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VwGH 28.10.2024, Ro 2024/16/0012

VwGH 28.10.2024, Ro 2024/16/0012

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
ABGB §364c
ABGB §40
GGG 1984 §26a Abs1 Z1
RS 1
Für die Auslegung der in § 26a Abs. 1 Z 1 GGG verwendeten Begriffe "Stief-, Wahl- oder Pflegekind" und die Frage ob bzw. zu welchem Zeitpunkt diese Eigenschaft endet, kann auf die diesbezügliche Rechtsprechung des OGH zu § 364c ABGB zurückgegriffen werden. Danach endet das Angehörigenverhältnis zwischen Stiefeltern und Stiefkindern mit dem Ende der die Schwägerschaft (die Verbindung zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten, § 40 ABGB) - vermittelnden Ehe (vgl. etwa ; , 5 Ob 143/17s). Dies gilt nach der Rechtsprechung des OGH nicht für Pflegekinder, sodass Stiefkinder trotz Beendigung der die Schwägerschaft vermittelnden Ehe weiterhin Pflegekinder sein können (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/16/0098 E RS 1 (hier ohne den letzten Satz)
Normen
BAO §4
GrEStG 1987 §8 Abs1
RS 2
Für die Zuerkennung einer abgabenrechtlichen Begünstigung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgeblich.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2003/16/0472 E RS 1
Normen
BAO §4
GGG 1984 §26a Abs1 Z1
GrEStG 1987 §8 Abs1
RS 3
Zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld muss das aufrechte familiäre Verhältnis im Sinne des § 26a Abs. 1 Z 1 GGG vorliegen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/16/0098 E RS 4

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des C S in G, vertreten durch die Dumfarth Klausberger Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 2/26, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100063/2024, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Revisionswerber die Grunderwerbsteuer für den teilentgeltlichen Erwerb näher bezeichneter (landwirtschaftlicher) Grundstücke iHv 54.627,50 € fest.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde mit der Begründung, das Finanzamt habe bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Überträger der Liegenschaften, FP, und ihm - als dessen Stiefsohn - nicht berücksichtigt.

3 Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung wies das infolge Stellens eines Vorlagenantrags durch den Revisionswerber zuständig gewordene Bundesfinanzgericht die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis ab.

4 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe FP mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom näher genannte Grundstücke einer ihm gehörigen Landwirtschaft unter Verzicht auf jeden Widerruf und unter Beitritt seines Stiefsohns dem Revisionswerber, seiner Ehefrau EP geschenkt. Für den Fall, dass die EP vor dem FP versterbe, schenke dieser die Liegenschaften unentgeltlich auf seinen Todesfall an den Revisionswerber.

5 Am sei EP verstorben. Am hätten FP und der Revisionswerber einen Nachtrag zum genannten Schenkungsvertrag auf den Todesfall errichtet, wonach aufgrund des Vorversterbens der EP der Revisionswerber gemäß dem Schenkungsvertrag vom in deren Rechtsposition eintrete. Zudem sei vereinbart worden, dass der Schenkungsvertrag auf den Todesfall nicht erst mit dem Ableben von FP wirksam werde, sondern bereits zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Nachtrags, sodass näher genannte Liegenschaften auf den Revisionswerber übergingen. Der Revisionswerber habe zudem den pfandrechtlich auf den Vertragsliegenschaften sichergestellten, mit 808.925,45 € aushaftenden, Kredit zu übernehmen gehabt.

6 Bei den revisionsgegenständlichen Grundstücken sei von einem Wert von 1,839.357,04 € auszugehen. Die Gegenleistung in Form übernommener Verbindlichkeiten habe davon 44% betragen, sodass ein teilentgeltlicher Erwerb vorliege. Der Grundstückswert abzüglich Gegenleistung betrage 1,030.431,59 €. Dies ergebe nach dem Stufentarif des § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG eine Steuer iHv 26.315,11 €. Auf die Gegenleistung entfalle gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG eine Grunderwerbsteuer iHv 3,5%, sohin 28.312,39 €, also insgesamt 54.627,50 €.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, dass gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG bei den Erwerbsvorgängen betreffend land- und forstwirtschaftliche Grundstücke durch den in § 26a Abs. 1 Z 1 GGG angeführten Personenkreis die Steuer vom Einheitswert zu berechnen sei. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 lit. c GrEStG gelte ein Erwerb unter Lebenden durch den in § 26a Abs. 1 Z 1 GGG angeführten Personenkreis als unentgeltlich.

8 Zu dem von § 26a Abs. 1 Z 1 GGG erfassten Personenkreis zählten auch die Stiefkinder. Das Bundesfinanzgericht gehe - mit näherer rechtlicher Begründung - davon aus, dass ein Stiefkindverhältnis mit der Auflösung der dieses begründenden Ehe, etwa durch den Tod des leiblichen Elternteils, ende. Dies sei gegenständlich der Fall.

9 Das Bundesfinanzgericht sehe im Revisionsfall einen Grundstückserwerb unter Lebenden verwirklicht, weil die Vertragsteile mit dem Nachtrag vom ein neues Rechtsgeschäft abgeschlossen hätten. Eine Rechtsauslegung der §§ 4 Abs. 1 Satz 2 GrEStG und 7 Abs. 1 Z 1 lit. c GrEStG iVm § 26a Abs. 1 Z 1 GGG, wonach auch ehemalige Stiefkinder stets die Begünstigung erhalten sollten, erachte es für zu extensiv und systemwidrig.

10 Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob unter dem Begriff des Stiefkinds im Sinn des § 26a Abs. 1 Z 1 GGG auch ein ehemaliges Stiefkind nach dem Tod des leiblichen Elternteils zu verstehen sei.

11 Dagegen richtet sich der Revisionswerber mit der gegenständlichen Revision, die zu ihrer Zulässigkeit kein zusätzliches Vorbringen enthält. Insbesondere tritt der Revisionswerber der Annahme des Bundesfinanzgerichts, wonach mit dem Nachtrag vom ein neues Rechtsgeschäft abgeschlossen worden sei, sowie den der Berechnung der Grunderwerbsteuer zugrunde gelegten Werten im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht entgegen.

12 Das Bundesfinanzgericht hat die Revision nach Einleitung des Vorverfahrens samt dem verwaltungsbehördlichen Akt und der seitens der vom Finanzamt erstatteten Revisionsbeantwortung, in der dieses die Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragte, dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine solche Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. , mwN).

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0098, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass für die Auslegung der in § 26a Abs. 1 Z 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) verwendeten Begriffe „Stief-, Wahl- oder Pflegekind“ und die Frage ob bzw. zu welchem Zeitpunkt diese Eigenschaft endet, auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 364c ABGB zurückgegriffen werden kann. Danach endet das Angehörigenverhältnis zwischen Stiefeltern und Stiefkindern mit dem Ende der die Schwägerschaft (die Verbindung zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten, § 40 ABGB) - vermittelnden Ehe (vgl. etwa ; , 5 Ob 143/17s).

18 Für die Zuerkennung einer abgabenrechtlichen Begünstigung sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgeblich (vgl. ). Das aufrechte familiäre Verhältnis im Sinn des § 26a Abs. 1 Z 1 GGG muss daher zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld vorliegen (vgl. erneut ).

19 Gemäß § 8 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG) entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist. Diesen Zeitpunkt hat das Bundesfinanzgericht - im Zulässigkeitsvorbringen der Revision unwidersprochen - mit dem Nachtrag vom angenommen. Zu diesem Zeitpunkt war, wie sich aus den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ergibt, die Mutter des Revisionswerbers und Ehefrau des Liegenschaftsübergebers bereits verstorben. Demnach waren - wie der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnommen werden kann - das Angehörigenverhältnis zwischen dem (ehemaligen) Stiefvater FP und dem Revisionswerber bereits beendet und somit die Anwendungsvoraussetzungen der §§ 4 Abs. 1 Satz 2 GrEStG und 7 Abs. 1 Z 1 lit. c GrEStG iVm § 26a Abs. 1 Z 1 GGG nicht gegeben.

20 Nach dem Gesagten besteht eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26a Abs. 1 Z 1 GGG, die auf die hier geltend gemachte Rechtsfrage übertragbar ist und diese beantwortet. Das angefochtene Erkenntnis weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab.

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
ABGB §364c
ABGB §40
BAO §4
GGG 1984 §26a Abs1 Z1
GrEStG 1987 §8 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2024160012.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-46796