Abzugsfähigkeit von EU-Kartellgeldbußen
Revision eingebracht.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Susanne Haim, die Richterin Mag. Monika Fingernagel sowie die fachkundigen Laienrichter Michael Hinterreiter LLB und Leopold Pichlbauer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Kerstin Nicole Schinagl zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführerin (Bf) wurde gesamtschuldnerisch mit der ***1*** GmbH (nunmehr ***2*** GmbH, im Folgenden kurz: "***3***") von der Europäischen Kommission im Jahr 2010 eine Geldbuße für kartellrechtswidriges Verhalten in Höhe von Euro 22 Mio. auferlegt.
Im Zuge einer die Jahre 2008-2011 umfassenden abgabenbehördlichen Außenprüfung bei der Bf wurde ua festgestellt, dass für dieses im Jahr 2006 begonnene Kartellverfahren im Wirtschaftsjahr 2011 eine Rückstellung idHv Euro 17.100.000,- gebildet worden sei und diese steuerlich mit 80 % (Euro 13.680.000,-) angesetzt worden sei. Auch vor dem mit AbgÄG 2011 gesetzlich festgehaltenen Abzugsverbot von Strafen sei die Nichtabzugsfähigkeit durch die Rsp des VwGH vorgesehen gewesen. Der VwGH habe dies bereits mit Erkenntnis vom , 99/13/0221, entschieden, da es mit dem Strafzweck unvereinbar sei, im Wege der steuerlichen Entlastung den Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise unwirksam zu machen. Die Rückstellung sei daher steuerrechtlich nicht zulässig.
Entsprechend dieser Feststellung wurde am der Feststellungsbescheid Gruppenträger für das Jahr 2011 erlassen.
Dagegen brachte die Bf mit Schriftsatz vom innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, dass der Beschluss der Kommission vom ***4*** (***5***) durch die Bf und die ***3*** beim Gericht der Europäischen Union (EuG) bekämpft worden sei und das EuG mit Urteil vom ***6*** (Rs ***7***) die verhängte Geldbuße von Euro 22 Mio auf Euro 7,5 Mio reduziert habe. Die Strafe sei herabgesetzt worden, da nicht nachgewiesen worden sei, dass sich ***3*** als mittelbare Tochtergesellschaft der Bf an den Kartellkomplexen auf europäischer Ebene beteiligt habe. Die verbleibende Geldbuße sei aufgrund des kartellrechtswidrigen Verhaltens des selbständigen italienischen Handelsvertreters der ***3*** (***8*** bzw dessen Geschäftsführers) in Italien ("***9***") der ***3*** zuzurechnen, auch wenn diese - wie im Urteil durch das EuG explizit festgestellt - vom kartellrechtswidrigen Verhalten des Handelsvertreters nichts gewusst habe. Die Bf treffe demnach kein eigenes Verschulden.
Für die vorgeworfene Tat reiche auch bereits Fahrlässigkeit aus. Daher habe die Kommission in ihrer Entscheidung nicht über Einordnung der Zuwiderhandlung als fahrlässig oder vorsätzlich absprechen müssen. Die Verhängung einer Geldbuße nach Art 23 Abs 2 lit a VO Nr 1/2003 setze somit bereits dem Grunde nach lediglich ein geringes Verschulden voraus.
Das VwGH-Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0043, unterscheide sich vom vorliegenden Fall, da der ***3*** und folglich der Bf keine eigene direkte Beteiligung am Kartellkomplex vorzuwerfen sei.
Der VwGH halte es für möglich, dass EU-Kartelleldbußen als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig seien, indem er ausführe Kartellgeldbußen seien "in der Regel" nicht absetzbar.
Das Verhalten sei überdies der "normalen Betriebsführung" der Bf zuzurechnen.
Außerdem werde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugestellt am ) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass auch der EuGH deutlich in Richtung des pönal begründeten steuerlichen Abzugsverbotes solcher Geldbußen argumentiere. Die Bestimmungen des § 20 Abs 1 Z 5 lit b EStG und des § 12 Abs 1 Z 4 lit b idFd AbgÄG 2011 seien zwar erst mit in Kraft getreten, aus der Rsp des VwGH gehe aber hervor, dass Strafen auch zuvor schon im Allgemeinen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig gewesen seien. Dies sei auch den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2011 zu entnehmen. Der VwGH begründe dies zum einen damit, dass eine steuerliche Abzugsfähigkeit von Strafen deren Pönalcharakter unterlaufen und deren spezial- und generalpräventive Wirkung schmälern würde. Zum anderen werde die Versagung der Abzugsfähigkeit damit begründet, dass das, eine Strafe auslösende, Verhalten in der Regel nicht der "normalen Betriebsführung" zuzurechnen sei. Der Kausalzusammenhang zum betrieblichen Geschehen reiche jedoch nicht aus, damit die Beteiligung an einem Kartell der "normalen Betriebsführung" zuzuordnen sei.
Das Verhalten des Handelsvertreters sei der Bf zuzurechnen, da dieser im Namen und für Rechnung des Geschäftsherrn agiert habe, ohne das wirtschaftliche Risiko zu tragen. Im Zuge einer Vorhaltsbeantwortung sei außerdem hervorgekommen, dass sich die Bf nicht unmittelbar nach Bekanntwerden des Kartells von dem Handelsvertreter getrennt habe und auch keine Schadenersatzforderungen gegen ihn geltend gemacht habe. Dies sei nicht nachvollziehbar.
In der Folge brachte die Bf mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag ein, in dem sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen ausführte, dass die ertragsteuerliche Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben im gegenwärtigen Unionsrecht nicht harmonisiert sei und somit in der souveränen Kompetenz der EU-Mitgliedsstaaten zur Steuergesetzgebung liege. Die Rsp des EuGH sei daher nicht anwendbar. Ebenso komme erläuternden Bemerkungen in Regierungsvorlagen generell keine normative Kraft zu.
Das Finanzamt legte daraufhin am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am wurde antragsgemäß eine mündliche Senatsverhandlung durchgeführt.
Ergänzend führte die Bf aus, dass in den Jahren 1997-2002 (Zeitraum des Kartells) eine "Kartell-Compliance" - wie heute üblich ist - in den Unternehmen noch nicht existiert habe. Die Bf habe keinerlei Kenntnis vom Italienischen Markt gehabt und hätte den Handelsvertreter nicht mehr, als sie ohnehin getan hat, kontrollieren können. Außerdem sei die Nichtabzugsfähigkeit von Strafen im Gesetz zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgesehen gewesen (Legalitätsprinzip).
Der Vertreter der Amtspartei brachte insbesondere vor, dass ein Verschulden des Handelsvertreters der Bf zugerechnet werden müsse.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Die Bf ist mittelbar zu 99,95 % an der ***3*** beteiligt.
Die ***3*** ist ein österreichischer ***10***. Vom bis zum befand sich diese Gesellschaft zu 95 % im Besitz der ***11*** GmbH und zu 5 % im Besitz der ***12*** GmbH. Nach einer internen Umstrukturierung übernahm am die ***13*** GmbH als uneingeschränkte Rechtsnachfolgerin der ***11*** 99,95 % des Gesellschaftskapitals der ***3***. Die ***11*** und die ***13*** GmbH sind jeweils 100%ige Tochtergesellschaften der Bf.
In Italien betraute die ***3*** mit Vertrag vom einen Handelsvertreter, die italienische Gesellschaft ***8*** ("***24***"), mit dem Vertrieb von ***14***. Diese Gesellschaft wurde von ***15*** geleitet und vertreten. ***23*** war nicht befugt, Vereinbarungen mit den Kunden der ***3*** zu unterzeichnen; diese wurden unmittelbar von der ***3*** getroffen. Des weiteren war das ***24*** dazu verpflichtet der ***3*** regelmäßig Bericht zu erstatten. Der Handelsvertreter agierte also im Namen und für Rechnung der ***3***, ohne das wirtschaftliche Risiko der ihm übertragenen Tätigkeiten zu tragen.
In der Handelsvertretervereinbarung vom wurde dazu auszugsweise festgehalten:
…Sie vermitteln die Aufträge unter genauer Bekanntgabe der vom Kunden gestellten Bedingungen aufgrund der einzelnen Angebote und unter genauer Einhaltung der von uns bekanntgegebenen Richtlinien, Preisvorschriften und Zahlungs- sowie Verkaufs- und Lieferbedingungen, zu deren Änderung Sie nicht befugt sind. Wir behalten uns das Recht vor, von Ihnen vermittelte Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, ohne dass Ihnen im Falle einer Ablehnung irgendein Anspruch gegen uns zusteht….
..Zum Inkasso und zur Entgegennahme von Zahlungen der Kunden sind Sie nicht berechtigt. Die Bezahlung hat vom Kunden an uns zu erfolgen und zwar in der Art und an jene Stellen, die von uns vorgeschrieben werden….
Der Bf wurde mit Beschluss der Europäischen Kommission vom ***4*** (***5***) gesamtschuldnerisch mit der ***3*** eine Geldbuße für kartellrechtswidriges Verhalten in Höhe von Euro 22 Mio. auferlegt.
Mit Klagseinreichung vom bekämpften die Bf und die ***3*** den Beschluss der Kommission beim Gericht der Europäischen Union (EuG).
Im Urteil vom ***6*** (Rs ***7***) wurde die verhängte Kartellgeldbuße vom EuG auf Euro 7,5 Mio. herabgesetzt.
Dem Verfahren lag ein Kartell zwischen ***16*** zugrunde, die sich an Quotenvereinbarungen, Kundenaufteilungen und Preisfestsetzungen sowie am Austausch sensibler Geschäftsinformationen im Zusammenhang mit Preisen, Liefermengen und Kunden auf europäischer (***17***, ***18***, ...), nationaler und regionaler (***9***, ***19***) Ebene beteiligten.
Die ***3*** beteiligte sich insbesondere am ***9***, einer der regionalen Vereinbarungen des Kartells, über ihren Handelsvertreter in Italien, der auch für ein weiteres Kartellmitglied tätig gewesen ist. Der ***3*** wurden im Zusammenhang mit dem Kartell ua Quoten zugewiesen.
Der Handelsvertreter nahm dazu an verschiedenen ("mindestens 14"; siehe EuG ***6***, Rs ***7***) Treffen des ***9*** als Vertreter der ***3*** teil.
Eine Teilnahme der ***3*** an weiteren Kartellen auf europäischer Ebene wurde vom EuG nicht festgestellt. Lediglich eine Teilnahme an wettbewerbswidrigen Gesprächen. Aus diesem Grund sowie aufgrund der Tatsache, dass die Teilnahme am ***9*** über den Handelsvertreter lief und ein Wissen der Bf nicht nachgewiesen werden konnte, wurde die Strafe vom EuG herabgesetzt.
Die Bf bildete im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss des Wirtschaftsjahres 2010/2011 eine Rückstellung für die Kartellgeldbuße in Höhe von Euro 17,1 Mio, welche gemäß § 9 Abs 5 EStG steuerlich mit Euro 13,68 Mio. angesetzt wurde.
2. Beweiswürdigung
Im Wesentlichen argumentiert die Bf damit, dass sie nur ein geringes Verschulden im Zusammenhang mit der Kartellgeldbuße treffe, da sie nichts von der Teilnahme an dem Kartell durch den italienischen Handelsvertreter wusste.
Die Beteiligung des ***23*** als Vertreter der ***3*** an den Treffen des ***9*** geht aus den verschiedenen Nachweisen, die der Kommission vorlagen, hervor. Die ***3*** scheint dabei ua namentlich auf internen Notizen über diese Treffen auf (vgl EuG ***6***, RS ***7***, RN 78 ff). Der ***3*** wurden auch ausdrücklich Quoten zugewiesen.
Im Urteil des EuG wurde zwar festgehalten, dass keine Beweise dafür vorliegen, dass die ***3*** über ***23*** Information über die wettbewerbswidrigen Handlungen ihres Handelsvertreters bei den verschiedenen Zusammenkünften des ***9***, an denen er teilnahm, hatte (RN 174 EuG ***6***, RS ***7***). Dazu ist jedoch anzuführen, dass im Bereich des Strafrechts und auch im Bereich von Kartellgeldbußen die Unschuldsvermutung gilt (RN 116, EuG ***6***, RS ***7***). Das Wissen der Bf um die Teilnahme an dem Kartell konnte nach den Feststellungen des EuG lediglich nicht nachgewiesen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das EuG explizit festgestellt hat, dass die Bf nichts von der kartellrechtswidrigen Verhalten des Vertreters wusste. Im Steuerrecht und somit bei der Beurteilung der Absetzbarkeit von Betriebsausgaben gilt im Gegensatz zu Unschuldsvermutung die freie Beweiswürdigung. Dies bedeutet, dass wenn keine eindeutigen Nachweise vorliegen, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen ist, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; ).
Im vorliegenden Fall geht aus der Handelsvertretervereinbarung und den dem vorgelegten Berichten hervor, dass der Handelsvertreter der ***3*** regelmäßig über die Entwicklungen auf dem italienischen Markt berichten musste. Der Handelsvertreter war für Rechnung der ***3*** tätig, die das wirtschaftliche Risiko dieser Vertretung trug. Der Name ***3*** wurde bei den Treffen des ***9*** mehrfach erwähnt. Es ist nicht glaubhaft, dass die Bf nichts von den Handlungen des Handelsvertreters wusste, zumal sie auch die Nutznießerin war (RN 177, EuG ***6***, RS ***7***). Im Gegensatz dazu hätte der Handelsvertreter ein großes Risiko der Entdeckung seiner (geheimen) Teilnahme am Kartell gehabt. Dies hätte in der Folge zumindest eine Vertragsauflösung nach sich gezogen. Dieses Risiko war angesichts der zahlreichen Treffen der verschiedenen Unternehmen aus ganz Europa sehr hoch. Es ist unwahrscheinlich, dass eine solche Teilnahme nicht über Vertreter anderer Unternehmen an die ***3*** oder die Bf herangetreten worden wäre. Dieses Risiko übertrifft den Nutzen für den Handelsvertreter.
Aus einem Vorhalteverfahren beim Finanzamt geht außerdem hervor, dass die Bf den Vertrag mit dem Handelsvertreter nicht sofort nach Aufdeckung des Kartells aufgelöst hat und keinerlei Schadenersatzforderungen gegen ihn geltend gemacht hat. Die Bf begründet dies damit, dass sich der Handelsvertreter im Gegenzug dazu bereit erklärt habe bei der weiteren Aufklärung und der Abwicklung des Verfahrens vor dem EuG dem Unternehmen zur Verfügung zu stehen. Dazu ist anzumerken, dass das Vertragsverhältnis mit dem ***24*** erst Ende des Jahres 2011 aufgelöst wurde. Die Bf hatte jedoch von dem Kartell nachweislich bereits im Jahr 2008 Kenntnis (RN 32, EuG ***6***, RS ***7***: Mitteilung durch die Kommission am ). Darüber hinaus unterzeichnete der Handelsvertreter schon am die schriftliche Erklärung, in der festgehalten wurde, dass er die ***3*** nicht über die Treffen der italienischen und anderen europäischen Spannstahlhersteller informiert habe. Inwieweit der Handelsvertreter im Verfahren vor dem EuGH über diese Erklärung hinaus mitzuwirken hatte, wurde nicht dargelegt.
Die genannte Erklärung des ***23*** hat, wie das EuG feststellte, außerdem nur eine geringe Beweiskraft, da zahlreiche gegenteilige Erklärungen anderer, am Kartell beteiligter, Unternehmen vorliegen, die diese im Rahmen ihrer Kronzeugenerklärungen abgegeben haben (siehe RN 283, EuG ***6***, RS ***7***). Das EuG führt dazu aus:… So hat ***20***, die zahlreiche Dokumente zum ***9*** vorgelegt hat, eindeutig angegeben, dass ***23*** an den genannten Zusammenkünften für ***21***, aber auch als Vertreter von ***3*** in Italien teilgenommen habe. Auch ***22*** stellt, wenn von ***23*** die Rede ist, klar, dass es sich dabei um den Vertreter von ***21*** und Austria Draht in Italien handle (siehe RN 282, EuG ***6***, RS ***7***).
Die Bf begründete ihre Vorgehensweise insbesondere damit, dass ***23*** bei der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der Vorbereitung der Klage gegen die Entscheidung der Kommission mitwirken hätten sollen. Die Klage wurde beim EuGH am eingereicht. Eine Kündigung des Vertrages zum Ende des Jahres 2010 wäre daher jedenfalls möglich gewesen. Es ist nicht erklärlich, warum Geschäftsbeziehungen, derentwegen der ***3*** eine Geldbuße in Höhe von ursprünglich Euro 22 Mio. auferlegt wurde, länger als unbedingt nötig weitergeführt wurden.
Es ist daher insgesamt nicht glaubhaft, dass die Bf keine Kenntnis von der Teilnahme an dem, Kartell hatte. Zumindest hätte sie aufgrund der umfangreichen Kontrollrechte sowie den zahlreichen Zusammentreffen der europäischen Unternehmen davon Kenntnis haben müssen bzw gehört dies zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes, seine Vertreter entsprechend auszuwählen und diese laufend zu überprüfen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 4 Abs 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.
Rückstellungen können nach § 9 Abs 1 EStG nur gebildet werden für
1. Anwartschaften auf Abfertigungen,
2. laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen,
3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten, wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen.
4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.
Nach Abs 3 dieser Bestimmung dürfen Rückstellungen im Sinne des Abs 1 Z 3 und 4 nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.
Gemäß § 12 Abs 1 Z 4 KStG 1988 idF vor 2011 durften bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden: Geld- und Sachzuwendungen, deren Gewährung oder Annahme mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, weiters Verbandsgeldbußen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz.
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011 (AbgÄG 2011, BGBl I Nr 76/2011) erfuhren § 20 Abs 1 Z 5 EStG 1988 und § 12 Abs 1 Z 4 KStG 1988 eine Ergänzung, indem ausdrücklich angeordnet wurde, dass "Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden dürfen". Die Bestimmung ist mit in Kraft getreten und kommt im Beschwerdefall daher noch nicht zur Anwendung.
Nach der Rsp des VwGH war auch schon vor dem AbgÄG 2011 im Allgemeinen eine Nichtabzugsfähigkeit solcher Strafen gegeben. Der VwGH stützt seine Judikatur dabei im Wesentlichen auf den Pönalcharakter der Strafe, der durch eine Abzugsfähigkeit nicht gemindert werden soll. Es wäre mit dem Strafzweck einer Norm nicht vereinbar, wenn der Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise über die Steuer unwirksam gemacht werden würde (zB ; ; ).
Bei der Frage der Abziehbarkeit von Geldstrafen als Betriebsausgaben sind physische und juristische Personen gleich zu behandeln ().
In den beiden Erkenntnissen vom , Ro 2016/15/0043 und vom , Ro 2017/15/0001, hat der VwGH explitzit ausgesprochen, dass EU-Kartellgeldbußen schon vor der Änderung des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 und des § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 mit dem AbgÄG 2011 in der Regel nicht als Betriebsausgaben abziehbar waren.
Nur in Ausnahmefällen waren nach der Rsp des VwGH Geldstrafen abzugsfähig, nämlich dann, wenn das Fehlverhalten in den Rahmen der "normalen Betriebsführung" fällt und die Geldstrafen vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig sind oder auf ein nur geringes Verschulden zurückzuführen sind (vgl zB VwGH 3.7.19190, 90/14/0069; ).
Das Finanzamt vertritt in der Beschwerdevorentscheidung die Ansicht, dass die Kartellgeldbuße nicht im Rahmen der normalen Betriebsführung der Bf angefallen ist.
Der VwGH begründet die Nichtabzugsfähigkeit von Strafen ua damit, dass die Strafen unter bestimmten Umständen als nicht abziehbare Aufwendungen der Lebensführung zu beurteilen sind. Wird die Verhängung von Strafen durch das eigene Verhalten des Steuerpflichtigen ausgelöst, ist davon auszugehen, dass die Zuwiderhandlungen nicht in den Rahmen einer normalen Betriebsführung fallen und demnach nicht im Betrieb als solchem, sondern im schuldhaften Verhalten des Steuerpflichtigen ihre auslösende Ursache haben ().
Im KStG-Bereich kommt eine "privat vom Betriebsinhaber" veranlasste Aufwendung nur in der Form in Betracht, dass eine Leistung infolge der Gesellschafterstellung (eines Gesellschaftergeschäftsführers) erbracht wird, die nicht zu Betriebsausgaben führen kann (zB ; ; vgl auch ).
Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung für die Teilnahme an dem Kartell durch die Bf ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Vielmehr ist der Kontakt mit den Konkurrenten und die Abrede, die Preise bestimmter Produkte (abgestimmt) zu erhöhen, klar darauf ausgerichtet, keine Umsatzverluste zu erleiden und durch die Maßnahmen zusätzliche Umsätze zu generieren, eindeutig betrieblich veranlasst. Die von der EU-Kommission verhängte Geldbuße ist daher dem Bereich der normalen Betriebsführung zuzuordnen. Dies wird auch vom Finanzamt in der mündlichen Verhandlung eingeräumt.
Selbst wenn die betriebliche Veranlassung zu bejahen ist, sind Geldstrafen nach der Rsp des VwGH jedoch nur dann abzugsfähig, wenn sie vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig sind (zB Strafen für die Überschreitung von CO2-Emissionszertifikaten, siehe Lachmayer, RdW 2011/310) oder auf ein nur geringes Verschulden zurückzuführen sind.
Die Bf führt dazu zum einen aus, dass eine Verhängung einer Geldbuße nach Art 23 Abs 2 lit a VO Nr 1/2003 schon dem Grunde nach lediglich ein geringes Verschulden voraussetze. Zum anderen treffe sie kein eigenes Verschulden, da sie vom kartellrechtswidrigen Verhalten des Handelsvertreters nichts gewusst habe und keine eigene direkte Beteiligung an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen festgestellt worden sei.
Die gegenständliche Geldbuße wurde auf Grundlage Art 101 und Art 102 AEUV verhängt. Nach Art 23 Abs 2 lit a der VO Nr. 1/2003 des Rates vom kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Geldbußen verhängen, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art 101 und Art 102 AEUV verstoßen.
Die Verhängung der Geldbuße ist somit jedenfalls nicht vom Verschulden unabhängig.
Für die Verhängung der Geldbuße reicht zwar grundsätzlich Fahrlässigkeit aus, dies bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall nur ein geringes Verschulden vorliegt.
Es ist daher zu prüfen in wie weit die Bf nur ein geringes Verschulden trifft.
Aus dem Urteil des EuG geht hervor, dass der Handelsvertreter an den Treffen des ***9*** als Vertreter der ***3*** teilgenommen hat. Der ***3*** wurden in der Folge auch Quoten zugewiesen. Das wettbewerbswidrige Verhalten des Handelsvertreters erfolgte zumindest wissentlich und somit vorsätzlich.
Es bleibt demnach zu klären in wie fern dieses Verhalten des Handelsvertreters der ***3*** bzw der Bf zuzurechnen ist.
Bezüglich des Verhältnisses der Bf bzw der ***3*** zum Handelsvertreters hat das EuG festgestellt, dass der genannte Vertrag als Handelsvertretervertrag zu qualifizieren ist. Das EuG hielt weiters fest: ***23*** trug bei seiner Tätigkeit für Rechnung und im Namen von ***3*** in Italien kein wirtschaftliches Risiko dergestalt, dass ihm aufgrund der zwischen ihm und dieser Gesellschaft getroffenen Abmachung, Aufgaben erwachsen oder verblieben wären, die aus wirtschaftlicher Sicht denen eines Eigenhändlers geähnelt hätten (RN 147 ff, EuG ***6***, RS ***7***)…Bei einem Agieren als verlängerter Arm von ***3*** kann der Handelsvertreter einem Hilfsorgan, das mit dem Unternehmen ***3*** verflochten war, entsprechend einem Handlungsgehilfen, gleichgesetzt werden... (RN 154, EuG ***6***, RS ***7***).
Das EuG ist zu dem Schluss gekommen, dass das wettbewerbswidrige Verhalten des Handelsvertreters im Rahmen dieser Tätigkeiten, auch ohne Nachweis der Kenntnis des Geschäftsherrn, der ***3*** bzw der Bf ebenso zugerechnet werden muss, wie es bei einem Arbeitgeber in Bezug auf die von einem seiner Beschäftigten begangenen rechtswidrigen Handlungen der Fall ist. Der Handelsvertreter stellt mit der ***3*** und der Bf eine wirtschaftliche Einheit dar (RN 175ff, EuG ***6***, RS ***7***).
Diese Ausführungen des EuG gelten auch für die hier zu beurteilende Abzugsfähigkeit der Kartellgeldbuße. In Ausnahmefällen lässt der VwGH, wie oben ausgeführt, eine Abzugsfähigkeit zu, wenn den Steuerpflichtigen an der Strafe kein oder nur ein geringes Verschulden trifft. Dass der Handelsvertreter wissentlich an dem Kartell teilnahm ist unbestritten und wurde so auch im Urteil des EuG festgestellt (RN 180 ff, EuG ***6***, RS ***7***). Ihn trifft daher jedenfalls kein nur geringes Verschulden.
Eine höchstpersönliche Schuld kann es bei einer Körperschaft nicht geben, da sie nur über ihre Organe handeln kann. Die Tätigkeit des Handelsvertreters ist der ***3*** und in weiterer Folge der Bf zuzurechnen, da diese eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Die gleiche Ansicht vertritt auch der VwGH in seiner Rsp, zB in Bezug auf Arbeitnehmer (; ). Diese Rsp ist auch auf selbstständige Handelsvertreter übertragbar, die im Namen und Rechnung ihres Auftraggebers auftreten. Wäre dies nicht so, wäre eine Umgehung dadurch möglich, dass wettbewerbswidrige Handlungen Vertretern übertragen werden würden.
Der Vollständigkeit halber wird noch festgehalten, dass es nicht glaubhaft ist, dass die Bf nichts von der Kartellteilnahme durch den Handelsvertreter wusste oder wissen hätte müssen (siehe Beweiswürdigung). Es ist, wie bereits ausgeführt, nicht nachvollziehbar warum der Vertag nicht zum ehest möglichen Zeitpunkt beendet wurde und keine Schadenersatzforderungen geltend gemacht wurden. Außerdem hatte die Bf umfangreiche Kontrollrechte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Bf davon wusste oder zumindest hätte wissen müssen überwiegt. Ein Überwiegen der Wahrscheinlichkeit genügt im Steuerrecht, im Gegensatz zur Unschuldsvermutung im Strafrecht. Geringes Verschulden im Sinne eines minderen Grad des Versehen liegt auch aus diesem Grund nicht vor.
Die Kartellgeldbuße ist daher nicht abzugsfähig und somit steuerehrlich nicht rückstellbar. Die Beschwerde war abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur gegenständlichen Rechtsfrage, nämlich ob EU-Kartellgeldbußen steuerrechtlich abzugsfähig sind, existiert eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Da im vorliegenden Beschwerdefall außerdem die Rechtslage vor dem AbgÄG 2011 anzuwenden ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.
Linz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5101400.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
OAAAF-46974