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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.01.2025, RV/7100803/2020

Beschwerde einer mittlerweile vollbeendigten gelöschten GmbH - Einstellung des Beschwerdeverfahrens

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Wieser in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gemäß
§ 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht, vormals vertreten durch Dr. Christian Prodinger, Liechtensteinstraße 20/12, 1090 Wien, betreffend der Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich (vormals des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt ) vom betreffend Umsatzsteuer 2016 und Wiederaufnahme § 303 BAO / USt 2016 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Bei der Beschwerdeführerin ***Bf1***, bis ***Bf1-Name-Alt*** (in weiterer Folge kurz die Bf), fand im Jahr 2019 eine abgabenrechtliche Außenprüfung gemäß
§ 147 BAO statt. Gegenstand der Betriebsprüfung war unter anderem die Umsatzsteuer des Jahres 2016.

Im Zuge der Betriebsprüfung wurde von der Abgabenbehörde festgestellt, dass die Bf für das Wirtschaftsjahr 2016 Einfuhrumsatzsteuern gemäß § 26 Abs 3 UStG in Höhe von Euro 316.377,72 als Vorsteuern geltend machte, welche jedoch mangels Verfügungsmacht der Bf über die Waren im Zeitpunkt des Grenzübertritts abzuerkennen sind. Die Verrechnung der Einfuhrumsatzsteuer auf das Abgabenkonto der Bf habe nicht zur Anwendung kommen dürfen, da keine Übereinstimmung des Steuerschuldners mit dem Vorsteuerabzugsberechtigten bestand. Der Vorsteuerabzug wurde daher vom Finanzamt versagt.

Mittels Bescheid vom verfügte die Abgabenbehörde die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 BAO betreffend der Umsatzsteuer 2016. Mit einem neuen Umsatzsteuerjahresbescheid für das Jahr 2016, ebenfalls erlassen am , wurde aufgrund der Streichung des Vorsteuerabzugs eine Abgabennachforderung in Höhe von Euro 316.377,72 festgesetzt.

Am erhob die Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid und den neuen Sachbescheid. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Wiederaufnahmebescheid lediglich auf eine Teilziffer des Betriebsprüfungsberichts verweise, aus welcher sich jedoch weder neue Beweismittel noch neue Tatsachen entnehmen lassen. Zudem fehle es an der Begründung des Ermessens. Die Abgabennachforderung aufgrund des neuen Umsatzsteuerbescheids 2016 liege zudem ein falscher Sachverhalt zugrunde, da die Bf tatsächlich die Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer gewesen sei und somit auch der Vorsteuerabzug rechtmäßig erfolgte. Die Bf beantragte eine Direktvorlage an das Bundesfinanzgericht.

Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgericht am zu Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache mit Wirksamkeit am in die Zuständigkeit der nunmehrigen Gerichtsabteilung übertragen.

Von der Bf wurde seit dem Jahresabschluss per , welcher am eingereicht wurde, kein weiterer Jahresabschluss mehr an das Firmenbuch übermittelt. Mit Beschluss des Landesgerichts ***LG1*** vom wurde über das Vermögen der Bf das Konkursverfahren eröffnet. Am wurde die Gesellschaft infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst und die Schließung des Unternehmens angeordnet. Mit Beschluss vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Die Bf wurde schließlich am gemäß § 40 FBG infolge von Vermögenslosigkeit amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht.

Seitens des Gerichtes wurde eine Abfrage des Abgabenkontos der Bf durchgeführt und hierbei festgestellt, dass auf diesem ein Betrag in Höhe von Euro 322.705,27 ausgesetzt wurde. Des Weiteren ist auf dem Abgabenkonto ersichtlich, dass die im gegenständlichen Fall strittigen Abgaben (Umsatzsteuer 2016) noch offen sind bzw noch keine Entrichtung erfolgt ist.

Mit Auskunftsersuchen vom wurde das Finanzamt Österreich aufgefordert bekanntzugeben, ob die Eintragungen am Abgabenkonto korrekt sind, oder ob die im gegenständlichen Fall strittigen Abgaben von der Bf entrichtet wurden, sodass es bei einer etwaigen Stattgabe der Beschwerde zu einem Guthaben und somit zu einem Aktivvermögen der Gesellschaft kommen kann. Mit Schreiben vom teilte die Abgabenbehörde mit, dass der strittige Betrag in Höhe von Euro 316.377,00 aufgrund eines Antrages vom ausgesetzt wurde und bis dato keine Entrichtung erfolgt sei. Des Weiteren ist ein Betrag in Höhe von Euro 6.327,55 am Abgabenkonto ausgesetzt, welcher auf einem Säumniszuschlag für das Jahr 2017 basiert. Es sei mit keiner Abgabenfestsetzung mehr zu rechnen und bestehe daher nach Ansicht des Finanzamtes kein Abwicklungsbedarf.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen bezüglich des gegenständlichen Abgabeverfahrens sind dem vorgelegten Akt, insbesondere dem Betriebsprüfungsbericht, den Bescheiden und der Beschwerde zu entnehmen.

Die Einreichungen von Jahresabschlüssen und das Datum der Einreichung des letzten Abschlusses ergeben sich aus dem Firmenbuch. Ebenso können die Beschlüsse des LG ***LG1*** im Zusammenhang mit dem Konkursverfahren der Bf und das Datum der Eintragung der Firmenbuchlöschung aus dem Firmenbuch entnommen werden.

Der Abgabenrückstand der Bf ist auf deren Abgabenkonto ersichtlich und wurden diese Beträge auch von der Abgabenbehörde in dem Schreiben vom bestätigt. Des Weiteren wurde vom Finanzamt bekannt gegeben, dass der im gegenständlichen Fall strittige Abgabenbetrag in Höhe von Euro 316.377,72 ausgesetzt und bis dato nicht entrichtet worden ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Einstellung des Verfahrens)

Die Bf wurde am gemäß § 40 FBG infolge von Vermögenslosigkeit amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht.

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person wirkt insofern nur deklarativ, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist. Die Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH besteht solange fort, als noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind und diese Abgabenfestsetzung zu einem Aktivvermögen der gelöschten GmbH führen kann, etwa durch Anrechnung von Steuervorauszahlungen, Abzugssteuern oder Vorsteuern (vgl ua ; unter Verweis auf ).

Abwicklungsbedarf und somit Parteifähigkeit besteht trotz bereits erfolgter Löschung im Firmenbuch ferner, wenn eine Abgabe bereits entrichtet wurde und in einem Abgaben- oder Beschwerdeverfahren ein möglicher Rückforderungsanspruch und somit eine etwaige Forderung geltend gemacht wird (; ).

An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide können daher bei bestehendem Abwicklungsbedarf grundsätzlich rechtswirksam ergehen (; ; ; ).

Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechtsverhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"(vgl ).

Der Auflösung folgt idR die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler (§ 93 GmbHG) vertreten. Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch (§ 157 UGB, § 93 GmbHG). Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung ist, wer gemäß § 93 Abs 3 GmbHG auf die Dauer von sieben Jahren zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln.

Keine Liquidation findet jedoch im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft und im Falle der Löschung einer Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 Abs 1 FBG statt (vgl Haberer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG, § 89, Rz 11 f).

Die Vertretungsregelung des § 80 Abs 3 BAO erfasst somit nur jene Fälle, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind jene Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs 1 FBG bei Konkursabweisung mangels eines zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichenden Vermögens als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist (vgl ).

Die Löschung nach § 40 Abs 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (vgl dazu auch ). Jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden, selbst wenn die Gesellschaft noch fortbesteht, weil etwa noch Aktivvermögen vorhanden ist (vgl ; ). In einem solchen Fall können an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam (vgl ).

Gemäß § 1023 ABGB werden die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben. Juristische Person des Privatrechts und rechtsfähige Personengesellschaften erlöschen nach der Lehre vom Doppeltatbestand (vgl etwa ), wenn sie einerseits vollständig abgewickelt sind, damit kein Vermögen mehr vorliegt, und wenn sie andererseits aus dem Firmenbuch gelöscht sind. Erst mit diesem Zeitpunkt tritt die Rechtsfolge des § 1023 ABGB ein (vgl Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4, § 1023, Rz 6).

Gemäß dem festgestellten Sachverhalt wurde die Beschwerdeführerin aufgrund der Bestimmung des § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit durch Beschluss des zuständigen Firmenbuchgerichtes aus dem Firmenbuch gelöscht. Es liegen somit die nach der "Lehre vom Doppeltatbestand" geforderten Voraussetzungen (Vermögenslosigkeit und Löschung aus dem Firmenbuch) zum Erlöschen einer juristischen Person kumulativ vor, sodass die in der Vergangenheit bestehende Vollmacht zugunsten der rechtsfreundlichen Vertretung seitdem erloschen ist (so auch ).

Da somit weder die früheren Geschäftsführer noch die rechtsfreundliche Vertretung die Bf vertreten und eine andere Person, der eine Erledigung für die Bf zugestellt werden kann, soweit ersichtlich nicht besteht, kann eine Erledigung durch das erkennende Gericht im gegenständlichen Verfahren ohne Kuratorbestellung für die gelöschte GmbH nicht mehr zugestellt werden, selbst wenn diese als Steuersubjekt noch existieren sollte (vgl etwa ).

Eine Kuratorbestellung setzt ein zwar handlungsunfähiges, jedoch existentes Steuersubjekt voraus. Sofern kein Abwicklungsbedarf besteht, liegt aber gar kein Rechtssubjekt mehr vor. Mangels Abwicklungsbedarf besteht auch keine Parteifähigkeit mehr. Zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs 2 BAO besteht in einem solchen Fall kein Anlass (vgl ).

Die amtswegige Löschung nach § 40 FBG hat das Vorliegen von Vermögenslosigkeit der Gesellschaft zur Voraussetzung. Die gegenständliche Abgabe samt Nebenansprüchen ist daher uneinbringlich (vgl ).

Wurde eine Abgabe bereits entrichtet, stellt ein möglicher Rückforderungsanspruch ein Aktivvermögen der gelöschten GmbH dar, weswegen diesfalls Parteifähigkeit weiterbestünde. Die Parteifähigkeit setzt Aktivvermögen voraus (; ; ; ).

Da die streitgegenständlichen Abgabennachforderungen gemäß dem festgestellten Sachverhalt bislang nicht entrichtet wurden, würde selbst eine vollinhaltliche Stattgabe der Beschwerde zu keinem Aktivvermögen der gelöschten GmbH führen. Weder diese noch in weiterer Folge deren Gläubiger könnten ein Abgabenguthaben lukrieren. Somit liegt im gegenständlichen Fall eine Vollbeendigung der gelöschten GmbH vor (vgl ). Es besteht daher keine Veranlassung zur Bestellung ein es Kurators gemäß
§ 82 BAO (vgl ).

Zur Vorschrift, die bei Vollbeendigung der GmbH sinngemäß anzuwenden ist, verweist der Verwaltungsgerichtshof auf § 278 Abs 1 lit b BAO, wonach die Bescheidbeschwerde in den Fällen des § 256 Abs 3 BAO (Zurücknahme der Beschwerde) und des § 261 BAO (Fälle, in denen dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wurde) mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes als gegenstandslos zu erklären ist (ua ).

Nach der Bestimmung des § 274 Abs 1 Z 1 lit a BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde beantragt wird. Gemäß § 274 Abs 3 Z 1, 2 BAO iVm § 274 Abs 5 BAO kann jedoch im Fall einer Formalentscheidung ungeachtet eines Antrags von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war daher abzusehen.

Auf Basis der obigen Ausführungen war das Beschwerdeverfahren somit mittels Beschluss einzustellen. In analoger Anwendung von § 272 Abs 4 BAO obliegt die Einstellung des Beschwerdeverfahrens im gegenständlichen Fall dem Berichterstatter.

Der Beschluss ergeht mangels Zustellungsmöglichkeit an die Beschwerdeführerin nur an die Amtspartei (vgl ).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit einer Revision)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Fall zu klärenden Rechtsfragen wurden bereits durch die in diesem Beschluss zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Das Bundesfinanzgericht ist von dieser Judikatur nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher gegenständliche Fall nicht vor, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7100803.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
FAAAF-46964