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VwGH 24.10.2024, Ro 2022/16/0023

VwGH 24.10.2024, Ro 2022/16/0023

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
GrEStG 1987 §1 Abs3
GrEStG 1987 §2 Abs2 Z1
GrEStG 1987 §4 Abs1
VwRallg
RS 1
Der Grundstückswert als Mindestbemessungsrundlage sollte nicht einer bestimmten Kategorie von Grundstücken vorbehalten sein, sondern ganz allgemein - und somit auch für Baurechte - als Mindestbemessungsgrundlage vorgesehen werden (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP 36). Dies gilt umso mehr in jenen Fällen, in denen der Grundstückswert nicht Mindestbemessungsgrundlage ist, sondern die Berechnung der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz GrEStG - etwa wie bei Verwirklichung des Tatbestandes der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG - "immer" vom Grundstückswert zu erfolgen hat, womit dieser Wert den Charakter einer Ersatzbemessungsgrundlage bekommt (vgl. dazu ). Daraus ergibt sich, dass in den in § 4 Abs. 1 GrEStG vorgesehenen Fällen auch beim Erwerb von Baurechten der Grundstückswert als Bemessungsgrundlage herangezogen werden muss.
Normen
BewG 1955 §1 Abs2
BewG 1955 §53 Abs2
GrEStG 1987 §2 Abs2 Z1
GrEStG 1987 §4 Abs1
GrEStG 1987 §4 Abs2
GrEStG 1987 §6
GrWV §2 Abs2
RS 2
Nach § 1 Abs. 2 BewG 1955 gilt der erste Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 (§§ 19 bis 68) nur "nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze" für die Grunderwerbsteuer (vgl. ). Eine solche Regelung enthält § 4 Abs. 1 GrEStG, der nur auf die Bestimmung des § 53 Abs. 2 BewG 1955 verweist (vgl. hingegen § 4 Abs. 2 iVm § 6 GrEStG) - ebenso wenig wie die GrWV -, nicht (vgl. ). (Hier war der Grundwert der verfahrensgegenständlichen Baurechte daher so zu ermitteln, wie er sich aus § 4 Abs. 1 GrEStG iVm § 2 Abs. 2 GrWV ergibt, somit unter Heranziehung der Bodenwerte der belasteten Grundstücke ohne Vornahme einer Aliquotierung [vgl. ]).
Normen
GrWV §1
GrWV §2 Abs3 Z3
RS 3
Weder die ursprünglich geplante (§ 2 Abs. 2 Z 4 GrWV 2016), noch die schlussendlich erlassene (§ 2 Abs. 3 Z 3 GrWV) Kategorisierung der jeweiligen Gebäudetypen enthält nähere Definitionen oder Abgrenzungskriterien zwecks Einstufung einer konkreten Baulichkeit in die vorgesehenen Kategorien. Jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass die Einstufung unter einer bestimmten Kategorie alleine anhand objektiver Merkmale der betreffenden Baulichkeit zu erfolgen hat und diesbezüglich keinerlei Wahlrechte - des Steuerpflichtigen oder der Abgabenbehörde (vgl. demgegenüber § 1 letzter Satz GrWV) - bestehen. Gerade das Fehlen von Abgrenzungskriterien ist ein Indiz dafür, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, die jeweils definierten Kategorien würden einander von vornherein gegenseitig ausschließen. Diese Ansicht findet Bestätigung in der Auflistung der Gebäudekategorien, die jeweils ganz spezifische Fallkonstellationen abbilden.
Normen
BewG 1955 §53 Abs6
GrWV §2 Abs3 Z3 litb
GrWV §2 Abs3 Z3 litc
RS 4
Die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV erfasst bestimmte Gebäudetypen (Fabriksgebäude, Werkstättengebäude und Lagerhäuser), die Teile der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes sind. Auffallend ist dabei, dass trotz offensichtlicher Anlehnung an die Bestimmungen des § 53 Abs. 6 BewG 1955 die an jener Stelle vorgesehene Abgrenzung der lit. d von den lit. e und f nicht in die GrWV übernommen wurde. Dies spricht dafür, dass der Verordnungsgeber die in § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV genannten Gebäudetypen jedenfalls unter dieser Bestimmung erfassen wollte, wenn sie Teil der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes sind, unabhängig davon, ob im konkreten Fall die betreffenden Gebäude aufgrund ihrer bautechnischen Beschaffenheit auch als einfachste Gebäude gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. c GrWV eingestuft werden könnten.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision der B GmbH in W, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/4100642/2018, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine österreichische GmbH, die als Holdinggesellschaft verschiedene Beteiligungen an Gesellschaften aus der Bau-, Baustoffproduktions- und Baustoffhandelsbranche hält, erwarb mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom sämtliche Anteile (100 %) an der in der Baustoffproduktion tätigen X GmbH. Die X GmbH war Baurechtsberechtigte an zwei Grundstücken, auf denen sich die von ihr betriebenen Produktionsstätten (Fabriken) für Baustoffe befanden. Der damit gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigung) verwirklichte Erwerbsvorgang wurde mit Abgabenerklärung vom beim Finanzamt angezeigt.

2 In der Abgabenerklärung wurde der als Bemessungsgrundlage herangezogene Grundstückswert (§ 4 Abs. 1 GrEStG) der Baurechte und Gebäude nach dem Pauschalwertmodell gemäß § 2 der Grundstückswertverordnung (GrWV) ermittelt. Bei der Ermittlung der Grundwerte (§ 2 Abs. 2 GrWV) der Baurechte wurde jeweils der hochgerechnete (anteilige, somit eingeschränkt auf die von den Baurechten umfassten Flächen) dreifache Bodenwert der belasteten Grundstücke im Hinblick auf die (damalige) Restnutzungsdauer der Baurechte gemäß § 56 Abs. 3 Z 1 BewG 1955 aliquotiert und daher nur in Höhe von 80 % angesetzt. Bei der Ermittlung der Gebäudewerte (§ 2 Abs. 3 GrWV) der vorhandenen Gebäude wurde ausgehend von der Bruttogrundrissfläche (§ 2 Abs. 3 Z 1 lit. b GrWV) der jeweilige Baukostenfaktor (§ 2 Abs. 3 Z 2 GrWV) für manche Gebäude gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV (Fabriksgebäude) und für manche Gebäude gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. c GrWV (einfachste Gebäude) angesetzt. Die Summe der so ermittelten Grundstückswerte betrug nach der Abgabenerklärung 2.881.224,09 €.

3 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt - nach Durchführung einer Nachschau gemäß § 144 BAO und unter Verweis auf deren Ergebnisse - gegenüber der Revisionswerberin Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG mit 0,5 % von einer Bemessungsgrundlage (Grundstückswert) von 7.082.051,60 €, somit in Höhe von 35.410,26 € fest.

4 Im Bericht über das Ergebnis der Nachschau vom wurde ausgeführt, die Revisionswerberin habe mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom (Unterfertigung des Closing-Protokolls am ) 100 % der Anteile an der X GmbH erworben. Da die X GmbH Baurechtsberechtigte an näher angeführten Grundstücken, auf denen Produktionswerke betrieben würden, sei, habe die Revisionswerberin mit dem Erwerb der Anteile an der X GmbH den Anteilsvereinigungstatbestand gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht. Die Steuer sei daher vom Grundstückswert der erworbenen Grundstücke (Baurechte) zu berechnen, wobei hinsichtlich der vorhandenen Gebäude bei der Ermittlung der Gebäudewerte gemäß § 2 Abs. 3 Grundstückswertverordnung (GrWV) - abweichend von der eingereichten Abgabenerklärung - der Baukostenfaktor gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV anzusetzen sei (somit in Höhe von 60 % des Baukostenfaktors gemäß § 2 Abs. 3 Z 2 GrWV), weil sämtliche Gebäude dem Produktionsprozess der betriebenen Fabriken zugeordnet seien.

5 In der dagegen erhobenen Beschwerde wendete sich die Revisionswerberin gegen den generellen Ansatz des Baukostenfaktors gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV bei der Ermittlung des Gebäudewertes der erworbenen Gebäude und brachte - unter Verweis auf mehrere beigelegte Gutachten eines Ziviltechnikers - vor, bestimmte näher angeführte Gebäude seien als Kalthallen einzustufen, für die der Baukostenfaktor gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. c GrWV für einfachste Gebäude heranzuziehen sei.

6 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung eines Lokalaugenscheins am Standort einer der beiden verfahrensgegenständlichen Produktionsstätten und einer mündlichen Verhandlung - der Beschwerde teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass es die Grunderwerbsteuer gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 lit. c GrEStG mit 0,5 % von einem Gesamtgrundstückswert von 6.673.225,25 € und somit in Höhe von 33.366,13 € festsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach weiters aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

8 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und (teilweise dislozierter) Feststellung des Sachverhalts im Wesentlichen aus, strittig sei im vorliegenden Verfahren lediglich die Frage, ob für bestimmte Gebäude der Baukostenfaktor in Höhe von 60 % für Fabriksgebäude, Werkstättengebäude und Lagerhäuser oder in Höhe von 25 % für einfachste Gebäude (Kalthallen, Glashäuser, Schrebergartenhäuser) anzusetzen sei.

9 Die verfahrensgegenständlichen Gebäude seien an beiden Produktionsstandorten Werkshallen, in welchen Baustoffe produziert, Materialien verarbeitet und hergestellte Produkte gelagert würden. Damit würden sie den Tatbestand von Fabriksgebäuden, Werkstättengebäuden und Lagerhäusern, die Teil einer wirtschaftlichen Einheit seien, erfüllen. Sie würden einen Teil der wirtschaftlichen Einheit des jeweiligen Fabriksgrundstücks bilden. Dabei sei nicht entscheidend, dass diese Hallen zum Großteil nicht beheizt würden und nicht zur Gänze frostsicher gehalten werden könnten.

10 Die Hallen würden dem Werksbetrieb zweier Produktionsstätten (Fabriken), in welchen Baustoffe in großen Mengen produziert würden, dienen. Es handle sich um Industriehallen einfacherer Bauart, die jedoch Fabriksgebäude, Werkstättengebäude und Lagerhäuser einer Fabrik und eines Industriebetriebes darstellten, und Teil einer wirtschaftlichen Einheit seien. Es treffe zu, dass die Hallen nicht beheizt würden, sie seien jedoch teilweise in Massivbauweise errichtet, sodass auch die Neuerrichtungskosten deutlich höher seien als bei Leichtbauhallen.

11 Hinsichtlich einer näher genannten Halle sei allerdings zu berücksichtigen, dass diese in mehreren Bauphasen in den Jahren 1969 bis 1994 errichtet worden sei, womit eine geänderte Ermittlung des Gebäudewertes gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 GrWV zu erfolgen habe, weil der älteste Bauabschnitt (betreffend eine Fläche von 2.019,61 m2) mehr als 40 Jahren vor dem Erwerbszeitpunkt fertiggestellt worden sei. Damit sei der nach § 2 Abs. 3 Z 2 und 3 GrWV ermittelte Gebäudewert nur im Ausmaß von 30 % anzusetzen, womit der gesamte Gebäudewert dieser Halle anstatt 2.660.767,20 € (wie vom Finanzamt der Festsetzung zugrunde gelegt) lediglich 2.251.940,85 € betrage. Der Gesamtgrundstückswert der erworbenen Grundstücke (Baurechte und Gebäude) vermindere sich somit gegenüber dem angefochtenen Bescheid von 7.082.051,60 € um 408.826,35 € auf nunmehr 6.673.225,25 €.

12 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht mit der fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob bei einem Fabriksgrundstück als wirtschaftliche Einheit der Wertansatz für Fabriksgebäude, Werkstättengebäude und Lagerhäusern, oder der Wertansatz für „einfachste Gebäude“ zur Anwendung gelange.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision erweist sich aufgrund der fehlenden Rechtsprechung zur genannten Rechtsfrage als zulässig und - wenn auch nur im Ergebnis - als begründet.

16 Im vorliegenden Revisionsfall steht außer Streit, dass die Revisionswerberin mit Erwerb sämtlicher Anteile an der X GmbH - von den zwei früheren Gesellschafterinnen, die zu 25 % und 75 % am Stammkapital der X GmbH beteiligt waren - aufgrund des Kauf- und Abtretungsvertrags vom sowie des „Closing“-Protokolls vom den Anteilsvereinigungstatbestand gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 GrEStG verwirklicht hat.

17 Unstrittig ist weiters, dass die dabei angefallene Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz GrEStG - in der im Revisionsfall anwendbaren Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2015 (AbgÄG 2015), BGBl. I Nr. 163 - vom Grundstückswert zu berechnen ist.

18 Strittig ist lediglich die Ermittlung des Grundstückswertes der zum Vermögen der X GmbH gehörenden Grundstücke. Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, hat die Revisionswerberin von der gemäß § 4 Abs. 1 vorletzter Satz GrEStG vorgesehenen Möglichkeit, nachzuweisen, dass der gemeine Wert der genannten - sämtlicher oder nur bestimmter - Grundstücke im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer war als der ermittelte Grundstückswert (diesfalls der nachgewiesene geringere gemeine Wert als Grundstückswert gegolten hätte), nicht Gebrauch gemacht; Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vorliegenden Revision. Damit stellt sich die Frage des gemeinen Wertes der zum Vermögen der X GmbH gehörenden Grundstücke im vorliegenden Revisionsfall nicht.

19 Gemäß § 4 Abs. 1 dritter Satz GrEStG in der obzitierten Fassung ist der Grundstückswert entweder

„- als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 53 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG. 1955, BGBl. Nr. 148/1955 in der jeweils geltenden Fassung, und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes oder

- in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes“

zu berechnen.

20 Gemäß § 4 Abs. 1 vierter Satz GrEStG hat der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler unter Berücksichtigung der Grundsätze einer einfachen und sparsamen Verwaltung durch Verordnung sowohl die näheren Umstände und Modalitäten für die Hochrechnung des Bodenwertes und die Ermittlung des Gebäudewertes als auch den anzuwendenden Immobilienpreisspiegel samt Höhe eines Abschlages festzulegen.

21 Auf Grund dieser Bestimmung wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Festlegung der Ermittlung des Grundstückswertes (GrundstückswertverordnungGrWV), BGBl. II Nr. 442/2015, erlassen.

22 Gemäß § 1 GrWV ist, wenn der Grundstückswert als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwertes gemäß § 53 Abs. 2 erster und zweiter Satz BewG 1955 (Grundwert) und des (anteiligen) Wertes des Gebäudes (Gebäudewert) ermittelt wird, nach § 2 GrWV vorzugehen. Die Ermittlung des Grundstückswertes nach den Bestimmungen des § 2 GrWV wird in der GrWV als Pauschalwertmodell bezeichnet. Wird der Grundstückswert in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Wertes ermittelt, ist nach § 3 vorzugehen. Vorgesehen ist weiters, dass für jede wirtschaftliche Einheit gemäß § 2 BewG 1955 die Ermittlungsmethode frei gewählt werden kann.

23 Verfahrensgegenständlich ist die Ermittlung des Grundstückswertes - der zum Vermögen der X GmbH gehörenden Grundstücke - nach dem Pauschalwertmodell gemäß § 2 GrWV. Eine Ermittlung nach den Bestimmungen des § 3 GrWV anhand eines geeigneten Immobilienpreisspiegels stand schon angesichts der Beschaffenheit der genannten Grundstücke nicht im Raum.

24 Bei den zum Vermögen der X GmbH gehörenden Grundstücken handelt es sich um zwei Baurechte (§ 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG) - die jeweils eine wirtschaftliche Einheit darstellen - samt den gemäß § 6 Abs. 1 Baurechtsgesetz, RGBl. Nr. 86/1912 (BauRG), als Zugehör des jeweiligen Baurechts geltenden Bauwerken.

25 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien zum Steuerreformgesetz 2015/2016 (BGBl. I Nr. 118/2015) - mit dem der Grundstückswert in § 4 Abs. 1 GrEStG als eine für Grunderwerbsteuerzwecke eigenständige Bemessungsgrundlage eingeführt wurde - bereits ausgesprochen hat (vgl. ), sollte der Grundstückswert als Mindestbemessungsrundlage nicht einer bestimmten Kategorie von Grundstücken vorbehalten sein, sondern ganz allgemein - und somit auch für Baurechte - als Mindestbemessungsgrundlage vorgesehen werden (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP 36). Dies gilt umso mehr in jenen Fällen, in denen der Grundstückswert nicht Mindestbemessungsgrundlage ist, sondern die Berechnung der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 1 zweiter Satz GrEStG - etwa wie im vorliegenden Revisionsfall bei Verwirklichung des Tatbestandes der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG - „immer“ vom Grundstückswert zu erfolgen hat, womit dieser Wert den Charakter einer Ersatzbemessungsgrundlage bekommt (vgl. dazu ). Daraus ergibt sich, dass in den in § 4 Abs. 1 GrEStG vorgesehenen Fällen auch beim Erwerb von Baurechten der Grundstückswert als Bemessungsgrundlage herangezogen werden muss.

26 Im vorliegenden Fall wurde - wie bereits dargestellt - bei der Ermittlung der Grundwerte (§ 2 Abs. 2 GrWV) der Baurechte jeweils der hochgerechnete (anteilige, somit eingeschränkt auf die von den Baurechten umfassten Flächen) dreifache Bodenwert der mit den Baurechten belasteten Grundstücke im Hinblick auf die (damalige) Restnutzungsdauer der Baurechte gemäß § 56 Abs. 3 Z 1 BewG 1955 aliquotiert und daher nur in Höhe von 80 % angesetzt.

27 Diese Ermittlungsmethode findet allerdings weder im § 4 Abs. 1 GrEStG, noch in den Bestimmungen der GrWV - die in ihrer im vorliegenden Revisionsfall anwendbaren Stammfassung BGBl. II Nr. 442/2015 keine spezifischen Bestimmungen für die Ermittlung des Grundstückswertes eines Baurechtes (bzw. des mit einem Baurecht belasteten Grundstückes) enthielt (vgl. demgegenüber die mit BGBl. II Nr. 291/2019 neu eingeführte Bestimmung des § 2 Abs. 4 GrWV) - Deckung. Die als Grundlage für die Aliquotierung der gemäß § 2 Abs. 2 GrWV ermittelten Grundwerte der Baurechte herangezogene Bestimmung des § 56 Abs. 3 Z 1 BewG 1955 gehört zum ersten Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 und regelt die Bewertung von Baurechten und sonstigen grundstücksgleichen Rechten im Zusammenhang mit der Ermittlung des Einheitswerts. Nach § 1 Abs. 2 BewG 1955 gilt der erste Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 (§§ 19 bis 68) aber nur „nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze“ für die Grunderwerbsteuer (vgl. ). Eine solche Regelung enthält aber § 4 Abs. 1 GrEStG, der nur auf die Bestimmung des § 53 Abs. 2 BewG 1955 verweist (vgl. hingegen § 4 Abs. 2 iVm § 6 GrEStG) - ebenso wenig wie die GrWV -, nicht (vgl. ).

28 Der Grundwert der verfahrensgegenständlichen Baurechte ist daher - entgegen der Vorgangsweise des Bundesfinanzgerichts - im vorliegenden Revisionsfall so zu ermitteln, wie er sich aus § 4 Abs. 1 GrEStG iVm § 2 Abs. 2 GrWV ergibt, somit unter Heranziehung der Bodenwerte der belasteten Grundstücke ohne Vornahme einer Aliquotierung (vgl. erneut ).

29 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus diesem Grund als rechtswidrig.

30 Zur in der Revision relevierten Frage der Ermittlung der Gebäudewerte für die als Zugehör der Baurechte geltenden Bauwerke ist ergänzend festzuhalten, dass die Modalitäten der Berechnung des Gebäudewertes als Bestandteil des Grundstückswertes bebauter Grundstücke in § 2 Abs. 3 GrWV näher geregelt sind.

31 Gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 GrWV ist dabei zunächst die (anteilige) Nutzfläche (§ 2 Abs. 3 Z 1 lit. a GrWV), bzw. wenn diese nicht bekannt ist, die um 30 % gekürzte (anteilige) Bruttogrundrissfläche (§ 2 Abs. 3 Z 1 lit. b GrWV), mit einem Baukostenfaktor (§ 2 Abs. 3 Z 2 GrWV), der im Ausmaß des § 2 Abs. 3 Z 3 GrWV anzusetzen ist, zu multiplizieren.

32 Der für das jeweilige Bundesland vorgesehene Baukostenfaktor je Quadratmeter ist gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 GrWV je nach Art des betreffenden Bauwerkes in unterschiedlich hohem Ausmaß anzusetzen. Die in § 2 Abs. 3 Z 3 GrWV geregelten Gebäudekategorien lauten wie folgt:

„a)bei Wohnzwecken dienenden Gebäuden, soweit für diese kein Richtwert- oder Kategoriemietzins gemäß § 16 des Mietrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 520/1981 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2014 gilt,100%

b)bei Fabriksgebäuden, Werkstättengebäuden und Lagerhäusern, die Teile der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes sind60%

c)bei einfachsten Gebäuden (z. B. Glashäuser, Kalthallen, Gerätehäuser oder nicht ganzjährig bewohnbare Schrebergartenhäuser) sowie bei behelfsmäßiger Bauweise25%

d) bei allen anderen Gebäuden71,25%“

33 Im Begutachtungsentwurf einer GrWV vom (dort noch als „Grundstückswertverordnung 2016GrWV 2016“ bezeichnet (abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Begut& Dokumentennummer=BEGUT_COO_2026_100_2_1153577)) waren hingegen (in § 2 Abs. 2 Z 4 des Entwurfes) folgende Kategorien vorgesehen:

„a)allgemein100%

b)bei Gebäuden, die der gewerblichen Beherbergung dienen, sowie bei Lagerhäusern71,25%

c)bei Fabriksgebäuden, Werkstättengebäuden und Lagerhäusern, die Teile der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes sind60%

d)bei einfachsten Bauten (z.B. Glashäuser, Ställe, frei stehende Garagen, Gerätehäuser, nicht ganzjährig bewohnbare Schrebergartenhäuser oder offene Hallen) sowie bei behelfsmäßiger Bauweise40%“

34 Diese Kategorisierung war offensichtlich an die Bestimmungen des § 53 Abs. 6 BewG 1955 angelehnt, in dem - für Zwecke der Ermittlung des Gebäudewertes bei zum Grundvermögen gemäß § 51 BewG 1955 gehörenden bebauten Grundstücken - ein je nach Gebäudekategorie unterschiedlich hoher Abschlag für technische Abnützung definiert ist.

35 Nach den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf einer GrWV 2016 (abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Begut& Dokumentennummer=BEGUT_COO_2026_100_2_1153577) wurde in diesem Zusammenhang zunächst festgehalten, der Grundstückswert solle „die Lage des Grundstücks (jeweilige Gemeinde, bei bebauten Grundstücken hinsichtlich der Baukosten das jeweilige Bundesland), die Bauweise und Nutzung des Gebäudes, die Nutzfläche bzw. Bruttogrundfläche und den Erhaltungszustand des Gebäudes“ berücksichtigen. Weiters wurde zu § 2 Abs. 2 Z 3 und 4 GrWV 2016 Folgendes ausgeführt:

„Grundsätzlich soll der volle Baukostenfaktor angesetzt werden. Je nach Bauweise und Nutzung eines Gebäudes (z.B. Fabriksgebäude, Gebäude, die der gewerblichen Beherbergung dienen) sollen verschieden hohe Ansätze der Baukostenfaktoren vorgesehen werden, um die unterschiedlich lange Gesamtnutzungsdauer der jeweiligen Gebäudeart/-verwendung berücksichtigen zu können. So sieht die Verordnung für Gebäude, die der gewerblichen Beherbergung dienen, einen Ansatz des Baukostenfaktors im Ausmaß von 71,25% vor. Bei Fabriks- und Werkstättengebäuden sind die Baukosten mit 60% anzusetzen. Für einfachste Bauten (z.B. Glashäuser, Ställe, frei stehende Garagen und Gerätehäuser, aber auch nicht ganzjährig bewohnbare Schrebergartenhäuser) sowie bei behelfsmäßiger Bauweise sollen 40% des Baukostenfaktors zum Ansatz kommen.“

36 Weder die ursprünglich geplante (§ 2 Abs. 2 Z 4 GrWV 2016), noch die schlussendlich erlassene (§ 2 Abs. 3 Z 3 GrWV) Kategorisierung der jeweiligen Gebäudetypen enthält nähere Definitionen oder Abgrenzungskriterien zwecks Einstufung einer konkreten Baulichkeit in die vorgesehenen Kategorien. Jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass die Einstufung unter einer bestimmten Kategorie alleine anhand objektiver Merkmale der betreffenden Baulichkeit zu erfolgen hat und diesbezüglich keinerlei Wahlrechte - des Steuerpflichtigen oder der Abgabenbehörde (vgl. demgegenüber § 1 letzter Satz GrWV) - bestehen (vgl. Bodis in Arnold/Bodis, GrEStG (18. Lfg.) § 4 Tz 90; ebenso Raab in Pinetz/Schragl/Siller/Stefaner, GrEStG2 § 4 Rz 52).

37 Gerade das Fehlen von Abgrenzungskriterien ist ein Indiz dafür, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, die jeweils definierten Kategorien würden einander von vornherein gegenseitig ausschließen. Diese Ansicht findet Bestätigung in der Auflistung der Gebäudekategorien, die jeweils ganz spezifische Fallkonstellationen abbilden.

38 Dementsprechend erfasst die im Revisionsfall gegenständliche Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV bestimmte Gebäudetypen (Fabriksgebäude, Werkstättengebäude und Lagerhäuser), die Teile der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes sind. Auffallend ist dabei, dass trotz offensichtlicher Anlehnung an die Bestimmungen des § 53 Abs. 6 BewG 1955 die an jener Stelle vorgesehene Abgrenzung der lit. d von den lit. e und f nicht in die GrWV übernommen wurde Auch dies spricht dafür, dass der Verordnungsgeber - entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin - die in § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV genannten Gebäudetypen jedenfalls unter diese Bestimmung erfassen wollte, wenn sie Teil der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes sind, unabhängig davon, ob im konkreten Fall die betreffenden Gebäude aufgrund ihrer bautechnischen Beschaffenheit auch als einfachste Gebäude gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. c GrWV eingestuft werden könnten (vgl. Bodis in Arnold/Bodis, GrEStG (18. Lfg.) § 4 Tz 87).

39 Dass die revisionsgegenständlichen Gebäude Teile der wirtschaftlichen Einheit eines Fabriksgrundstückes seien, wird von der Revisionswerberin ebensowenig bestritten, wie, dass es sich dabei um in § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV genannte, somit um Fabriksgebäude, Werkstättengebäude bzw. Lagerhäuser handle. Gegenteiliges ist für den Verwaltungsgerichtshof anhand der vorliegenden Verwaltungsakten auch nicht erkennbar.

40 Im Ergebnis ist daher dem Bundefinanzgericht insoweit nicht entgegenzutreten, wenn es den Baukostenfaktor der verfahrensgegenständlichen Gebäude gemäß § 2 Abs. 3 Z 3 lit. b GrWV mit 60 % angesetzt hat.

41 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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BewG 1955 §1 Abs2
BewG 1955 §53 Abs2
BewG 1955 §53 Abs6
GrEStG 1987 §1 Abs3
GrEStG 1987 §2 Abs2 Z1
GrEStG 1987 §4 Abs1
GrEStG 1987 §4 Abs2
GrEStG 1987 §6
GrWV §1
GrWV §2 Abs2
GrWV §2 Abs3 Z3
GrWV §2 Abs3 Z3 litb
GrWV §2 Abs3 Z3 litc
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2022160023.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-46743