VwGH 24.10.2024, Ro 2023/16/0010
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Soweit das Amt für Betrugsbekämpfung Normen des Finanzstrafrechts vollzieht, ist es als Finanzstrafbehörde tätig. In den übrigen Geschäftsbereichen ist das Amt für Betrugsbekämpfung als Verwaltungsbehörde tätig (vgl. auch IA 985/A BlgNR 26. GP. 69). Organisatorisch ist die Durchführung von Finanzstrafverfahren durch das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde dem Geschäftsbereich Finanzstrafsachen zugeordnet (§ 2 Abs. 2 Z 1 ABBG iVm § 3 Z 1 lit. a ABBG). Der Geschäftsbereich Finanzstrafsachen ist keine Behörde, sondern eine Organisationseinheit des Amts für Betrugsbekämpfung (vgl. zur Finanzpolizei als Organisationseinheit iSd § 9 Abs. 3 AVOG 2010 nach der dortigen Rechtslage). Der Organisationseinheit "Geschäftsbereich Finanzstrafsachen" zugeordnete Aufgaben der Vollziehung des Finanzstrafgesetzes erfüllt das Amt für Betrugsbekämpfung "als Finanzstrafbehörde". |
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RS 2 | Da nach Abschluss des Finanzstrafverfahrens keine abschließende Sachentscheidung mehr zu ergehen hatte, konnte die Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht mit Beschwerde angefochten werden (vgl. [=AnwBl 1980/11, S 449]). Das Amt für Betrugsbekämpfung wurde dabei in Vollziehung des § 79 FinStrG und damit als Finanzstrafbehörde tätig. |
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RS 3 | Die Bezeichnung der Behörde ist ein wesentliches Merkmal, dessen Fehlen zur absoluten Nichtigkeit führt. Dem Erfordernis zur Bezeichnung der Behörde ist dann Rechnung getragen, wenn nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann - also unabhängig von der subjektiven Kenntnis seitens des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde der Bescheid erlassen wurde. Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen. Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (Hinweis E vom , Ra 2015/03/0051). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/11/0103 E RS 1 (hier ohne den ersten Satz) |
Norm | BAO §96 Abs1 |
RS 4 | Fehlt in der Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde und enthält die Ausfertigung auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so liegt keine wirksame amtliche Erledigung vor (Hinweis E , 90/14/00112 zu § 96 BAO). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 96/17/0086 E RS 1 |
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RS 5 | Es liegt kein Bescheid vor, wenn er die Behörde, von der er erlassen worden ist, nicht erkennen lässt (vgl. , und , 2002/16/0231). Ob die konkrete Behörde für die Erlassung des Bescheides zuständig ist, ist hingegen für dessen Gültigkeit irrelevant. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/15/0052 E RS 6 (hier ohne den ersten Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde in 1030 Wien, Marxergasse 4, vertreten durch die Amtsbeauftragte, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/3300001/2023, betreffend Akteneinsicht in einer Angelegenheit des Finanzstrafgesetzes (mitbeteiligte Partei: E GmbH & Co KG in L, vertreten durch Univ. Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 28 / 4. Stock), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte beantragte mit Schriftsatz vom Akteneinsicht in einen sie betreffenden Finanzstrafakt. Das Finanzstrafverfahren war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Der Antrag der Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung „Bereich Finanzstrafsachen“ vom hinsichtlich näher genannter Dokumente abgewiesen.
2 Die Mitbeteiligte erhob Beschwerde gegen den genannten Bescheid, „wegen teilweiser Ablehnung der Akteneinsicht“, insoweit als damit die Akteneinsicht in ein näher genanntes Dokument abgelehnt wurde, in eventu zur Gänze. Mit dem angefochtenen Erkenntnis behob das Bundesfinanzgericht den genannten Bescheid wegen Unzuständigkeit der Behörde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.
3 In der Begründung stellte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren relevant - fest, im Kopf des Bescheides vom sei die bescheiderlassende Behörde wie folgt bezeichnet worden:
„Amt für Betrugsbekämpfung
Bereich Finanzstrafsachen
Standort: Reichsstraße 154
6800 Feldkirch“
4 Weder im Kopf noch im Spruch des Bescheides sei die bescheiderlassende Behörde als Finanzstrafbehörde bezeichnet worden. Das Wort „Finanzstrafbehörde“ sei in dem angefochtenen Bescheid nur in der Begründung, und zwar ausschließlich im Rahmen der Wiedergabe der Rechtslage (§ 79 Abs. 1 Finanzstrafgesetz [FinStrG]) verwendet worden.
5 In der rechtlichen Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, gemäß § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG sei „das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde“ für die Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständig.
6 Vor der Finanzorganisationsreform sei allgemein anerkannt gewesen, dass die Gewährung der Akteneinsicht im Zusammenhang mit einem Finanzstrafverfahren nicht den Finanzämtern schlechthin, sondern den Finanzämtern als Finanzstrafbehörden obliege. § 265 Abs. 2 lit. a FinStrG zufolge trete im Zuge der Finanzorganisationsreform das „Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde“ an die Stelle der Finanzämter als Finanzstrafbehörden. Daraus sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zu schließen, dass die zuständige Behörde für die Gewährung von Akteneinsicht im gegenständlichen Fall das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde sei. Aus der expliziten Anführung des Zusatzes „als Finanzstrafbehörde“ in der angeführten Übergangsbestimmung schließe das Gericht, dass dieser Zusatz mit der Reform keinesfalls obsolet geworden sei.
7 Die Angabe des Bereichs Finanzstrafsachen ersetze nicht den Hinweis auf die funktionelle Zuständigkeit „als Finanzstrafbehörde“, da die Bestimmung, welche die Unterteilung in Geschäftsbereiche vorsehe (§ 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung - ABBG), letztlich lediglich eine organisatorische Vorschrift darstelle und die Zuordnung eines Rechtsaktes zu einem dieser Geschäftsbereiche noch nicht eindeutig zum Ausdruck bringe, dass die Behörde als Finanzstrafbehörde im Sinne des FinStrG tätig werde, zumal die Aufzählung der Zuständigkeiten der einzelnen Geschäftsbereiche in § 3 ABBG nur demonstrativer Natur sei. Es sei nicht anzunehmen, dass das Amt für Betrugsbekämpfung in seiner Gesamtheit eine Finanzstrafbehörde wäre.
8 Zuständig für die Gewährung der Akteneinsicht sei somit im vorliegenden Fall nicht das „Amt für Betrugsbekämpfung“ schlechthin, sondern das „Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde“. Der angefochtene Bescheid sei sohin von einer unzuständigen Behörde erlassen worden und sei bereits aus diesem Grund ohne inhaltliche Prüfung aufzuheben.
9 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bedeutung des Zusatzes „als Finanzstrafbehörde“ seit der Finanzorganisationsreform fehle.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vertreten durch die Amtsbeauftragte.
11 In der Revision wird zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses im Wesentlichen vorgebracht, aus dem Kontext der näher genannten Gesetzesbestimmungen ergebe sich eine eindeutige Zuständigkeit des Geschäftsbereiches Finanzstrafsachen für die Durchführung von Finanzstrafsachen. Einer gesetzlichen Abgrenzung des Tätigwerdens als Finanzstrafbehörde oder als Abgabenbehörde bedürfe es seit der Neuorganisation des Amtes für Betrugsbekämpfung und des Übergangs der finanzstrafrechtlichen Aufgaben der jeweiligen Finanzämter in den Geschäftsbereich Finanzstrafsachen nicht. Der Bezeichnung des Geschäftsbereiches Finanzstrafsachen als Finanzstrafbehörde könne bloß deklarative Bedeutung beigemessen werden.
12 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision als unbegründet sowie die Zuerkennung von Aufwandersatz beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
13 Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.
14 Vorauszuschicken ist, dass die Finanzstrafbehörde, vertreten durch den Amtsbeauftragten, gemäß § 169 Finanzstrafgesetz (FinStrG) gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes Revision gemäß Art. 133 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof erheben kann.
15 § 56 Abs. 2 FinStrG idF des Abgabenänderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, lautet:
„§ 56.
[...]
(2) Für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes sowie § 114 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung sinngemäß. Eine automationsunterstützte Übermittlung von Anbringen an die Finanzstrafbehörde ist nur insoweit zulässig, als dies in einer Verordnung des Bundesministers für Finanzen unter Bestimmung der Übermittlungsmodalität ausdrücklich zugelassen wird.
[...]“
16 § 58 FinStrG idF des Finanz-Organisationsreformgesetzes (FORG), BGBl. I Nr. 104/2019, lautet:
„§ 58. (1) Zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens sind zuständig:
a) für Finanzvergehen, die bei oder im Zusammenhang mit der Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren begangen werden sowie für Abgabenhehlerei und Monopolhehlerei, und für Finanzvergehen, durch welche sonst Abgaben- oder Monopolvorschriften oder andere Rechtsvorschriften, deren Handhabung der Zollverwaltung oder ihren Organen obliegt, verletzt werden, das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde;
b) für alle übrigen Finanzvergehen das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde;
c) in den Fällen des § 52 jene Finanzstrafbehörde, die für die Verfolgung des dem Berauschten nicht zurechenbaren Finanzvergehens zuständig wäre.
Dem Vorstand der Finanzstrafbehörde obliegt die Erstellung der jeweiligen Geschäftsverteilung. Diese ist auf der Internet-Seite des Bundesministeriums für Finanzen zu veröffentlichen.
[...]“
17 § 79 Abs. 1 und 4 FinStrG idF BGBl. I Nr. 164/1999 lauten:
„§ 79. (1) Die Finanzstrafbehörde hat dem Beschuldigten und den Nebenbeteiligten in jeder Lage des Verfahrens und auch nach dessen Abschluß die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer finanzstrafrechtlichen oder abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung solcher Pflichten erforderlich ist; sie kann ihnen statt dessen auch Abschriften (Ablichtungen) ausfolgen. Sind Beschuldigte oder Nebenbeteiligte blind oder hochgradig sehbehindert und nicht durch Verteidiger oder Bevollmächtigte vertreten, so hat ihnen die Finanzstrafbehörde auf Verlangen den Inhalt der Akten oder Aktenteile durch Verlesung oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.
[...]
(4) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.“
18 § 265 Abs. 2 lit. a und b FinStrG idF des FORG lauten:
„§ 265.
[...]
(2) § 60 tritt mit Ablauf des außer Kraft. Die §§ 29 Abs. 1, 53 Abs. 1 und 3, 56 Abs. 5 Z 3, 58 Abs. 1, 59, 64 Abs. 1, 65, 67 Abs. 1, 69, 70 Abs. 1 und 2, 85 Abs. 2, 90 Abs. 2, 95, 97, 99 Abs. 2 und 5, 146 Abs. 1, 174 Abs. 2, 194a, 196 Abs. 3 und 4, die Überschrift vor § 196a, 197, und 227 Abs. 2 jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2019 treten mit in Kraft. Dabei gilt:
a) Das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde tritt mit an die Stelle des zum jeweils zuständigen Finanzamtes als Finanzstrafbehörde. Das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde tritt an die Stelle des zum jeweils zuständigen Zollamtes als Finanzstrafbehörde. Die zum bei den Finanzstrafbehörden anhängigen Verfahren sind von den gemäß § 58 Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019 zuständigen Finanzstrafbehörden fortzuführen.
b) Ausfertigungen der vor dem verkündeten, jedoch noch nicht zugestellten Erkenntnisse einer Finanzstrafbehörde haben im Namen der im Zeitpunkt der Verkündigung zuständigen Finanzstrafbehörde zu erfolgen. Nach dem wirksam werdende Erledigungen der zum zuständigen Finanzstrafbehörden gelten als Erledigungen der Finanzstrafbehörden gemäß § 58 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2019.
[...]“
19 § 96 Abs. 1 Bundesabgabenordnung idF des Steuerreformgesetzes 2020, BGBl. I Nr. 103/2019, lautet:
„§ 96. (1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.
[...]“
20 § 2 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung (ABBG) idF des FORG lauten samt Überschrift:
„Organisation
§ 2. (1) Die Leitung des Amtes für Betrugsbekämpfung erfolgt durch den Vorstand. Ihm obliegt insbesondere die organisatorische, personelle, wirtschaftliche und finanzielle Leitung.
(2) Dem Vorstand können für die dienstliche und fachliche Leitung Geschäftsbereichsleiter zur Seite gestellt werden. Einer der Geschäftsbereichsleiter hat im Fall der Verhinderung des Vorstandes dessen Aufgaben als sein Stellvertreter wahrzunehmen. Das Amt für Betrugsbekämpfung besteht aus folgenden Geschäftsbereichen:
1. Finanzstrafsachen
2. Finanzpolizei
3. Steuerfahndung
4. Zentralstelle Internationale Zusammenarbeit
[...]“
21 § 3 Z 1 ABBG idF des FORG lautet:
„Aufgaben
§ 3. Dem Amt für Betrugsbekämpfung obliegt insbesondere
1. im Geschäftsbereich Finanzstrafsachen
a) die Durchführung von Finanzstrafverfahren nach dem Finanzstrafgesetz - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958,
b) die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten im Dienste der Strafrechtspflege gemäß § 196 Abs. 1 FinStrG,
c) die Wahrnehmung der Privatbeteiligtenstellung und sonstiger Aufgaben und Befugnisse gemäß §§ 195 bis 245 FinStrG,
d) die Einhebung, Sicherung, Einbringung sowie der Vollzug der nach dem FinStrG verhängten Geld- und Freiheitsstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) sowie
e) die internationale Amts- und Rechtshilfe in Finanzstrafsachen
soweit diese Aufgaben mit Ausnahme der lit. b nicht gemäß § 53 FinStrG in die Zuständigkeit der Gerichte fallen oder gemäß § 58 Abs. 1 lit. a FinStrG vom Zollamt Österreich zu vollziehen sind;
[...]“
22 Das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde ist - infolge der Verschiebung der Finanzorganisationsreform mit dem 3. Covid-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 23/2000 mit an die Stelle der bis zuständigen Finanzämter als Finanzstrafbehörden getreten (§ 265 Abs. 2 lit. a FinStrG idF des 3. Covid-19-Gesetzes, BGBl. I Nr. 23/2020) und ist seit Inkrafttreten des FORG gemäß § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG für Finanzvergehen zuständig.
23 Soweit das Amt für Betrugsbekämpfung Normen des Finanzstrafrechts vollzieht, ist es als Finanzstrafbehörde tätig. In den übrigen Geschäftsbereichen ist das Amt für Betrugsbekämpfung als Verwaltungsbehörde tätig (vgl. auch IA 985/A BlgNR 26. GP. 69).
24 Organisatorisch ist die Durchführung von Finanzstrafverfahren durch das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde dem Geschäftsbereich Finanzstrafsachen zugeordnet (§ 2 Abs. 2 Z 1 ABBG iVm § 3 Z 1 lit. a ABBG). Der Geschäftsbereich Finanzstrafsachen ist keine Behörde, sondern eine Organisationseinheit des Amts für Betrugsbekämpfung (vgl. zur Finanzpolizei als Organisationseinheit iSd § 9 Abs. 3 AVOG 2010 nach der dortigen Rechtslage). Der Organisationseinheit „Geschäftsbereich Finanzstrafsachen“ zugeordnete Aufgaben der Vollziehung des Finanzstrafgesetzes erfüllt das Amt für Betrugsbekämpfung „als Finanzstrafbehörde“.
25 Im Revisionsfall hatte das Amt für Betrugsbekämpfung über einen Antrag auf Akteneinsicht in den Finanzstrafakt nach Abschluss des Finanzstrafverfahrens zu entscheiden. Da nach Abschluss des Finanzstrafverfahrens keine abschließende Sachentscheidung mehr zu ergehen hatte, konnte die Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht mit Beschwerde angefochten werden (vgl. [=AnwBl 1980/11, S 449]). Das Amt für Betrugsbekämpfung wurde dabei in Vollziehung des § 79 FinStrG und damit als Finanzstrafbehörde tätig.
26 Dem Bundesfinanzgericht ist daher insoweit zuzustimmen, als im Revisionsfall für die Entscheidung über den Antrag auf Aktensicht der Mitbeteiligten das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde, und nicht das Amt für Betrugsbekämpfung als Verwaltungsbehörde in Vollziehung anderer ihm gesetzlich zugewiesener Aufgaben zuständig war.
27 Für Erledigungen der Finanzstrafbehörde gelten gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG die Bestimmungen des 3. Abschnitts der BAO sinngemäß. Gemäß § 96 Abs. 1 erster Satz BAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat.
28 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Erfordernis der Bezeichnung der Behörde Rechnung getragen, wenn - nach objektiven Gesichtspunkten für jedermann, also unabhängig von der subjektiven Kenntnis des Adressaten des Schriftstückes - erkennbar ist, von welcher Behörde die Erledigung erlassen wurde (vgl. ; , Ra 2020/16/0170; , 2013/15/0156; jeweils mwN). Ob und welcher Behörde eine Erledigung zuzurechnen ist, ist somit anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, des Spruches und seiner Einleitung, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung zu beurteilen (vgl. , mwN). Es ist demnach nicht von Bedeutung, an welcher Stelle der Erledigung die Behörde genannt ist (vgl. ; , 2008/15/0008, jeweils mwN).
29 Fehlt die Bezeichnung der Behörde und enthält die Ausfertigung keinerlei Anhaltspunkte dafür, von welcher Behörde die Erledigung ausgeht, so liegt keine wirksame amtliche Erledigung vor (vgl. ; , 96/17/0086, jeweils mwN).
30 Ob die konkrete Behörde für die Erlassung des Bescheides zuständig ist, ist hingegen für dessen Gültigkeit irrelevant (vgl. , mwN).
31 Das Bundesfinanzgericht hatte daher zunächst zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid vom einer Behörde zuzurechnen war, um zu klären, ob eine wirksame amtliche Erledigung vorlag. In einem zweiten Schritt war zu klären, ob jene Behörde, welcher der Bescheid zuzurechnen ist, für die Erlassung des Bescheides zuständig war.
32 Im Revisionsfall wird im Kopf des vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Bescheides das „Amt für Betrugsbekämpfung Bereich Finanzstrafsachen“ genannt und in der Begründung auf den Wortlaut des § 79 FinStrG als gesetzliche Grundlage der Beurteilung des Antrages für „die Finanzstrafbehörde“ verwiesen. Auf Grund dieser beiden Angaben ist objektiv erkennbar, dass der Bescheid vom dem Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde zuzurechnen ist.
33 Nach dem Gesagten war das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde zur Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht der Mitbeteiligten auch zuständig.
34 Damit erweist sich die Aufhebung des Bescheides vom durch das Bundesfinanzgericht wegen Unzuständigkeit als rechtswidrig.
35 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023160010.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-46780