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VwGH 03.04.2019, Ra 2018/15/0008

VwGH 03.04.2019, Ra 2018/15/0008

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
UStG 1994 §12 Abs2 Z1 lita
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 litb
61998CJ0415 Bakcsi VORAB
RS 1
Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Insofern besteht für diese Gegenstände - gegenüber § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 - eine besondere gesetzlich vorgezeichnete Zuordnung. Daraus ergibt sich, dass ohne eine besondere Zuordnungsentscheidung des Unternehmers von einer vollständigen "Privatzuordnung" des verfahrensgegenständlichen PKW auszugehen ist. Dieses Ergebnis entspricht auch den Vorgaben des Unionsrechts, hat der EuGH doch in seinem Urteil vom , C-415/98, Bakcsi, Rn. 26 entschieden, dass das unionsrechtliche Mehrwertsteuerrecht "keine Bestimmungen (enthält), die einem Steuerpflichtigen verbieten, ein Investitionsgut, das er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke erwirbt, in vollem Umfang in seinem Privatvermögen zu belassen und dadurch vollständig dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen".
Normen
UStG 1994 Anh Art12 Abs4
UStG 1994 §12 Abs2 Z2
61998CJ0415 Bakcsi VORAB
RS 2
Einer grundsätzlichen "Privatzuordnung" von zur gemischten Nutzung erworbenen PKW steht Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 nicht entgegen, weil diese Bestimmung lediglich die Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 beim innergemeinschaftlichen Erwerb nicht greifen lässt, da andernfalls der Erwerb eines PKW stets "nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten" würde und somit einen innergemeinschaftlichen Erwerb bereits kategorisch ausschlösse (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 Art. 12 BMR Rz 12, sowie ). Für das Wahlrecht iSd der Rs Bakcsi () bleibt jedoch die allgemeine Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 als gesetzlich vorgezeichnete Zuordnungsregelung maßgebend.

Entscheidungstext

Betreff



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100259/2014, betreffend Umsatzsteuer 2009 (mitbeteiligte Partei: P R in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte besitzt - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - seit eine Gewerbeberechtigung und beantragte am eine UID-Nummer.

2 Am wurde ihm von einem deutschen Autohändler ein am erstmals zum Verkehr zugelassener Audi A4 geliefert, für den ihm der Autohändler 9.243,70 EUR zuzüglich 19% deutsche Umsatzsteuer von 1.756,30 EUR, in Summe also 11.000 EUR in Rechnung stellte. Am übernahm der Mitbeteiligte die Gemischtwarenhandlung seines Vaters, wobei sich im Unternehmensbereich ein Opel Combo befand.

3 Am gab der Mitbeteiligte eine NoVA-Anmeldung betreffend den Audi beim Finanzamt ab. Nach dem Fahrtenbuch verwendete er den Audi bereits ab für unternehmerische Fahrten zu Einschulungen. Ende Mai 2009 verkaufte er den Opel Combo. Am erwarb er einen VW-Golf und meldete diesen auf ein Wechselkennzeichen mit dem Audi an, den er schließlich Anfang April 2010 verkaufte.

4 Über Vorhalt des Finanzamts teilte der Mitbeteiligte mit, er habe den Audi als Privatperson erworben. Die Rechnung laute auch auf ihn als Privatperson und auf seine private Adresse. Im Zeitpunkt des Kaufes habe sich (bis Ende Mai 2009) ein Opel Combo im Unternehmensbereich befunden und daher keine Notwendigkeit für ein zweites Auto bestanden. Im April und Mai 2009 habe er den Audi für Fahrten zu Einschulungen verwendet. Nachdem der Opel Combo Ende Mai 2009 verkauft worden sei, habe er ab Juni 2009 die Warenzustellungen mit seinem Privatfahrzeug durchgeführt. Der Kilometerstand des Audis habe bei Kauf ca. 131.000 und bei Verkauf ca. 149.000 betragen. Ab August 2009 habe er beabsichtigt, den Audi zu verkaufen und beinahe alle unternehmerischen Fahrten mit dem VW-Golf durchgeführt. Der Audi sei nur mehr in geringem Ausmaß unternehmerisch genutzt worden.

5 Auf ein Auskunftsersuchen des Finanzamts teilte der Käufer des Audis mit, dass der Kilometerstand bei Kauf ca. 145.000 betragen habe.

6 Das Finanzamt hielt dem Mitbeteiligten daraufhin vor, vom bis zur Anschaffung des VW-Golf () sei nur der Audi auf den Mitbeteiligten zugelassen gewesen. In diesem Zeitraum seien unternehmerische Fahrten im Ausmaß von

3.829 Kilometern mit dem Audi vorgenommen worden. Dies sei daraus abzuleiten, dass der Mitbeteiligte dafür das amtliche Kilometergeld als Betriebsausgabe geltend gemacht habe. Unter Zugrundelegung der angegebenen Kilometerstände einerseits und der angeführten unternehmerischen Fahrten andererseits ergebe sich eine unternehmerische Nutzung von mindestens 21,29% und maximal 38,29%, also in jedem Fall eine unternehmerische Nutzung von mehr als 10%.

7 Das Finanzamt erließ in der Folge einen Umsatzsteuerbescheid, in dem es für den Erwerb des Audis Erwerbsteuer vorschrieb.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und änderte die Umsatzsteuerfestsetzung 2009 zu dessen Gunsten ab. Begründend führte es aus, im Zeitpunkt des Kaufs des Audis sei dem Mitbeteiligten auch der Opel Combo, aber sonst kein weiteres Fahrzeug zur Verfügung gestanden. Er habe den Audi im April und Mai 2009 für unternehmerische Fahrten zu Einschulungen verwendet. Ende Mai 2009 sei der Opel Combo verkauft worden. Ab diesem Zeitpunkt sei der Audi zumindest bis zum Kauf des VW Golf am auch für unternehmerische Zwecke, und zwar zu mindestens 21,29%, verwendet worden. Es treffe zu, dass die nachgelagerte tatsächliche Verwendung ein Indiz dafür sei, welche Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Kaufs des Audis bestanden habe. Allerdings sei dies nur ein Indiz. Andere vorgebrachte Umstände und Beweggründe seien ebenfalls zu würdigen. Für die vom Mitbeteiligten behauptete Absicht spreche, dass im Zeitpunkt des Kaufes ein anderes Fahrzeug (Opel Combo) für unternehmerische Zwecke zur Verfügung gestanden sei, für private Zwecke hingegen kein anderes. Glaubwürdig sei auch, dass der Mitbeteiligte betrieblich unerfahren gewesen sei, weshalb er zunächst angenommen habe, dass der Opel Combo für das Unternehmen unerlässlich sei und der Audi nur für die (anfänglichen) Fahrten zur Einschulung, also ganz untergeordnet unternehmerisch, habe verwendet werden sollen, um während dieser Verwendung Belieferungen von Kunden (durch einen der Angestellten) zu gewährleisten. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass der Audi für unternehmerische Zwecke genüge, weshalb der Mitbeteiligte erst dann bzw. deshalb den Entschluss gefasst habe, den Opel Combo zu verkaufen. Weiters spreche die bloß geringe Steuersatzdifferenz (92,44 EUR) dagegen, dass der Mitbeteiligte gegenüber dem deutschen Autohändler unzutreffend als Privatperson (diesfalls 19% deutsche Umsatzsteuer) anstatt richtig als Unternehmer (diesfalls 20% österreichische Erwerbsteuer) aufgetreten sei.

9 Es wäre allerdings auch möglich, dass dem Mitbeteiligten bereits beim Kauf des Audis bewusst gewesen sei, dass der Audi auch für unternehmerische Zwecke ausreichend sei und dass er bereits beim Kauf des Audis die Absicht gehabt habe, den Opel Combo zu verkaufen. Diesfalls wäre davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte bereits beim Kauf die Absicht gehabt habe, den Audi nicht bloß geringfügig unternehmerisch zu nutzen. Dies hätte zur Folge, dass bei Verneinung des Zuordnungswahlrechts ein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern wäre.

10 Gebe es wie im konkreten Fall Gründe, die für die vom Mitbeteiligten behauptete Absicht sprächen, als auch Gründe, die dagegen sprächen, komme der Behauptung des Mitbeteiligten besonderes Gewicht zu. In freier Beweiswürdigung komme das BFG daher zum Schluss, dass die vom Mitbeteiligten behauptete Absicht vorgelegen sei.

11 Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liege daher nicht vor. Daran ändere auch die (zunächst nicht geplante) nachgelagerte, nicht bloß geringfügige unternehmerische Verwendung nichts. Die Frage, ob ein Zuordnungswahlrecht bestehe, stelle sich daher nicht.

12 Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil keine grundsätzliche Rechtsfrage vorliege. 13 Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts. Zu deren Zulässigkeit macht das Finanzamt wesentliche Verfahrens- und Begründungsmängel sowie das Vorliegen einer unvertretbaren Beweiswürdigung des BFG geltend. Wenn der in Deutschland erworbene gebrauchte PKW ab dem Tag der Zulassung zu mindestens 21,29 Prozent für genau jene unternehmerischen Fahrten zu Einschulungen genutzt worden sei, die von der mitbeteiligten Partei schon von vornherein beabsichtigt gewesen seien, so sei nach Auffassung des Finanzamtes aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses jener Denkprozess, der zur Verneinung der Verwirklichung des Tatbestandes des innergemeinschaftlichen Erwerbes führe, nicht nachvollziehbar.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum innergemeinschaftlichen Erwerb von Personenkraftwagen zulässig; sie ist aber im Ergebnis nicht begründet.

16 Die Amtsrevision wendet sich mit näherer Begründung gegen die Beweiswürdigung des BFG hinsichtlich einer vollständigen privaten Zuordnung des vom Mitbeteiligten erworbenen gebrauchten PKW und stellt dar, dass bei richtiger Würdigung der Beweisergebnisse von einer von vornherein beabsichtigten mehr als 10%-igen unternehmerischen Nutzung des erworbenen gebrauchten PKW durch den Mitbeteiligten auszugehen gewesen wäre, was zu einer zwingenden Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs des PKW geführt hätte.

17 Mit diesen Einwänden zeigt die Amtsrevision zwar Schwächen in der Beweiswürdigung des BFG auf, sie vermag jedoch aus den nachstehend angeführten Gründen im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses darzutun.

18 Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Insofern besteht für diese Gegenstände - gegenüber § 12 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 - eine besondere gesetzlich vorgezeichnete Zuordnung. 19 Daraus ergibt sich, dass ohne eine besondere Zuordnungsentscheidung des Mitbeteiligten von einer vollständigen "Privatzuordnung" des revisionsgegenständlichen PKW auszugehen ist.

20 Dieses Ergebnis entspricht auch den Vorgaben des Unionsrechts, hat der EuGH doch in seinem Urteil vom , C-415/98, Bakcsi, Rn. 26 entschieden, dass das unionsrechtliche Mehrwertsteuerrecht "keine Bestimmungen (enthält), die einem Steuerpflichtigen verbieten, ein Investitionsgut, das er sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke erwirbt, in vollem Umfang in seinem Privatvermögen zu belassen und dadurch vollständig dem Mehrwertsteuersystem zu entziehen". 21 Einer grundsätzlichen "Privatzuordnung" von zur gemischten Nutzung erworbenen PKW steht auch Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 nicht entgegen, weil diese Bestimmung lediglich die Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 beim innergemeinschaftlichen Erwerb nicht greifen lässt, da andernfalls der Erwerb eines PKW stets "nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten" würde und somit einen innergemeinschaftlichen Erwerb bereits kategorisch ausschlösse (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 Art. 12 BMR Rz 12, sowie ). Für das Wahlrecht iSd der Rs Bakcsi bleibt jedoch die allgemeine Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 als gesetzlich vorgezeichnete Zuordnungsregelung maßgebend. 22 Das vom Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung für die Zuordnung des revisionsgegenständlichen gebrauchten PKW ins Treffen geführte Erkenntnis des , betrifft demgegenüber nur solche Fallkonstellationen, in denen es Hinweise auf eine Zuordnung des Steuerpflichtigen gibt, die von der in § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gesetzlich vorgezeichneten Zuordnung abweicht. Eine solche Zuordnung nach § 12 Abs. 2 Z 1 lit. b UStG 1994 wäre dem Finanzamt bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums schriftlich mitzuteilen.

23 Im Revisionsfall hat das BFG jedoch keinerlei diesbezügliche Anhaltspunkte festgestellt, sodass von einer vollständigen Zuordnung zum außerunternehmerischen Bereich gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 auszugehen war, wofür es auch keiner besonderen Mitteilung des Mitbeteiligten bedurfte. 24 Die Revision erweist sich sohin im Ergebnis als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150008.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-47332