VwGH 26.09.2019, Ra 2018/10/0124
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | ASGG §65 Abs1 Z3 ASVG §324 AVG §59 Abs1 B-VG Art10 Abs1 Z11 B-VG Art12 Abs1 Z1 SHG Stmk 1998 §13 Abs4 SHG Stmk 1998 §4 Abs1 SHG Stmk 1998 §5 Abs1 VwGVG 2014 §17 VwRallg |
RS 1 | Eine Streitigkeit über die in § 324 ASVG geregelte Legalzession stellt eine Sozialrechtssache iSd § 65 Abs. 1 Z 3 ASGG zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Sozialversicherungsträger dar (vgl. ), die als solche vor dem Arbeits- und Sozialgericht zu klären ist, wohingegen über einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes im Verwaltungsrechtsweg nach den Sozialhifegesetzen abzusprechen ist. Aufgrund der unterschiedlichen - insoweit auf verschiedenen kompetenzrechtlichen Grundlagen beruhenden (vgl. Art. 10 Abs. 1 Z 11 (Sozialversicherungswesen) und Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG (Armenwesen)) - Rechtsgrundlagen, die unterschiedliche Rechtsverhältnisse regeln, kann es der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihres Vollzugsbereiches nicht "aus kompetenzrechtlichen Gründen" verwehrt sein, bei der Festsetzung des Anspruches des Hilfesuchenden gegenüber dem Sozialhilfeträger eine ziffernmäßig bestimmte Eigenleistung des Hilfesuchenden bis zur Änderung der Einkommensverhältnisse in den Spruch aufzunehmen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Liezen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 47.31-819/2018-9, betreffend Kostenübernahme für die Unterbringung im Pflegeheim (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen; mitbeteiligte Partei: G G in Ö), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde (der nunmehrigen Revisionswerberin) vom wurde der Mitbeteiligten "Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der Kosten/Restkosten, soweit diese nicht durch Einkommen oder Pflegegeld (Pension, Pflegegeld, etc.) gedeckt werden", für die Unterbringung in einer näher bezeichneten stationären Einrichtung ab gewährt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom änderte das Landesverwaltungsgericht Steiermark - in Stattgebung der von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde - den Bescheid dahingehend ab, dass der Mitbeteiligten "Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form der Übernahme der nicht durch ihre Eigenmittel (80 % der laufenden Pensionsbezüge sowie 80 % des Pflegegeldbezuges) gedeckten Kosten ihrer Unterbringung im Pflegeheim (...) ab für die Dauer der Pflegeheimunterbringung gewährt" werde. Die Eigenleistung betrage ab bis zur Änderung der Einkommensverhältnisse EUR 1.760,27.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 In der Zulassungsbegründung der Revision wird zunächst geltend gemacht, es existiere noch keine Judikatur dazu, "wie die allgemeine Prüfung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz - SHG 1998 (im Folgenden StSHG), i.d.F. LGBl. Nr. 47/2018, bei der Zuerkennung einer hoheitlichen 'Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes' nach dem 2. Abschnitt A. des StSHG zu erfolgen" habe. Aufgrund der jährlichen Kosten der Sozialhilfe sowie der hohen Antragszahlen erscheine es unverzichtbar, "exakte Beurteilungskriterien bei der Berechnung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 StSHG festzusetzen". Ebenso existiere keine höchstgerichtliche Judikatur, "wie die behördliche Einkommensberechnung zur Beurteilung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem §§ 4 Abs 1 und 5 Abs 1 StSHG bei den unterschiedlichen Leistungen nach dem 2. Abschnitt A. des StSHG konkret zu erfolgen" habe. Am Landesverwaltungsgericht Steiermark gebe es bei der Beurteilung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit, wenngleich teils bei verschiedenen Leistungsarten der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs, keine einheitliche Entscheidungspraxis. Beispielsweise werde völlig uneinheitlich beurteilt, ob Sonderzahlungen bei der Berechnung des Einkommens einzurechnen bzw. gewisse Ausgaben vom Einkommen abzuziehen seien. Ferner komme der Lösung der Rechtsfrage, "wie die finanzielle Hilfsbedürftigkeit im gegenständlichen Fall gem §§ 4, 5, 9 Abs 2 lit b und 13 StSHG zu beurteilen" sei, grundsätzliche Bedeutung zu.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. etwa ; , Ra 2019/06/0111 bis 0113; , Ra 2016/10/0133, jeweils mwN).
8 Die vorliegende Zulassungsbegründung lässt eine Bezugnahme auf die konkrete Rechtssache vermissen. Mit dem wiedergegebenen allgemein gehaltenen Vorbringen wird nicht konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufgezeigt, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. ).
9 Abgesehen davon, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (vgl. , mwN), wird mit diesem Zulässigkeitsvorbringen auch nicht dargelegt, inwiefern der behaupteten uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes für den vorliegenden Fall Relevanz zukommen sollte.
10 Die Zulassungsbegründung bringt weiters vor, im angefochtenen Erkenntnis sei es zu einer nicht gesetzeskonformen "Vermischung" der - zuerst vorzunehmenden - allgemeinen Prüfung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit gem. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 StSHG mit der erst abschließend - nach der Prüfung der besonderen Anspruchsvoraussetzungen je Leistungsart - durchzuführenden Festsetzung eines Eigenleistungsbetrages des Hilfeempfängers zur zuerkannten Leistung gem. § 13 Abs. 4 StSHG, § 324 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und § 13 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) gekommen. Durch diese Vermischung habe das Verwaltungsgericht als "Folgefehler" in Abänderung des verwaltungsbehördlichen Bescheides einen ziffernmäßig bestimmten Eigenleistungsanteil gemäß § 13 Abs. 4 StSHG festgesetzt, wodurch es zu einer rechtswidrigen Kompetenzüberschreitung gekommen sei, weil die ziffernmäßig bestimmte Pensions- und Pflegegeldteilung von der Pensionsversicherungsanstalt gemäß § 324 ASVG und § 13 BPGG durchzuführen sei. Es stelle sich daher die weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, ob eine Bezirksverwaltungsbehörde in Anwendung des StSHG aus kompetenzrechtlichen Gründen überhaupt einen ziffernmäßig bestimmten Eigenleistungsanteil festsetzen könne, wenn die Durchführung der Pensions- und Pflegegeldteilung sozialversicherungsrechtlich alleine dem Sozialversicherungsträger zukomme.
11 Was die Ausführungen zur "Vermischung" der Prüfung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit mit der Festsetzung des Eigenleistungsbetrages betrifft, verabsäumt die Revision darzutun, worin diese Vermischung bestanden haben soll und inwiefern eine solche im konkreten Fall Auswirkungen gehabt hätte, zumal die Revisionswerberin selbst das Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit bejaht hatte. Die Revision lässt auch nachvollziehbare Ausführungen zur konkreten Berechnung des Eigenleistungsbeitrages vermissen. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung über die Revision von dieser Frage abhängen sollte.
12 Zu den weiteren Ausführungen der Revisionswerberin ist darauf hinzuweisen, dass eine Streitigkeit über die in § 324 ASVG geregelte Legalzession eine Sozialrechtssache iSd § 65 Abs. 1 Z 3 ASGG zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Sozialversicherungsträger darstellt (vgl. ), die als solche vor dem Arbeits- und Sozialgericht zu klären wäre, wohingegen im gegenständlichen Verfahren über den Antrag der Mitbeteiligten auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes im Verwaltungsrechtsweg nach dem StSHG abzusprechen war. Aufgrund der unterschiedlichen - insoweit auf verschiedenen kompetenzrechtlichen Grundlagen beruhenden (vgl. Art. 10 Abs. 1 Z 11 (Sozialversicherungswesen) und Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG (Armenwesen)) - Rechtsgrundlagen, die unterschiedliche Rechtsverhältnisse regeln, kann es der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihres Vollzugsbereiches nicht "aus kompetenzrechtlichen Gründen" verwehrt sein, bei der Festsetzung des Anspruches des Hilfesuchenden gegenüber dem Sozialhilfeträger eine ziffernmäßig bestimmte Eigenleistung des Hilfesuchenden bis zur Änderung der Einkommensverhältnisse in den Spruch aufzunehmen.
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | ASGG §65 Abs1 Z3 ASVG §324 AVG §59 Abs1 B-VG Art10 Abs1 Z11 B-VG Art12 Abs1 Z1 SHG Stmk 1998 §13 Abs4 SHG Stmk 1998 §4 Abs1 SHG Stmk 1998 §5 Abs1 VwGVG 2014 §17 VwRallg |
Schlagworte | Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1 Spruch Diverses |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100124.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-47282