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VwGH 14.03.2024, Ro 2023/07/0001

VwGH 14.03.2024, Ro 2023/07/0001

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AWG 2002 §2
AWG 2002 §3
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 1
Stoffe, die unter eine der in § 3 AWG 2002 genannten Ausnahmen fallen, sind keine Abfälle im Sinne des AWG 2002, mögen sie auch die Tatbestandsmerkmale des Abfallbegriffes des § 2 AWG 2002 erfüllen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2006/07/0059 E RS 3
Normen
MinroG 1999 §1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 2
Gemäß § 1 Z. 2 MinroG 1999 ist der Abbau (hier: des grundeigenen mineralischen Rohstoffes Dolomit) nur Teil des Gewinnens. Der Begriff "Gewinnen" umfasst alle Tätigkeiten, soweit sie nicht dem "Aufsuchen" (Z. 1: Suche einschließlich vorbereitender Tätigkeiten sowie Erschließen und Untersuchung auf Abbauwürdigkeit) und "Aufbereiten" (Z. 3: Verarbeiten zu verkaufsfähigen Mineralprodukten) zuzurechnen sind. Nach § 1 Z 2 MinroG 1999 sind nur mit dem "Lösen und Freisetzen (Abbau)" zusammenhängende begleitende oder nachfolgende Tätigkeiten unter den Begriff des "Gewinnens" einzuordnen und nicht auch mit dem "Gewinnen" zusammenhängende begleitende oder nachfolgende Tätigkeiten. Nach den Gesetzesmaterialien zur Definition dieses Begriffs fällt beim Untertagbau unter das "Gewinnen" nach § 1 Z 2 MinroG 1999 neben dem Abbau u.a. auch der Transport der gelösten oder freigesetzten mineralischen Rohstoffe zur Aufbereitung oder zur Verladung obertags. Ähnlich gilt dies für den Tagbau (RV 1428 BlgNR 20. GP 75). In diesem Sinne sind als unter dem Abbau nachfolgende Tätigkeiten, die nach dem Wortlaut des § 1 Z 2 MinroG 1999 noch dem Begriff des "Gewinnens" unterliegen, beim Tagbau exemplarisch die Verbringung der mineralischen Rohstoffe zur Aufbereitung oder der Transport des Abraumes zu nennen.
Normen
MinroG 1999 §1 Z2
MinroG 1999 §1 Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 3
Da die Verbringung der gelösten oder freigesetzten mineralischen Rohstoffe zur Aufbereitung im Tagbau schon eine dem Abbau nachfolgende Tätigkeit darstellt und diese als Schritt vor der darauffolgenden Aufbereitung nur gerade noch unter den Begriff des "Gewinnens" fällt, lässt sich die Sichtweise, dass es sich (auch noch) bei der auf den Transport folgenden Aufbereitung um eine "nachfolgende Tätigkeit zur Kiesgewinnung" handle, nicht mehr mit dem - wenngleich umfassenden - Begriff des "Gewinnens" im Sinne des § 1 Z 2 MinroG 1999 begründen. Der Gesetzgeber hat nämlich in § 1 Z 3 MinroG 1999 ausdrücklich den Tatbestand des "Aufbereitens" vorgesehen, der inhaltsleer wäre, wenn explizite der Gewinnung nachfolgende Aufbereitungstätigkeiten unter das "Gewinnen" subsumiert werden würden.
Normen
AWG 2002
AWG 2002 §3 Abs1 Z3
MinroG 1999 §1 Z3
MinroG 1999 §2 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 4
Um unter die Regelung des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 (und damit aus dem Geltungsbereich des AWG 2002) zu fallen, bedarf es für solche Abfälle bzw. die den Abfall verursachende Aufbereitungstätigkeit noch der Erfüllung weiterer Voraussetzungen, die sich aus § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 iVm § 1 Z 3 und § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG 1999 ergeben.
Normen
MinroG 1999 §1 Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 5
Nach der Definition des § 1 Z 3 MinroG 1999 umfasst "Aufbereiten" das Verarbeiten von mineralischen Rohstoffen mittels bestimmter, in dieser Norm näher angeführter technischer Verfahren. Dass beim in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses beschriebenen Wasch- und Sortierprozess eines dieser Verfahren zur Anwendung kommt, ist aufgrund der ausdrücklichen Nennung des "nassen" Verarbeitens und des "Trennens" im Gesetzeswortlaut des § 1 Z 3 MinroG 1999 nicht zweifelhaft.
Normen
AWG 2002 §3 Abs1 Z3
MinroG 1999
MinroG 1999 §119 Abs7
NatSchG Vlbg 1997
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
WRG 1959
RS 6
Die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 spricht von Tätigkeiten, die "dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen" und stellt nicht darauf ab, dass für diese Tätigkeiten eine Bewilligung nach dem MinroG 1999 erteilt wurde. Auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bewilligung nach dem MinroG 1999 (oder auf das Vorliegen von Bewilligungen nach deren Gesetzen) kommt es daher nicht an. Abgesehen davon wäre aus dem Vorliegen dieser Bewilligungen auch keinesfalls der Schluss zulässig, es wäre aus diesem Grund kein Platz für eine Bewilligung nach dem MinroG 1999, gilt doch sowohl im Verhältnis zwischen dem WRG 1959 und dem MinroG 1999 als auch zwischen dem Vlbg NatSchG 1997 und dem MinroG 1999 das Kumulationsprinzip (§ 119 Abs. 7 MinroG 1999).
Normen
AWG 2002 §3 Abs1 Z3
MinroG 1999 §1 Z16
MinroG 1999 §1 Z20
MinroG 1999 §2 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 7
Die Aufbereitungstätigkeit muss - nach § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG 1999 - durch den Bergbauberechtigten in betrieblichem Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Gewinnen erfolgen. Die Definition des "Bergbauberechtigten" nach § 1 Z 20 MinroG 1999 stellt u.a. auf den Begriff des "Gewinnungsberechtigten" ab und dieser ist nach § 1 Z 16 MinroG 1999 als "Inhaber einer Gewinnungsberechtigung, wenn jedoch die Ausübung der Gewinnungsberechtigung einem anderen überlassen worden ist, dieser" definiert.
Normen
GewO 1994 §§74ff
MinroG 1999
MinroG 1999 §1 Z3
MinroG 1999 §2 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 8
Das im § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG 1999 für grundeigene mineralische Rohstoffe geforderte Tatbestandsmerkmal "Aufbereiten" (§ 1 Z 3 MinroG 1999) ist dem Anwendungsbereich des MinroG 1999 nur dann zuzuordnen, soweit es durch den Bergbauberechtigten im betrieblichen Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Gewinnen erfolgt (; RV 1428 BlgNR 20. GP). Es muss zwischen dem Aufbereiten und dem Aufsuchen und Gewinnen eine enge Verbindung bestehen. Die Gesetzesmaterialien stellen jedenfalls auf einen räumlichen Zusammenhang ab, aber auch auf einen durch betriebliche Einrichtungen (RV 1428 BlgNR 20. GP). Insoweit ist eine gewisse Nähe zu den Maßstäben des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes zur Bestimmung der Einheit der Betriebsanlage nicht von der Hand zu weisen.
Normen
GewO 1994
GewO 1994 §74
GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §§74ff
GewO 1994 §77
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 9
Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 ff GewO 1994 ist die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. Sie können, weil die GewO 1994 nicht vorsieht, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können, nicht "abgesondert" genehmigt werden. Vielmehr bewirkt die Errichtung und Inbetriebnahme einer mit einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage in einem solchen Zusammenhang stehenden Einrichtung bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1994 eine genehmigungspflichtige Änderung der genehmigten Anlage, wobei die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/04/0092 B RS 1 (hier nur die ersten drei Sätze)
Normen
MinroG 1999 §1 Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 10
Durch die Verarbeitung muss für die Subsumtion unter den Begriff des "Aufbereitens" nach § 1 Z 3 MinroG 1999 ein verkaufsfähiges Produkt entstehen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des Landeshauptmannes von Vorarlberg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , Zl. LVwG-401-1/2021-R18, betreffend eine Feststellung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch die W. Blum Rechtsanwalts GmbH in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 18), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Gemeinde A. (mitbeteiligte Partei) stellte mit einen Antrag nach § 6 Abs. 1 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) auf Feststellung, ob es sich beim verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, der in Folge der Aufbereitung des beim Kies- und Sandabbau gewonnenen Materials anfalle, um Abfall im Sinne des AWG 2002 handelt.

2 Mit Bescheid des Revisionswerbers vom wurde gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 und § 2 Abs. 5 AWG 2002 festgestellt, dass es sich - nach Maßgabe des festgestellten Sachverhalts, des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom und des Vertrages zwischen der mitbeteiligten Partei und der K. GmbH vom  - beim gegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf einem näher bezeichneten Grundstück verwendet werde, um Abfall im Sinne des AWG 2002 handle.

3 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom Folge. Der Spruch des Feststellungsbescheides habe zu lauten, dass gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 auf Antrag der mitbeteiligten Partei festgestellt werde, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Waschschlamm, welcher bei der Wiederverfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde auf einem näher bezeichneten Grundstück verwendet werde, nicht um Abfall im Sinne des AWG 2002 handle. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

4 In seinen Feststellungen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes für den Abbau von Kies und Sand mit anschließender Wiederverfüllung der entstehenden Geländemulde der mitbeteiligten Partei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom nach dem Mineralrohstoffgesetz (MinroG), dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) und dem Vorarlberger Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (GNL) erteilt worden sei. Das Recht zum Abbau des Kiesmaterials habe die mitbeteiligte Partei der K. GmbH vertraglich eingeräumt. Übereinstimmend mit dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei liege hinsichtlich der Kiesaufbereitungsanlage eine gewerberechtliche Genehmigung vor und seien die Absetzbecken der K. GmbH nach dem WRG 1959 sowie dem GNL bewilligt worden. Der gewerberechtliche Bescheid datiere mit . Die Wiederverfüllung der durch den Abbau entstandenen Geländemulde erfolge durch die mitbeteiligte Partei, aber die K. GmbH sei aufgrund des Vertrages vom berechtigt, den Waschschlamm in die Mulde rückzuführen.

5 Zum Vorgang, bei dem der verfahrensgegenständliche Waschschlamm anfalle, stellte das Verwaltungsgericht fest, dass das mittels Schwimmbagger geschöpfte Abtragungsmaterial aus der Kiesgrube nach der Förderung an Land verladen und zur Aufbereitung in das ca. 250 m entfernte Kieswerk transportiert werde. Dort werde das Material in einer Wasch- und Sortieranlage mittels Wasser in einen Grobkornanteil - dem eigentlichen Produkt „Kies“ - und einen Feinkornanteil getrennt. Über diese Wasch- und Sortieranlage würden ausschließlich Materialen, welche im gegenständlichen Kiesabbau gewonnen würden, geführt. Das „Waschwasser“, welches den Feinkornanteil aufgenommen habe, werde in mehrere Absetzbecken geleitet, wo das Wasser versickere und sich der Feinkornanteil in Form des verfahrensgegenständlichen Waschschlammes absetze. Dieser abgetrocknete Waschschlamm, der nicht als Kies oder Sand verwertbar sei, werde zur Wiederverfüllung in die Geländemulde eingebaut. Eine sonstige Verwendung des Waschschlammes finde nicht statt.

6 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, dass es sich beim Waschschlamm um einen Produktionsrückstand handle und der subjektive Abfallbegriff erfüllt sei, weil sich die K. GmbH des Waschschlammes entledige, indem sie diesen in die in der Kiesgrube entstandene Mulde, welche von der mitbeteiligten Partei wiederverfüllt werden müsse, rückführe. Weiters ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Waschschlamm im Zuge des „Gewinnens“ im Sinne des § 1 Z 2 MinroG entstehe und die „Aufbereitung“ des Kieses vorliegend eine „damit zusammenhängende begleitende bzw. nachfolgende Tätigkeit zur Kiesgewinnung“ darstelle. Bei der Anlage, in der der Kies gewonnen und der Waschschlamm wiederverfüllt werde, handle es sich aufgrund der Genehmigung nach dem MinroG um einen Bergbaubetrieb. Auch sei der Waschschlamm direkt auf die „Aufbereitung“ des mineralischen Rohstoffes Kies zurückzuführen. Im Ergebnis liege ein bergbaulicher Abfall vor. Da der Waschschlamm auch zur Gänze zur Wiederverfüllung innerhalb des gegenständlichen Bergbaubetriebes verwendet werde, greife der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002. Dass die Aufbereitung in derselben Bergbauanlage stattfinde, werde vom Gesetz nicht gefordert. Für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 sei ausreichend, dass der Ort der Gewinnung des mineralischen Rohstoffes als Bergbauanlage genehmigt sei und der bergbauliche Abfall wieder in einer Bergbauanlage verfüllt werde. Ob das Aufbereiten in einer nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), dem WRG 1959, dem AWG 2002 oder aber dem MinroG bewilligten Anlage erfolge sowie wer diese Aufbereitung durchführe, sei für die Beurteilung der Frage des Vorliegens des Ausnahmetatbestandes des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 irrelevant. Der Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 fordere lediglich, dass die ausgenommenen Abfälle direkt auf „Tätigkeiten“, die „dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen“, zurückzuführen seien.

7 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 200/2021, dahingehend auszulegen sei, dass es für die Anwendbarkeit dieser Ausnahmebestimmung ausreiche, wenn der Ort der Gewinnung des mineralischen Rohstoffes als Bergbauanlage genehmigt sei und der bergbauliche Abfall wieder in einer Bergbauanlage verfüllt werde, wobei es hierbei irrelevant sei, ob der im Zuge der Aufbereitung des mineralischen Rohstoffes entstandene Waschschlamm in einer Aufbereitungsanlage, welche nicht nach dem MinroG genehmigt worden sei, entstehe, weil es im Sinne des Wortlautes der Bestimmung nur auf die Stoffströme, welche bei der bergbaulichen Tätigkeit stattfänden, ankommen könne.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Landeshauptmannes von Vorarlberg wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

9 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Amtsrevision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Auch in einer vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärten (ordentlichen) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe zur Zulässigkeit der Revision anzusprechen. Diesbezüglich genügt es, wenn in der Revision auf eine zutreffende und ausreichende Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes in erkennbarer Weise Bezug genommen wird (vgl. , 0020, mwN).

11 In der Revision wird erkennbar auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage Bezug genommen. Insbesondere wird der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes dahingehend entgegengetreten, dass es den gegenständlichen Sachverhalt entgegen dessen Wortlaut unter den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 subsumiert und in der Folge den gegenständlichen Waschschlamm nicht als Abfall im Sinne des AWG 2002 eingestuft hat. Denn vom Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 seien nur Tätigkeiten umfasst, die dem Mineralrohstoffgesetz unterlägen. Da die Aufbereitung, bei der der Waschschlamm entstehe, nicht dem MinroG unterliege, sei dies gegenständlich nicht der Fall.

12 Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist - im Ergebnis - auch begründet.

13 Die relevanten Bestimmungen des AWG 2002 in der geltenden Fassung lauten (auszugsweise):

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(...)

Ausnahmen vom Geltungsbereich

§ 3. (1) Keine Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

(...)

1. Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen, Speichern oder Aufbereiten mineralischer Rohstoffe anfallen (bergbauliche Abfälle), sofern diese Tätigkeiten dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen und diese Abfälle innerhalb eines Bergbaubetriebs verwendet oder abgelagert werden; keine bergbaulichen Abfälle sind Abfälle, die nicht direkt auf diese Tätigkeiten zurückzuführen sind;

(...)“

14 Die maßgebenden Bestimmungen des MinroG in der geltenden Fassung lauten (auszugsweise):

Begriffsbestimmungen

§ 1. Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

(...)

2. ‚Gewinnen‘ das Lösen oder Freisetzen (Abbau) mineralischer Rohstoffe und die damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten;

3. ‚Aufbereiten‘ das trocken und/oder naß durchgeführte Verarbeiten von mineralischen Rohstoffen zu verkaufsfähigen Mineralprodukten mittels physikalischer, physikalisch-chemischer und/oder chemischer Verfahren, insbesondere das Zerkleinern, das Trennen, das Anreichern, das Entwässern (Eindicken, Filtern, Trocknen, Eindampfen), das Stückigmachen (Agglomerieren, Brikettieren, Pelletieren) und das Laugen, sowie die mit den genannten Verfahren zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten;

(...)

16. ‚Gewinnungsberechtigter‘ der Inhaber einer Gewinnungsberechtigung, wenn jedoch die Ausübung der Gewinnungsberechtigung einem anderen überlassen worden ist, dieser;

(...)

20. ‚Bergbauberechtigter‘ der Aufsuchungsberechtigte, der Gewinnungsberechtigte, der Schurfberechtigte, der Bergwerksberechtigte und der Speicherberechtigte;

(...)

Anwendungsbereich

§ 2. (1) Dieses Bundesgesetz gilt

1. für das Aufsuchen und Gewinnen der bergfreien, bundeseigenen und grundeigenen mineralischen Rohstoffe,

2. für das Aufbereiten dieser Rohstoffe, soweit es durch den Bergbauberechtigten in betrieblichem Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Gewinnen erfolgt,

(...)

Bergbauanlagen

§ 118. Unter einer Bergbauanlage ist jedes für sich bestehende, örtlich gebundene und künstlich geschaffene Objekt zu verstehen, das den im § 2 Abs. 1 angeführten Tätigkeiten zu dienen bestimmt ist.

(...)

Übergangsbestimmungen

Bestehende Bergbauberechtigungen und Bewilligungen

§ 197. (...)

(5) Genehmigungen nach dem gewerblichen Betriebsanlagenrecht für nunmehr als Bergbauanlagen geltende Betriebsanlagen und gewerberechtlich erteilte Abbaugenehmigungen bleiben aufrecht, für wesentliche Änderungen (§ 115) gelten jedoch die auf Bergbauanlagen und Gewinnungsbetriebspläne anzuwendenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

(...)“

15 Bei der Beurteilung, ob es sich bei im Zusammenhang mit einer Bergbautätigkeit angefallenen Rückständen um „bergbauliche Abfälle“ handelt, ist zunächst zu beurteilen, ob der Abfallbegriff im Sinne der Abfallrahmenrichtlinie erfüllt ist (vgl. RV 313 BlgNR 24. GP 3).

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt Abfall vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (vgl. , mwN).

17 Abfallbesitzer gemäß § 2 Abs. 6 Z. 1 AWG 2002 ist u.a. jede Person, welche die Abfälle innehat (lit. b). Es reicht somit bereits die Innehabung aus (vgl.  bis 0022, mwN).

18 Auch hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom , Van de Walle u.a., C-1/03, ausgesprochen, dass es hinsichtlich des Besitzers von Abfällen nicht darauf ankommt, ob der Besitzer Eigen- oder Fremdbesitzer ist.

19 Angesichts dieser Rechtsprechung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Inhalt der gemeinsamen Erklärung der mitbeteiligten Partei und der K. GmbH vom , in der diese vereinbaren wollten, dass u.a. der gegenständliche Kieswaschschlamm im Eigentum der mitbeteiligten Partei verbleibt und nicht in das Eigentum der K. GmbH übergeht, für die Beurteilung der gegenständlichen Revision nicht von Bedeutung ist, weil es, wie vom Verwaltungsgericht richtig ausgeführt, nicht auf die Eigentumsverhältnisse, sondern auf die bloße Innehabung des Abfalles ankommt.

20 Das Verwaltungsgericht ging hinsichtlich des Abfallbegriffes weiter davon aus, dass es sich beim Waschschlamm um eine bewegliche Sache handle und der subjektive Abfallbegriff nach § 2 Abs. 1 AWG 2002 erfüllt sei, weil sich die K. GmbH des Waschschlammes entledige, indem sie diesen zurück in die Kiesgrube gebe.

21 Unter Heranziehung des Porr Bau, C-238/21, versucht die mitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung, dieser Beurteilung des Verwaltungsgerichtes zur Verwirklichung des Abfallbegriffes entgegenzutreten und argumentiert, es sei zweifelhaft, ob der subjektive Abfallbegriff erfüllt sei, weil bereits vor der Aushubtätigkeit eine vertragliche Vereinbarung über den Verbleib und die Verwendung des Waschschlammes vorgelegen sei.

22 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die vorliegende Sachverhaltskonstellation betreffend den Waschschlamm von den der Rechtssache Porr Bau zugrundeliegenden Umständen maßgeblich unterscheidet.

23 In Porr Bau lag, wie der EuGH ausführte, bereits vor dem Aushub des im dortigen Ausgangsverfahren in Rede stehenden Materials eine konkrete Anfrage von Dritten in Bezug auf die Lieferung dieses Materials vor. Nachdem geeignete Bauvorhaben gefunden worden waren, wodurch das gewünschte Aushubmaterial verfügbar wurde, führte diese Anfrage zu einer Zusage seitens der Porr Bau GmbH, dieses Aushubmaterial zur Verfügung zu stellen, verbunden mit einer Vereinbarung, nach der dieses Unternehmen mit Hilfe dieses Materials Arbeiten zur Rekultivierung und Verbesserung von ordnungsgemäß bestimmten Böden und landwirtschaftlichen Flächen durchführen sollte (vgl.  Porr Bau, C-238/21, Rn. 49).

24 Gegenständlich wurde zwar - wie auch bei Porr Bau - bereits vor dem Aushub am  ein Vertrag geschlossen. In dessen Punkt III. wurde eine Vereinbarung über die Wiederverfüllung des nicht verwertbaren Abbaumaterials in der Kiesgrube getroffen („Die Abbaufirma darf das nicht verwertbare Abbaumaterial aus der Kiesgrube gebührenfrei in der Aushubdeponie einbringen.“).

25 Diese Vereinbarung ist in ihren Einzelheiten verschieden von der der Entscheidung Porr Bau zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation, denn dort traf die Porr Bau GmbH die Verpflichtung der Zurverfügungstellung des - von Dritten angefragten - Materials und zur Durchführung von Arbeiten zur Rekultivierung von Böden mit eben diesem Material.

26 Anders als in der Entscheidung Porr Bau handelt es sich bei der gegenständlichen Vereinbarung jedoch bloß um eine der K. GmbH von der mitbeteiligten Partei eingeräumte Möglichkeit (arg.: Die Abbaufirma „darf“ das nicht verwertbare Aushubmaterial [...] in der Aushubdeponie einbringen), den Waschschlamm in die Kiesgrube rückzuführen. Nach den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wiedergegebenen Ausführungen des abfalltechnischen Amtssachverständigen stelle die Möglichkeit der Einbringung auch die Entsorgung bzw. Verwertung dar, die für die K. GmbH mit dem geringsten Aufwand und den niedrigsten Kosten verbunden sei.

27 Maßgeblicher Unterschied der gegenständlichen Vereinbarung zu den Umständen in der Rechtssache Porr Bau ist auch, dass schon in Punkt III. der Vereinbarung selbst festgehalten wurde, dass das Material „nicht verwertbar“ sei, wohingegen in Porr Bau das dortige Material für die Rekultivierung von Böden genutzt wurde.

28 Diese vertraglich eingeräumte bloße Möglichkeit der Verbringung des nicht verwertbaren Materials ist sohin - anders als in der Rechtsache C-238/21 - nicht geeignet, Zweifel am Entledigungswillen der K. GmbH aufkommen zu lassen.

29 Für diese Betrachtungsweise spricht umso mehr, dass in Punkt IV. des Vertrages die verpflichtende Zurverfügungstellung des bei den Aushubarbeiten gewonnenen, aber nicht verfahrensgegenständlichen Humus an die mitbeteiligte Partei vereinbart wurde. Eine solche Vereinbarung entspricht weit eher der in Porr Bau zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation als jene betreffend den Waschschlamm.

30 Zusammengefasst ist festzuhalten, dass - wie schon vom Verwaltungsgericht angenommen - der gegenständliche Waschschlamm den subjektiven Abfallbegriff erfüllt.

31 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Stoffe, die unter eine der in § 3 AWG 2002 genannten Ausnahmen fallen, keine Abfälle im Sinne des AWG 2002, mögen sie auch die Tatbestandsmerkmale des Abfallbegriffes des § 2 AWG 2002 erfüllen (vgl. ).

32 Zu diesen Ausnahmen zählen nach der Z 3 des § 3 Abs. 1 AWG 2002 bergbauliche Abfälle. Das sind Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen, Speichern oder Aufbereiten mineralischer Rohstoffe anfallen, sofern diese Tätigkeiten dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen und diese Abfälle innerhalb eines Bergbaubetriebs verwendet oder abgelagert werden; keine bergbaulichen Abfälle sind Abfälle, die nicht direkt auf diese Tätigkeiten zurückzuführen sind.

33 Gemäß § 1 Z 2 MinroG ist der Abbau nur Teil des „Gewinnens“. Der Begriff „Gewinnen“ umfasst alle Tätigkeiten, soweit sie nicht dem „Aufsuchen“ (Z 1: Suche einschließlich vorbereitender Tätigkeiten sowie Erschließen und Untersuchung auf Abbauwürdigkeit) und „Aufbereiten“ (Z 3: Verarbeiten zu verkaufsfähigen Mineralprodukten) zuzurechnen sind (vgl. , mwN).

34 Die Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass die Kiesaufbereitung unter den Begriff des „Gewinnens“ nach § 1 Z 2 MinroG falle, weil es sich bei der gegenständlichen Aufbereitung um „eine damit zusammenhängende begleitende bzw. nachfolgende Tätigkeit zur Kiesgewinnung“ handle, ist schon vor dem Hintergrund des Wortlautes des § 1 Z 2 MinroG nicht haltbar. Denn nach dieser Bestimmung sind nur mit dem „Lösen und Freisetzen (Abbau)“ zusammenhängende begleitende oder nachfolgende Tätigkeiten unter den Begriff des „Gewinnens“ einzuordnen und nicht - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - auch mit dem „Gewinnen“ zusammenhängende begleitende oder nachfolgende Tätigkeiten.

35 Aber auch mit den Gesetzesmaterialen ist die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes nicht in Einklang zu bringen:

36 Nach den Gesetzesmaterialien zur Definition dieses Begriffs fällt beim Untertagbau unter das „Gewinnen“ neben dem Abbau u.a. auch der Transport der gelösten oder freigesetzten mineralischen Rohstoffe zur Aufbereitung oder zur Verladung obertags. Ähnlich gilt dies für den Tagbau (vgl. RV 1428 BlgNR 20. GP 75). In diesem Sinne sind als unter dem Abbau nachfolgende Tätigkeiten, die nach dem Wortlaut des § 1 Z 2 MinroG noch dem Begriff des „Gewinnens“ unterliegen, beim Tagbau exemplarisch die Verbringung der mineralischen Rohstoffe zur Aufbereitung oder der Transport des Abraumes zu nennen (vgl. Mihatsch, MinroG4 [2019] Anm 2 zu § 1).

37 Im vorliegenden Fall komme es nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes erst im Anschluss an den Transport des gewonnenen Materials in die Aufbereitung des Kieswerks zum Wasch- und Sortierprozess, bei dem sich in weiterer Folge in Becken der Waschschlamm absetze.

38 Da die Verbringung der gelösten oder freigesetzten mineralischen Rohstoffe zur Aufbereitung im Tagbau schon eine dem Abbau nachfolgende Tätigkeit darstellt und diese als Schritt vor der darauffolgenden Aufbereitung nur gerade noch unter den Begriff des „Gewinnens“ fällt, lässt sich die Sichtweise des Verwaltungsgerichtes, dass es sich (auch noch) bei der auf den Transport folgenden Aufbereitung um eine „nachfolgende Tätigkeit zur Kiesgewinnung“ handle, nicht mehr mit dem - wenngleich umfassenden - Begriff des „Gewinnens“ im Sinne des § 1 Z 2 MinroG begründen. Der Gesetzgeber hat nämlich in § 1 Z 3 MinroG ausdrücklich den Tatbestand des „Aufbereitens“ vorgesehen, der inhaltsleer wäre, wenn explizite der Gewinnung nachfolgende Aufbereitungstätigkeiten unter das „Gewinnen“ subsumiert werden würden.

39 Dafür, dass die fallgegenständliche Aufbereitung nicht mehr als „Gewinnen“ nach § 1 Z 2 MinroG zu qualifizieren ist, spricht auch der Umstand, dass gemäß den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, die sich mit dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei in der Beschwerde decken, den Tätigkeiten in der Kiesaufbereitungsanlage, bei denen der Waschschlamm anfällt, insbesondere eine - von der gesonderten Abbaugenehmigung vom  verschiedene - Bewilligung nach der Gewerbeordnung aus dem Jahr 1960 zugrunde liegt.

40 Nach dem Vorgesagten liegt im vorliegenden Fall nicht die Tätigkeit des „Gewinnens“ vor, sondern eine Aufbereitungstätigkeit; der verfahrensgegenständliche Abfall (Waschschlamm) fällt - dies ergibt sich aus den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes - unmittelbar beim Aufbereiten mineralischer Rohstoffe an.

41 Um unter die Regelung des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 (und damit aus dem Geltungsbereich des AWG 2002) zu fallen, bedarf es für solche Abfälle bzw. die den Abfall verursachende Aufbereitungstätigkeit aber noch der Erfüllung weiterer Voraussetzungen, die sich aus § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 iVm § 1 Z 3 und § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG ergeben.

Nach § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 müssen

- die Abfälle innerhalb eines Bergbaubetriebes verwendet werden (§ 3 Abs. 1 Z 3 zweiter Satzteil AWG 2002) und

- die Aufbereitungstätigkeit muss dem MinroG unterliegen (§ 3 Abs. 1 Z 3 erster Satzteil AWG 2002).

Damit eine Aufbereitungstätigkeit dem MinroG unterliegt, muss sie

- den Verarbeitungsverfahren des § 1 Z 3 MinroG entsprechen,

- zu einem verkaufsfähigen Mineralprodukt führen (§ 1 Z 3 MinroG) und

- durch den Bergbauberechtigten in betrieblichem Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Gewinnen erfolgen (§ 2 Abs. 1 Z 2 MinroG).

42 Unstrittig ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass die Abfälle zur Verfüllung der beim Kiesabbau entstehenden Geländemulde, somit innerhalb des Bergbaubetriebs, verwendet werden.

Nach der Definition des § 1 Z 3 MinroG umfasst „Aufbereiten“ das Verarbeiten von mineralischen Rohstoffen mittels bestimmter, in dieser Norm näher angeführter technischer Verfahren. Dass beim in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses beschriebenen Wasch- und Sortierprozess eines dieser Verfahren zur Anwendung kommt, ist aufgrund der ausdrücklichen Nennung des „nassen“ Verarbeitens und des „Trennens“ im Gesetzeswortlaut des § 1 Z 3 MinroG nicht zweifelhaft.

43 Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Aufbereitungstätigkeit als Tätigkeit, die dem MinroG unterliegt (§ 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002), bringt der Revisionswerber vor, die Aufbereitungstätigkeit unterliege im gegenständlichen Fall nicht dem MinroG, denn die Aufbereitungsanlage sei nach der Gewerbeordnung bzw. die Absetzbecken nach dem WRG 1959 und dem GNL genehmigt worden und nicht nach dem MinroG.

44 Mit diesem Vorbingen übersieht der Revisionswerber, dass die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 von Tätigkeiten, die „dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegen“ spricht und nicht darauf abstellt, dass für diese Tätigkeiten eine Bewilligung nach dem MinroG erteilt wurde. Auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bewilligung nach dem MinroG (oder auf das Vorliegen von Bewilligungen nach deren Gesetzen) kommt es daher nicht an.

45 Abgesehen davon wäre aus dem Vorliegen dieser Bewilligungen auch keinesfalls der Schluss zulässig, es wäre aus diesem Grund kein Platz für eine Bewilligung nach dem MinroG, gilt doch sowohl im Verhältnis zwischen dem WRG 1959 und dem MinroG als auch zwischen dem GNL und dem MinroG das Kumulationsprinzip (vgl. § 119 Abs. 7 MinroG und die dazu ergangene Rechtsprechung).

46 Hinzuweisen ist auch darauf, dass für die Kiesaufbereitungsanlage eine - allerdings nicht im vom Verwaltungsgericht vorgelegten Akt erliegende - gewerberechtliche Bewilligung vom besteht, die nach § 197 Abs. 5 MinroG ins MinroG übergeleitet worden sein könnte (vgl. dazu ). Möglich wäre fallgegenständlich daher das Vorliegen einer Genehmigung für eine nunmehr als Bergbauanlage geltende Betriebsanlage im Sinne des § 197 Abs. 5 MinroG.

47 Die Aufbereitungstätigkeit muss weiters - nach § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG - durch den Bergbauberechtigten in betrieblichem Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Gewinnen erfolgen.

48 Zuerst ist festzuhalten, dass der Einwand des Revisionswerbers ein „Aufbereiten“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG liege nicht vor, weil die K. GmbH nicht - wie vom Gesetzeswortlaut dieser Bestimmung gefordert - Bergbauberechtigte sei, ins Leere geht. Denn die Definition des „Bergbauberechtigten“ nach § 1 Z 20 MinroG stellt u.a. auf den Begriff des „Gewinnungsberechtigten“ ab und dieser ist nach § 1 Z 16 MinroG als „Inhaber einer Gewinnungsberechtigung, wenn jedoch die Ausübung der Gewinnungsberechtigung einem anderen überlassen worden ist, dieser“ definiert. Die K. GmbH ist durch die Überlassung der Gewinnungsberechtigung durch die mitbeteiligte Partei sohin im Sinne der eben zitierten Norm Gewinnungsberechtigte und in weiterer Folge mit Blick auf die Definition des „Bergbauberechtigten“ nach § 1 Z 20 MinroG und der dortigen Bezugnahme auf den „Gewinnungsberechtigten“ auch Bergbauberechtigte.

49 Darüber hinaus ist das im § 2 Abs. 1 Z 2 MinroG für grundeigene mineralische Rohstoffe geforderte Tatbestandsmerkmal „Aufbereiten“ (§ 1 Z 3) dem Anwendungsbereich des MinroG nur dann zuzuordnen, soweit es durch den Bergbauberechtigten im betrieblichen Zusammenhang mit dem Aufsuchen oder Gewinnen erfolgt (vgl. zur alten, aber insoweit vergleichbaren Rechtslage , oder auch RV 1428 BlgNR 20. GP, 76).

50 Es muss zwischen dem Aufbereiten und dem Aufsuchen und Gewinnen eine enge Verbindung bestehen. Die Gesetzesmaterialien stellen jedenfalls auf einen räumlichen Zusammenhang ab, aber auch auf einen durch betriebliche Einrichtungen (vgl. RV 1428 BlgNR 20. GP, 76).

51 Insoweit ist eine gewisse Nähe zu den Maßstäben des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes zur Bestimmung der Einheit der Betriebsanlage nicht von der Hand zu weisen (vgl. Winkler, Mineralrohstoffrecht, in Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht4 Band 1 [2019], 589). Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 ff GewO 1994 ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden insoweit den Gegenstand der behördlichen Genehmigung nach der GewO 1994, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage (vgl.  bis 0014, mwN; vgl. zu der GewO 1994 vergleichbaren Bestimmungen im MinroG etwa ; , 2011/04/0221).

52 Fallgegenständlich erscheint auch vor dem Hintergrund dieser sinngemäß zu beachtenden Kriterien der sachliche, örtliche und damit der betriebliche Zusammenhang der Kiesaufbereitung mit dem Gewinnungsvorgang des Materials nicht zweifelhaft. Die K. GmbH ist - wie oben dargestellt - als Bergbauberechtigte anzusehen, gewinnt das Material und verarbeitet es in ihrer, in räumlicher Nähe befindlichen Kiesaufbereitungsanlage; schließlich verwendet sie das Material wieder durch Einbringung in den Bergbaubetrieb. Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts kann daher in rechtlicher Hinsicht abgeleitet werden, dass die Kiesaufbereitungsanlage und der dort vorgenommene Aufbereitungsprozess fallbezogen in betrieblichem Zusammenhang mit dem Gewinnen des Materials steht.

53 Darüber hinaus muss aber durch diese Verarbeitung für die Subsumtion unter den Begriff des „Aufbereitens“ nach § 1 Z 3 MinroG ein verkaufsfähiges Produkt entstehen (vgl. idS erneut Winkler, Bergbauanlagenrecht, in Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht4 Band 2 [2019], 1451 oder auch RV 1428 BlgNR 20. GP, 76).

54 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass Kies und Sand in Fraktionen sortiert werde. Der Feinkornanteil des Aushubmaterials werde vom Grobkornanteil getrennt. Der Grobkornanteil stelle das eigentliche Produkt „Kies“ dar. Zur Trennung werde Wasser verwendet.

55 Aus diesen Feststellungen geht aber nicht eindeutig hervor, ob der Kies bereits nach dieser in den Feststellungen beschriebenen Trennung mittels Wasser die vom Markt geforderten Eigenschaften aufweist (vgl. RV 1428 BlgNR 20. GP, 76) oder ob dieser Trennung mittels Wasser noch Verarbeitungsschritte nachfolgen, um zu dem in § 1 Z 3 MinroG geforderten verkaufsfähigen Produkt zu gelangen. Sollten Teile des Aushubes auch in Form von Sand verkauft werden (worauf aber alleine die Begründung des Verwaltungsgerichtes, wonach der Teil des Aushubes in die Geländemulde eingebaut werde, der nicht als „Kies oder Sand“ verwertbar sei, hindeutet), wären derartige Feststellungen auch für dieses Produkt zu treffen.

56 Für den Fall, dass noch Verarbeitungsschritte nachfolgen, müsste es sich bei diesen auch um in § 1 Z 3 MinroG angeführte Verfahren handeln, um unter den Begriff des „Aufbereitens“ im Sinne dieser Bestimmung zu fallen.

57 Im fortgesetzten Verfahren wird das Verwaltungsgericht daher festzustellen haben, ob der Trennung mittels Wasser noch Verarbeitungsschritte nachfolgen, um verkaufsfähige Produkte zu erhalten. Wird dies verneint, führt also der verfahrensgegenständliche Verarbeitungsvorgang bereits zu einem verkaufsfähigen Produkt, wären alle Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 erfüllt. Im gegenteiligen Fall wäre für den Waschschlamm die Ausnahme vom Geltungsbereich des AWG 2002 nicht gegeben.

58 Im Ergebnis belastete das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis wegen dieses sekundären Feststellungsmangels mit - vorrangig aufzugreifender - inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil es infolge einer unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen hat, diese für das Verfahren notwendige Feststellung zu treffen, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AWG 2002
AWG 2002 §2
AWG 2002 §3
AWG 2002 §3 Abs1 Z3
GewO 1994
GewO 1994 §74
GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §§74ff
GewO 1994 §77
MinroG 1999
MinroG 1999 §1 Z16
MinroG 1999 §1 Z2
MinroG 1999 §1 Z20
MinroG 1999 §1 Z3
MinroG 1999 §119 Abs7
MinroG 1999 §2 Abs1 Z2
NatSchG Vlbg 1997
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
WRG 1959
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023070001.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-46747