Kein Anspruch auf Familienbeihilfe bei Fernstudium in Deutschland, wenn das quantitative Element der Berufsausbildung nicht erfüllt ist
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ***1*** für den Zeitraum April 2022 bis September 2023 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Monate April und Mai 2022 gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Die Beschwerde wird hinsichtlich der Monate Juni 2022 bis September 2023 gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
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Von | Bis | Anspruchsart | Betrag/Monat | Summe |
06/2022 | 07/2022 | Familienbeihilfe | € 165,10 | € 330,20 |
06/2022 | 12/2022 | Kinderabsetzbetrag | € 58,40 | € 408,80 |
08/2022 | 08/2022 | Familienbeihilfe | € 345,10 | € 345,10 |
09/2022 | 12/2022 | Familienbeihilfe | € 165,10 | € 660,40 |
01/2023 | 09/2023 | Familienbeihilfe | € 174,70 | € 1.572,30 |
01/2023 | 09/2023 | Kinderabsetzbetrag | € 61,80 | € 556,20 |
Rückforderungsbetrag gesamt | € 3.873,00 |
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt für ihre Tochter ***1*** die Familienbeihilfe i.H.v. € 3.238,20 und den Kinderabsetzbetrag i.H.v. € 1.081,80 für den Zeitraum April 2022 bis September 2023 bei der Beschwerdeführerin zurück, da sie der Aufforderung des Finanzamtes zur Übersendung von Unterlagen nicht nachgekommen war. Familienbeihilfe stehe bei einer ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung zu, die entsprechenden Nachweise über ein ernsthaftes und zielstrebiges Studium seien nicht vorgelegt worden.
2. In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor, die Nachweise hätten aufgrund eines Auslandsaufenthaltes nicht fristgerecht eingereicht werden können und sie beantrage, die nachgereichten Unterlagen zu berücksichtigen.
Der Beschwerde legte sie mehrere Unterlagen betreffend das Studium der Tochter bei.
3. Am gab das Finanzamt der Beschwerde hinsichtlich der Monate April und Mai 2022 statt und wies die Beschwerde betreffend die übrigen Zeiträume ab. Begründend führte es aus, in den Monaten April und Mai 2022 habe die Tochter der Beschwerdeführerin ihr Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben, die im Zeitraum Juni bis Oktober 2022 absolvierten Online-Tests hätten keine Gewichtung auf den Studienverlauf und seien auch keine zwingende Voraussetzung für eine Prüfung. Die gesundheitlichen Probleme der Tochter im Zeitraum von November 2022 bis Dezember 2023 bewirkten keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, da sie das Studium nach der Unterbrechung nicht wieder aufgenommen habe.
4. Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin vor, die Beschwerdevorentscheidung habe die besondere Situation ihrer Tochter nicht angemessen berücksichtigt, ihre Tochter leide unter einer schwerwiegenden psychischen Angsterkrankung, die erhebliche Auswirkungen auf ihr tägliches Leben habe. Nach ihren Informationen sollten Personen, die an einer psychischen Erkrankung wie einer Angsterkrankung leiden, unter bestimmten Bedingungen anspruchsberechtigt sein. Sie bitte um erneute Überprüfung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Die Tochter der Beschwerdeführerin ***1*** ist im März 2001 geboren und hat im März 2019 das 18. Lebensjahr vollendet.
2. Sie hat Ende April 2022 das Bachelor-Fernstudium Social Media an der IU Internationale Hochschule in Deutschland begonnen und war durchgehend bis Dezember 2023 in diesem Studium inskribiert; sie hat das Zeitmodel im Umfang von 36 Monaten (Vollzeit) gewählt (siehe Studienvertrag vom ). Am hat sie das Studium abgebrochen (siehe Exmatrikulationsbescheinigung der IU Internationale Hochschule vom ). In dieser Zeit war sie kein Semester beurlaubt (siehe Exmatrikulationsbescheinigung der IU Internationale Hochschule vom ).
Die Berufsausbildung hat im April und Mai 2022 die volle Zeit der Tochter in Anspruch genommen.
Die Berufsausbildung hat von Juni 2022 bis September 2023 nicht die volle Zeit der Tochter in Anspruch genommen.
3. Seit ist die Tochter der Beschwerdeführerin in laufender klinisch-psychologischer Behandlung und Therapie. Sie leidet an einer gravierenden Angstsymptomatik und kann seither ihren Verpflichtungen nur mehr sehr eingeschränkt nachkommen, sie ist aus klinisch-psychologischer Sicht nur eingeschränkt arbeitsfähig (siehe Bestätigung der klinischen Psychologin und Gesundheitspsychologin ***2*** vom ).
4. Der Beschwerdeführerin wurde für ihre Tochter ***1*** für den Zeitraum April 2022 bis September 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt (siehe Datenbank der Finanzverwaltung FABIAN).
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:
1. Bei der IU Internationalen Hochschule in Deutschland handelt es sich nicht um eine solche des § 3 StudFG, weshalb das Vorliegen einer Berufsausbildung nicht nach § 2 Abs. 1 lit b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 zu prüfen ist, sondern nach den von der Judikatur ausgebildeten allgemeinen Kriterien zur Berufsausbildung.
Von Ende April 2022 bis zu ihrem Abbruch im Dezember 2023 war die Tochter der Beschwerdeführerin durchgängig an der IU Internationalen Hochschulde zum Bachelor-Fernstudium Social Media zugelassen. Somit ist eindeutig das qualitative Element der Berufsausbildung erfüllt. Dies zieht auch das Finanzamt nicht in Zweifel.
Hinsichtlich des quantitativen Elementes ist daher zu prüfen, ob diese Berufsausbildung die volle Zeit der Tochter der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen hat.
2. Die Tochter der Beschwerdeführerin hat für ihr Fernstudium das Zeitmodel im Umfang von 36 Monaten (Vollzeit) gewählt (siehe Studienvertrag mit der IU Internationale Hochschule vom ).
3. Im Mai 2022 hat die Tochter der Beschwerdeführerin Prüfungen im Ausmaß von 13 ECTS positiv absolviert; es waren dies Marketing I (3 ECTS), Betriebswirtschaftslehre I (3 ECTS) und II (2 ECTS) und Kollaboratives Arbeiten (5 ECTS). Zwei weitere Module (Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten und Social-Media-Marketing) im Ausmaß von je 5 ECTS hat sie im November 2023 erfolgreich bestanden (siehe Transcript of Records).
4. Für das Modul Marketing I wird der Zeitaufwand für Studierende von der IU Internationale Hochschule mit 90 Stunden angegeben (siehe Modulhandbuch Bachelor of Arts Bachelor Social Media (FS-BASM) Seite 21, https://res.cloudinary.com/iugroup/image/upload/v1698625402/ba_socialmedia_fs-basm_de_ueggih.pdf; abgefragt am über https://www.iu-fernstudium.de/bachelor/social-media/).
Der Zeitaufwand für das Modul Betriebswirtschaftslehre I beträgt 90 Stunden und für Betriebswirtschaftslehre II 60 Stunden (siehe Modulhandbuch Bachelor of Arts Bachelor Social Media (FS-BASM) Seite 74 und 80, https://res.cloudinary.com/iugroup/image/upload/v1698625402/ba_socialmedia_fs-basm_de_ueggih.pdf; abgefragt am über https://www.iu-fernstudium.de/bachelor/social-media/).
Die Studierenden wenden für das Modul Kollaboratives Arbeiten 150 Stunden auf (siehe Modulhandbuch Bachelor of Arts Bachelor Social Media (FS-BASM) Seite 111, https://res.cloudinary.com/iugroup/image/upload/v1698625402/ba_socialmedia_fs-basm_de_ueggih.pdf; abgefragt am über https://www.iu-fernstudium.de/bachelor/social-media).
Für all diese Module hat die Tochter der Beschwerdeführerin die Prüfung am abgelegt. Insgesamt hat der Zeitaufwand für die Berufsausbildung der Tochter im April und Mai 2022 330 Stunden betragen; das sind mehr als 38 Stunden pro Woche (330 Stunden gesamt dividiert durch 2 Monate dividiert durch 4,3 Wochen), die die Tochter für ihre Berufsausbildung aufgewendet hat. Somit steht unzweifelhaft fest, dass die Berufsausbildung im April und Mai 2022 die volle Zeit der Tochter in Anspruch genommen hat.
5. Am , , , , und ist sie zu Online Tests im Modul Digital and Mobile Campaigns angetreten (siehe Beilagen zur Beschwerde). Diese Online Tests stellen Prüfungszulassungsvoraussetzungen zu dem genannten Modul dar, welches mit einer 90-minütigen Klausur abgeschlossen wird; der Zeitaufwand wird von der IU Internationale Hochschule mit insgesamt 150 Stunden bemessen (siehe Modulhandbuch Bachelor of Arts Bachelor Social Media (FS-BASM) Seite 63, https://res.cloudinary.com/iugroup/image/upload/v1698625402/ba_socialmedia_fs-basm_de_ueggih.pdf; abgefragt am über https://www.iu-fernstudium.de/bachelor/social-media/ und Schreiben der Beschwerdeführerin vom ).
Die Beschwerdeführerin gibt in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom an, dass der Arbeitsaufwand der Tochter der Beschwerdeführerin für den Kurs Digital and Mobile Campaigns in Summe 159 Stunden betragen habe und sich diese auf die Monate Mai bis Dezember 2022 wie folgt verteilten:
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Ausarbeitung | Aufwand (Std.) | Zeitraum |
Studium des Skripts | 25 | Mai-Juli 2022 |
Offene Fragestellungen im Skript abklären | 10 | Juli 2022 |
Skript exzerpieren und Zusammenfassung erstellen | 45 | Juli-September 2022 |
Mögliche Fragestellungen der Klausur bearbeiten und im Skript herausarbeiten | 5 | August-September 2022 |
Musterklausur durcharbeiten | 2 | November 2022 |
Recherche und Lernen | 40 | September-Dezember 2022 |
Erfassung verschiedener Quellen und Recherche | 20 | Juli-November 2022 |
Karteikarten erstellen und lernen | 10 | Dezember 2022 |
Vorbereitung Online-Test machen | 2 | Juli-November 2022 |
Im November 2022 hat sie sich für die Kursklausur zum Modul Digital and Mobile Campaigns Ende Jänner 2023 angemeldet, diese Anmeldung jedoch Mitte Jänner 2023 wieder storniert.
Aus diesen Angaben ergibt sich, dass die Berufsausbildung der Tochter der Beschwerdeführerin in den angegebenen Zeiträumen nicht ihre volle Zeit in Anspruch genommen hat. Sie hat demnach zwischen etwas mehr als 8 Stunden (im Juni 2022) und beinahe 38 Stunden (im Juli 2022) pro Monat für ihre Berufsausbildung aufgewendet. Damit hat die Berufsausbildung aber in den Monaten Juni bis Dezember 2022 unzweifelhaft nicht die volle Zeit der Tochter in Anspruch genommen.
6. Für die Monate Jänner und Februar 2023 wurde keinerlei Zeitaufwand für die Berufsausbildung der Tochter trotz entsprechender Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes belegt, weshalb auch in diesen Monaten nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Berufsausbildung die volle Zeit der Tochter in Anspruch genommen hat.
7. Sowohl für das Modul Social-Media-Marketing als auch für Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten wird der Zeitaufwand von der IU Internationalen Hochschule mit jeweils 150 Stunden angegeben (siehe Modulhandbuch Bachelor of Arts Bachelor Social Media (FS-BASM) Seite 119 und 43, https://res.cloudinary.com/iugroup/image/upload/v1698625402/ba_socialmedia_fs-basm_de_ueggih.pdf; abgefragt am über https://www.iu-fernstudium.de/bachelor/social-media/).
Die Tochter der Beschwerdeführerin gibt selbst an, dass sie für das Modul Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten von März bis Mai 2023 insgesamt 173 Stunden aufgewendet hat. Das Modul Social-Media-Marketing hat sie von Juni bis September 2023 insgesamt 190 Stunden in Anspruch genommen (siehe Aufstellung der eigenen Maßnahmen und Tätigkeiten im Rahmen des Selbststudiums).
Zwar weichen auch bei diesen Modulen die Angaben der Tochter der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zeitaufwandes von jenen der IU Internationalen Hochschule ab. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob etwas mehr (173 und 190 Stunden) oder weniger (jeweils 150 Stunden) Zeit für die Absolvierung der Module aufgewendet wurde, da der Zeitaufwand in keiner der beiden Fälle dazu geführt hat, dass die Berufsausbildung die volle Zeit der Tochter der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen hat. Das Finanzamt hat im Vorlagebericht ausgeführt, dass das Modul Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten einen durchschnittlichen wöchentlichen Zeitaufwand von knapp unter 15 Stunden und das Modul Social-Media-Marketing von knapp über 15 Stunden beanspruchte. Die Berechnung des Bundesfinanzgerichtes ergibt aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin für das Modul Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten etwas mehr als 13 Stunden (173 Stunden dividiert durch 3 Monate und dividiert durch durchschnittlich 4,3 Wochen pro Monat) und für das Modul Social-Media-Marketing knapp 11 Stunden (190 Stunden dividiert durch 4 Monate und dividiert durch durchschnittlich 4,3 Wochen pro Monat). Ginge man von dem jeweils von der IU Internationalen Hochschule angeführten Zeitaufwand aus, so wäre dieser noch geringer.
8. An dieser Beurteilung ändert auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Vorhaltsbeantwortung vom nichts, ihre Tochter habe sehr viel Zeit in ihre Studien investiert.
Auch das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme zur Beschwerdevorlage vom , dass insbesondere aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Selbststudium immer um umfassende fachliche Recherche handelt, was aus ihrer Sicht impliziere, dass das Studium jedenfalls die volle Zeit in Anspruch nehme, ändert an der obigen Beurteilung nichts, da das Bundesfinanzgericht die Beweiswürdigung aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin bzw. jener von deren Tochter gemacht hat und diese Angaben nicht in Zweifel gezogen hat.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe und Abweisung)
1. Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967 auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienbeihilfe, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe oder die Verwendung derselben sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung; ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat. Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe abstellt. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 12 ff mit zahlreichen Judikaturnachweisen).
Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).
2. Gemäß § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Bei einem Auslandsstudium handelt es sich um keine Ausbildung an einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung und sind damit die Bestimmungen über eine Verlängerung der Studienzeit nur relevant, wenn ein Teil des Studiums zwar im Ausland, jedoch um Rahmen eines Studiums im Inland absolviert wird (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 2 Rz 90). Bei Auslandsstudien gelten die allgemeinen Regeln betreffend die Berufsausbildung (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl., § 2 Rz 55).
Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es (überdies) nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (). Entscheidend ist somit sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt der Familienbeihilfenanspruch nicht bestehen, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist. Für den Fall der Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes ist auch eine solche Unterbrechung für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt. Das gilt auch für Erkrankungen, welche die Berufsausbildung auf bloß begrenzte Zeit unterbrechen (vgl ). Von einer bloßen Unterbrechung des tatsächlichen Ausbildungsvorganges kann aber nicht mehr gesprochen werden, wenn die Ausbildung nach ihrem Abbruch nicht wieder aufgenommen wird. Das bloße Aufrechterhalten eines Berufswunsches ist der tatsächlichen Ausbildung nicht gleichzuhalten ( mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein ().
3. Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher angeführter Höhe zu.
Der Kinderabsetzbetrag teilt somit das Schicksal der Familienbeihilfe.
4. Der Rückforderungsbescheid ist ein Sammelbescheid und zwar sowohl hinsichtlich der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages als auch hinsichtlich der Zeiträume, für die zurückgefordert wird.
5. Im April und Mai 2022 hat die Berufsausbildung die volle Zeit der Tochter der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen. Für diese beiden Monate steht der Beschwerdeführerin daher die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für ihre Tochter zu.
Für die restlichen Monate hat sich die Tochter der Beschwerdeführerin nicht in Berufsausbildung befunden, da diese nicht ihre volle Zeit in Anspruch genommen hat.
6. Im Vorlageantrag wendet die Beschwerdeführerin ein, der Bescheid habe die besondere Situation ihrer Tochter nicht angemessen berücksichtigt; sie leide unter einer schwerwiegenden psychischen Angsterkrankung mit erheblichen Auswirkungen auf ihr tägliches Leben.
Es muss dargelegt werden, durch welche konkrete Krankheit und zu welchen konkreten Zeiten das Kind derart beeinträchtigt gewesen war, dass es am Studium verhindert gewesen wäre (). Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes gilt dies auch für den hier vorliegenden Fall, in dem die Berufsausbildung aufgrund des Auslandsstudiums nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen ist.
Mit ihrem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Krankheit, die zu einer Unterbrechung der Berufsausbildung der Tochter geführt hätte, aber nicht auf. Vielmehr betont die Beschwerdeführerin selbst in ihrem Schreiben vom an das Finanzamt, dass ihre Tochter trotz der Einschränkung weiterhin ihr Studium durchführte, für ihr Studium jeden Monat einen Beitrag zahlte und es ihr durchaus ernst gewesen sei, ihr Studium mit Erfolg abzuschließen. In der Vorhaltsbeantwortung vom betont sie zudem, dass ihre Tochter sehr viel Zeit in ihre Studien investiert habe. Aus der Exmatrikulationsbescheinigung der IU Internationale Hochschule geht hervor, dass die Tochter der Beschwerdeführerin von bis durchgehend immatrikuliert war und sie auch kein Urlaubssemester in Anspruch genommen hat.
Auch sind die Angaben hinsichtlich der Erkrankung der Tochter sehr allgemein gehalten. In den Eingaben wird etwa angegeben, dass die Tochter unter einer schwerwiegenden psychischen Angsterkrankung leide, die erhebliche Auswirkungen auf ihr tägliches Leben habe (Vorlageantrag vom ), und dass sie Prüfungen nur mehr eingeschränkt abgeben konnte (Schreiben vom ). Die behandelnde Psychologin bescheinigte in der Bestätigung von , dass die Tochter der Beschwerdeführerin "nach einer Krisensituation mit gravierender Angstsymptomatik ab Ende Mai 2022 ihren Verpflichtungen nur mehr sehr eingeschränkt nachkommen" konnte und sie nach wie vor "aus klinisch-psychologischer Sicht nur eingeschränkt arbeitsfähig" sei.
Damit sind die Angaben der Beschwerdeführerin und die Ausführung der behandelnden Psychologin aber zu unpräzise, um auch nur annähernde Rückschlüsse auf die Intensität und den zeitlichen Umfang einer möglichen Behinderung im Fortgang der Berufsausbildung ziehen zu können.
Lediglich in der Stellungnahme zum Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen gibt die Tochter der Beschwerdeführerin an, sie habe ab November 2022 "aus gesundheitlichen Gründen bzw. psychischen Erkrankungen und daraus resultierender Prüfungsangst" keine Prüfungen mehr absolviert. Allerdings hat sie in der Zeit von Juli bis Oktober 2022, also auch in der Zeit, in der sie laut der Bestätigung der behandelnden Psychologin schon an der Angsterkrankung gelitten hat, mehrere Online-Tests absolviert und jedenfalls auch von März bis September 2023 ihr Studium betrieben.
Somit kann aber nicht von einer Unterbrechung der Berufsausbildung ausgegangen werden und ist die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für die Monate Juni 2022 bis September 2023 zu Recht erfolgt.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.3100413.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
KAAAF-46958