VwGH 05.06.2023, Ro 2023/13/0013
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | GlücksspielautomatenabgabeG Wr 2005 §2 |
RS 1 | Inhaber ist jener Rechtsträger, der die Räume unmittelbar innehat, der damit die Möglichkeit hat, das im Raum faktisch ausgeübte Geschehen zu bestimmen. Der Vermieter ist kein derartiger Inhaber (vgl. - wenn auch nach der damaligen Rechtslage noch zur Haftung als Inhaber - ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des I P in L, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400072/2022, betreffend Haftung (Wiener Glücksspielautomatenabgabe) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer der I kft (einer Gesellschaft mit Sitz in Ungarn) für den Rückstand an Glücksspielautomatenabgabe in Höhe von 11.424 € (Abgabe für vier Spielapparate für Mai und Juni 2018 sowie Säumniszuschlag) zur Haftung herangezogen.
2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, die I kft sei nicht abgabepflichtig, zumal sie nicht Lokalbetreiberin gewesen sei. Das Lokal sei untervermietet worden. Zum Beweis dafür, dass das Lokal nicht von der I kft betrieben worden sei, wurde die Einvernahme des Kontrollorgans sowie des Revisionswerbers beantragt.
3 Die belangte Behörde forderte den Revisionswerber auf, einen für den Abgabenzeitraum gültigen Untermietvertrag vorzulegen.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Revisionswerber sei trotz Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
5 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht; weiteres Vorbringen wurde nicht erstattet.
6 Mit Vorhalt vom wurde der Revisionswerber u.a. aufgefordert, einen Untermietvertrag vorzulegen. Mit Beschluss vom wurde der Revisionswerber zur Verhandlung am geladen.
7 Mit Eingabe vom beantragte der Revisionswerber die Verlegung der Verhandlung und legte ein nicht unterfertigtes Mietanbot vor. Mit einer weiteren Eingabe vom legte der Revisionswerber ein unterfertigtes Mietanbot vor. Weiters wurde die Beischaffung der beschlagnahmten Geschäftsbücher der I kft aus einem näher bezeichneten Akt eines anderen Verfahrens des Bundesfinanzgerichts beantragt; darin befinde sich ein Kassabeleg über den Eingang des ersten Mietzinses, wodurch das Mietverhältnis zustande gekommen sei.
8 In der mündlichen Verhandlung vom beantragte der Revisionswerber (neuerlich) die Beischaffung der beschlagnahmten Geschäftsbücher der I kft aus dem näher bezeichneten Akt des Bundesfinanzgerichts; aus diesen Unterlagen werde sich ergeben, dass die A GmbH seit März 2018 regelmäßig den Mietzins für das gegenständliche Lokal gezahlt habe. Das Bundesfinanzgericht teilte dem Vertreter des Revisionswerbers mit, es sei Rücksprache mit dem für den anderen Akt zuständigen Richter erfolgt; in jenem Akt erlägen keine beschlagnahmten Unterlagen oder Einzahlungsbelege. Die Parteien stellten daraufhin keine weiteren Fragen und Beweisanträge. Das Bundesfinanzgericht verkündete sodann den Beschluss, dass der Beweisantrag auf Beischaffung von Unterlagen aus dem anderen Akt abgewiesen werde, weil es in jenem Akt keine beschlagnahmten Unterlagen gebe.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
10 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, im März 2019 seien für Mai bis September 2018 Glücksspielautomatenabgabe und Säumniszuschlag für dieses Lokal gegenüber dem Hauptmieter des Lokals MB festgesetzt worden. Im Beschwerdeverfahren sei dazu vorgebracht worden, dass die Räumlichkeiten an die I kft untervermietet worden seien. Der Beschwerde sei vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom stattgegeben worden.
11 Im gegenständlichen Lokal seien im Zeitraum Mai und Juni 2018 vier Glücksspielautomaten spielbereit gehalten worden. In diesen Zeiträumen habe die vom Revisionswerber als Geschäftsführer geleitete I kft einen Untermietvertrag an dieser Anschrift gehabt. Die Aufstellung der Glücksspielapparate sei vor Fälligkeit der Glücksspielabgabe der Behörde nicht angezeigt worden; es sei keine Glückspielautomatenabgabe entrichtet worden.
12 Zum Einwand, dass eine (weitere) Untervermietung an die A GmbH erfolgt sei, wurde mit näherer Begründung ausgeführt, dass dazu lediglich widersprüchliche Angaben, jedoch kein schlüssiger Beweis vorlägen. Es werde daher davon ausgegangen, dass die Abgabenansprüche gegenüber der I kft entstanden seien.
13 Der Revisionswerber habe in den entscheidungsrelevanten Zeiträumen als Geschäftsführer der I kft fungiert; er sei verpflichtet gewesen, deren abgabenrechtliche Agenden wahrzunehmen. Er habe diese Pflichten schuldhaft verletzt. Eine Berechnung, wonach der Revisionswerber die Gläubiger gleichbehandelt habe, sei trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden.
14 Die Revision werde zugelassen, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob bei Bekanntwerden der Abgabenschuld erst nach Unmöglichkeit einer Geltendmachung gegenüber der Primärschuldnerin der Vertreter ohne Möglichkeit des Nachweises einer Gleichbehandlung aller Gläubiger hafte oder ob dazu ein fiktiver Fälligkeitstag (ausgehend von einer gesetzlichen Entscheidungspflicht der Behörde bei gesetzeskonformer Bekanntgabe der Entstehung des Abgabenanspruches) anzunehmen sei.
15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
16 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
17 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
20 Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. , mwN).
21 Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachtet hat, die in der Revision aber nicht angesprochen wird, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen (vgl. neuerlich ).
22 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht habe die Revision zur Frage zugelassen, ob der Vertreter einer Abgabenschuldnerin die Haftungsinanspruchnahme für eine Abgabenschuld durch eine Gleichbehandlungsberechnung für fiktive Zeiträume abwenden könne oder er dieses Rechts verlustig werde, wenn die Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin infolge Vermögenslosigkeit derselben nicht mehr festgesetzt werden könne. Die Revision sei aber auch zulässig, weil das Bundesfinanzgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sei, die für die Zulässigkeit einer Haftungsinanspruchnahme eines Vertreters fordere, dass eine Abgabenforderung der vertretenen Gesellschaft bestehe, die erschwert einbringlich sei, der in Anspruch Genommene eine handelsrechtliche Organstellung aufweise, und ihn eine schuldhafte Pflichtverletzung an der Nichtabführung der Abgabe treffe, welche kausal für die erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderung sei. Zur Voraussetzung der Abgabenforderung der I kft seien keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden. Es seien Beweisanträge, die zur Feststellung hätten führen können, dass keine Abgabenforderung der I kft bestehe, unerledigt geblieben. Zur Voraussetzung der Organstellung des Revisionswerbers seien keine Feststellungen getroffen bzw. keine Beweise erhoben worden.
23 Die Zulassungsbegründung des Bundesfinanzgerichts wird damit zwar in der Revision ebenfalls angeführt, im Rahmen der Darlegung der Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) finden sich dazu aber keine Ausführungen, sodass darauf vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen ist (vgl. auch ; , Ro 2020/07/0008, je mwN). Im Übrigen ist auch nicht erkennbar (und wird auch in der Revision nicht dargelegt), dass die Lösung des vorliegenden Falls von dieser Rechtsfrage abhinge; der Revisionswerber hatte sich - auch nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung - nicht darauf berufen, dass eine Gläubigergleichbehandlung (unabhängig davon, zu welchen Zeitpunkten oder in welchen Zeiträumen diese zu prüfen wäre) vorgelegen sei.
24 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen ist zu bemerken, dass die hier vorliegende pauschale Behauptung, das Gericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, nicht erkennen lässt, dass eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliege.
25 Im Rahmen der Revisionsgründe wird ausgeführt, das Bundesfinanzgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, die ein „Halten“ von Glücksspielapparaten iSd § 2 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz stützen könnten. Dem ist zu erwidern, dass das Bundesfinanzgericht (wie zuvor bereits die belangte Behörde) erkennbar davon ausgegangen ist, dass die I kft die Inhaberin des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und daher abgabepflichtig sei. Inhaber ist jener Rechtsträger, der die Räume unmittelbar innehat, der damit die Möglichkeit hat, das im Raum faktisch ausgeübte Geschehen zu bestimmen. Der Vermieter ist kein derartiger Inhaber (vgl. - wenn auch nach der damaligen Rechtslage noch zur Haftung als Inhaber - ).
26 Die I kft war - insoweit unbestritten - Mieterin (als Untermieterin des Hauptmieters MB) des Geschäftslokals und kam daher als „Inhaberin“ in Frage.
27 Der Revisionswerber hatte aber geltend gemacht, die I kft habe die Räume weitervermietet (an die A GmbH), was - vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtslage - dazu führen würde, dass die I kft nicht mehr unmittelbare Inhaberin dieser Räume (und daher nicht abgabepflichtig) wäre.
28 Nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts bestand im Streitzeitraum aber keine derartige Weitervermietung.
29 Eine Mangelhaftigkeit dieser Sachverhaltsfeststellung des Bundesfinanzgerichts kann die Revision nicht darlegen. Wenn in der Revision dazu gerügt wird, Beweisanträge des Revisionswerbers (Antrag auf Beischaffung der Unterlagen der I kft aus dem Akt zu einem anderen Verfahren des Bundesfinanzgerichts) seien „unerledigt“ geblieben, so ist zu bemerken, dass in der mündlichen Verhandlung das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber vorgehalten hatte, dass - nach Rücksprache mit dem zuständigen Richter - in dem genannten Akt keine beschlagnahmten Unterlagen oder Zahlungsbelege erliegen würden. Die Parteien stellten dazu keine weiteren Fragen oder Beweisanträge. Das Bundesfinanzgericht verkündete daraufhin den Beschluss, den Antrag auf Beischaffung von Unterlagen aus dem genannten Akt abzuweisen.
30 Damit liegt - entgegen dem Revisionsvorbringen - kein „unerledigter“ Beweisantrag vor. Die Revision kann aber auch nicht aufzeigen, dass der Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt worden sei. Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Ausgehend von der im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht bestrittenen Annahme, dass der (andere) Verfahrensakt die behaupteten Unterlagen nicht enthielt, war die Beischaffung der beantragten Unterlagen zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts nicht geeignet und auch nicht zweckdienlich.
31 Der Revisionswerber behauptet nunmehr in der Revision, im beizuschaffenden Akt erlägen definitiv die Geschäftsunterlagen der I kft, was dem Vertreter des Revisionswerbers bekannt sei, weil er die I kft in jenem Verfahren vertritt. Dabei handelt es sich aber um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung (§ 41 VwGG). Wenn der Revisionswerber schließlich behauptet, ihm sei nicht einmal die Möglichkeit gegeben worden, entsprechende Belege aus jenem Akt vorzulegen, so negiert er die wiederholten Aufforderungen sowohl der belangten Behörde als auch des Bundesfinanzgerichts, Unterlagen zum Nachweis der behaupteten Weitervermietung vorzulegen. Dass dem Revisionswerber die Einsicht in jenen Akt verweigert worden wäre, wird auch in der Revision nicht behauptet; es werden aber auch im Rahmen des Revisionsverfahrens derartige Unterlagen nicht vorgelegt.
32 Der Revisionswerber macht weiters geltend, es seien keine Feststellungen zur Organstellung des Revisionswerbers getroffen worden und dazu keine Beweise erhoben worden. Nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts war der Revisionswerber Geschäftsführer der I kft. Eine konkrete Bestreitung dieser Sachverhaltsannahme enthält die Revision nicht; es wird auch nicht dargelegt, welche (weiteren) Beweise das Bundesfinanzgericht zu dieser Frage hätte aufnehmen sollen.
33 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023130013.J00 |
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Fundstelle(n):
BAAAF-46760