericht mit der geltend gemachten Befangenheit der Amtssachverständigen auch (schlüssig) auseinandergesetzt hat, keine Abweichung von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung darzutun.

26 7.1. Die Revision erblickt ihre Zulässigkeit darüber hinaus im Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, wie eine „Plausibilitätsprüfung im Verwaltungsverfahren“ beschaffen sein müsse. Die Stellungnahmen der Amtssachverständigen stünden im vorliegenden Fall in grundsätzlichem Widerspruch zu den Anforderungen „Nachvollziehbarkeit und Prüffähigkeit“. Es liege eine nicht gehörige Überprüfung der Einreichunterlagen und Berechnungen der mitbeteiligten Partei vor, weil die Behauptung der Plausibilität durch die Amtssachverständigen betreffend den zu erwartenden Hochwasserabfluss nicht nachprüfbar sei. Mit einer pauschalen Bewertung der Rechenmodelle und einer bloßen Aussage zu den Eingangs-, Auslauf- und Randbedingungen werde keine inhaltliche Bewertung der gesamten Berechnung vorgenommen. Die Behauptung der Plausibilität sei nicht prüffähig und wäre auch nicht ausreichend, weil die Richtigkeit der Ausführungen begutachtet werden müsse und nicht die bloße Plausibilität.

27 7.2. Die Revision übersieht mit diesem Vorbringen, dass es der Verwaltungsgerichtshof - wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auch zutreffend ausführt - in Zusammenhang mit der Überprüfung von Einreichunterlagen und Berechnungen der konsenswerbenden Partei für unbedenklich erachtet hat, wenn ein Sachverständiger die zuvor auf ihre Plausibilität hin geprüften Ausführungen in der (von der konsenswerbenden Partei vorgelegten) Umweltverträglichkeitserklärung seinem eigenen Gutachten zu Grunde legt (vgl. ). Auch in Bezug auf von Parteien vorgelegten Gutachten und sachverständigen Stellungnahmen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass diese von amtlichen (bzw. nichtamtlichen) Sachverständigen erforderlichenfalls einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen sind (vgl. , und ).

28 8. Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit schließlich Aktenwidrigkeit und damit einen Verfahrensfehler geltend macht, wird ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die Revision bringt vor, das Verwaltungsgericht habe Feststellungen getroffen, die den Aussagen des Amtssachverständigen für Gewässerhydrologie widersprechen würden. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird dabei jedoch nicht aufgezeigt (zum Erfordernis der Relevanzdarlegung bei der Behauptung einer Aktenwidrigkeit siehe etwa , mwN).

29 9. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §10
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §9
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040133.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-47499