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VwGH 26.06.2019, Ra 2017/04/0130

VwGH 26.06.2019, Ra 2017/04/0130

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
GewO 1994 §84e idF 2015/I/081
IUV 2015 §3
UIG 1993 §2 Z1
UIG 1993 §2 Z2
UIG 1993 §2 Z3
RS 1
Vor dem Hintergrund des § 3 IUV 2015 kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Sicherheitskonzept, zu dessen Erstellung ein Betriebsinhaber gemäß § 84e GewO 1994 verpflichtet ist, eine Umweltinformation im Sinne des § 2 Z 3 UIG darstellt, weil der Inhalt des Sicherheitskonzeptes gemäß § 3 IUV 2015 die Maßnahmen festlegen soll, die zur Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt notwendig sind. Damit handelt es sich um Maßnahmen zum Schutz der in § 2 Z 1 und 2 UIG genannten Umweltgüter.
Normen
UIG 1993 §2
32003L0004 Umweltinformationen-RL Art2 Z1
RS 2
Der Umweltinformationsbegriff der Umweltinformationsrichtlinie, die auch dem UIG zu Grunde liegt, ist grundsätzlich weit zu verstehen ist (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2017/04/0131

Ra 2017/04/0132

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision 1. des R P, 2. der V H und 3. der K S, alle in K, alle vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger LL.M., Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2017/32/0240-10, betreffend Akteneinsicht (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein; mitbeteiligte Partei: P GmbH in K, vertreten durch Mag. Philip Johannes Paumgarten-Hohenschwangau-Erbach, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Josef-Egger-Straße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Die mitbeteiligte Partei betreibt eine mit Bescheid der belangten Behörde vom gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage zum Vertrieb von Flüssiggas an einem näher bezeichneten Standort. Diese Anlage betreffend wurde der belangten Behörde von der mitbeteiligten Partei ein Sicherheitskonzept im Sinne des § 84e GewO 1994 vorgelegt.

2 2. Mit Schriftsatz vom (Einlangen bei der belangten Behörde) stellten die Revisionswerber - sowie eine weitere, am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligte Partei - bei der belangten Behörde den Antrag, ihnen Akteneinsicht hinsichtlich des Sicherheitskonzeptes der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zu gewähren.

3 Begründend wurde im Antragsvorbringen auf Art. 22 Abs. 1 Seveso III-Richtlinie (Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom ) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Umweltinformationsrichtlinie (Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom ) verwiesen, wonach die Behörde jegliche Informationen, die sie durch die Einhaltung der Seveso III-Richtlinie erlangt habe - so auch das Sicherheitskonzept - jeder Person, die die Information begehre, ohne Glaubhaftmachung eines Interesses zur Verfügung zu stellen habe.

4 Die Revisionswerber hätten als Anrainer der gegenständlichen Betriebsanlage ein rechtliches Interesse an der Einsicht in das Sicherheitskonzept, das über ein bloßes wirtschaftliches Interesse hinausgehe, zumal ein möglicher Betriebsunfall Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit der Anrainer haben könne. 5 3. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom "gemäß § 17 iVm § 8 AVG" zurückgewiesen. 6 Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, gemäß § 17 Abs. 1 AVG komme - soweit in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt sei - den Parteien im Sinne des § 8 AVG ein Einsichtsrecht in die ihre Sache betreffenden Akten zu.

7 Die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei sei als Seveso III-Anlage einzustufen, weshalb die Vorschriften des Abschnitts 8a GewO 1994 gelten würden, die zusätzlich vom Betriebsinhaber einzuhalten seien. Gemäß § 84a Abs. 3 GewO 1994 würden die Anforderungen des genannten Abschnitts jedoch keine Genehmigungsvoraussetzung im Sinne der §§ 77 und 77a GewO 1994 darstellen und keine Parteistellung im Sinne des § 356 leg. cit begründen.

8 Der Betreiber habe im Sinne des § 84e GewO 1994 ein Sicherheitskonzept zu erstellen, das durch den Betrieb umzusetzen sei. Dieses unterliege jedoch keiner Genehmigungspflicht, sondern es sei lediglich dessen Verwirklichung im Falle einer behördlichen Inspektion nachzuweisen.

9 Da die Bestimmungen des Abschnitts 8a der GewO 1994 kein gewerbebehördliches Genehmigungsverfahren vorsähen, könne aus diesen keine Parteistellung der Revisionswerber abgeleitet werden. Die Revisionswerber könnten kein Recht auf Akteneinsicht geltend machen, weil dieses Recht vom Vorliegen einer Parteistellung abhängig sei.

10 4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber mit Schriftsatz vom gemeinsam Beschwerde. Sie brachten vor, die "maßgeblichste Rechtsverletzung" des angefochtenen Bescheides liege darin, dass die Revisionswerber in ihrem Recht auf Akteneinsicht in den Akt/die Akten der bestehenden Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei verletzt worden seien. 11 Nach Hinweis auf Art. 22 und 23 der Seveso III-Richtlinie führten die Revisionswerber im Wesentlichen aus, der in Frage kommenden Öffentlichkeit komme nach dem Unionsrecht ein Informationsrecht zu. Es stehe "außer Streit, dass die in Rede stehenden Antragsteller allesamt Nachbarn zu der vorliegenden Betriebsanlage" seien, weshalb sie "bei ordnungsgemäßer Auslegung der rechtlichen Bestimmungen schon den bisherigen Verwaltungsverfahren als Parteien hätten beigezogen werden müssen." Sie hätten daher schon deshalb einen "primären Anspruch auf Akteneinsicht", weil sie Nachbarn im Sinne des § 74 GewO 1994 und damit jederzeit berechtigt seien, über Art, Ausmaß, Umfang und Bedingungen des Geschäftsbetriebes einer Betriebsanlage, die gewerbebehördlich bewilligungspflichtig sei, in Kenntnis gesetzt zu werden. In rechtlicher Hinsicht verwiesen die Revisionswerber in der Beschwerde auch auf die Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG und deren Umsetzung in den Vorschriften des UIG und der UIG der Länder.

12 5. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht präzisierte der Rechtsvertreter der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Antrag dahingehend, dass sich dieser auf Einsichtnahme in das Sicherheitskonzept beschränke. 13 6. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für unzulässig.

14 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass der gegenständliche Betrieb als Seveso III-Betrieb der unteren Klasse einzustufen sei und ein Sicherheitskonzept im Sinne des § 84e GewO 1994 zu erstellen habe. Gemäß § 84a Abs. 3 GewO 1994 müssten die Anforderungen des Abschnitts 8a zusätzlich zu den Anforderungen nach den anderen Bestimmungen der GewO 1994 erfüllt sein, wobei sie keine Parteistellung im Sinne des § 356 GewO 1994 begründeten. Gemäß § 17 AVG komme lediglich Parteien eines Verfahrens das Recht auf Akteneinsicht zu, weshalb den Revisionswerbern mangels Parteistellung keine Einsicht in das Sicherheitskonzept gewährt werden müsse. Da die Seveso III-Richtlinie auch im Umweltinformationsgesetz (UIG) umgesetzt worden sei, werde auf die Informationspflicht des Betriebsinhabers nach § 14 UIG hingewiesen.

15 Da laut den Bestimmungen des Abschnitts 8a der GewO 1994 den Revisionswerbern keine Parteistellung zukomme, habe die belangte Behörde den Antrag auf Einsichtnahme in das Sicherheitskonzept zu Recht zurückgewiesen. Auch aus dem UIG könne keine Verpflichtung abgeleitet werden, dass in das Sicherheitskonzept Einsicht zu gewähren wäre.

16 5. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. 17 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

18 6. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 6.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über

den Zugang zu Informationen über die Umwelt (Umweltinformationsgesetz - UIG), BGBl. Nr. 495/1993 idF BGBl. I Nr. 95/2015, lauten auszugsweise:

"Ziel des Gesetzes

§ 1. Ziel dieses Bundesgesetzes ist die Information der Öffentlichkeit über die Umwelt, insbesondere durch

1. Gewährleistung des Rechts auf Zugang zu den bei den informationspflichtigen Stellen vorhandenen oder für diese bereitgehaltenen Umweltinformationen;

(...)

Umweltinformationen

§ 2. Umweltinformationen sind sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über

1. den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Land, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Berggebiete, Feuchtgebiete, Küsten und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich genetisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen;

2. Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung oder Abfall einschließlich radioaktiven Abfalls, Emissionen, Ableitungen oder sonstiges Freisetzen von Stoffen oder Organismen in die Umwelt, die sich auf die in Z 1 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken;

3. Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie zB Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, Verwaltungsakte, Umweltvereinbarungen und Tätigkeiten, die sich auf die in den Z 1 und 2 genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz;

(...)

Informationspflichtige Stellen

§ 3. (1) Informationspflichtige Stellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind - soweit sich die Umweltinformationen auf Angelegenheiten beziehen, die in Gesetzgebung Bundessache sind -

1. Verwaltungsbehörden und unter deren sachlicher Aufsicht stehende sonstige Organe der Verwaltung, die durch Gesetz oder innerstaatlich unmittelbar wirksamen internationalen Rechtsakt übertragene Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, sowie diesen zur Verfügung stehende gesetzlich eingerichtete Beratungsorgane;

(...)

Freier Zugang zu Umweltinformationen

§ 4. (1) Das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei den informationspflichtigen Stellen vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, wird jeder natürlichen oder juristischen Person ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährleistet. Umweltinformationen sind vorhanden, wenn sie sich im Besitz der informationspflichtigen Stelle befinden und von ihr erstellt wurden oder bei ihr eingegangen sind. Umweltinformationen werden bereitgehalten, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle aufbewahrt und diese Stelle darauf einen Übermittlungsanspruch hat.

(...)

Mitteilungspflicht

§ 5. (1) Das Begehren auf Mitteilung von Umweltinformationen kann schriftlich oder soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich gestellt werden.

(...)

(4) Die begehrte Mitteilung ist in jener Form zu erteilen, die im Einzelfall vom/von der Informationssuchenden verlangt wird oder in einer anderen Form, wenn dies zweckmäßig ist, wobei der elektronischen Datenübermittlung, nach Maßgabe vorhandener Mittel, der Vorzug zu geben ist.

(...)

Rechtsschutz

§ 8. (1) Werden die verlangten Umweltinformationen nicht oder nicht im begehrten Umfang mitgeteilt, so ist auf Antrag des/der Informationssuchenden hierüber ein Bescheid zu erlassen. Zuständig zur Erlassung des Bescheides ist die informationspflichtige Stelle soweit sie behördliche Aufgaben besorgt. Über gleichgerichtete Anträge kann unter einem entschieden werden.

(...)

Bezugnahme auf Gemeinschaftsrecht

§ 19. Durch dieses Bundesgesetz wird die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl. Nr. L 41/26 vom , CELEX-Nr. 32003L0004, in österreichisches Recht umgesetzt."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194/1994 idF der Seveso III-Novelle, BGBl. I Nr. 81/2015, lauten auszugsweise:

"8a. Abschnitt

Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen

Stoffen

Ziel und Anwendungsbereich

§ 84a. (1) Ziel dieses Abschnitts ist es, schwere Unfälle mit gefährlichen Stoffen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen.

(2) Dieser Abschnitt gilt für Betriebe im Sinne des § 84b Z 1.

(3) Die Anforderungen dieses Abschnitts müssen zusätzlich zu den Anforderungen nach anderen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erfüllt sein; sie sind keine Genehmigungsvoraussetzung im Sinne der §§ 77 und 77a und begründen keine Parteistellung im Sinne des § 356.

(...)

Sicherheitskonzept

§ 84e. (1) Der Betriebsinhaber hat nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 84m ein Konzept zur Verhütung schwerer Unfälle (Sicherheitskonzept) auszuarbeiten, zu verwirklichen und zur Einsichtnahme durch die Behörde bereitzuhalten. Die Verwirklichung des Sicherheitskonzepts und gegebenenfalls der Änderung des Sicherheitskonzepts sind nachzuweisen.

(...)

§ 84m. Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Fortwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durch Verordnung nähere Bestimmungen über

(...)

2. das Sicherheitskonzept

(...)

zu erlassen."

Die Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über die Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen in Betrieben (Industrieunfallverordnung 2015 - IUV 2015), BGBl. II Nr. 229/2015, lautet auszugsweise:

"Präambel/Promulgationsklausel

Auf Grund des § 84m der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194, in der Fassung der Seveso III - Novelle, BGBl. I Nr. 81/2015, wird vom Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft verordnet:

Geltungsbereich

§ 1. Diese Verordnung gilt für gewerbliche Betriebsanlagen, die dem Abschnitt 8a der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 betreffend die Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen unterliegen.

(...)

Sicherheitskonzept

§ 3. (1) Der Betriebsinhaber muss ein Sicherheitskonzept (§ 84e GewO 1994) erstellen, das aus einer nicht standortbezogenen zusammenfassenden Darstellung der übergeordneten Ziele und Handlungsgrundsätze, der Rolle und Verantwortung der Betriebsleitung und der Verpflichtung des Betriebsinhabers zur ständigen Verbesserung der Beherrschung der Gefahren von Industrieunfällen besteht. Mit dem Sicherheitskonzept muss durch geeignete Mittel, Organisation und Managementsysteme ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sichergestellt werden. Der Betriebsinhaber muss im Sicherheitskonzept jedenfalls grundsätzliche Festlegungen zu folgenden Themenbereichen treffen:

1. Organisation, Ausbildung und Schulung in sicherheitstechnischer Hinsicht;

2. Art und Weise der Ermittlung und Bewertung der Risiken (§ 84b Z 15 GewO 1994) von Industrieunfällen;

3. sicheres Betreiben der technischen Anlagen (§ 84b Z 8 GewO 1994);

4. sicheres Durchführen von sicherheitsrelevanten betrieblichen Änderungen;

5. Vorhandensein einer internen Notfallplanung für Maßnahmen zur Begrenzung der Folgen von Industrieunfällen;

6. begleitende Prüfung aller sicherheitsrelevanten Merkmale und Vergleich dieser Merkmale mit den bezüglich der Sicherheitstechnik festgelegten übergeordneten Zielen und Handlungsgrundsätzen im Sinne eines Qualitätsmanagementsystems;

7. Auditierung des Betriebs in regelmäßigen, fünf Jahre nicht überschreitenden Zeitabständen zur Sicherstellung der Konformität der betrieblichen Maßnahmen bezüglich der Sicherheitstechnik mit den festgelegten übergeordneten Zielen und Handlungsgrundsätzen und nachweisliche Kenntnisnahme und Bewertung der Ergebnisse durch den Betriebsinhaber.

(...)"

20 6.2. Die außerordentliche Revision verweist in ihrer Zulässigkeitsbegründung unter anderem darauf, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Umweltinformationsgesetz verkenne bzw. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der Frage der Verpflichtung, ein Sicherheitskonzept zugänglich zu machen, nicht vorliege. Nach den Festlegungen im Sinne der IUV 2015 stelle das Sicherheitskonzept eine Umweltinformation im Sinne des Umweltinformationsgesetzes dar.

21 6.3. Die Revision ist bereits aus diesen Gründen zulässig, sie ist auch berechtigt.

22 6.3.1. Fallbezogen wird die Einsichtnahme in das Sicherheitskonzept der mitbeteiligten Partei begehrt, das laut den insofern unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis der belangten Behörde vorliegt. In ihrem Antrag an die belangte Behörde verwiesen die Revisionswerber unter anderem auf die Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (Umweltinformationsrichtlinie), die § 19 UIG zufolge mit dem Umweltinformationsgesetz in das österreichische Recht umgesetzt wurde.

23 6.3.2. § 2 Z 3 UIG definiert als Umweltinformation sämtliche Informationen in schriftlicher, visueller, akustischer, elektronischer oder sonstiger materieller Form über Maßnahmen (einschließlich Verwaltungsmaßnahmen), wie zB Politiken, Gesetze, Pläne und Programme, Verwaltungsakte, Umweltvereinbarungen und Tätigkeiten, die sich auf die in den Z 1 und 2 leg. cit. genannten Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Maßnahmen oder Tätigkeiten zu deren Schutz. 24 Vor dem Hintergrund des § 3 IUV 2015 kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Sicherheitskonzept, zu dessen Erstellung ein Betriebsinhaber gemäß § 84e GewO 1994 verpflichtet ist, eine Umweltinformation im Sinne des § 2 Z 3 UIG darstellt, weil der Inhalt des Sicherheitskonzeptes gemäß § 3 IUV 2015 die Maßnahmen festlegen soll, die zur Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit und die Umwelt notwendig sind. Damit handelt es sich um Maßnahmen zum Schutz der in § 2 Z 1 und 2 UIG genannten Umweltgüter.

25 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach betont hat, dass der Umweltinformationsbegriff der Umweltinformationsrichtlinie, die auch dem UIG zu Grunde liegt, grundsätzlich weit zu verstehen ist (vgl. , mwN).

26 6.3.3. Gemäß § 4 Abs. 1 UIG wird das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen, die bei den informationspflichtigen Stellen vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden, jeder natürlichen oder juristischen Person ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gewährleistet. Die Revisionswerber haben demnach nach den Bestimmungen dieses Gesetzes unabhängig von einer Parteistellung im gewerbebehördlichen Verfahren ein Recht auf Zugang zu dem als Umweltinformation im Sinne des § 2 Z 3 UIG zu qualifizierenden Sicherheitskonzept der benachbarten Betriebsanlage. Auf die Frage des Vorliegens einer Parteistellung der Revisionswerber muss daher nicht weiter eingegangen werden.

27 6.3.4. Umweltinformationen sind vorhanden, wenn sie sich im Besitz der informationspflichtigen Stelle befinden und von ihr erstellt wurden oder bei ihr eingegangen sind (§ 4 Abs. 1 zweiter Satz UIG). Den insofern unbestrittenen Feststellungen zufolge wurde der belangten Behörde das Sicherheitskonzept vorgelegt. Die gefragte Umweltinformation ist daher im Sinne dieser Bestimmung auch vorhanden.

28 6.3.5. Aus dem oben Gesagten folgt, dass die Voraussetzungen für einen durchsetzbaren Rechtsanspruch der Revisionswerber auf die beantragte Information über den Inhalt des Sicherheitskonzepts nach den Bestimmungen des UIG vorliegen. Wie sich aus § 5 Abs. 4 UIG ergibt, kann die Umweltinformation auch durch Einsichtnahme gewährt werden. Es schadet daher auch nichts, wenn die Revisionswerber in ihrer Beschwerde auf das Begehren auf "Akteneinsicht" Bezug nahmen, zumal dem gesamten Vorbringen eindeutig zu entnehmen ist, dass die Revisionswerber auf die Ermöglichung der Kenntnisnahme vom Inhalt des Sicherheitskonzepts abzielten, und das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung nicht an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. wiederum VwGH 2012/05/0061 und ).

29 6.4. Indem das Verwaltungsgericht das sich aus den Bestimmungen des UIG ergebende Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für die Einsichtnahme in das Sicherheitskonzept verkannte, hat es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

30 6.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am

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Normen
GewO 1994 §84e idF 2015/I/081
IUV 2015 §3
UIG 1993 §2
UIG 1993 §2 Z1
UIG 1993 §2 Z2
UIG 1993 §2 Z3
32003L0004 Umweltinformationen-RL Art2 Z1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040130.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-47062

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