VwGH 22.01.2021, Ra 2018/05/0015
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO Wr §129 Abs4 BauRallg |
RS 1 | Die Frage, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich des Standes der Technik zur Beseitigung des Baugebrechens abzustellen ist, stellt eine Rechtsfrage dar, die durch das VwG selbst zu klären ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der S GmbH in W, vertreten durch Mag. Peter A. Miklautz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/2/2/36, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-251/019/13284/2017/VOR-3, betreffend eine Kostenvorschreibung nach dem VVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Wien hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom erteilte die belangte Behörde der revisionswerbenden Partei als Eigentümerin der Baulichkeit auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 129 Abs. 2 und 4 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) unter anderem den Auftrag, binnen einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides das schadhafte Dach des Gebäudes niederschlagsdicht instand setzen zu lassen und die Erfüllung des Auftrages der Behörde unter Anschluss eines Nachweises über die vorschriftsmäßige Durchführung schriftlich zu melden. In der Begründung wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass am bestehenden Dach stellenweise Dachziegel verschoben seien bzw. stellenweise Dachziegel zur Gänze fehlten.
2 Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom wurde der revisionswerbenden Partei zur Erbringung der aufgetragenen Leistung nochmals eine Frist von vier Wochen gesetzt und für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieses Auftrages die Ersatzvornahme angedroht.
3 Mit Vollstreckungsverfügung der belangten Behörde vom wurde gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) die zwangsweise Durchführung des mit Bescheid vom ergangenen Bauauftrages in Bezug auf die Instandsetzung des Daches durch Ersatzvornahme angeordnet.
4 Mit Bescheid vom wurden der revisionswerbenden Partei die mit € 25.242,23 bestimmten Kosten für die Durchführung bzw. die Beauftragung der mit Vollstreckungsverfügung vom angeordneten Ersatzvornahme vorgeschrieben und ihr aufgetragen, den Betrag binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides bei sonstiger Exekution einzuzahlen.
5 Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die revisionswerbende Partei dem mit Bescheid vom erteilten Auftrag nicht entsprochen habe, weshalb mit Vollstreckungsverfügung vom die aufgetragenen Maßnahmen im Wege der Ersatzvornahme angeordnet und nunmehr hinsichtlich der Ziviltechnikerleistungen teilweise durchgeführt und in Bezug auf die Professionistenleistung beauftragt worden seien. Während der laufenden behördlichen Durchführung sei den vorgeschriebenen Arbeiten durch die Verpflichtete nach Beauftragung der Dachdeckerei G. H. GmbH nachgekommen worden. Die behördliche Durchführung sei daher abzubrechen gewesen und der Dachdeckerei G. H. GmbH die Abgeltung des entstandenen Nachteiles bei Abbestellung des erteilten Auftrages gemäß den vertraglich bedungenen Regelungen der ÖNORM B 2110 zu ersetzen gewesen. Die der Behörde dadurch erwachsenen, in den beiliegenden geprüften Rechnungsdurchschriften aufgegliederten Auslagen fielen der Verpflichteten zur Last, wobei sich der Gesamtbetrag wie folgt aufgliedere:
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1. Teilrechnung Dr. K. H. ZT GmbH | € 3.124,74 |
Schlussrechnung Dr. K. H. ZT GmbH | € 622,75 |
Dachdeckerei G. H. GmbH | € 19.200,00 |
Personal- und Sachaufwand der Vollstreckungsbehörde | € 2.294,74 |
Offener Gesamtbetrag: | € 25.242,23 |
6 In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde hielt die revisionswerbende Partei zunächst fest, dass die Kosten aus den beiden Rechnungen der Dr. K. H. ZT GmbH im Ausmaß von € 2.665,39 unbekämpft blieben.
7 Zu den Kosten der Dachdeckerei G. H. GmbH führte sie im Wesentlichen aus, die Dachdeckerei G. H. GmbH sei am mit der Ersatzvornahme beauftragt worden und es sei ihr bereits am von der belangten Behörde mitgeteilt worden, dass die Durchführung der Arbeiten nicht zu erfolgen habe. Grund dafür sei gewesen, dass die revisionswerbende Partei selbst im Zeitraum von 17. bis den Bauauftrag durch private Auftragsvergabe an einen Dritten erfüllt habe. Die Auftragssumme sei durch die Dachdeckerei G. H. GmbH mit einem Betrag von € 83.911,17 netto kalkuliert worden, wobei seitens der revisionswerbenden Partei nicht nachvollzogen werden könne, wie sich dieser Betrag zusammensetze. Jedenfalls könne selbst bei wohlwollender Betrachtung diese Auftragssumme nicht mit einer Instandsetzung wegen stellenweise verschobener bzw. fehlender Dachziegel in Einklang gebracht werden. Dies erhelle auch aus der Betrachtung der Abrechnung des von der revisionswerbenden Partei privat beauftragten Dritten, welche - trotz des Enthaltens weiterer gar nicht vom Bauauftrag umfasster Leistungen - lediglich einen Betrag von € 4.806,90 netto bzw. € 5.768,28 brutto ausweise, wobei der Leistungszeitraum überdies nur zwei Tage betragen habe. Es könne nur vermutet werden, dass seitens des von der Behörde beauftragten Dritten eine gesamte Neueindeckung des Daches angeboten und nun zum Kostenersatz herangezogen worden sei. Eine Neueindeckung wäre aber zu keinem Zeitpunkt vom Bauauftrag erfasst gewesen, sondern lediglich eine Instandsetzung wegen stellenweise verschobener bzw. fehlender Dachziegel. Vom Bauauftrag nicht gedeckte Leistungen seien aber auch nicht ersatzfähig. Zudem habe der bekämpfte Bescheid die Nachteilsabgeltung mit der Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 begründet, während sich die Dachdeckerei G. H. GmbH bei deren Berechnung auf die Vertragsgrundlage der Stadt Wien für Bauleistungen WD 314 Pkt 3.4.5, welche von der zitierten ÖNORM abweiche, gestützt habe, sodass die Bescheidbegründung unrichtig sei. Darüber hinaus bestünde auf Grund der erst am erfolgten Beauftragung und der bereits am erfolgten Mitteilung, dass die Arbeiten nicht auszuführen seien, keinerlei Grundlage für Forderungen aus „Bauzins“ und „Wagnis“. Auch eine Forderungsbegründung auf Basis von Geschäftsgemeinkosten sei nicht rechtmäßig, zumal aus dem Akt nicht erkennbar sei, welche Kosten bei der Dachdeckerei G. H. GmbH angefallen wären. Im Übrigen widerspreche die Weiterverrechnung des „Nachteilsausgleichs“ dem Legalitätsprinzip, weil eine dafür erforderliche gesetzliche Grundlage fehle.
8 Zu den Kosten der Dr. K. H. ZT GmbH brachte die revisionswerbende Partei vor, dass dem ihr erteilten Bauauftrag, das schadhafte Dach des Gebäudes niederschlagsdicht instand setzen zu lassen, ein behördlicher Ortsbefund vorausgegangen sei, bei welchem festgestellt worden sei, dass am bestehenden Dach stellenweise Dachziegel verschoben seien bzw. stellenweise zur Gänze fehlten. Eine gutachterliche Stellungnahme, wie im Leistungsverzeichnis der Dr. K. H. ZT GmbH angeführt, sei jedenfalls entbehrlich gewesen, da bereits ein Bauauftrag konkret erteilt worden sei und der Dritte ohnedies für „Ausschreibung/Massen und nachfolgende Angebotsprüfung etc.“ Kosten anspreche. Da dies somit über die zu erbringende Leistung hinausgehe, bestehe keine Kostenersatzpflicht der revisionswerbenden Partei für die Stellungnahme in Höhe von € 751,26 netto. In gleicher Weise gehe auch die Begehung vom (€ 158,16 netto) über den Bauauftrag hinaus, da bereits am eine behördliche Begehung stattgefunden habe und die Durchführung des Bauauftrages bestätigt worden sei. Diese bekämpften Kostenpositionen ergäben einen Betrag von insgesamt € 1.145,87 (inkl. 5 % Nebenkosten und 20 % USt).
9 Zum Personal- und Sachaufwand der Vollstreckungsbehörde führte die revisionswerbende Partei aus, dass ihr laut Abrechnung der Dr. K. H. ZT GmbH sämtliche Leistungen vorgeschrieben würden, die im Zusammenhang mit einer einleitenden Stellungnahme, der Ausschreibung und der Auftragsvergabe zur Durchführung der Ersatzvornahme denkbar seien. Selbst zu den Begehungen am und am sei die Dr. K. H. ZT GmbH beigezogen worden, weshalb darüber hinaus keine weitere Leistungserbringung der Behörde ersichtlich sei, welche nicht an einen Dritten - dessen Kosten die Behörde ohnedies vorschreibt - vergeben worden seien.
10 Abschließend beantragte die revisionswerbende Partei, das Verwaltungsgericht Wien möge eine mündliche Verhandlung durchführen und den angefochtenen Bescheid dahin abändern, dass ihr lediglich ein Kostenersatz in der Höhe von € 2.665,39 auferlegt werde.
11 Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde der revisionswerbenden Partei vor und erstattete unter einem eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen.
12 Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom wurde der revisionswerbenden Partei der „ergänzte Akteninhalt, konkret die Stellungnahme“ der belangten Behörde vom zur Kenntnis gebracht und ihr die Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geboten.
13 Mit Erkenntnis der Landesrechtspflegerin des Verwaltungsgerichtes Wien vom wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
14 In ihrer mit Schreiben vom erhobenen Vorstellung beantragte die revisionswerbende Partei, den Akt dem zuständigen Mitglied des Verwaltungsgerichtes zur richterlichen Entscheidung über die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorzulegen.
15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Beschwerde der revisionswerbenden Partei - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
16 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften sowie nach wörtlicher Wiedergabe der Stellungnahme der belangten Behörde vom im Wesentlichen aus, dass die gegenständlichen Rechnungen der Vollstreckungsbehörde vorgelegt und seitens des Amtssachverständigen der Vollstreckungsbehörde Ausmaß und Preisangemessenheit der vorgelegten Rechnungen überprüft und für richtig befunden worden seien. Die Rechnungen bewegten sich im Rahmen der eingeholten Kostenvoranschläge, welche ebenfalls von der belangten Behörde auf Preis- und Leistungsangemessenheit überprüft worden seien.
17 Zum Einwand der revisionswerbenden Partei betreffend die Beauftragung der Dachdeckerei G. H. GmbH erst am sei auszuführen, dass bereits mit Unterfertigung des Auftragsschreibens am der Leistungsauftrag für beide Vertragspartner bindend geworden sei. Zum Einwand der revisionswerbenden Partei, wonach lediglich die Instandsetzung des Daches gefordert und nicht eine Neueindeckung des Daches erforderlich gewesen sei, verwies das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen der belangten Behörde, wonach es sich bei dem Dach um eine Deckung mit Tondachziegeln, verlegt auf Dachlatten gehandelt habe, welche wiederum auf dem Gespärre angebracht gewesen seien. Dabei habe es sich, abgestellt auf den Errichtungszeitpunkt des Gebäudes, um einen damals üblichen Dachaufbau gehandelt. Wie die belangte Behörde weiters ausgeführt habe, seien sohin für die sich aus der Bauordnung ergebende Forderung des Standes der Technik die Herstellung eines Unterdaches und in diesem Zusammenhang die gesamte Ziegeleindeckung und Dachlattung zu entfernen, zumindest ein Unterdach mittels einer Unterspannbahn anzubringen und die Dachdeckung samt Lattung wieder neu herzustellen gewesen; da die Wiederverwendung der Dachziegel nicht wirtschaftlich gewesen wäre, sei seitens des Ziviltechnikerbüros als gelindestes zum Ziel führendes Mittel eine völlige Neueindeckung beschlossen worden. Im Anschluss führte das Verwaltungsgericht aus, dass das erkennende Gericht den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen nicht entgegen zu treten vermöge und daher davon ausgehe, dass eine Neueindeckung des gegenständlichen Daches als eine vom ursprünglichen Bauauftrag gedeckte Maßnahme anzusehen sei.
18 Da zwischen der Vollstreckungsbehörde als Auftraggeberin und der Dachdeckerei G. H. GmbH als Auftragnehmerin ein aufrechter Leistungsvertrag bestanden habe, die betriebene Ersatzvornahme aber nicht mehr zur Umsetzung gelangt sei, stehe der Auftragnehmerin nach den Allgemeinen Vertragsbestimmungen der Stadt Wien für Bauleistungen - WD 314, welche auf den Abschnitten 5 bis 12 der ÖNORM B 2110, Ausgabe basierten, eine Nachteilsabgeltung zu. Im Einklang mit diesen Vertragsbestimmungen sei auf Grundlage der im Vergabeverfahren mit € 83.911,17 festgelegten Auftragssumme (netto) und entsprechender Kalkulation ein (Brutto-)Betrag von € 19.200,00 (20,48 % der Gemeinkosten) als Nachteilsabgeltung in Rechnung gestellt worden. Laut der auf der Rechnung angebrachten Stampiglie der Vollstreckungsbehörde habe diese den Betrag zur Zahlung angewiesen, nachdem der Amtssachverständige der Vollstreckungsbehörde Ausmaß und Preisangemessenheit der Rechnung überprüft und für richtig befunden habe; dabei sei davon auszugehen, dass der Sachverständige über das nötige Fachwissen verfüge, um die Angemessenheit der geforderten Nachteilsabgeltung beurteilen zu können.
19 In diesem Zusammenhang werde ausdrücklich auf die in der Stellungnahme der belangten Behörde vom dargelegte Judikatur des Verwaltungsgerichthofes verwiesen, wonach der Verpflichtete es hinnehmen müsse, wenn die Kosten für die Durchführung einer Ersatzvornahme und auch der tatsächlich verrichteten Arbeiten höher seien als sie bei der Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Dazwischentreten gewesen wären, wobei die verpflichtete Partei die Beweislast für die Behauptung der preislichen Unangemessenheit der Kosten der Ersatzvornahme treffe. Dem Einwand der revisionswerbenden Partei, wonach eine weitere Begehung vor Ort und damit eine zusätzliche Stellungnahme der Ziviltechnikerfirma durch den bestehenden ursprünglichen behördlichen Bauauftrag nicht gedeckt sei, sei die Stellungnahme der belangten Behörde vom entgegenzuhalten, wonach die Dr. K. H. ZT GmbH im Vorfeld zu prüfen gehabt habe, ob sich der Dachstuhl noch in einem tragfähigen Zustand befinde, sodass nicht auch noch eine Instandsetzung des Gespärres mit auszuschreiben gewesen wäre. Die am vorgenommene Begehung durch die Ziviltechnikerfirma sei für den Abschluss der behördlichen Durchführung notwendig gewesen. Das Verwaltungsgericht sehe keinen Anlass, die Richtigkeit und Preisangemessenheit des der revisionswerbenden Partei zum Ersatz vorgeschriebenen Leistungsbetrages von € 22.947,49 anzuzweifeln.
20 Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei zur Vorschreibung der Kosten für den Personal- und Sachaufwand der Behörde sei entgegenzuhalten, dass - wie in der Stellungnahme der belangten Behörde vom konkret dargelegt - sowohl die Angebotseinholung und Vergabe der Ziviltechnikerleistung behördlicherseits zu erbringen gewesen sei. Auch die Firmenauswahl und die Vergabe selbst sei durch die belangte Behörde abzuwickeln gewesen. Weiters sei es unerlässlich, dass vor Ort Termine durch behördliche Organe wahrgenommen würden. Letztlich seien auch die Abrechnung des Auftrages an die Dr. K. H. ZT GmbH und die Zahlungsabwicklung sämtlicher gelegter Rechnungen durch die Behörde wahrzunehmen gewesen. Der von der belangten Behörde verrechnete Beitrag zum Personal- und Sachaufwand in einer Höhe von 10 % der ihr erwachsenen Auslagen halte sich im gesetzlichen Rahmen.
21 Insgesamt habe von der revisionswerbenden Partei somit eine Unverhältnismäßigkeit der Kosten im Sinn der höchstgerichtlichen Judikatur nicht substantiiert werden können, weshalb das Verwaltungsgericht Wien im Hinblick auf die erfolgte Ersatzvornahme jedenfalls von ordnungsgemäßen Abläufen in Bezug auf das von der Behörde im gegebenen Fall durchgeführte Vergabeverfahren und von der Angemessenheit der vorgeschriebenen Kosten ausgehe. Zudem habe die belangte Behörde ausführlich dargelegt, weshalb sie im Einklang mit der beauftragten Ziviltechnikerfirma im Zuge der durchzuführenden Ersatzvornahme eine Neueindeckung des Daches als zielführend erachtet habe.
22 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen worden, weil die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstünden.
23 Von einer zeugenschaftlichen Einvernahme des von der revisionswerbenden Partei namhaft gemachten Geschäftsführers sei abzusehen gewesen, zumal nicht dargetan worden sei, zu welchem Beweisthema der Genannte konkret befragt werden sollte.
24 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit infolge Mangelhaftigkeit des Verfahrens und/oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden.
25 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
26 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens von der hg. Rechtsprechung zur Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte als zulässig.
27 § 24 und § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lauten (auszugsweise):
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
...
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389 entgegenstehen.
...“
„Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse
§ 29. (1) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.
...“
28 Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die nach § 29 Abs. 1 VwGVG gebotene Begründung von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben.
29 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).
30 Das angefochtene Erkenntnis wird den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht gerecht. So fehlen ihm nicht nur konkrete Tatsachenfeststellungen zu Art und Ausmaß der der revisionswerbenden Partei als Verpflichteter gemäß § 11 VVG auferlegten Kosten der Vollstreckung sowie des Beitrages zum Personal- und Sachaufwand der Vollstreckungsbehörde, sondern auch die eigenständige rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach mit Blick auf diese Tatsachenfeststellungen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung dieser Kosten gegeben sind, zumal das Verwaltungsgericht hier lediglich die Einwände in der Beschwerde behandelt hat. Dazu kommt, dass das Verwaltungsgericht nur auf jene Beschwerdeeinwände eingegangen ist, die auch in der Stellungnahme der belangten Behörde vom behandelt wurden, und sich in diesem Zusammenhang im Wesentlichen darauf beschränkt hat, die als schlüssig und nachvollziehbar bezeichneten Argumente der belangten Behörde zu übernehmen. Soweit das Verwaltungsgericht hier offenbar davon ausgegangen ist, dass es sich bei den Ausführungen in der Stellungnahme vom um eine Sachverständigenäußerung handle, ist auszuführen, dass etwa die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich des Standes der Technik zur Beseitigung des Baugebrechens abzustellen ist, eine Rechtsfrage darstellt, die durch das Verwaltungsgericht selbst zu klären ist (vgl. dazu etwa Moritz, BauO für Wien6, [2019] Anm zu § 129 Abs. 4, S. 391 f.). Das angefochtene Erkenntnis enthält auch keine Auseinandersetzung mit den Argumenten der revisionswerbenden Partei gegen die Nachteilsabgeltung, welche dem Grunde und der Höhe nach bekämpft wurde, die Angemessenheit des Beitrages zum Personal- und Sachaufwand der Vollstreckungsbehörde und die Erforderlichkeit einer weiteren behördlichen Begehung am unter Beiziehung der Dr. K. H. ZT GmbH.
31 Da sich das angefochtene Erkenntnis somit insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
32 Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG bereits wiederholt festgehalten, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen gehabt hat. Ferner kommt eine ergänzende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht regelmäßig erst nach einer mündlichen Verhandlung in Frage. Bei maßgeblichem sachverhaltsbezogenen Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien ist ebenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen, dies sogar dann, wenn kein Antrag auf eine solche gestellt worden ist (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/05/0051, mwN).
33 Vor diesem Hintergrund wäre im Revisionsfall die von der revisionswerbenden Partei beantragte mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen, weil der von der Baubehörde angenommene Sachverhalt von der revisionswerbenden Partei in ihrer Beschwerde konkret bestritten wurde und das Verwaltungsgericht darüber hinaus seine Entscheidung auch auf die Ausführungen in der Stellungnahme der belangten Behörde vom gestützt hat, die nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war und welche im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erörtern gewesen wäre.
34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. I Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
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Normen | BauO Wr §129 Abs4 BauRallg |
Schlagworte | Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018050015.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-47187