VwGH 23.10.2024, Ro 2024/13/0018
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | VwGG §46 Abs3 |
RS 1 | Als Hindernis iSd § 46 Abs. 3 VwGG ist jenes Ereignis iSd § 46 Abs. 1 leg.cit. zu verstehen, das die Einhaltung der Frist verhindert hat. Besteht dieses Hindernis in einem Tatsachenirrtum über den Tag der Zustellung einer fristauslösenden Erledigung und über den davon abhängenden Ablauf dieser Frist, so hört dieses Hindernis iSd § 46 Abs. 3 leg.cit. auf, sobald der Adressat der Erledigung den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über den Antrag des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Bruck Eisenstadt Oberwart) in 7000 Eisenstadt, Neusiedlerstraße 46, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101018/2022, betreffend Haftung nach § 12 BAO (mitbeteiligte Partei: L G in W, vertreten durch die Austria Treuhand Holding Steuerberatung GmbH in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1c), anhaftenden Mängel und in der Revisionssache gegen dieses Erkenntnis, den Beschluss gefasst:
Spruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
II. Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen einen Haftungsbescheid (§ 12 BAO) des Finanzamtes Österreich teilweise Folge und setzte den Haftungsbetrag herab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 Mit Schriftsatz vom erhob das Finanzamt Österreich Revision gegen dieses Erkenntnis.
3 Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde dem revisionswerbenden Finanzamt die beim Bundesfinanzgericht in dreifacher Ausfertigung eingelangte Revision unter Setzung einer zweiwöchigen Frist zur Behebung von Mängeln gemäß § 30a Abs. 2 VwGG zurückgestellt, weil der Revision entgegen § 28 Abs. 4 VwGG weder eine Ausfertigung noch eine Abschrift oder eine Kopie des angefochtenen Erkenntnisses angeschlossen gewesen sei. Ausdrücklich wurde das revisionswerbende Finanzamt darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Revision gelte. Der Mängelbehebungsauftrag wurde am zugestellt.
4 Mit Vorlagebericht vom legte das Bundesfinanzgericht dem Verwaltungsgerichtshof die Revision samt Verwaltungsakten sowie den Beschluss vom vor. Im Vorlagebericht wies das Bundesfinanzgericht auf den erteilten Mängelbehebungsauftrag hin und gab bekannt, dass innerhalb der gesetzten Frist keine weiteren Unterlagen eingelangt seien.
5 Mit an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz („Stellungnahme“) vom brachte das revisionswerbende Finanzamt vor, der im Vorlagebericht des Bundesfinanzgerichtes erwähnte Mängelbehebungsauftrag (samt den zurückgestellten Revisionsschriftsätzen) sei beim Finanzamt nicht eingelangt und der Beschluss sei auch nicht in der „Schnittstelle“ auffindbar. Laut Auskunft der Geschäftsstelle des Bundesfinanzgerichtes sei der Beschluss vom und dessen Übernahme elektronisch vermerkt. Dieser sei postalisch mittels Rsb versendet worden, ein Zustellnachweis habe nicht aufgefunden werden können. Der zuständige Richter des Bundesfinanzgerichts habe urlaubsbedingt nicht kontaktiert werden können. Dem Schriftsatz waren drei Ausfertigungen des angefochtenen Erkenntnisses angeschlossen.
6 Mit weiterem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz vom ersuchte das revisionswerbende Finanzamt um Übermittlung des Zustellnachweises hinsichtlich des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts vom . Dieser Zustellnachweis (Rückschein) sei laut Auskunft des zuständigen Richters des Bundesfinanzgerichts im dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Akt.
7 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom wurde dem revisionswerbenden Finanzamt eine Kopie des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts vom sowie des Zustellnachweises übermittelt. Die Zustellung dieser Verfügung erfolgte am .
8 Mit weiterer Verfügung vom wurde das revisionswerbende Finanzamt darauf hingewiesen, dass die Behebung der im Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom genannten Mängel der Revision als verspätet erscheine; es wurde die Möglichkeit eingeräumt, hiezu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Diese Verfügung wurde am zugestellt.
9 Mit Schriftsatz vom teilte das revisionswerbende Finanzamt mit, der postalisch versendete Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom sei von der Poststelle der zuständigen Dienststelle des Finanzamtes Österreich übernommen, allerdings nicht an den zuständigen Dienststellenfachbereich weitergeleitet worden. Er sei in der Folge verloren gegangen und bis dato auch noch nicht wieder aufgefunden worden. Die vom Bundesfinanzgericht aufgetragene Verbesserung sei daher erst aufgrund des Vorlageberichtes vom bekannt geworden und die fehlenden Unterlagen seien mit Schriftsatz vom unverzüglich nachgereicht worden.
10 Mit weiterem Schriftsatz vom stellte das revisionswerbende Finanzamt einen - näher begründeten - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der der Revision anhaftenden Mängel. Diesem Antrag war eine Abschrift des angefochtenen Erkenntnisses beigefügt.
Zu Spruchpunkt I.:
11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
12 In den Fällen des § 46 Abs. 1 VwGG - wie vorliegend - ist der Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 46 Abs. 3 leg.cit. binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht und ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof.
13 Als Hindernis iSd § 46 Abs. 3 VwGG ist jenes Ereignis iSd § 46 Abs. 1 leg.cit. zu verstehen, das die Einhaltung der Frist verhindert hat. Besteht dieses Hindernis in einem Tatsachenirrtum über den Tag der Zustellung einer fristauslösenden Erledigung und über den davon abhängenden Ablauf dieser Frist, so hört dieses Hindernis iSd § 46 Abs. 3 leg.cit. auf, sobald der Adressat der Erledigung den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl. ).
14 Im vorliegenden Fall hat das revisionswerbende Finanzamt unstrittig - insbesondere wird die Wirksamkeit der Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts vom nicht bestritten - die Frist zur aufgetragenen Behebung der der Revision anhaftenden Mängel versäumt. Die Verbesserungsfrist endete - ausgehend von der am erfolgten Zustellung des Mängelbehebungsauftrags - am .
15 Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist vom erweist sich als verspätet. Das revisionswerbende Finanzamt hätte den Irrtum über die Zustellung des Mängelbehebungsauftrags spätestens mit der Übermittlung dieses Beschlusses sowie des Zustellnachweises (jeweils in Kopie) durch den Verwaltungsgerichtshof, zugestellt am , erkennen müssen. Ausgehend davon ist die zweiwöchige Frist gemäß § 46 Abs. 3 VwGG für die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrags am abgelaufen. Im Übrigen wird angemerkt, dass das revisionswerbende Finanzamt die versäumte Handlung - die Verbesserung der der Revision anhaftenden Mängel - bis dato nicht nachgeholt hat (vgl. § 46 Abs. 3 letzter Satz VwGG): Da das Bundesfinanzgericht gleichzeitig mit dem Mängelbehebungsauftrag die drei Ausfertigungen des Revisionsschriftsatzes an das Finanzamt zurückgestellt hat, hätte das Finanzamt mit der abverlangten Abschrift oder Kopie des angefochtenen Erkenntnisses auch die Revisionsschriftsätze erneut vorlegen müssen (§ 30a Abs. 2 letzter Satz VwGG; vgl. ). Dies ist allerdings weder mit der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Stellungnahme vom , noch mit dem gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag geschehen.
Zu Spruchpunkt II.:
16 Wie unter Spruchpunkt I. ausgeführt, ist das revisionswerbende Finanzamt der Aufforderung, die Mängel der gegen das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes eingebrachten Revision zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen. Das gilt gemäß § 30a Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG als Zurückziehung der Revision.
17 Das Verfahren war daher gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG einzustellen (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §46 Abs3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2024130018.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-46789