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UMSATZSTEUER I Update - aktuelle Änderungen in Europa

Von ICON am

Platzer Günther | Steiner Sabine

Das Umsatzsteuerrecht ist eine sehr dynamische Materie. Sobald ein Unternehmer grenzüberschreitend tätig wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, mit einer anderen Gesetzeslage konfrontiert zu werden. Obwohl in Europa durch das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in vielen Belangen eine harmonisiertes Umsatzsteuerrecht vorliegt, sind es gerade die Unterschiede in den Details, die große Auswirkungen haben können. International tätigen Unternehmern bleibt es somit nicht erspart Geschäftsfälle immer wieder zu prüfen und dabei abzuwägen, ob durch Neuerungen bzw. Änderungen Handlungsbedarf besteht.

E-Invoicing und e-Reporting, neue Compliance-, Reporting- sowie Dokumentationspflichten, geänderte Steuersätze oder Anpassungen bei Reverse Charge Regelungen sind nur ein paar Begriffe aus der Umsatzsteuerwelt, die regelmäßig zum Nachdenken anregen. Damit Sie bei der Fülle an länderspezifischen Neuerungen auch den Überblick behalten, informieren wir Sie gerne über Änderungen die aus unserer Sicht wesentlich sind.

Nachfolgend dürfen wir Ihnen einen Überblick über geplante und aktuelle Änderungen und Neuerungen in den EU-Ländern geben. Ergänzend dürfen wir auf unseren Newsletter Umsatzsteuer I ViDA Update - Neuerungen in Europa vom 19.07.2024 verweisen.

Aktuelle Änderungen in Europa

Deutschland

Mit dem Wachstumschancengesetz 2024 wurde in Deutschland die obligatorische e-Rechnungsstellung für inländische B2B-Umsätze ansässiger Steuerpflichtiger umgesetzt. E-Reporting basierend auf e-invoicing wurde in Deutschland bis dato nicht umgesetzt. Als e-Rechnung gilt - in Anlehnung an die ViDA Bestimmungen - eine Rechnung, die in einem strukturierten Format (CEN-Norm 16931) ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. “Sonstige Rechnungen“ sind Papierrechnungen oder elektronische Rechnungen, die nicht die Anforderungen an die neue e-Rechnung erfüllen.

Die Umsetzung erfolgt in verschiedenen Stufen:

  • ab : Grundsatz: Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer ist für eine steuerbare Leistung in Deutschland zur Annahme einer e-Rechnung verpflichtet, wenn der leistende Unternehmer ebenfalls in Deutschland ansässig ist (Zustimmungserfordernis für e-Rechnungen ist gefallen).

  • bis : Der Unternehmer darf auch im inländischen B2B-Fall noch „sonstige Rechnungen“ unter den bisherigen Regelungen versenden (Testphase)

  • für Unternehmer mit Vorjahresumsatz (=Jahresumsatz 2026) bis 800.000 EUR verlängert sich die Testphase bis , alle anderen sind zur e-Rechnungsausstellung verpflichtet.

  • bis : Unternehmen dürfen mit dem bisherigen EDI-Verfahren abrechnen, danach ist dieses System nur noch zulässig, wenn eine Konvertierung auf das von der EU vorgegebene Datenformat erfolgt.

  • Kleinbetragsrechnungen (bis 250 EUR brutto) dürfen dauerhaft als „Sonstige Rechnung“ ausgestellt werden.

  • Fahrausweise als Rechnungen dürfen dauerhaft als „Sonstige Rechnung“ ausgestellt werden.

Belgien

In Belgien wird e-invoicing für inländische B2B-Umsätze (Inlandstransaktionen) ab verpflichtend eingeführt. E-Reporting basierend auf e-invoicing wird derzeit nicht umgesetzt. Eine stufenweise Einführung nach Unternehmensgröße ist nicht vorgesehen. Die Anforderungen an die E-Rechnung basieren auf dem PEPPOL-BIS-Format, ein anderes Format ist möglich, solange dies der europäischen CEN Norm 16931 entspricht und zwischen den Parteien vereinbart wurde. Der Rechnungsaustausch soll über das PEPPOL Netzwerk erfolgen.

  • Verpflichtung zur Ausstellung: Rechnungsaussteller ist ansässiges Unternehmen (ausländischer Unternehmer mit USt-Betriebsstätte)

  • Verpflichtung zum Empfang: (in- oder ausländischer) Rechnungsempfänger ist zumindest umsatzsteuerlich registriert: nicht-ansässige (umsatzsteuerlich registrierte) Unternehmen werden verpflichtet e-Rechnungen von in Belgien ansässigen Unternehmen für inländische Leistungen zu empfangen.

Weiters wurde in Belgien die Frist zur quartalsweisen Abgabe der Umsatzsteuererklärung um fünf Tage verlängert (von 20. auf den 25.): bereits beginnend mit dem 4. Quartal 2024 sind quartalsweise Umsatzsteuererklärungen bis zum 25. des Monats, der auf das Quartal folgt, einzureichen und Zahllasten zu entrichten.

Bei verspäteter Abgabe (3 Monate nach Ablauf des Termins) ist nunmehr die belgische Steuerbehörde berechtigt, eine Umsatzsteuer-Ersatzerklärung in Höhe des in den letzten 12 Erklärungszeiträumen erklärten höchsten fälligen Umsatzsteuerbetrages festzusetzen, wobei der Mindestbetrag EUR 2.100.- beträgt. Im Beschwerdeweg kann innerhalb von einem Monat sowie durch Einreichung der fehlenden Umsatzsteuererklärung gegen diese Festsetzung vorgegangen werden.

Rückzahlungsanträge werden ab 2025 nur mehr genehmigt, wenn die letzten sechs Umsatzsteuererklärungen rechtzeitig eingereicht wurden und wenn etwaige zusätzliche Informationsanfragen der Steuerbehörden innerhalb von 10 Arbeitstagen beantwortet werden.

Dänemark

Mit wurde in Dänemark ein Reverse Charge Verfahren für Telekommunikations-Dienstleistungen eingeführt. Telekommunikations-Dienstleistungen sind unter anderem Festnetz- und Mobiltelefondienste, die Sprach-, Daten- und Videoübertragung ermöglichen, Telefondienstleistungen über das Internet oder Audio- und Textdienste. Das Reverse Charge Verfahren ist anzuwenden, wenn diese Dienstleistungen zum Wiederverkauf im Inland erbracht werden und leistender Unternehmer sowie Leistungsempfänger (Wiederverkäufer) in Dänemark ansässig sind.

Estland

In Estland wird der allgemeine Steuersatz in einer weiteren Anpassung ab von 22 % auf 24% erhöht. Bereits zum wurde der allgemeine Steuersatz von 20% auf 22% angehoben. Ab wird zudem der Umsatzsteuersatz auf Beherbergungsleistungen (inklusive Frühstück) von 9% auf 13%, sowie der Umsatzsteuersatz für Presseveröffentlichungen von 5% auf 9% erhöht.

Finnland

Mit wurde der allgemeine Steuersatz von 24% auf 25,5% angehoben. In Folge dessen wurden auch die ermäßigten Umsatzsteuersätze angepasst.

Für folgende Waren/Dienstleistungen gilt ab der ermäßigte Steuersatz von 14% (statt 10%): Tierfutter und Futtermischungen, Personenverkehr (öffentlich und privat), Arzneimittel und Gesundheitsprodukte, Bücher, Eintrittsgelder für Kultur-, Unterhaltungs- und Sportveranstaltungen. Der Umsatzsteuersatz für bestimmte Hygieneartikel (zB Kinderwindel) wurde von 25,5% auf 14% reduziert.

Frankreich

Frankreich plant die gestaffelte Einführung von e-Invoicing und e-Reporting ab voraussichtlich September 2026: Unternehmen sollen anhand von drei Kriterien “Jahresumsatz, Bilanzsumme und Mitarbeiterschwellenwerte” in “large companies”, “mid-sized companies” und “small/microsized companies” eingeteilt werden.

E-Invoicing soll verpflichtend werden für inländische B2B-Umsätze (Inlandstransaktionen) zwischen in Frankreich ansässigen Unternehmen.

Laut aktuellem Zeitplan ist folgende Umsetzung wahrscheinlich:

  • ab September 2026 müssen alle Steuerpflichtigen für den e-Rechnungsempfang bereit sein.

  • stufenweise Einführung der e-Rechnungsstellung ab September 2026 für große und mittelgroße Unternehmen

  • ab September 2027 e-Rechnungsstellung auch für kleine bzw. Kleinstunternehmen verpflichtend

E-Reporting (als Ergänzung zum e-invoicing) soll auch ausländische, in Frankreich umsatzsteuerlich registrierte Unternehmen verpflichten, bestimmte Transaktionsdaten an die französische Verwaltung zu übermitteln, wie zB grenzüberschreitende Umsätze, Inlandslieferungen/ -Dienstleistungen im B2B-Bereich. Transaktionsdaten sollen innerhalb einer bestimmten Frist entweder automatisch mittels Einbindung im ERP-System, über private elektronische Plattformen oder über Online-Filing im öffentlichen E-Rechnungsportal übermittelt werden.

Polen

Nach einigen Anlaufschwierigkeiten wurde nunmehr die Verpflichtung zum e-invoicing und e-reporting über das polnische KSeF (KSeF=Polish national e-invoicing system) ab für große Unternehmen mit einem Bruttoumsatz von mehr als 200 Mio PLN in 2025 fixiert. Ab soll dieses System von allen übrigen Unternehmen angewendet werden. E-invocing in Polen betrifft in Polen steuerbare B2B-Umsätze (von in Polen ansässigen, steuerpflichtigen Unternehmen). Rechnungen von in Polen ansässigen Unternehmen an ausländische Unternehmen sind im KSeF zu generieren und können dann umgewandelt werden (Versand per Mail als PDF).

Das KSeF ist ein zentrales Teleinformatiksystem zur Ausstellung, Prüfung, Bestätigung, Übersendung und Aufbewahrung von strukturierten elektronischen Rechnungen. Nach Abschluss der Prüfung vergibt das KSeF eine KSeF-ID, mit der sie die Richtigkeit der ausgestellten e-Rechnung bestätigt. Erst dann gilt die e-Rechnung als ausgestellt. Der Erwerber wiederum ruft die e-Rechnung aus dem System ab. Korrekte e-Rechnungen werden im KSeF für 10 Jahre archiviert.

Rumänien

In Rumänien wurden bereits im vergangenen Jahr 2024 umfangreiche e-Reporting und e-Invoicing Verpflichtungen eingeführt. E-Reporting sowie die SAF-T Meldepflicht (ab 2025) wendet sich auch an in Rumänien umsatzsteuerlich registrierte, ausländische Unternehmen.

  • e-Reportingpflicht: Rechnungen über in Rumänien steuerbare B2B-Umsätze sind über das rumänische System “RO e-Factura” binnen 5 Arbeitstagen ab Rechnungsausstellung einzureichen. Dazu verpflichtet sind sowohl in Rumänien ansässige Unternehmen (ausländische Unternehmen mit USt-Betriebsstätte) als auch ausländische/umsatzsteuerlich registrierte Unternehmen

  • e-Rechnungspflicht: seit sind elektronische Rechnungen über in Rumänien steuerbare B2B-Umsätze zwischen in Rumänien ansässigen Steuerpflichtigen über “RO e-Factura” im rumänischen Format “RO_CIUS” auszustellen und zu empfangen. Nach Übermittlung der e-Rechnung an RO e-Factura prüft die rumänische Steuerbehörde ANAF die darin enthaltenen Daten. Nach der Validierung wird im Portal eine digital signierte XML-Rechnung erstellt, die von den Kunden abgerufen werden kann (sowohl Rechnungsaussteller als auch Rechnungsempfänger müssen somit bei RO e-Factura/im Virtual Private Space (VPS) registriert sein).

  • SAF-T: ab 2025 werden auch nicht-ansässige, umsatzsteuerlich registrierte Unternehmen verpflichtet, SAF-T Transaktionsdaten an die rumänische Steuerbehörde zu melden. SAF-T Meldungen sind zum Monatsletzten, der auf den jeweiligen Berichtszeitraum folgt (z.B. bei monatlichen Umsatzsteuererklärungen zum Monatsletzten des darauffolgenden Monats), einzureichen.

Schweiz

In der Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes per wurden wesentliche Änderungen fixiert:

  • Einführung der Plattformbesteuerung (Versandhandelsplattformen müssen alle Lieferungen von Waren deklarieren und versteuern, die über ihre Plattform abgewickelt werden);

  • Für KMU (bis CHF 5,005 Mio Vorjahresumsatz) besteht ab 2025 die Möglichkeit, eine Jahreserklärung einzureichen. Damit verbunden ist die Entrichtung von vierteljährlichen Vorauszahlung idR auf Basis der Steuerschuld des letzten Jahres. Allenfalls können die Vorauszahlungen während des Jahres angepasst werden. Der Antrag auf Abgabe einer Jahreserklärung (für 2025) ist bis Ende Februar 2025 zu stellen.

  • Ausländische Unternehmen werden von der Verpflichtung zur Bestellung eines Fiskalvertreters befreit.

  • Bei den Steuersätzen wurden folgende Anpassungen vorgenommen: reduzierter Steuersatz für Monatshygiene; von der Steuer ausgenommen werden zB die aktive Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, bestimmte medizinische Leistungen

Slowakei

Mit wurde der allgemeine Steuersatz von 20% auf 23% erhöht.

Gleichzeitig wurden zwei neue ermäßigte Steuersätze eingeführt: 19% für Nahrungsmittel, Abgabe von Getränken in Restaurants, elektrische Energie; 5% (statt 10%) für ausgewählte Grundnahrungsmittel, pharmazeutische Produkte, Bücher, Rollstühle, orthopädische Hilfen; Übernachtungs- und Restaurantdienstleistungen.

Slowenien

Ab dem sind in Slowenien steuerpflichtige Unternehmen (sowohl ansässige als auch ausländische, umsatzsteuerlich registrierte Unternehmen) verpflichtet, strukturierte Aufzeichnungen über deren Transaktionen im elektronischen Format (XML-Datei) gemeinsam mit der slowenischen Umsatzsteuererklärung zu übermitteln.

Tschechien

Im Rahmen der Novellierung des tschechischen Mehrwertsteuergesetzes treten ab folgende Änderungen in Kraft:

  • Verkürzung der Frist für den Vorsteuerabzug: bisher konnte die Vorsteuer bis zu drei Jahre nach ihrer Entstehung abgezogen werden. Ab sind Vorsteuern nur mehr bis zum Ende des zweiten Kalenderjahres ab Entstehen des Vorsteueranspruchs abzugsfähig.

  • Rückzahlung der Umsatzsteuer aus unbezahlten Rechnungen: falls ein Steuerpflichtiger eine Rechnung, für die er den Vorsteuerabzug beantragt hat, bis zum Ende des sechsten Monats nach deren Fälligkeit nicht bezahlt, ist dieser verpflichtet, die geltend gemachte Vorsteuer zurückzuzahlen. Diese Bestimmung ist erstmalig für Vorsteuerabzüge für steuerpflichtige Leistungen, die nach dem erbracht werden, anzuwenden. Tatsächlich droht die Rückzahlung der Vorsteuerabzüge daher erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2025.

FAZIT

Die Umsatzsteuerregelungen sind europaweit in ständiger Bewegung und hierbei sind vor allem 3 Hauptströmungen als Ursache erkennbar:

1) die Zielsetzung der EU-Kommission in Richtung umfassende Digitalisierung der Mehrwertsteuer („ViDA“),

2) Maßnahmen der nationalen Staaten zur Vorsorge gegen Mehrwertsteuerausfälle und

3) Steuererhöhungen zur Sanierung des Staatshaushaltes.

In diesem Spannungsfeld entsteht eine Vielzahl von neuen Bestimmungen, welche international agierende Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass weitere Änderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht auszuschließen sind und darüber hinaus viele Vorhaben teilweise noch auf Gesetzesentwürfen basieren, die sich natürlich wieder ändern können. Sobald weitere berichtenswerte Änderungen beschlossen bzw. konkretisiert werden, informieren wir Sie im Rahmen unseres Newsletters natürlich gerne darüber.

Für Rückfragen zu diesen neuen Herausforderungen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner der Service Line “Indirect Tax & Customs” gerne zur Verfügung!

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Platzer Günther

Steiner Sabine

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