VwGH 03.09.2019, Ra 2018/15/0120
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Zur Auslegung des Inhaltes dieser Bestimmung ist ihr Sinn und Zweck heranzuziehen. Mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten wollte der Gesetzgeber dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnen, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Nicht nur, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollten, es sollten sich die Verpflichteten auch nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflicht entziehen können. Ohne diese Pflichten wäre es den Behörden nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglich, Verstöße gegen das Glücksspielgesetz festzustellen und entsprechend zu ahnden. Bereits aus § 50 Abs. 4 GSpG ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber möglichst umfassende Mitwirkungspflichten vorsehen wollte (vgl. ). |
Normen | GSpG 1989 §50 Abs4 MRK Art6 Abs1 |
RS 2 | Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , sowie , Ra 2016/17/0034, mwN) liegt bei einer Kontrolle zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes (noch) keine Situation vor, in der ein Aussageverweigerungsrecht im Falle der Selbstbezichtigung überhaupt zum Tragen kommt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/17/0817 B RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des M G in V, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2018/29/0838-5, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom wurde der Revisionswerber wegen Verletzung einer Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 4.000 EUR (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil er als Lokalverantwortlicher und als Person, die Glücksspieleinrichtungen bereitgehalten habe, bei der Kontrolle den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassende Überprüfungen und Testspiele nicht ermöglicht habe, indem er seiner Angestellten telefonisch die Weisung erteilt habe, die Glücksspielgeräte auszuschalten. Weiters schrieb die Landespolizeidirektion Tirol dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor.
2 Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom Beschwerde.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol diese Beschwerde als unbegründet ab, verpflichtete den Revisionswerber zu einem Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Landesverwaltungsgericht stellte fest, zwei Polizeibeamte hätten am Tag der Kontrolle das Lokal des Revisionswerbers betreten, um den Keller des Lokals zu sichern. In diesem Keller seien zwei Geräte eingeschalten und betriebsbereit vorgefunden worden. Die Beamten hätten daraufhin den Einsatzleiter der Finanzpolizei informiert, woraufhin dieser angekündigt habe, zwei weitere Beamten zur Kontrolle zu schicken. Einige Minuten nachdem die Polizeibeamten das Lokal betreten hätten, sei eine anwesende Angestellte vom Revisionswerber telefonisch kontaktiert und gefragt worden, ob eine Kontrolle durch die Finanzpolizei stattfinde. Als diese die Frage bejaht habe, habe der Revisionswerber sie angewiesen, die beiden Automaten abzuschalten. Die Angestellte sei dieser Weisung gefolgt und habe die Automaten mittels Handfernbedienung ausgeschaltet. In weiterer Folge sei es nicht gelungen, die beiden Geräte wieder in einen spielbereiten Zustand zu versetzen, weil dafür ein vierstelliger Pin notwendig sei, welcher der Angestellten nicht bekannt gewesen sei. Das Verhalten des Revisionswerbers sei als Verstoß gegen § 50 Abs. 4 GSpG zu beurteilen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Dem Zulässigkeitsvorbringen zur Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des GSpG ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12. 10 Mit seinem weiteren Zulassungsvorbringen rügt der Revisionswerber, dass zum Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlung (telefonische Weisung) eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz nicht bzw. noch nicht stattgefunden habe und auch nicht angekündigt worden sei. Pflichten zum aktiven Mithelfen an einer Amtshandlung könnten in zeitlicher Hinsicht erst greifen, wenn seitens der Kontrollorgane eine Kontrollhandlung angekündigt worden sei. Dies sei im konkreten Fall weder im Zeitpunkt der Anweisung noch im Zeitpunkt des Herunterfahrens der Geräte der Fall gewesen.
11 Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach dem Glücksspielgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.
12 Zur Auslegung des Inhaltes dieser Bestimmung ist ihr Sinn und Zweck heranzuziehen. Mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten wollte der Gesetzgeber dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnen, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Nicht nur, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollten, es sollten sich die Verpflichteten auch nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflicht entziehen können. Ohne diese Pflichten wäre es den Behörden nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglich, Verstöße gegen das Glücksspielgesetz festzustellen und entsprechend zu ahnden. Bereits aus § 50 Abs. 4 GSpG ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber möglichst umfassende Mitwirkungspflichten vorsehen wollte (vgl. ).
13 Das Revisionsvorbringen, Pflichten zu einem aktiven Mithelfen an einer Amtshandlung könnten in zeitlicher Hinsicht erst zu jenem Zeitpunkt greifen, an dem die Kontrollhandlung angekündigt werde, kann der Revision im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Kontrolle nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts bereits vor der Tathandlung des Revisionswerbers angekündigt worden war. Die im Lokal tätige Kellnerin bestätigte dem Revisionswerber im Zuge des Telefongespräches und noch vor der Anweisung, sie solle die Geräte abschalten, dass gerade eine Kontrolle durch die Finanzpolizei stattfinde.
14 Dass die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei einer Kontrolle zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes (noch) keine Situation vorliegt, in der ein Aussageverweigerungsrecht im Falle der Selbstbezichtigung überhaupt zum Tragen kommt (vgl. erneut , mwN), abweichen würde, legen die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | GSpG 1989 §50 Abs4 MRK Art6 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150120.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-47360