VwGH 03.10.2018, Ra 2017/12/0087
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AVG §37; AVG §39 Abs2; AVG §58 Abs2; AVG §60; VwGG §42 Abs2 Z3 litb; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; VwGVG 2014 §17; |
RS 1 | Im Hinblick auf die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht alle notwendigen Beweise aufzunehmen und darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Ra 2015/08/0006, und vom , 2011/08/0169). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/08/0211 B RS 1 |
Normen | BDG 1979 §43; GehG 1956 §169e Abs1 idF 2015/I/065; GehG 1956 §20c Abs1 idF 2015/I/032; VwGG §42 Abs2 Z3 litb; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; |
RS 2 | Eine Verletzung von Dienstpflichten, in der nicht zugleich strafrechtliche Verstöße liegen, kann im Fall einer entsprechenden Schwere und Häufung sowie unter Berücksichtigung der dienstlichen Position und des Aufgaben- und Verantwortungsbereiches des Beamten für eine Versagung der Jubiläumszuwendung genügen (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (nunmehr: der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W122 2112483-1/16E, betreffend Jubiläumszuwendung (mitbeteiligte Partei: Ing. F B, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war im Jahr 2015 der Zentralleitung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zugewiesen, wo er als Referent (Verwendungsgruppe A2, Funktionsgruppe 7, Gehaltsstufe DAZ) in der Abteilung C2/1 (Rechtsabteilung/Außenwirtschaft) tätig war. Er hat am eine anrechenbare Dienstzeit von vierzig Jahren erreicht.
2 Mit Bescheid der Dienstbehörde vom wurde ausgesprochen, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 20c Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54 (GehG), mangels Erbringung treuer Dienste keine Jubiläumszuwendung gewährt werde.
3 Begründend führte die Behörde aus, als Stichtag für Dienstjubiläen sei für den Mitbeteiligten der festgesetzt worden. Mit Bescheid vom sei dem Mitbeteiligten eine Jubiläumszuwendung für das fünfundzwanzigjährige Dienstjubiläum zuerkannt worden. Im Zeitraum von 1990 bis Jänner 2005 sei der Mitbeteiligte mit der Abwicklung von Gegengeschäften in der hierfür jeweils zuständigen Abteilung befasst gewesen. Am sei ihm seitens des zuständigen Bundesministers eine Ermächtigung zur selbständigen Behandlung gemäß § 10 Abs. 4 Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. Nr. 76, für die Erledigungen betreffend die Abwicklung von Gegengeschäften erteilt worden, von welcher der Mitbeteiligte auch Gebrauch gemacht habe. Ebenso habe der Mitbeteiligte die Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen im Bereich Gegengeschäfte sowie nach Zuschlagserteilung die Verhandlungen betreffend den Gegengeschäftevertrag mit der X GmbH koordiniert. Er sei für die Prüfung der Einreichungen der X GmbH im Zeitraum von 2002 bis Anfang 2005 zuständig gewesen. Darüber hinaus habe der Mitbeteiligte die Sitzungen der Plattform Gegengeschäfte koordiniert und habe Zugang zu sämtlichen diesbezüglichen Unterlagen gehabt. Über Anforderung des damaligen Leiters des "Center/2" sei der Mitbeteiligte am auch der Abteilung C2/1 Rechtsabteilung-Außenwirtschaft zur Dienstleistung zugewiesen worden. Ab diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr für die Agenda Gegengeschäfte inhaltlich zuständig gewesen. Für die Sitzung betreffend die interne Verhandlungsstrategie bei dem damals zuständigen Bundesminister am sei der Mitbeteiligte der zuständige Sachbearbeiter gewesen. Als solcher habe er entsprechende Ministerinformationen erhalten. Außerdem sei der Mitbeteiligte bei den weiteren Verhandlungen von Gegengeschäften mit dem Y Unternehmen, auf dessen Seite u.a. Frau O teilgenommen habe, anwesend gewesen. Das Y Unternehmen sei durch den Mitbeteiligten am über die Punkte der internen Verhandlungsstrategie des damals zuständigen Bundesministers entsprechend den in der internen Besprechung am definierten Vorgaben vor Abschluss des Gegengeschäftevertrags detailliert und vollständig informiert worden. Es seien seitens des Mitbeteiligten mit Vertretern des Y Unternehmens in den Jahren von 2003 bis 2006 zahlreiche Informationen ausgetauscht worden. So habe der Mitbeteiligte der beim Unternehmen Y tätigen Frau O, die er seit dem Jahr 2002 gut gekannt habe, per E-Mail vom die Einladung und die Tagesordnung für die Sitzung der Plattform Gegengeschäfte für den sowie das Ergebnisprotokoll der Sitzung der Plattform Gegengeschäfte vom übermittelt. Vertreter des Unternehmens Y hätten naturgemäß nicht an dieser Sitzung teilgenommen. Beide E-Mails seien durch den Mitbeteiligten mit dem Vermerk "vertrauliche Information" bzw. "zur sehr vertraulichen Kenntnis" versehen worden. Weiters habe der Mitbeteiligte mit E-Mail vom die Geschäftseinteilung des Bundesministeriums vom , mit welcher die neue Gegengeschäfteabteilung C2/9 eingerichtet worden sei, Frau O beginnend mit der Anrede "Liebe (Vorname)! ..."
übermittelt. Am habe der Mitbeteiligte mit derselben Anrede Frau O unter Bezugnahme auf ein am Vortag stattgefundenes Treffen die parlamentarische Anfrage 4699/J per E-Mail übermittelt und dabei die Anmerkung "Wie immer kenne ich dieses mail nicht."
hinzugefügt.
Im Übrigen habe die Diensterfüllung durch den Mitbeteiligten keinen aktenkundigen Anlass für Beanstandungen gegeben. Dadurch, dass der Mitbeteiligte ab dem Jahr 2003 zahlreiche interne Informationen (darunter auch die interne Verhandlungsstrategie des Bundesministeriums vor Abschluss des Gegengeschäftevertrages) Vertretern des Unternehmens Y habe zukommen lassen, habe er jedoch unter Berücksichtigung seines damaligen Aufgaben- und Verantwortungsbereichs gegen die ihm obliegende dienstliche Treuepflicht verstoßen. Hinzu komme, dass der Mitbeteiligte zu einem Zeitpunkt, zu dem er bereits mit der Bearbeitung der Gegengeschäfte nicht mehr betraut gewesen sei, weitere Informationen (Tagesordnung für die Sitzung der Plattform Gegengeschäfte für den sowie das Ergebnisprotokoll dieser Plattform vom ) an Vertreter des Unternehmens Y übermittelt habe. Die Plattform Gegengeschäfte sei jenes Gremium, welches die eingereichten Gegengeschäfte einer inhaltlichen Beurteilung unterzogen und eine Empfehlung hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Gegengeschäfte abgegeben habe. Zu diesen Informationen hätten Vertreter des Unternehmens Y grundsätzlich keinen Zugang gehabt. Auch habe der Mitbeteiligte am , als er bereits nahezu eineinhalb Jahre nicht mehr für Gegengeschäfte zuständig gewesen sei, der Vertreterin des Unternehmens Y, mit der er das Du-Wort gepflogen habe und zumindest bis Juni 2006 in Kontakt gestanden sei, ein über die dienstliche Notwendigkeit hinausgehendes E-Mail übermittelt. Erschwerend komme hinzu, dass dem Mitbeteiligten - wie sich aus den den E-Mails beigefügten Anmerkungen ergebe - offenkundig sein Fehlverhalten bewusst gewesen sei. Durch das in den Jahren von 2003 bis 2006 gesetzte Verhalten habe der Mitbeteiligten bezogen auf seinen damaligen Aufgaben- und Verantwortungsbereich die dienstliche Treuepflicht schwerwiegend verletzt. Mit Bescheid vom sei dem Mitbeteiligten bereits eine Jubiläumszuwendung zuerkannt worden, weshalb dieser Zeitraum in Anbetracht eines vierzigjährigen Dienstjubiläums bereits belohnt worden sei und daher in den Hintergrund zu treten habe. Da sich das Fehlverhalten des Mitbeteiligten über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckt habe und von diesem Verhalten bei einem Fokus auf die letzten fünfzehn Jahre nahezu ein Drittel bzw. unter Berücksichtigung von vierzig Dienstjahren nahezu zehn Prozent des zu betrachtenden Zeitraumes betroffen sei, sei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung dem Mitbeteiligten die in Rede stehende Belohnung für treue Dienste im Ausmaß von vier Monatsgehältern nicht zuzusprechen.
Im Übrigen sei anzumerken, dass der Dienstnehmer nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen insbesondere über die ihm bekannt gewordenen Geschäftsgeheimnisse und Betriebsgeheimnisse des Dienstgebers Verschwiegenheit zu bewahren habe und deren Verletzung eine Entlassung nach sich ziehen könne. Das vorliegende Verfahren sei nicht bis zum Abschluss der seitens der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Mitbeteiligten wegen Amtsmissbrauchs eingeleiteten Ermittlungen zu unterbrechen gewesen, weil die Nichtzuerkennung einer Jubiläumszuwendung nicht voraussetze, dass dem Beamten Amtsmissbrauch zur Last zu legen sei.
4 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welches mit Beschluss vom das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zum Abschluss der gegen den Mitbeteiligten geführten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aussetzte.
5 Am langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Eingabe der Dienstbehörde vom ein, in der diese weitere E-Mails aus der Korrespondenz des Mitbeteiligten mit Vertretern des Unternehmens Y übermittelte, anhand derer sich nach Ansicht der Behörde das treuwidrige Verhalten des Mitbeteiligten ebenfalls nachvollziehen lasse.
6 Nachdem das gegen den Mitbeteiligten geführte Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft Wien gemäß § 310 StGB in Verbindung mit § 190 Z 1 StPO wegen Verjährung der Tathandlungen eingestellt worden war, führte das Bundesverwaltungsgericht am eine mündliche Verhandlung durch, in der u.a. der Inhalt der mit Eingabe vom übermittelten E-Mail Korrespondenz thematisiert wurde.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Dienstbehörde gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 20c Abs. 1 GehG statt und sprach aus, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 20c Abs. 2 GehG anlässlich des vierzigjährigen Dienstjubiläums eine Jubiläumszuwendung in der Höhe von 400 Prozent des Monatsbezuges, der seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Monat Februar 2015 entsprochen habe, zu gewähren sei. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.
8 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, die Informationen, die der Mitbeteiligte mit dem Vermerk "zur sehr vertraulichen Kenntnis" an seinen Vertragspartner, zu dem er aufgrund seiner Zuständigkeit eine Geschäftsbeziehung habe pflegen müssen, weitergeleitet habe, seien bereits mehreren Personen innerhalb und außerhalb des Bundesministeriums bekannt gewesen. Es habe sich dabei nicht um Verschlusssachen gehandelt. Den zuständigen Vorgesetzten des Mitbeteiligten sei die Tatsache bekannt gewesen, dass es sich bei den betreffenden Informationen nicht um Angelegenheiten gehandelt habe, die als Verschlusssache deklariert gewesen seien, und es sei auch nicht veranlasst worden, dies zu ändern.
Der Mitbeteiligte sei davon überzeugt gewesen, die betreffenden Informationen weitergeben zu dürfen. Der äußere Anschein der Geschäftseinteilung, die den Mitbeteiligten - anders als die durch Weisung des Sektionsleiters ausgesprochene Veränderung - nach wie vor habe zuständig erscheinen lassen, sowie die mit Vertretungsbefugnis für den Bundesminister geübte Geschäftsbeziehung zu dem Vertragspartner und die "Nichtumsetzung der Geheimhaltungsinteressen" bereits in der ministeriumsinternen Kommunikation hätten für den Mitbeteiligten diese Überzeugung "objektivierbar begründet" erscheinen lassen können. Ein schwerer oder gar lang anhaltender, subjektiv vorwerfbarer Pflichtverstoß des Mitbeteiligten sei nicht erkennbar. Bei den von der Dienstbehörde vorgeworfenen Verhaltensweisen handle es sich um einzelne Handlungen, also um einen sehr geringen "Anteil" selbst in Relation zu dem von der Behörde in Betracht gezogenen Zeitraum von vier Jahren, während dessen der Mitbeteiligte ansonsten seine Dienstpflichten unbeanstandet wahrgenommen habe.
Der Mitbeteiligte sei im Zeitraum von 1990 bis zum der Abteilung für Gegengeschäfte organisatorisch zugeordnet gewesen und habe im Zeitraum vom bis über eine Approbationsbefugnis zur selbständigen Behandlung von Erledigungen betreffend die Abwicklung von Gegengeschäften, betreffend die Kfz-Zulieferindustrie und die Flugzeug-Zulieferindustrie verfügt. Es seien ihm jedoch ab Jänner 2005 keine Angelegenheiten mehr aus dem Bereich Gegengeschäfte zugewiesen worden. Der Mitbeteiligte habe am selbständig eine Einladung und Tagesordnung für die Sitzung der Plattform Gegengeschäfte für den und das Ergebnisprotokoll der Sitzung der Plattform Gegengeschäfte vom an das Unternehmen Y übermittelt. Diese (nicht als Verschlusssache deklarierten) Informationen hätten das Vertragsverhältnis betroffen, welches zur Abwicklung von Gegengeschäften eingegangen worden sei. Weiters habe der Mitbeteiligte am die veröffentlichte Geschäftseinteilung und am eine veröffentlichte parlamentarische Anfrage per E-Mail an eine Vertreterin des Unternehmens Y übermittelt.
Es sei dem Mitbeteiligten nicht untersagt worden, E-Mails zu versenden, die über die dienstliche Notwendigkeit hinausgingen. Der Mitbeteiligte habe am diverse Punkte der Verhandlungsstrategie an das Unternehmen Y übermittelt und habe diesbezüglich angenommen, dazu aufgrund seiner Approbationsbefugnis befugt zu sein und solcherart zu einer Konsenserzielung beizutragen. Durch das Verhalten des Mitbeteiligten sei kein Schaden verursacht worden. Der Mitbeteiligte sei straf- und disziplinarrechtlich unbescholten.
9 Beweiswürdigend führte das Gericht aus, die oben wiedergegebenen Feststellungen ergäben sich aus der eindeutigen Aktenlage sowie aus den weiteren Ausführungen des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung, wonach er lediglich zur rascheren Konsenserzielung habe beitragen wollen, sowie aus den Ausführungen der Dienstbehörde und des ehemaligen Vorgesetzten des Mitbeteiligten. Die Feststellung hinsichtlich der (fehlenden) subjektiven Vorwerfbarkeit der in Rede stehenden Handlungen ergebe sich aus der Aussage des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung. Der Aktenvermerk der Dienstbehörde vom über ein Gespräch mit dem Mitbeteiligten, der von diesem nicht unterzeichnet worden sei, könne nicht als Vernehmungsprotokoll betrachtet werden und enthalte einen Hinweis darauf, dass der Mitbeteiligte überzeugt gewesen sei, rechtmäßig gehandelt zu haben, zumal ohne Informationen über die Geschäftsgrundlage keine Verhandlungen geführt werden könnten. Der Vertraulichkeitsvermerk auf den E-Mails des Mitbeteiligten sei aufgrund seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung als Hinweis intendiert gewesen, dass diese Angelegenheiten nicht den Medien zukommen sollten. Die Feststellungen betreffend die organisatorische Zuständigkeit ergäben sich aus der in der mündlichen Verhandlung bestätigten Mitteilung des zuständigen Bundesministers an das Bundeskriminalamt vom und der Antwort auf die parlamentarische Anfrage zu Punkt 7 vom sowie aus dem Amtskalender. Der Zeitpunkt, zu dem die erforderliche Dienstzeit erfüllt gewesen sei, sei unstrittig.
10 In seiner rechtlichen Beurteilung merkte das Verwaltungsgericht an, dass, soweit die Dienstbehörde unter Verweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die berufliche Entwicklung des Mitbeteiligten der letzten Jahre besonders berücksichtigt habe, dem Mitbeteiligten weder mehrjähriges noch weisungswidriges noch disziplinar- oder strafrechtswidriges Verhalten subjektiv vorwerfbar sei. Der Vorwurf, wonach der Mitbeteiligte das Amtsgeheimnis zumindest wissentlich gebrochen hätte, könne nicht aufrecht erhalten werden, zumal der Mitbeteiligte mit Recht habe davon ausgehen können, den Minister zu vertreten und im Rahmen seiner Ermächtigung zu handeln. Sogar im Zeitraum von Jänner 2005 bis April 2006 habe der Mitbeteiligte davon ausgehen können, den Bundesminister gegenüber dem Unternehmen Y zu vertreten.
Die weitergegebenen Informationen hätten zunächst das anzubahnende und sodann das bestehende Vertragsverhältnis zwischen dem Bundesminister und dem Unternehmen Y betroffen. Der Mitbeteiligte habe angenommen, die Konkretisierung dieses Vertragsverhältnisses falle in seinen Zuständigkeitsbereich. Er habe nicht gewusst, dass er Informationen weitergegeben habe, die einem berechtigten Schutzinteresse unterliegen könnten. Dies habe der Mitbeteiligte im Zuge der mündlichen Verhandlung darlegen können. In der mündlichen Verhandlung hätten der Vertreter der Dienstbehörde und der ehemalige Vorgesetzte des Mitbeteiligten nicht eindeutig darlegen können, dass ein Geheimhaltungsinteresse an den Protokollen der Plattform Gegengeschäfte aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung, im Interesse der verwaltungsbehördlichen Entscheidungsfindung oder aufgrund betrieblicher Geheimhaltungsinteressen bestünden. Es sei dem Mitbeteiligten nicht vorzuwerfen, die betreffend die Gutachten zur Bewertung der Gegengeschäfte vereinbarte Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Protokolle der Plattform Gegengeschäfte "ausgeweitet" betrachtet zu haben, weil ein Gutachten auch die Informationen umfasse, die zu seiner Entstehung beigetragen hätten. Die Weitergabe von Punkten der Verhandlungsstrategie habe der Mitbeteiligte "begründbar" als Beitrag zur Konsenserzielung betrachtet. Die Weitergabe der Geschäftseinteilung und einer parlamentarische Anfrage könne dem Mitbeteiligten nicht vorgeworfen werden, weil diese Informationen bereits einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gewesen seien.
Ein jahrelang anhaltendes Fehlverhalten des Mitbeteiligten sei nicht ersichtlich.
Das objektive Verhalten des Mitbeteiligten reiche bei Berücksichtigung des inneren Tatbildes sowie eines sonst tadellosen dienstlichen Verhaltens nicht aus, um insgesamt das Vorliegen treuer Dienste im Sinne von § 20c Abs. 1 GehG zu verneinen. Weder die Schwere noch die Häufung der vorgeworfenen Handlungen überwögen die unbeanstandete Dienstverrichtung über vier Jahrzehnte.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Dienstbehörde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, der Verwaltungsgerichtshof möge aus diesen Gründen in der Sache entscheiden, hilfsweise das angefochtene Erkenntnis aufheben.
12 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung. 13 Die Revision beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit
u. a. auf eine grobe Verkennung der Begründungspflicht durch das Bundesverwaltungsgericht. Dieses habe unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze zentrale Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht berücksichtigt und sich weder mit den von der Dienstbehörde mit Eingabe vom nachgereichten Unterlagen noch mit dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigeschafften Akt der Staatsanwaltschaft Wien auseinander gesetzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision erweist sich im Sinne ihrer
Zulässigkeitsbegründung als zulässig und berechtigt.
15 Die zum Zeitpunkt der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vor dem rückwirkend erfolgten Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 60/2018 maßgebliche (vgl. ; , 2014/12/0002) Bestimmung des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (GehG) in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2015, lautete auszugsweise:
"Jubiläumszuwendung
§ 20c. (1) Dem Beamten kann aus Anlass der Vollendung eines Besoldungsdienstalters von 25 Jahren sowie von 40 Jahren für treue Dienste eine Jubiläumszuwendung gewährt werden."
16 § 169e Abs. 1 GehG in der Fassung dieses Absatzes nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2015 lautet:
"Anwendung dienst- und besoldungsrechtlicher Bestimmungen
§ 169e. (1) Auf die am im Dienststand befindlichen Beamtinnen und Beamten sind die Bestimmungen über die Jubiläumszuwendung (§ 20c) mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Erfordernisses der Vollendung eines Besoldungsdienstalters von 25 bzw. 40 oder 35 Jahren das Erfordernis des Erreichens jenes Tages tritt, der 25 bzw. 40 oder 35 Jahre nach dem bereits bisher von der Dienstbehörde ermittelten Stichtag liegt. Die Bestimmungen über die Hemmung der Vorrückung (§ 10) sind auf die vor Erreichen des Dienstjubiläums liegenden Zeiten sinngemäß anzuwenden."
17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben im Hinblick auf die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit die Behörde und das Verwaltungsgericht alle notwendigen Beweise aufzunehmen und dürfen sich diese über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. z.B. ).
18 Wie die Revision aufzeigt, wurde von der Dienstbehörde im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Eingabe vom ein Konvolut diverser E-Mails, u.a. aus der Korrespondenz des Mitbeteiligten mit dem Unternehmen Y, vorgelegt, mit welchem sich das Bundesverwaltungsgericht zwecks Beurteilung der Frage, ob sich der Mitbeteiligte - wie von der Dienstbehörde vertreten - tatsächlich als einer Belohnung für treue Dienste unwürdig erwiesen habe, argumentativ schlüssig auseinanderzusetzen hatte.
19 Eine Verletzung von Dienstpflichten, in der nicht zugleich strafrechtliche Verstöße liegen, kann im Fall einer entsprechenden Schwere und Häufung sowie unter Berücksichtigung der dienstlichen Position und des Aufgaben- und Verantwortungsbereiches des Beamten für eine Versagung der Jubiläumszuwendung genügen (vgl. ). So ging auch das Gericht zutreffend davon aus, dass die wegen Verjährung erfolgte Einstellung der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den Mitbeteiligten der Verneinung der Erbringung treuer Dienste per se nicht entgegen stand. Somit hatte sich das Verwaltungsgericht in nachvollziehbarer Weise mit der Frage auseinander zu setzen, ob das dem Mitbeteiligten angelastete Fehlverhalten (sofern ein solches vorlag) unter Berücksichtigung dessen Position und der ihm zugewiesenen Aufgaben eine entsprechende Schwere erreicht hatte, um die Erbringung treuer Dienste im Sinne von § 20c GehG zu verneinen.
20 Dabei war auch - was das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich ebenfalls zutreffend erkannte - der gesamte in Betracht kommende Zeitraum, nämlich hier vierzig Dienstjahre, und nicht nur Teile davon zu überprüfen und waren Teilzeiträume tadelloser Erfüllung der Dienstpflichten allenfalls gegenüber anderen Zeiträumen abzuwägen (vgl. ). Diese Abwägung setzte jedenfalls auch eine Auseinandersetzung mit dem am vorgelegten Konvolut voraus. Ein näheres Eingehen auf das genannte Konvolut sowie auf den Inhalt des Aktes der Staatsanwaltschaft Wien erwies sich fallbezogen als unerlässlich, um eine ausreichend fundierte Beurteilung der Frage des Vorliegens von Dienstpflichtverletzungen bzw. der Gravität eines allfälligen Fehlverhaltens des Mitbeteiligten zu ermöglichen.
21 Dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Eingabe der Behörde vom sowie mit dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigeschafften Akt der Staatsanwaltschaft Wien überhaupt beschäftigt hätte, ist dem angefochtenen Erkenntnis hingegen nicht zu entnehmen. Dies begründet, wie von der Revision aufgezeigt, einen gravierenden, grundsätzliche Prinzipien des Verfahrensrechtes berührenden Verfahrensmangel, der den Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis an der nachprüfenden Kontrolle der im angefochtenen Erkenntnis vorgenommenen Beurteilung, wonach fallbezogen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Jubiläumszuwendung im Sinn von § 20c GehG gegeben seien, hindert.
22 Dass die Erbringung treuer Dienste durch den Mitbeteiligten - entsprechend der in der Revision vertretenen Rechtsansicht - bei Würdigung der oben genannten Beweismittel gegebenenfalls zu verneinen sein könnte, erscheint in Anbetracht diverser Passagen der in der Revision aufgelisteten E-Mail Korrespondenz jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. beispielsweise das unter Punkt 3. des am nachgereichten Konvoluts angeführte E-Mail vom , dessen Wortlaut auch dahingehend verstanden werden könnte, dass der Mitbeteiligte ihm bereits vorliegende Informationen in unter Umständen für den Dienstgeber nachteiliger Weise "zurückhielt", sowie weitere in dem Konvolut unter Punkten 5. und 7. angeführte E-Mails, in denen der Mitbeteiligte Informationen, die nach Ansicht der Revision ausschließlich behördeninternen Zwecken dienen sollten, an Vertreter des Unternehmens Y mit dem Vermerk "dies ist ein nonpaper" weiterleitete; siehe auch den im Akt der Staatsanwaltschaft Wien befindlichen "NUIX-Auswertungsbericht" und das dort unter "Am" 015 gelistete E-Mail, in dem der Mitbeteiligte auch im September 2005 das "Plattformprotokoll" an Vertreter des Unternehmens Y weiterleitete).
23 In diesem Zusammenhang wären insbesondere Feststellungen dazu zu treffen gewesen, welche konkreten Aufgaben dem Mitbeteiligten im Zusammenhang mit der Verhandlung der Vertragsabschlüsse betreffend die Gegengeschäfte zukamen und ob in diesem Zusammenhang bestimmte Tätigkeiten nicht dem Mitbeteiligten zukamen, sondern anderen Personen vorbehalten waren. Erst wenn auf Grund der Feststellungen beurteilt werden kann, welchen Personen grundsätzlich welche Aufgaben zukamen und welche Strategien dabei verfolgt werden sollten sowie welche Ergebnisse erwünscht waren, ist eine Beurteilung dahin möglich, ob das Vorgehen des Mitbeteiligten den Interessen des Dienstgebers entsprach.
24 Darüber hinaus sind im vorliegenden Fall eine Auflistung und eine inhaltliche Zusammenfassung der durch die Behörde vorgelegten E-Mail Korrespondenz nicht ausreichend, um eine adäquate Beurteilung der Tragweite des dem Mitbeteiligten angelasteten Verhaltens zu ermöglichen. Vielmehr wäre der Inhalt der Korrespondenz im Hinblick auf die ins Treffen geführte Beeinträchtigung nach Ansicht der Behörde berechtigter Geheimhaltungsinteressen des Dienstgebers in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung konkret zu erörtern. Dabei wären durch das Verwaltungsgericht zunächst die näheren Umstände des Abschlusses und der Ausverhandlung des Gegengeschäftevertrages insofern darzulegen, als eine dem Mitbeteiligten dabei (vor bzw. bei Abschluss des Gegengeschäftevertrages) entsprechend der behördeninternen Verhandlungsstrategie zugewiesene Rolle zu beleuchten wäre (siehe Rn 23). Darauf aufbauend hätte eine nähere Beurteilung der im angefochtenen Erkenntnis festgestellten, vor Vertragsabschluss erfolgten Weitergabe einzelner Teile der Verhandlungsstrategie durch den Mitbeteiligten zu erfolgen. In einem weiteren Schritt wären der Inhalt des Gegengeschäftevertrages und die von den Vertragspartnern vorgesehene Bewertung von Gegengeschäften (inklusive der diesbezüglich vereinbarten operativen Abläufe betreffend die Beibringung der in der E-Mail Korrespondenz angesprochenen "Gegengeschäftebestätigungen", der diesbezüglich behördenintern vorgesehenen Bearbeitungsvorgänge, der der Plattform Gegengeschäfte zukommenden Aufgaben und der vom Mitbeteiligten betreffend den Gang der Gegengeschäfte verfassten - in der E-Mail Korrespondenz ebenfalls angesprochenen und, worauf die unter Punkten 2. und 4. des Konvoluts vom gelisteten E-Mails hindeuten könnten, durch den Mitbeteiligten vorab an Vertreter des Unternehmens Y zur Überarbeitung übermittelten - Berichte) durch das Gericht zumindest soweit festzustellen, dass anschließend anhand der dem Verwaltungsgericht vorliegenden E-Mail Korrespondenz beurteilt werden könnte, inwiefern die Kommunikation des Mitbeteiligten mit Vertretern des Unternehmens Y der Annahme des Vorliegens treuer Dienste entgegen stehen könnte. Schließlich wäre auch zu klären, welche Auswirkungen unter Berücksichtigung der vorgegebenen Strategien und der gewünschten Ergebnisse mit der auch nach Jänner 2005 (als der Mitbeteiligte nicht mehr mit der inhaltlichen Bearbeitung der Gegengeschäfte betraut war) fortdauernden Weitergabe diverser Informationen durch den Mitbeteiligten an das Unternehmen Y (z.B. die Weitergabe des Ergebnisprotokolls der Sitzung der Plattform für Gegengeschäfte vom bzw. entsprechend dem "NUIX-Auswertungsbericht" ("Am015) auch des "Plattformprotokolls" vom ) verbunden waren. Derartige Feststellungen lässt das angefochtene Erkenntnis jedoch vermissen.
25 Indem das Bundesverwaltungsgericht die ihm aus den dargelegten Erwägungen obliegende Verpflichtung zur nachvollziehbaren Begründung seiner Entscheidung in einer die Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof beeinträchtigenden Weise verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben war.
Wien, am
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Schlagworte | Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Allgemein |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017120087.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-47094