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VwGH 05.09.2024, Ro 2023/16/0018

VwGH 05.09.2024, Ro 2023/16/0018

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
12010E291 AEUV Art291 Abs2
62020CJ0695 Fenix International Ltd VORAB
RS 1
Nach der Rechtsprechung des EuGH umfassen die der Kommission und dem Rat nach Art. 291 Abs. 2 AEUV übertragenen Durchführungsbefugnisse im Wesentlichen die Befugnis, Maßnahmen zu erlassen, die für die einheitliche Durchführung der Bestimmungen des Gesetzgebungsakts, auf dessen Grundlage sie erlassen werden, erforderlich oder zweckmäßig sind und sich darauf beschränken, seinen Inhalt unter Beachtung der mit ihm verfolgten wesentlichen allgemeinen Ziele zu präzisieren, ohne ihn in seinen wesentlichen oder nicht wesentlichen Teilen zu ergänzen oder zu ändern (, Fenix International Ltd, Rn. 49).
Normen
EURallg
31992R2913 ZK 1992 Art32 Abs1 litc
32013R0952 ZK 2013 Art71 Abs1 litc
32013R0952 ZK 2013 Art76
32015R2447 DurchführungsV Zollkodex Art136 Abs4 litc
RS 2
Gestützt auf Art. 76 UZK hat die Kommission u.a. Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA erlassen. Demnach gelten Lizenzgebühren als nach den Bedingungen des Kaufgeschäftes entrichtet, wenn ohne Zahlung der Lizenzgebühren an einen Lizenzgeber die Waren nicht an den Käufer veräußert oder nicht von diesem erworben werden können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass - auch wenn die Rechtsprechung zu Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK aufgrund der Wortgleichheit zu Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK weiterhin zu beachten sein wird - die Vorgaben des Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA, die sich nach ihrem Wortlaut auch an den Käufer richten, Eingang in die Auslegung des Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK finden können.
Normen
EURallg
31992R2913 ZK 1992 Art32 Abs1 litc
32013R0952 ZK 2013 Art71 Abs1 litc
62019CJ0775 5th AVENUE Products Trading GmbH
RS 3
Der EuGH verweist in seinem Urteil vom , C-775/19, 5th AVENUE Products Trading GmbH, Rn. 41, unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu dem in Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK genannten Begriff "Bedingungen des Kaufgeschäfts" darauf, dass eine Zahlung eine solche "Bedingung des Kaufgeschäfts" über die zu bewertenden Waren darstellt, wenn im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Verkäufer oder der mit ihm verbundenen Person und dem Käufer diese Zahlung für den Verkäufer eine derartige Bedeutung aufweist, dass er ohne sie den Verkauf nicht vornähme.
Normen
EURallg
31992R2913 ZK 1992 Art32 Abs1 litc
31993R2454 ZKDV 1993 Art143 Abs1 lite
32013R0952 ZK 2013 Art71 Abs1 litc
32015R2447 DurchführungsV Zollkodex Art127 lite
62019CJ0076 Curtis Balkan VORAB
RS 4
Im Urteil vom , C-76/19, "Curtis Balkan" EOOD, Rn. 66, hat der EuGH ausgesprochen, dass es für die Feststellung, ob eine Lizenzgebühr im Sinn von Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK nach den Bedingungen des Kaufgeschäfts für die zu bewertenden Waren zu entrichten ist, in Fällen, in denen der Verkäufer der zu bewertenden Waren nicht der Lizenzgeber ist, letztlich darauf ankommt, ob die mit dem Verkäufer verbundene Person (Art. 143 Abs. 1 Buchst. e ZK-DVO, nunmehr Art. 127 Buchst. e UZK-IA) in der Lage ist, sich dessen zu versichern, dass die Einfuhr der Waren unter der Bedingung steht, dass die fragliche Lizenzgebühr an sie gezahlt wird. Für die Beziehung zwischen dem Lizenzgeber und den Verkäufern, welche bereits für den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK zur Einbeziehung der Lizenzgebühren in den Zollwert führen kann, ist den im zitierten Urteil vom , C-76/19, angeführten Indizien Rechnung zu tragen (Rn. 68 [mwN]).
Normen
BAO §115
BAO §269 Abs1
RS 5
Gemäß § 115 iVm § 269 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Finanzgerichts, auch die sachverhaltsmäßigen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/13/0048).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/16/0064 B RS 1
Norm
BAO §269 Abs1
RS 6
Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Das Verwaltungsgericht hat hiezu den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls entsprechende Ermittlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen (vgl. Ritz, BAO5, § 269 Tz 5)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/13/0048 E RS 1 (hier nur der zweite Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Zollamts Österreich, Zollstelle Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5200044/2019, betreffend Einfuhrabgaben und Verzugszinsen (mitbeteiligte Partei: d GmbH in B, vertreten durch die Fusseis Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 63), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom teilte das Zollamt der Mitbeteiligten für eingangsabgabepflichtige Waren, die mit Anmeldungen im Zeitraum vom bis in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden seien, einen - sich aus der Einbeziehung näher genannter Lizenzgebühren in den Zollwert ergebenden - nach Art. 105 Abs. 4 UZK buchmäßig erfassten Zollbetrag iHv 55.569,24 € gemäß Art. 102 Abs. 3 UZK mit. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

2 Das - infolge eines Vorlageantrags vom zuständig gewordene - Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und behob den Bescheid vom ersatzlos. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts handle es sich bei der Mitbeteiligten um eine Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand die Erzeugung und der Handel mit Schirmen sowie Wetter- und Sonnenschutzartikeln sei.

4 Die Rechtsvorgängerin der Mitbeteiligten, die D GmbH sei bis zum 1. April Inhaberin näher genannter Wort- und Wortbildmarken gewesen und habe bis den operativen Handelsbetrieb mit Waren in der Art der revisionsgegenständlichen geführt.

5 Im Jahr 2015 sei die Mitbeteiligte als 100 prozentige Tochter durch Spaltung von der D GmbH gegründet worden. Die genannten Markenrechte seien bei der D GmbH verblieben.

6 Am habe die K I GmbH, an der die D GmbH zu 73 Prozent und die in der Schweiz ansässige S AG zu 27 Prozent beteiligt seien, sämtliche Schutzrechte für die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb näher genannter Produkte - dazu gehörten auch die genannten Markenrechte - erworben.

7 Auf Verlangen der Fremdgesellschafterin der K I GmbH (der S AG) seien schriftliche Lizenzverträge erstellt worden. So habe die K I GmbH als Lizenzgeberin mit ihrer 100 prozentigen Tochter, der K GmbH, einen Generallizenzvertrag geschlossen. Die K GmbH wiederum habe am einen Sublizenzvertrag mit der Mitbeteiligten abgeschlossen.

8 Sämtliche genannten Gesellschaften - mit Ausnahme der S AG - seien zu wirtschaftlichen Zwecken verbundene Konzernunternehmen. Es liege zwischen ihnen eine Verbundenheit im Sinn des Art. 127 UZK-IA vor. Herr W sei an diesen Gesellschaften jeweils mehrheitlich oder ausschließlich unmittelbar oder mittelbar beteiligt und mit deren Geschäftsführung befasst.

9 Im Zeitraum Mai 2016 bis März 2018 habe es keinen Lizenzvertrag gegeben. Es sei als Gegenleistung für die Markennutzung auf dem bei der D GmbH für die Mitbeteiligte geführten Verrechnungskonto ein Betrag von insgesamt 867.353,33 € als Forderung verbucht worden.

10 Nach den Bestimmungen des ab April 2018 geltenden, zwischen der Mitbeteiligten und der K GmbH geschlossenen Lizenzvertrags sei der Mitbeteiligten das ausschließliche Recht eingeräumt worden, die Lizenzmarken in Österreich und Deutschland in näher genannter Weise zu nutzen. Für die Zeit vor Abschluss des Lizenzvertrages habe die Lizenzgeberin ihre Interessen allein schon aufgrund der Konzernbindung sicherstellen können.

11 Die an die D GmbH und an die K GmbH zu zahlenden Lizenzgebühren seien abhängig von der Höhe der beim Weiterverkauf der Waren erzielten Nettoerlöse.

12 Revisionsgegenständlich seien eingangsabgabepflichtige Waren, die mit Zollanmeldungen im Zeitraum vom bis in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden seien. Diese Waren hätten bereits den Charakter von Markenwaren (eingearbeitetes Markenzeichen) gehabt und seien durch die Mitbeteiligte ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung in Österreich und Deutschland weiterverkauft worden.

13 Die Mitbeteiligte habe die Waren von Unternehmen in Fernost, insbesondere der Volksrepublik China erworben. Die Verkäufer seien nicht mit dem Konzern der Mitbeteiligten verbunden und auch keine Lizenznehmer der revisionsgegenständlichen Marken. Die Kaufverträge enthielten keine Hinweise auf einen Lizenzvertrag oder zu zahlende Lizenzgebühren. Schriftliche Vereinbarungen zwischen den drittländischen Lieferanten und anderen, dem Konzern der Mitbeteiligten zugehörigen Gesellschaften seien nicht aktenkundig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Lizenzvereinbarung zwischen der Mitbeteiligten und den Lizenzgebern von Bedeutung für die Kaufgeschäfte der Mitbeteiligten mit den drittländischen Verkäufern gewesen sei.

14 Die Auswahl der Verkäufer, die Preisverhandlungen und die Liefervereinbarungen seien durch die Mitbeteiligte erfolgt. Diese habe den Verkäufern auch die Bestelldetails, wie etwa Design, Label oder Materialeigenschaften vorgegeben.

15 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht zunächst aus, dass es sich bei den gegenständlichen Zahlungen um Lizenzgebühren im Sinn des Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK handle. Diese seien warenbezogen und nicht in den tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preisen enthalten.

16 Bei Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA handle es sich um eine Durchführungsvorschrift, die nicht gegen Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK als höherrangiges Recht und der sich daraus ergebenden Tatbestandsvoraussetzung - der nach den Bedingungen des Kaufgeschäftes zu zahlenden Lizenzgebühr - verstoßen dürfe.

17 Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK entspreche dem Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH weiterhin zu beachten sei. Nach dieser Rechtsprechung sei allein die Frage entscheidend, ob unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Abschluss der Verkaufsverträge in der gewählten Form und folglich die Lieferung der Waren ohne Zahlung stattgefunden hätte oder nicht. Es komme auf die Bedeutung der Lizenzvereinbarung für den Verkäufer an.

18 Im Beschwerdefall fehlten Feststellungen, dass für die drittländischen Verkäufer die Zahlung der Lizenzgebühren von einer solchen Bedeutung gewesen wäre, dass sie die Waren entweder überhaupt nicht oder nicht zu den vereinbarten Vertragsbedingungen geliefert hätten. Ein auf die Lizenzgebührenzahlung durch die Mitbeteiligte gerichtetes Interesse der Verkäufer habe nicht festgestellt werden können. Die Zollbehörde habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Lizenzgeber oder die Mitbeteiligte veranlasst gewesen wären, die Zahlung der Lizenzgebühren zur Bedingung der Kaufverträge mit den Verkäufern zu machen.

19 Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage fehle, ob und inwieweit aufgrund der Bestimmung des Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA insbesondere der Aspekt, dass der Lizenzgeber in das Kaufgeschäft zwischen Hersteller und Käufer/Lizenznehmer eingreifen könne, in diesem Zusammenhang entscheidend sei.

20 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit weiters ausgeführt wird, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA über die Einbeziehung von Lizenzgebühren in den Zollwert fehle.

21 Das Bundesfinanzgericht hat nach Durchführung des Vorverfahrens die Revision sowie den Verfahrensakt einschließlich der von der Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortung dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Die Revision ist zulässig und begründet.

24 Art. 71 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. Nr. 269 (UZK) lautet:

„Artikel 71

Bestandteile des Transaktionswerts

(1) Bei der Ermittlung des Zollwerts nach Artikel 70 sind dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzurechnen:

a) die folgenden Kosten, soweit diese dem Käufer entstehen, aber nicht in dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten sind:

i) Provisionen und Maklerlöhne, ausgenommen Einkaufsprovisionen,

ii) Kosten von Umschließungen, die für Zollzwecke als Einheit mit den betreffenden Waren angesehen werden, und

iii) Verpackungskosten, und zwar sowohl Material- als auch Arbeitskosten,

b) der entsprechend aufgeteilte Wert folgender Gegenstände und Leistungen, die unmittelbar oder mittelbar vom Käufer unentgeltlich oder zu ermäßigten Preisen zur Verwendung im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verkauf zur Ausfuhr der zu bewertenden Waren geliefert oder erbracht worden sind, soweit dieser Wert nicht in dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten ist:

i) der in den eingeführten Waren enthaltenen Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen,

ii) der bei der Herstellung der eingeführten Waren verwendeten Werkzeuge, Matrizen, Gussformen und dergleichen,

iii) der bei der Herstellung der eingeführten Waren verbrauchten Materialien, und

iv) der für die Herstellung der eingeführten Waren notwendigen Techniken, Entwicklungen, Entwürfe, Pläne und Skizzen, die außerhalb der Union erarbeitet worden sind,

c) Lizenzgebühren für die zu bewertenden Waren, die der Käufer entweder unmittelbar oder mittelbar nach den Bedingungen des Kaufgeschäfts für die zu bewertenden Waren zu zahlen hat, soweit diese Lizenzgebühren nicht im tatsächlich gezahlten oder zu zahlendem Preis enthalten sind,

d) der Wert jeglicher Erlöse aus späteren Weiterverkäufen, sonstigen Überlassungen oder Verwendungen der eingeführten Waren, die unmittelbar oder mittelbar dem Verkäufer zugute kommen, und

e) die folgenden Kosten bis zum Ort des Verbringens der Waren in das Zollgebiet der Union:

i) Beförderungs- und Versicherungskosten für die eingeführten Waren und

ii) Ladekosten sowie Kosten für die Behandlung der eingeführten Waren, die mit ihrer Beförderung zusammenhängen.

(2) Zuschläge zu dem nach Absatz 1 tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis dürfen nach diesem Artikel nur auf der Grundlage objektiver und quantifizierbarer Angaben vorgenommen werden.

(3) Zuschläge zu dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis dürfen bei der Ermittlung des Zollwerts nur vorgenommen werden, wenn dies in diesem Artikel vorgesehen ist.“

25 Art. 76 UZK lautet:

„Artikel 76

Übertragung von Durchführungsbefugnissen

Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Verfahrensregeln für Folgendes fest:

a) die Bestimmung des Zollwerts gemäß den Artikeln 70 Absätze 1 und 2 und den Artikeln 71 und 72, einschließlich der Regeln für die Anpassung des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises,

b) die Anwendung der Voraussetzungen nach Artikel 70 Absatz 3,

c) die Bestimmung des Zollwerts nach Artikel 74.

Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem Prüfverfahren gemäß Artikel 285 Absatz 4 erlassen.“

26 Art. 136 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom  mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union ABl. Nr. 343 (UZK-IA) lautet:

„Artikel 136

Lizenzgebühren

(Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe c des Zollkodex)

(1) Lizenzgebühren beziehen sich auf die eingeführten Waren, wenn insbesondere die durch den Lizenzvertrag übertragenen Rechte in den Waren verkörpert sind. Die Art der Berechnung des Betrags der Lizenzgebühr ist dabei nicht der entscheidende Faktor.

(2) Stellt die Art der Berechnung des Betrags von Lizenzgebühren auf den Preis der eingeführten Waren ab, so wird bis zum Beweis des Gegenteils angenommen, dass sich die Zahlung dieser Lizenzgebühren auf die zu bewertenden Waren bezieht.

(3) Beziehen sich die Lizenzgebühren teilweise auf die zu bewertenden Waren und teilweise auf andere Bestandteile oder Zubehör, die den Waren nach ihrer Einfuhr hinzugefügt werden, oder auf Dienstleistungen nach der Einfuhr, so wird eine angemessene Anpassung vorgenommen.

(4) Lizenzgebühren gelten als nach den Bedingung des Kaufgeschäftes entrichtet, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:

a) der Verkäufer oder eine mit diesem verbundene Person verlangt vom Käufer diese Zahlung;

b) die Zahlung durch den Käufer erfolgt vertragsgemäß zur Erfüllung einer Verpflichtung des Verkäufers;

c) ohne Zahlung der Lizenzgebühren an einen Lizenzgeber können die Waren nicht an den Käufer veräußert oder nicht von diesem erworben werden.

(5) Das Land, in dem der Empfänger der Lizenzzahlung ansässig ist, ist ohne Bedeutung.“

27 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes des Europäischen Union (EuGH) umfassen die der Kommission und dem Rat nach Art. 291 Abs. 2 AEUV übertragenen Durchführungsbefugnisse im Wesentlichen die Befugnis, Maßnahmen zu erlassen, die für die einheitliche Durchführung der Bestimmungen des Gesetzgebungsakts, auf dessen Grundlage sie erlassen werden, erforderlich oder zweckmäßig sind und sich darauf beschränken, seinen Inhalt unter Beachtung der mit ihm verfolgten wesentlichen allgemeinen Ziele zu präzisieren, ohne ihn in seinen wesentlichen oder nicht wesentlichen Teilen zu ergänzen oder zu ändern (, Fenix International Ltd, Rn. 49).

28 Im Urteil vom , C-775/19, 5th AVENUE Products Trading GmbH, Rn. 40, hat der EuGH ausgesprochen, dass weder die (für das damalige Verfahren relevante) Verordnung (EWG) NR. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) noch die dazu ergangene Durchführungsverordnung - Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom  mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 253 (ZK-DVO) - eine Definition des Begriffs „Bedingung für das Kaufgeschäft“ im Sinn von Art. 29 Abs. 3 Buchst. a ZK enthalten. Daraus kann abgeleitet werden, dass der EuGH eine solche Definition in einer Durchführungsverordnung nicht ausschließt.

29 Gestützt auf den auf den Revisionsfall anzuwendenden Art. 76 UZK hat die Kommission u.a. Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA erlassen. Demnach gelten Lizenzgebühren als nach den Bedingungen des Kaufgeschäftes entrichtet, wenn ohne Zahlung der Lizenzgebühren an einen Lizenzgeber die Waren nicht an den Käufer veräußert oder nicht von diesem erworben werden können.

30 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage und der dargestellten Rechtsprechung kann nicht ausgeschlossen werden, dass - auch wenn die Rechtsprechung zu Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK aufgrund der Wortgleichheit zu Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK weiterhin zu beachten sein wird - die Vorgaben des Art. 136 Abs. 4 Buchst. c UZK-IA, die sich nach ihrem Wortlaut auch an den Käufer richten, Eingang in die Auslegung des Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK finden können. Schon aus diesem Grunde erweist sich die gegenständliche Revision als zulässig.

31 Der EuGH verweist in seinem Urteil vom , C-775/19, 5th AVENUE Products Trading GmbH, Rn. 41, unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu dem in Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK genannten Begriff „Bedingungen des Kaufgeschäfts“ darauf, dass eine Zahlung eine solche „Bedingung des Kaufgeschäfts“ über die zu bewertenden Waren darstellt, wenn im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Verkäufer oder der mit ihm verbundenen Person und dem Käufer diese Zahlung für den Verkäufer eine derartige Bedeutung aufweist, dass er ohne sie den Verkauf nicht vornähme.

32 Das Bundesfinanzgericht hat das angefochtene Erkenntnis im Wesentlichen darauf gestützt, dass nach näher genannter Rechtsprechung des EuGH zu Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK - welche die Vorgängerbestimmung des Art. 71 Abs. 1 Buchst. c UZK sei -, für die Einbeziehung der revisionsgegenständlichen Lizenzgebühren allein auf die Bedeutung der Zahlung der Lizenzgebühren für den Verkäufer abzustellen sei.

33 Dem angefochtenen Erkenntnis kann aber nicht entnommen werden, aufgrund welcher Feststellungen das Bundesfinanzgericht zur Ansicht gelangt ist, die Zahlung der Lizenzgebühren habe - unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte - für den Verkäufer keine Bedeutung gehabt.

34 Im Urteil vom , C-76/19, „Curtis Balkan“ EOOD, Rn. 66, hat der EuGH ausgesprochen, dass es für die Feststellung, ob eine Lizenzgebühr im Sinn von Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK nach den Bedingungen des Kaufgeschäfts für die zu bewertenden Waren zu entrichten ist, in Fällen, in denen der Verkäufer der zu bewertenden Waren nicht der Lizenzgeber ist, letztlich darauf ankommt, ob die mit dem Verkäufer verbundene Person (Art. 143 Abs. 1 Buchst. e ZK-DVO, nunmehr Art. 127 Buchst. e UZK-IA) in der Lage ist, sich dessen zu versichern, dass die Einfuhr der Waren unter der Bedingung steht, dass die fragliche Lizenzgebühr an sie gezahlt wird.

35 Für die Beziehung zwischen dem Lizenzgeber und den Verkäufern, welche bereits für den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 1 Buchst. c ZK zur Einbeziehung der Lizenzgebühren in den Zollwert führen kann, ist nach Rn. 68 (mwN) des zitierten Urteils vom , C-76/19, folgenden Indizien Rechnung zu tragen:

 Der Lizenzgeber wählt den Hersteller aus und schreibt ihn dem Käufer vor;

 der Lizenzgeber schließt direkt mit dem Hersteller/Verkäufer einen Fertigungsvertrag;

 der Lizenzgeber kontrolliert entweder unmittelbar oder mittelbar die Fertigung (hinsichtlich der Produktionsstätten und/oder Produktionsmethoden);

 der Lizenzgeber kontrolliert entweder unmittelbar oder mittelbar die Logistik und den Versand der Waren an den Käufer;

 der Lizenzgeber bestimmt, an wen der Hersteller die Waren verkaufen darf bzw. schränkt den Kreis der Abnehmer ein;

 der Lizenzgeber setzt Bedingungen hinsichtlich der Preise fest, zu denen die Hersteller/Verkäufer ihre Waren verkaufen dürfen oder zu denen der Einführer/Käufer die Waren wiederverkaufen muss;

 der Lizenzgeber hat das Recht, die Geschäftsbücher des Herstellers oder die des Käufers zu überprüfen;

 der Lizenzgeber gibt die Produktionsmethoden/Muster etc. vor;

 der Lizenzgeber gibt die Lieferanten für die Materialien/Komponenten vor;

 der Lizenzgeber beschränkt die Mengen, die der Hersteller produzieren darf;

 der Lizenzgeber erlaubt es dem Käufer nicht, die Ware direkt vom Hersteller zu kaufen, sondern vom Markeninhaber (Lizenzgeber), der auch als Einkaufsagent des Einführers handeln könnte;

 der Hersteller ist nicht berechtigt, mit dem Lizenzprodukt im Wettbewerb stehende (nicht lizenzierte) Produkte ohne Genehmigung des Lizenzgebers herzustellen;

 die produzierten Waren sind spezifisch für den Lizenzgeber (hinsichtlich Konzeption und Warenzeichen);

 die Merkmale der produzierten Waren und die hierfür eingesetzte Technologie werden vom Lizenzgeber vorgeschrieben.

36 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Erkenntnisses erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss in der Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. z.B. , mwN).

37 In diesem Zusammenhang führt das Bundesfinanzgericht im Rahmen des Punkts 3 des angefochtenen Erkenntnisses „Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung“ lediglich aus, „im Beschwerdefall fehlen Feststellungen, dass den drittländischen Verkäufern die Zahlung der Lizenzgebühren von einer solchen Bedeutung gewesen wäre, dass sie die Waren entweder überhaupt nicht oder nicht zu den vereinbarten Vertragsbedingungen geliefert hätten. Ein auf die Lizenzgebührenzahlung gerichtetes Interesse der Verkäufer konnte im Beschwerdefall nicht nachgewiesen werden.“

38 Demgegenüber ergibt sich aus dem vom Bundesfinanzgericht in seinen Feststellungen wiedergegebenen Lizenzvertrag zwischen der Mitbeteiligten und der K GmbH, dass die Mitbeteiligte ihre Produkte bei „Vertragslieferanten“ - also Herstellern, die der Lizenzgeber mit der Fertigung der Vertragsprodukte nach seinen Spezifikationen beauftragt habe, ordern müsse. Nach dem Lizenzvertrag handle der Lizenzgeber mit den Vertragslieferanten auch die Einkaufspreise inklusive einer eventuellen Rabattstaffelung aus, zu denen die Mitbeteiligte die Vertragsprodukte in der von ihr gewünschten Menge herstellen lassen und beziehen könne. Andere Hersteller dürften von der Mitbeteiligten nur unter besonderen - ebenfalls im Lizenzvertrag genannten - Bedingungen herangezogen werden.

39 Wenn das Bundesfinanzgericht weiter feststellt, dass schriftliche Vereinbarungen zwischen der Lizenzgeberin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und den drittländischen Verkäufern nicht aktenkundig seien und die Auswahl der Verkäufer, die Preisverhandlungen und die Liefervereinbarungen mit diesen Verkäufern von der Mitbeteiligten vorgegeben worden sei, so ist dies vor dem Hintergrund der im Lizenzvertrag getroffenen Vereinbarungen - mangels entsprechender Beweiswürdigung - für den Verwaltungsgerichtshof, auch im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der zu prüfenden Indizien zur Bestimmung der Beziehung zwischen Lizenzgeber und Hersteller, nicht nachvollziehbar.

40 Insgesamt ist dem Verwaltungsgerichtshof daher die Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses nicht möglich, weshalb es schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

41 Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 115 iVm § 269 Abs. 1 BAO das Bundesfinanzgericht den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat. Danach ist es grundsätzlich Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, auch die sachverhaltsmäßigen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (vgl. , mwN). Das Verwaltungsgericht hat hiezu den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls entsprechende Ermittlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen (vgl. ).

Wien, am

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Normen
BAO §115
BAO §269 Abs1
EURallg
12010E291 AEUV Art291 Abs2
31992R2913 ZK 1992 Art32 Abs1 litc
31993R2454 ZKDV 1993 Art143 Abs1 lite
32013R0952 ZK 2013 Art71 Abs1 litc
32013R0952 ZK 2013 Art76
32015R2447 DurchführungsV Zollkodex Art127 lite
32015R2447 DurchführungsV Zollkodex Art136 Abs4 litc
62019CJ0076 Curtis Balkan VORAB
62019CJ0775 5th AVENUE Products Trading GmbH
62020CJ0695 Fenix International Ltd VORAB
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023160018.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-46784