Aufhebung eines Bescheides (unzuständiges Organ)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri1*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs 1 und der Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 51 Abs 1 lit a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Spruchsenates vom , Geschäftszahl ***GZ1***, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit des bescheiderlassenden Organs aufgehoben.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Mit Strafverfügung vom wurde über den Beschuldigten ***Bf1*** wegen der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und der Finanzordnungswidrigkeiten nach § 51 Abs 1 lit a FinStrG eine Geldstrafe iHv € 3.000,00 verhängt. Der strafbestimmende Wertbetrag lag hierbei bei € 6.164,78. (OZ 16)
Diese Strafverfügung wurde nach einem Zustellversuch am zur Abholung ab hinterlegt und eine entsprechende Bestätigung an der Adresse des Beschuldigten hinterlassen. (OZ 17)
Am erhob der Beschwerdeführer gegen die Strafverfügung einen Einspruch und beantragte die Entscheidung durch den Spruchsenat. (OZ 9)
Am erging nach nicht öffentlicher Beratung ein Erkenntnis des Spruchsenates L-1 beim Amt für Betrugsbekämpfung als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde, mit dem der Einspruch vom als verspätet zurückgewiesen wurde. (OZ 25)
Am brachte der Beschuldigte postalisch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist ein. Gleichzeitig erhob er Beschwerde gegen das Erkenntnis des Spruchsenates. (OZ 32)
Mit Erkenntnis vom , ausgefertigt am , wies der Spruchsenat L-1 beim Amt für Betrugsbekämpfung als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde die Beschwerde vom als verspätet zurück (OZ 36).
Mit Bescheid vom , ebenfalls ausgefertigt am , wies der Vorsitzende des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung, Senat L-1, als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurück, da die Monatsfrist des § 167 Abs 2 FinStrG nicht eingehalten worden sei (OZ 37).
Diese Entscheidungen wurden am an den Beschuldigten persönlich übergeben (OZ 45).
Mit Schreiben vom , eingelangt beim Finanzamt Österreich am , erklärte der Beschuldigte, gegen den Bescheid vom Beschwerde zu erheben. Mit weiterem Schreiben vom , eingelangt beim Finanzamt Österreich am , erklärte der Beschuldigte, gegen das Erkenntnis vom Beschwerde zu erheben. Inhaltlich wurden die Beschwerden nicht ausgeführt. Stattdessen beantragte der Beschuldigte aus gesundheitlichen Gründen die Gewährung einer Frist bis . Bis zu diesem Datum werde er die Begründung ausführen und neue Tatsachen und Beweismittel anführen. (OZ 46, OZ 70)
Es ist keine weitere Ausführung der Beschwerde erfolgt.
Am wurden die Beschwerdesachen dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung übermittelt (OZ 48).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Festgestellter Sachverhalt:
Der festgestellte Sachverhalt entspricht dem obgeschilderten Verfahrensgang.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer bezeichneten Beweismitteln.
Rechtslage:
Gem. § 143 Abs 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) kann die Finanzstrafbehörde ein Strafverfahren ohne mündliche Verhandlung und ohne Fällung eines Erkenntnisses durch Strafverfügung beenden, wenn der Sachverhalt nach Ansicht der Finanzstrafbehörde durch die Angaben des Beschuldigten oder durch das Untersuchungsergebnis, zu dem der Beschuldigte Stellung zu nehmen Gelegenheit hatte, ausreichend geklärt ist; ist der Sachverhalt schon durch das Ermittlungsergebnis des Abgabenverfahrens oder des Vorverfahrens (§ 82 Abs. 1), zu welchem der Täter Stellung zu nehmen Gelegenheit hatte, ausreichend geklärt, so kann das Finanzvergehen auch ohne Durchführung eines Untersuchungsverfahrens durch Strafverfügung geahndet werden (vereinfachtes Verfahren).
Gem. § 145 Abs 1 FinStrG können der Beschuldigte und die Nebenbeteiligten gegen die Strafverfügung binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben; sie können zugleich die der Verteidigung und der Wahrung ihrer Rechte dienlichen Beweismittel vorbringen.
Gem. § 58 Abs 1 lit b FinStrG ist für alle Finanzvergehen, die nicht unter lit a leg. cit. fallen, das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständig.
Gem. § 58 Abs 2 FinStrG obliegt die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses, soweit nicht gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 53 gegeben ist, einem Spruchsenat (§ 65) als Organ der Finanzstrafbehörde,
a) wenn der strafbestimmende Wertbetrag bei den im § 53 Abs. 2 bezeichneten Finanzvergehen 10 000 Euro, bei allen übrigen Finanzvergehen 33 000 Euro übersteigt,
b) wenn der Beschuldigte oder ein Nebenbeteiligter die Fällung des Erkenntnisses durch einen Spruchsenat beantragt. Im Fall eines vorausgegangenen vereinfachten Verfahrens (§ 143) ist ein solcher Antrag im Einspruch gegen die Strafverfügung, in den übrigen Fällen bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung oder, wenn eine solche gemäß § 125 Abs. 3 nicht stattfindet, bis zur Abgabe der Verzichtserklärung zu stellen.
Gemäß § 64 Abs. 1 FinStrG haben die Finanzstrafbehörden ihre Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.
Gem. § 167 Abs 1 FinStrG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, da[ss] er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Da[ss] dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gem. § 167 Abs 2 FinStrG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht gestellt werden, je nachdem, ob die Frist bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht wahrzunehmen war oder dort die Verhandlung stattfinden sollte. Diese sind auch jeweils zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das Bundesfinanzgericht entscheidet mit Beschluss. War die Frist beim Spruchsenat wahrzunehmen oder sollte die Verhandlung vor dem Spruchsenat stattfinden, entscheidet der Vorsitzende des Spruchsenates über den Wiedereinsetzungsantrag.
Gem. § 160 FinStrG ist über Beschwerden nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 vorzugehen.
Gem. § 161 Abs 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Es liegt kein Bescheid vor, wenn er die Behörde, von der er erlassen worden ist, nicht erkennen lässt. Ob die konkrete Behörde für die Erlassung des Bescheides zuständig ist, ist hingegen für dessen Gültigkeit irrelevant. ( mwN)
Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben (vgl. ).
Rechtliche Beurteilung:
Der BF hat einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Einspruchsfrist des § 145 Abs 1 FinStrG gestellt. Über diesen Antrag hatte nach § 167 Abs 2 2. Satz FinStrG die Finanzstrafbehörde zu entscheiden, da die versäumte Frist dort wahrzunehmen war.
Der Vorsitzende des Spruchsenates wäre gem. § 167 Abs 2 3. Satz FinStrG nur dann zur Entscheidung berufen, wenn die Frist beim Spruchsenat wahrzunehmen war oder die Verhandlung beim Spruchsenat stattfinden hätte sollen.
Die Betragsgrenze des § 58 Abs 2 lit a FinStrG war im gegenständlichen Fall nicht überschritten. Der Beschuldigte hat den Antrag gem. § 58 Abs 2 lit b FinStrG erst im Einspruch gestellt, weshalb frühestens ab diesem Zeitpunkt überhaupt eine Zuständigkeit des Spruchsenates entstehen hätte können. Die Einspruchsfrist selbst war somit jedenfalls bei der Finanzstrafbehörde wahrzunehmen, weshalb der Vorsitzende des Spruchsenates keinesfalls zuständig für die Entscheidung über den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung betreffend die versäumte Einspruchsfrist war.
Der angefochtene Bescheid des Spruchsenatsvorsitzenden war somit - trotz unvollständiger Ausführung der Beschwerde - nach § 161 Abs 1 2. Satz FinStrG aufzuheben. Das zuständige Organ der Finanzstrafbehörde wird den - nunmehr unerledigten - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom einer Entscheidung zuzuführen haben.
Da der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben war, wurde aus verfahrensökonomischen Gründen gem. § 160 Abs 1 FinStrG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Ergänzend wird klargestellt, dass die Entscheidung über die außerdem erhobenen Beschwerden gegen die Erkenntnisse des Spruchsenates gem. § 62 Abs 1 lit a FinStrG einem Senat des Bundesfinanzgerichtes obliegt, weshalb die Sache entsprechend der Geschäftsverteilung der zuständigen Gerichtsabteilung zuzuteilen war.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 161 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 167 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 58 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5300002.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAF-46977