VwGH 20.03.2024, Ro 2023/15/0016
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 Z3 lita COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 Z3 litb COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §2 |
RS 1 | Die Covid-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 sieht vor, dass im Jahr 2019 auf Antrag bereits vor der Veranlagung 2020 der voraussichtliche Verlust 2020 im Rahmen einer Rücklage berücksichtigt werden kann, die im Jahr 2020 durch Hinzurechnung aufzulösen ist. Dabei können ohne weiteren Nachweis bis zu 30 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen, in die Rücklage eingestellt werden. Bis zu 60 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019 können in die Rücklage eingestellt werden, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird. Diese pauschalen Ansätze tragen dem Anliegen Rechnung, dass rasch eine Liquiditätserleichterung für Unternehmer gewährt werden kann, um Verluste aus dem Jahr 2020 teilweise kompensieren zu können, und berücksichtigen, dass die Verluste 2020 vor der Veranlagung noch nicht endgültig feststehen. |
Normen | BAO §303 Abs1 COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 Z3 lita COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 Z3 litb |
RS 2 | In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a und lit. b der Covid-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 ist vorgesehen (§ 1 Abs. 1 der Verordnung), dass nur der voraussichtliche Verlust des Jahres 2020 in die Rücklage gestellt werden kann. Deshalb hat der Antragsteller den voraussichtlichen Verlust, der im Zeitpunkt der Antragstellung erwartet wird, ordnungsgemäß zu ermitteln. Wenn dieser nicht mehr als 30 % der Einkünfte des Jahres 2019 beträgt, kann er ihn, ohne im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2019 einen Nachweis vorlegen zu müssen, als Rücklage im Jahr 2019 geltend machen. Ist er voraussichtlich höher und beabsichtigt der Antragsteller mehr als 30 % der Einkünfte des Jahres 2019 geltend zu machen, muss der voraussichtliche Verlust 2020 dem Finanzamt glaubhaft gemacht werden. Für eine pauschale Rücklage von bis zu 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte aus dem Jahr 2019 ohne ordnungsgemäße Ermittlung im Zeitpunkt der Antragstellung besteht somit keine Rechtsgrundlage. In einem solchen Fall eines nicht ordnungsgemäß ermittelten voraussichtlichen Verlustes wird im Allgemeinen ein Wiederaufnahmegrund vorliegen. |
Normen | BAO §161 COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 Z3 lita |
RS 3 | Die in § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a der Covid-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 enthaltene Wortfolge "ohne weiteren Nachweis" bedeutet nicht, dass der Antragsteller vom Finanzamt nicht nachträglich im Rahmen eines Vorhalteverfahrens zur Bescheinigung der ordnungsgemäßen Ermittlung des voraussichtlichen Verlustes 2020 aufgefordert werden kann, sondern sollte lediglich eine rasche Berücksichtigung von voraussichtlichen Verlusten zur Liquiditätsstärkung ermöglichen, weshalb unmittelbar bei der Antragstellung kein gesonderter Nachweis erfolgen musste. |
Normen | BAO §295a VwRallg |
RS 4 | § 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 295a BAO ist anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheids) eintritt (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/13/0134 E RS 1 |
Normen | BAO §295a VwRallg |
RS 5 | § 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiell-rechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommt (vgl. , sowie Ritz, BAO6, § 295a Tz 3 f und die dort zitierte hg. Judikatur). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/16/0109 E RS 3 (hier ohne den Klammerausdruck) |
Normen | COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §1 Abs1 COVID-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 §2 EStG 1988 §124b Z355 |
RS 6 | Die Covid-19-Rücklage ist aufgrund eines Antrages mit einer ordnungsgemäßen Ermittlung des (voraussichtlichen) Verlustes 2020 im Einkommensteuerbescheid für 2019 zu berücksichtigten. Auf eine exakte Übereinstimmung des geltend gemachten Verlustrücktrags mit dem tatsächlichen Verlust stellt das Gesetz iVm der hierzu ergangenen Covid-19-VerlustberücksichtigungsV 2020 bei der Geltendmachung eines voraussichtlichen Verlustes nicht ab und richtet dazu ein eigenes Hinzurechnungssystem ein, das Differenzen zwischen ordnungsgemäß ermitteltem voraussichtlichen Verlust 2020 und tatsächlichem Verlust 2020 ausgleicht. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des R S in L, vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100305/2023, betreffend Einkommensteuer 2019, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2019, die am elektronisch eingereicht wurde, eine COVID-19-Rücklage iHv 36.018,35 €; dies entsprach 30 % der positiven betrieblichen Einkünfte des Jahres 2019. Die Veranlagung für das Jahr 2019 erfolgte erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid vom . Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
2 In der Einkommensteuererklärung 2020 erklärte der Revisionswerber Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1.243,48 € sowie aus Funktionsgebühren in Höhe 2.638,13 €. Weiters wurde die im Jahr 2019 gebildete Rücklage hinzugerechnet. Mit Bescheid vom änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2019 gemäß § 295a BAO, indem die COVID-19-Rücklage nicht mehr berücksichtigt wurde.
3 Der Revisionswerber erhob Beschwerde, die mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen wurde.
4 Nach Vorlage an das Bundesfinanzgericht wies dieses die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte aus, dass die Bildung einer COVID-19-Rücklage voraussetze, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ sei. Im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2020 habe sich herausgestellt, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2020 positiv sei. Daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer COVID-19-Rücklage nicht erfüllt gewesen seien. Es stelle sich die Frage, ob der Umstand, dass im Jahr 2020 tatsächlich kein Verlust - sondern vielmehr ein positives Ergebnis - erzielt worden sei, ein nachträgliches Ereignis iSd § 295a BAO darstelle, das eine Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 in der Form rechtfertige, dass die COVID-19-Rücklage iHv 36.018,35 € nicht anerkannt werde. Dem Einkommensteuerbescheid 2019 sei ein Sachverhalt zugrunde gelegt worden, wonach die betrieblichen Einkünfte des Revisionswerbers im Veranlagungsjahr 2020 negativ sein würden. Der Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Aus den materiellrechtlichen Abgabenvorschriften - nämlich den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes - ergebe sich in der Folge, dass die betrieblichen Einkünfte nicht negativ gewesen seien. Dieses Ereignis habe insofern abgabenrechtliche Wirkung auf den Einkommensteuerbescheid 2019, als die COVID-19-Rücklage nicht hätte gebildet werden dürfen. Die Ermittlung der betrieblichen Einkünfte des Jahres 2020 stelle insofern einen sachverhaltsändernden Sachverhalt dar, als sich - im Gegensatz zur ursprünglichen Sachverhaltsannahme - kein Verlust ergebe. Der Tatbestand des § 124b Z 355 EStG 1988 sei damit nicht (mehr) erfüllt. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die Anwendung des § 295a BAO eine zu Unrecht in Anspruch genommene Progressionsermäßigung rückgängig mache. Durch die Bildung der zu hohen Rücklage bzw. der nicht zustehenden Rücklage habe der Revisionswerber eine Progressionsermäßigung iHv 8.117,50 € lukrieren können.
5 Gegen das Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zu ihrer Begründung vorbringt, die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts widerspreche § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 und insbesondere dem Wortlaut des § 2 der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung. Das erklärte Ziel des Gesetzgebers sei die Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor der Veranlagung 2020 gewesen, sodass auch voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) hätten berücksichtigt werden können. Für die Höhe der Rücklage habe es genaue Vorschriften in der Verordnung gegeben. Der Bundesminister für Finanzen hätte eine rückwirkende Kürzung der COVID-19-Rücklage gemäß § 295a BAO in der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung für den Fall, dass diese sich später nicht in der erwarteten Höhe verwirklicht, ohne weiteres regeln können, er habe jedoch in § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung vollkommen eindeutig und ohne Interpretationsspielraum normiert, dass die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen sei.
6 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 § 124b Z 355 EStG 1988 lautet:
„a) Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:
- Die Verluste müssen durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sein.
- Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.
- Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).
Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.
b) Endet im Kalenderjahr 2020 ein abweichendes Wirtschaftsjahr, besteht das Wahlrecht, den Verlust aus der Veranlagung 2020 oder aus der Veranlagung 2021 rückzutragen. Wird der Verlust aus der Veranlagung 2021 rückgetragen, beziehen sich die Regelungen der lit. a auf die Kalenderjahre 2021, 2020 und 2019.“
9 Die dazu ergangenen Erläuterungen (ErlRV 287 BlgNR, 27. GP 8), lauten auszugsweise:
„Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Krise durch eine Ergebnisglättung steuerlich weiter abzufedern, soll zeitlich befristet die Möglichkeit eines Verlustrücktrags nach deutschem Vorbild vorgesehen werden. Der Verlustrücktrag soll dabei grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen möglich sein wie der Verlustvortrag: Er soll für negative betriebliche Einkünfte zustehen, die ordnungsgemäß ermittelt worden sind. Da er dem als Sonderausgabe konzipierten Verlustvortrag vorgeht, muss er auf Ebene des Gesamtbetrags der Einkünfte ermittelt werden. Im Rahmen der Veranlagung des Jahres 2020 ist der höchstens für einen Verlustrücktrag in Frage kommende Betrag zu ermitteln, wobei ein Deckel in Höhe von fünf Millionen Euro vorgesehen werden soll. Dieser Betrag kann sodann mit den Einkünften des Jahres 2019 ausgeglichen werden. Dazu ist eine Antragstellung, bezogen auf die Veranlagung 2019, notwendig. Kann der Verlustrücktrag nicht vollständig im Jahr 2019 genützt werden, soll auch für die Veranlagung 2018 ein Antrag ermöglicht werden, wobei bestimmte, noch durch eine Verordnung festzulegende Einschränkungen gelten sollen. Um den Verlustrücktrag auch in bereits rechtskräftig veranlagten Fällen sicherzustellen, soll eine Teilrechtskraftdurchbrechung im Wege eines rückwirkenden Ereignisses gemäß § 295a BAO vorgesehen werden. Um möglichst rasch die Liquidität verlustträchtiger Unternehmen zu stärken, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, bereits vor Abschluss der Veranlagung des Jahres 2020 einen Verlustrücktrag in den Vorjahren zu berücksichtigen und damit die Rückzahlung bereits geleisteter Einkommen- und Körperschaftsteuer(vorauszahlungen) zu ermöglichen. Die genauere technische Ausgestaltung (wie etwa durch die Bildung von Rücklagen in den Vorjahren) soll durch eine Verordnung erfolgen, um eine möglichst einfache und verwaltungseffiziente Lösung sicherzustellen.[...]“
10 Die auf Basis der Verordnungsermächtigung des § 124b Z 355 EStG 1988 erlassene Covid-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020, lautet auszugsweise:
„§ 1. (1) Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:
1. Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden.
2. Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
3. Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:
a) Sie beträgt ohne weiteren Nachweis bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.
b) Sie beträgt bis zu 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.
c) Sie darf fünf Millionen Euro nicht übersteigen.
(2) Der Abzug und die Hinzurechnung (§ 2) der COVID-19-Rücklage hat beim selben Steuerpflichtigen zu erfolgen. Bei Gesellschaften, deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wird die COVID-19-Rücklage nicht im Rahmen des Feststellungsverfahrens (§ 188 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 1961/194), sondern im Rahmen der Veranlagung der Mitunternehmer berücksichtigt.
(3) Bei Unternehmensgruppen darf eine COVID-19-Rücklage nur durch den Gruppenträger gebildet werden; das Höchstausmaß gemäß Abs. 1 Z 3 lit. c richtet sich entsprechend § 26c Z 76 lit. c KStG 1988 nach der Anzahl der unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieder zuzüglich des Gruppenträgers.
§ 2. Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
§ 3. Endet im Kalenderjahr 2020 ein abweichendes Wirtschaftsjahr, besteht das Wahlrecht, die COVID-19-Rücklage nach dem voraussichtlichen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 oder vom voraussichtlichen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2021 zu bemessen. Wird der voraussichtliche negative Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2021 herangezogen, sind sämtliche Bestimmungen der § 1 und § 2, die sich auf die Jahre 2020 und 2019 beziehen, auf die Jahre 2021 und 2020 zu beziehen. Bei Unternehmensgruppen ist auf das abweichende Wirtschaftsjahr des Gruppenträgers abzustellen.
§ 4. Die Bildung einer COVID-19-Rücklage erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann ab unter Verwendung des dafür vorgesehenen amtlichen Formulars gestellt werden. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.
[...]“
11 Mit § 124b Z 355 EStG 1988 wurde vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie ermöglicht, einen Verlustrücktrag für das Jahr 2020 in das Jahr 2019 bzw. das Jahr 2018 durchzuführen. Dabei ist der Verlust 2020 durch ordnungsgemäße Buchführung bzw. ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zu ermitteln. Das Gesetz sieht eine Verordnungsermächtigung vor, die es dem Bundesminister für Finanzen ermöglichen soll, den Verlust aus dem Jahr 2020 bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 im Jahr 2019 zu berücksichtigen, um positive Liquiditätseffekte zu erreichen.
12 Die dazu ergangene Covid-19-Verlustberücksichtigungsverordnung sieht vor, dass im Jahr 2019 auf Antrag bereits vor der Veranlagung 2020 der voraussichtliche Verlust 2020 im Rahmen einer Rücklage berücksichtigt werden kann, die im Jahr 2020 durch Hinzurechnung aufzulösen ist. Dabei können ohne weiteren Nachweis bis zu 30 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen, in die Rücklage eingestellt werden. Bis zu 60 % des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019 können in die Rücklage eingestellt werden, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.
13 Diese pauschalen Ansätze tragen dem Anliegen Rechnung, dass rasch eine Liquiditätserleichterung für Unternehmer gewährt werden kann, um Verluste aus dem Jahr 2020 teilweise kompensieren zu können, und berücksichtigen, dass die Verluste 2020 vor der Veranlagung noch nicht endgültig feststehen.
14 Ob im Revisionsfall § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a oder lit. b der Verordnung in Anspruch genommen wurde, wurde vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellt. In beiden Fällen ist allerdings vorgesehen (§ 1 Abs. 1 der VO), dass nur der voraussichtliche Verlust des Jahres 2020 in die Rücklage gestellt werden kann. Deshalb hat der Antragsteller den voraussichtlichen Verlust, der im Zeitpunkt der Antragstellung erwartet wird, ordnungsgemäß zu ermitteln. Wenn dieser nicht mehr als 30 % der Einkünfte des Jahres 2019 beträgt, kann er ihn, ohne im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2019 einen Nachweis vorlegen zu müssen, als Rücklage im Jahr 2019 geltend machen. Ist er voraussichtlich höher und beabsichtigt der Antragsteller mehr als 30 % der Einkünfte des Jahres 2019 geltend zu machen, muss der voraussichtliche Verlust 2020 dem Finanzamt glaubhaft gemacht werden. Für eine pauschale Rücklage von bis zu 30 % des Gesamtbetrags der Einkünfte aus dem Jahr 2019 ohne ordnungsgemäße Ermittlung im Zeitpunkt der Antragstellung besteht somit keine Rechtsgrundlage. In einem solchen Fall eines nicht ordnungsgemäß ermittelten voraussichtlichen Verlustes wird im Allgemeinen ein Wiederaufnahmegrund vorliegen.
15 Die in § 1 Abs. 1 Z 3 lit. a der Verordnung enthaltene Wortfolge „ohne weiteren Nachweis“ bedeutet daher nicht, dass der Antragsteller vom Finanzamt nicht nachträglich im Rahmen eines Vorhalteverfahrens zur Bescheinigung der ordnungsgemäßen Ermittlung des voraussichtlichen Verlustes 2020 aufgefordert werden kann, sondern sollte lediglich eine rasche Berücksichtigung von voraussichtlichen Verlusten zur Liquiditätsstärkung ermöglichen, weshalb unmittelbar bei der Antragstellung kein gesonderter Nachweis erfolgen musste.
16 Das Bundesfinanzgericht hat den vom Finanzamt als Verfahrenstitel für die Rechtskraftdurchbrechung herangezogenen § 295a BAO bestätigt.
17 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist § 295a BAO nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 295a BAO ist nur anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheids) eintritt. Es ist eine Frage des Inhalts bzw. der Auslegung der materiellrechtlichen Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung zukommt (vgl. , mwN).
18 Die Covid-19-Rücklage ist aufgrund eines Antrages mit einer ordnungsgemäßen Ermittlung des (voraussichtlichen) Verlustes 2020 im Einkommensteuerbescheid für 2019 zu berücksichtigten. Auf eine exakte Übereinstimmung des geltend gemachten Verlustrücktrags mit dem tatsächlichen Verlust stellt das Gesetz iVm der hierzu ergangenen VO bei der Geltendmachung eines voraussichtlichen Verlustes - wie oben dargelegt - nicht ab und richtet dazu ein eigenes Hinzurechnungssystem ein, das Differenzen zwischen ordnungsgemäß ermitteltem voraussichtlichen Verlust 2020 und tatsächlichem Verlust 2020 ausgleicht. Vor diesem Hintergrund bleibt für das vom BFG angenommene rückwirkende Ereignis kein Raum.
19 Nach dem Gesagten erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
20 Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf den Ersatz der ERV-Kosten gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023150016.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-46771