VwGH 01.04.2019, Ra 2018/17/0200
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §42 |
RS 1 | Dem LVwG war es nach Aufhebung der im ersten Rechtsgang verhängten Strafe durch den Verwaltungsgerichtshof verwehrt, für dasselbe dem Revisionswerber zur Last gelegte Verhalten im zweiten Rechtsgang eine strengere Strafe auszusprechen, als im ersten Rechtsgang (vgl. diesbezüglich vergleichbar zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bereits , oder auch , 2003/06/0025, jeweils mwN). Der Umstand, dass eine im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, bedeutet nämlich nicht, dass es diese gleichsam "nie gegeben" hätte (vgl. dazu nochmals ). |
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RS 2 | Da das LVwG in Verkennung der Rechtslage das Verbot der "reformatio in peius" nicht berücksichtigt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich seines Strafausspruches mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens (vgl. dazu etwa , mwN) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Dipl.-Kfm. D H, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , 405- 10/602/1/5-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten GmbH der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) mit einem Glücksspielgerät zu einem näher genannten Tatzeitpunkt schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 168 Stunden verhängt. Weiters wurde der Revisionswerber gemäß § 64 Abs. 2 VStG zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von EUR 300,-- verpflichtet.
2 Mit Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers im ersten Rechtsgang insoweit Folge, als es die verhängte Geldstrafe auf EUR 1.000,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabsetzte. Weiters sprach das LVwG in diesem Erkenntnis aus, dass dem Revisionswerber die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen seien und sich der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens auf EUR 100,-- verringere. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das LVwG für nicht zulässig.
3 Mit Erkenntnis vom , Ra 2018/09/0085, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, da das LVwG die Anführung der korrekten Strafsanktionsnorm trotz ihres Fehlens im behördlichen Straferkenntnis nicht nachgeholt hatte.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom gab das LVwG der Beschwerde des Revisionswerberbs im zweiten Rechtsgang erneut teilweise Folge, setzte jedoch die Geldstrafe auf nunmehr EUR 1.500,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage herab, verringerte den Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren auf EUR 150,-- und bestätigte im Übrigen den Spruch des Straferkenntnisses mit hier nicht weiter relevanten Maßgaben. Weiters ergänzte das LVwG den Spruch des Erkenntnisses um die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 erster Strafrahmen GSpG und sprach darüber hinaus aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
5 Dagegen richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber hält dem angefochtenen Erkenntnis in der Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision zum einen die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG entgegen und bringt zum anderen einen Verstoß gegen das Verbot der "reformatio in peius" vor.
10 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. , mwN).
11 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist im Hinblick auf den Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12.
12 Im Übrigen stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. etwa Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie , 0049, Rn. 24 ff).
13 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher , 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
14 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen das Verbot der "reformatio in peius", weil das LVwG im zweiten Rechtsgang eine strengere Strafe als im ersten Rechtsgang aussprach, erweist sich die Revision jedoch als zulässig und berechtigt.
16 Im Erkenntnis vom hatte das LVwG die über den Revisionswerber verhängte Geldstrafe auf EUR 1.000,--, sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herabgesetzt. Nach Aufhebung dieses Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof reduzierte es nunmehr im zweiten Rechtsgang die Geldstrafe auf EUR 1.500,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf zwei Tage.
17 Auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 besteht in Verwaltungsstrafsachen weiterhin das Verbot der "reformatio in peius" (vgl. hierzu etwa , mwN).
18 Dies bedeutet für eine Sachverhaltskonstellation wie die vorliegende, dass es dem LVwG nach Aufhebung der im ersten Rechtsgang verhängten Strafe durch den Verwaltungsgerichtshof verwehrt war, für dasselbe dem Revisionswerber zur Last gelegte Verhalten im zweiten Rechtsgang eine strengere Strafe auszusprechen, als im ersten Rechtsgang (vgl. diesbezüglich vergleichbar zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bereits , oder auch , 2003/06/0025, jeweils mwN). Der Umstand, dass eine im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, bedeutet nämlich nicht, dass es diese gleichsam "nie gegeben" hätte (vgl. dazu nochmals ).
19 Fallbezogen hätte das LVwG daher im nunmehr angefochtenen Erkenntnis keine strengere Strafe aussprechen dürfen, als im Erkenntnis vom verhängt worden war.
20 Da das LVwG somit in Verkennung der Rechtslage das Verbot der "reformatio in peius" nicht berücksichtigt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich seines Strafausspruches mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens (vgl. dazu etwa , mwN) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170200.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-47403