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VwGH 23.04.2020, Ra 2018/06/0099

VwGH 23.04.2020, Ra 2018/06/0099

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
BauO Tir 2018 §2 Abs17 lita
VwRallg
RS 1
Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 2 Abs. 17 lit. a Tir BauO 2018 sind die in dieser Bestimmung aufgezählten Bauteile nur dann untergeordnete Bauteile, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche und zur Länge der betroffenen Fassaden bzw. Dächer untergeordnet sind. Wie sich aus der Verwendung des Wortes "und" ergibt, müssen die genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, die Bauteile somit sowohl im Verhältnis zur Fläche als auch zur Länge der betroffenen Fassaden bzw. Dächer untergeordnet sein. Die Ansicht, wonach in einer kombinierten Gesamtbetrachtung des Längen- und Flächenverhältnisses eine etwas zu Lasten des Längenverhältnisses gehende Länge des Bauteiles dadurch kompensiert werden könne, dass der Bauteil bei einer flächenmäßigen Betrachtung nicht ins Gewicht falle, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Eine derartige Regelungsabsicht des Landesgesetzgebers lässt sich zudem auch nicht den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 94/2016 (GZ 319/16) entnehmen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des R H in K, vertreten durch Dr. Johannes Margreiter, Rechtsanwalt in 6060 Hall in Tirol, Pfarrplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2018/42/0295-5, betreffend Feststellung der Bewilligungspflicht eines angezeigten Bauvorhabens (belangte

Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel, vertreten durch Dr. Brüggl & Dr. Harasser,

Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Stadtgemeinde K. Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. vom , mit welchem die Bewilligungspflicht des angezeigten Bauvorhabens der Errichtung eines Balkons auf der Südwestfassade des bestehenden Wohnhauses auf einer näher bezeichneten Liegenschaft festgestellt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das gegenständliche Bauvorhaben sei gemäß § 28 Abs. 1 lit. b Tiroler Bauordnung 2018 - TBO 2018 bewilligungspflichtig, weil das bestehende Gebäude durch die Errichtung dieses Balkons eine Änderung erfahre, durch die allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt würden. Die Regelung des § 28 Abs. 2 lit. a TBO 2018 greife nicht, weil es sich beim angezeigten Balkon nicht um einen untergeordneten Bauteil im Sinn des § 2 Abs. 17 TBO 2018 handle, zumal dieser mehr als die Hälfte der gesamten Fassadenlänge einnehme. 6 In den zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Gründen bringt der Revisionswerber vor, dass die aktuelle Fassung des § 2 Abs. 17 TBO 2018 auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 16 TBO 2001 zurückgehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis , ausgesprochen, dass "offene Balkone" nicht schon allein deshalb, weil dieser Begriff in § 2 Abs. 16 TBO 2001 genannt sei, ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordnete Bauteile" anzusehen seien. Der Begriff "untergeordnete Bauteile" sei mit der Baurechtsnovelle LGBl. Nr. 94/2016 unter Beachtung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und zur Vermeidung von Unklarheiten in der Vollziehung neu gefasst worden. Dem gesetzgeberischen Willen, der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und dem Zweck des Gesetzes entspreche es nur, wenn die Frage, ob ein solcher "untergeordneter Bauteil" vorliege, in einer kombinierten Gesamtbetrachtung des Längen- und Flächenverhältnisses gelöst werde, sodass eine etwas zu Lasten des Längenverhältnisses gehende Länge des Bauteiles dadurch kompensiert werden könne, dass der Bauteil bei einer flächenmäßigen Betrachtung nicht ins Gewicht falle. 7 Zudem liege ein Begründungsmangel vor, weil das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung das vom bautechnischen Amtssachverständigen willkürlich gewählte und nach Ansicht des Revisionswerbers unzutreffende Längenausmaß der betreffenden Fassade ungeprüft und unkritisch zugrunde gelegt habe.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. 8 Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 2 Abs. 17 lit. a TBO 2018 sind die in dieser Bestimmung aufgezählten Bauteile nur dann untergeordnete Bauteile, wenn sie im Hinblick auf ihre Abmessungen im Verhältnis zur Fläche und zur Länge der betroffenen Fassaden bzw. Dächer untergeordnet sind. Wie sich aus der Verwendung des Wortes "und" ergibt, müssen die genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, die Bauteile somit - wie auch der gegenständliche Balkon - sowohl im Verhältnis zur Fläche als auch zur Länge der betroffenen Fassaden bzw. Dächer untergeordnet sein. Die vom Revisionswerber vertretene Ansicht, wonach in einer kombinierten Gesamtbetrachtung des Längen- und Flächenverhältnisses eine etwas zu Lasten des Längenverhältnisses gehende Länge des Bauteiles dadurch kompensiert werden könne, dass der Bauteil bei einer flächenmäßigen Betrachtung nicht ins Gewicht falle, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung.

9 Eine derartige Regelungsabsicht des Landesgesetzgebers lässt sich zudem auch nicht den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. Nr. 94/2016 (GZ 319/16) entnehmen, in welchen auf die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen wird. So hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere in dem vom Revisionswerber zitierten Erkenntnis , ausgesprochen, dass "offene Balkone" nicht schon allein auf Grund ihrer Nennung in § 2 Abs. 16 TBO 2001 ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordneter Bauteil" anzusehen sind. Die vom Revisionswerber gewünschte kombinierte Gesamtbetrachtung des Längen- und Flächenverhältnisses lässt sich aus diesem Erkenntnis hingegen nicht ableiten.

10 Im Übrigen ist die Frage, ob ein konkreter Bauteil als "untergeordneter Bauteil" im Sinn des § 2 Abs. 17 lit. a TBO 2018 anzusehen ist oder nicht, im Einzelfall anhand der oben dargelegten Kriterien zu beurteilen und unterliegt demnach grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa , mwN).

11 Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargestellt, und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, wonach das zugrunde gelegte Längenausmaß der betreffenden Fassade unzutreffend sei, eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG kann aber nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. , mwN). Auch ein Begründungsmangel liegt insoweit nicht vor, zumal das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis die Fassadenlänge festgestellt und sich hierbei auf die vom Revisionswerber im Verfahren nicht bekämpften Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen gestützt hat.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

12 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil es in den zitierten Bestimmungen keine Deckung findet (vgl. § 1 Z 2 lit. a VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014).

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
BauO Tir 2018 §2 Abs17 lita
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060099.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-47214